Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 14. Mai 2002
Inhalt
KOLUMBIEN
GUATEMALA
ARGENTINIEN
CHILE
MEXIKO
BOLIVIEN
PARAGUAY
BRASILIEN
LATEINAMERIKA
KOLUMBIEN
Massaker in Bojayá
(Caracas, 8.Mai 2002, alai-poonal).- Am Donnerstag, den 2. Mai wurde die internationale Gemeinschaft von der Nachricht über ein neues Massaker an Zivilisten in Kolumbien erschüttert. An diesem Tag starben in der nordostkolumbianischen Gemeinde Bojayá im Bezirk Chocó an der Grenze zu Panama 116 Menschen, darunter 46 Kinder, die zusammen mit ihren Eltern in einer Kirche Zuflucht gesucht hatten.
Diese Tragödie war eine Folge des verzweifelten Versuchs der Guerrillaorganisation FARC („Bewaffnete Revolutionäre Kräfte Kolumbiens“), die Zone von den rechtsextremen Paramilitärs zurückzuerobern. Die Gegend hat große strategische Bedeutung, weil sie an Panama grenzt und sowohl vom Pazifik als auch von der Karibik aus leicht zugänglich ist.
Die direkte Schuld am Tod der Zivilisten trägt die FARC, weil sie eine Streubombe abfeuerte, die direkt in die Kirche einschlug, in die sich die Bevölkerung geflüchtet hatte. Der Sprengkörper wurde von den Rebellen abgeschossen, um die in der Siedlung Bojayá verschanzten Paramilitärs zu vertreiben.
Dieser von vielen als verbrecherisch bezeichnete Irrtum verlängert die Kette von Ereignissen, die die kolumbianische Gesellschaft immer tiefer in den schon seit Jahren andauernden Konflikt reißen. Die Regierung beantwortete den Hilferuf der Einwohner, indem sie 4000 Soldaten in das betroffene Gebiet schickte und ungezielt Bomben abwarf.
Die FARC übernahmen in einer öffentlichen Erklärung die Verantwortung für das Massaker, klagte aber die Paramilitärs an, weil sie die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde benutzt hatten. Sie beschuldigten außerdem die Armee, zuzulassen, dass sich die Paramilitärs frei bewegen können. Der Regierung warfen sie vor, diese Zone Kolumbiens völlig sich selbst zu überlassen.
Die ablehnenden Reaktionen ließen nicht auf sich warten. Human Rights Watch hat die Konfliktparteien gebeten, die Zivilbevölkerung zu respektieren und keine Streubomben mehr zu verwenden, die nicht gezielt einsetzbar sind. Die Europäische Union hat dasselbe getan.
Und auch die Kirche im Bezirk Chocó beklagte in einer öffentlichen Erklärung zusammen mit indigenen, bäuerlichen und afro-kolumbianischen Gruppen die jüngsten Ereignisse. Nachdem sie zunächst die historischen Wurzeln des Konflikts benannten, brandmarkten sie die Ereignisse von Anfang Mai und bezeichnen die Konfliktparteien als Verantwortliche.
GUATEMALA
Stiftung Rigoberta Menchu Tum : Todesdrohungen gegen Zeugen
(Guatemala, 8. Mai 2002, cerigua-poonal).- Gustavo Meoño, der Leiter der Stiftung Rigoberta Menchu Tum, verurteilte öffentlich die Todesdrohungen gegen Personen, die Informationen über die Ermordung des Buchhalters dieser Institution Guillermo Ovalle de León, besitzen.
Im Anschluss an dem Gedenkgottesdienst neun Tage nach Ovalles Ermordung am 29. April in einem Restaurant in der Nähe der Stiftung wies Meoño in einer Ansprache auf die Drohungen und Belästigungen hin, denen einige Personen aufgrund ihrer Kenntnisse über das Verbrechen ausgesetzt sind.
An diesem Mittwoch werde die Organisation der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu mit der Überprüfung des Falles beginnen, um dem Ministerium für Öffentlichkeit weitere Elemente zum Tatmotiv zu präsentieren. Sämtliche Indizien, Beweise und Zeugenaussagen, die die Stiftung bis zu diesem Zeitpunkt zusammengetragen hat und die sich in Händen des Ministeriums sowie der Zivilen Nationalpolizei befinden, weisen auf einen politischen Hintergrund des Verbrechens hin, führte der Menschenrechtler aus.
Aus diesem Grund forderte er eine striktere Überwachung der beiden des Mordes Verdächtigten, um deren Sicherheit zu gewährleisten und eine mögliche Flucht zu verhindern. Die für den Fall zuständige Staatsanwältin Marita Juárez erklärte, der bisherige Stand der Untersuchungen erhärte die Theorie eines Raubüberfalls. Sie versicherte jedoch, man werde weiterhin jedem Indiz nachgehen.
ARGENTINIEN
Die Freunde meiner Freunde sind meine Freunde
(Buenos Aires, 5. Mai 2002, recosur-poonal).- Die argentinische Regierung will per Dekret drei Unternehmen anheuern, die Argentinien vor den internationalen Kreditgebern vertreten sollen. Zu dieser Gruppe gehört niemand anders als Henry Kissinger.
Die drei Unternehmen sollen die Regierung darin unterstützen, Verhandlungen mit ausländischen Finanzgebern wie Banken, multilateralen Organisationen, Regierungsinstitutionen sowie Regierung und Geschäftsleute der USA zu führen und dabei die Interessen Argentiniens zu vertreten. Das Dekret 533/02 wurde vom argentinischen Präsidenten Eduardo Duhalde, dem ehemaligen Kabinettsvorsitzenden Milton Capitanich und dem Wirtschaftsminister Jorge Remes Lenicov unterzeichnet.
Direkt nach Veröffentlichung des Dekrets haben Abgeordnete der ARI und der Frente Grande einen Vorschlag zu seiner Abschaffung formuliert und diesen den Kommissionen zukommen lassen. Bis dieser Vorschlag im Kongress diskutiert wird, soll die Diskussion über die Widersprüchlichkeit des Dekrets schon angekurbelt werden. Nach Ansicht der Verfasser ist es unverantwortlich, die Verhandlungen mit internationalen Institutionen über die Auslandsschuld Argentiniens in die Hand von privaten Unternehmen zu legen. Die Kosten für die Regierung seien zu hoch, abgesehen von dem zwiespältigen Image des Personals dieser Firmen.
Die drei Unternehmen sind Baker, Donelson, Berman & Caldwell, eine Gruppe von Lobbyisten, die Argentinien in der Suche nach internationaler Finanzierung unterstützen würden. Covington & Burling soll das Wirtschaftsministerium bei den internationalen Geldgebern vertreten, während Zemi Communications mit der Kommunikation, dem Consulting und klientenorientierten Serviceleistungen beauftragt wird.
Die Forderung nach Aufhebung des Dekrets gründet sich auf drei Punkte: zum einen ist es verfassungswidrig, staatliche Verpflichtungen an den Privatsektor zu delegieren. „Es gefährdet die Souveränität unseres Staates, für die Repräsentation unserer Regierung private Consulting-Unternehmen unter Vertrag zu nehmen“, schreiben die Verfasser des Dokuments. Im zweiten Punkt werden die Kosten für diese Massnahme in Frage gestellt, besonders im Hinblick auf die momentane kritische Situation, in der sich das Land befindet: So soll die Firma Baker, Donelson, Berman & Caldwell $ 22,500 Dollar im ersten Monat in den darauf folgenden elf Monaten $ 15 000 bekommen. Covington & Burling erhalten $ 45.000 im ersten Monat und das restliche Jahr je $ 25.000 pro Monat. Ausserdem taucht im Kostenplan noch das Honorar einer Rechtsanwältin mit $ Dollar die Stunde auf. «Die Frage ist nur was $ bedeutet -handelt es sich dabei um argentinische Pesos oder wohlmöglich um amerikanische Dollars? Das wird aus dem Vertrag leider nicht deutlich» konstatieren die Kritiker zynisch.
Der dritte Pfeiler des Aufhebungsantrags sind die Unternehmen selbst: „die Biographien der Unternehmensmitarbeiter gleichen eher einem Horrorkabinett als einem Lebenslauf: Sie unterhalten Verbindungen mit finsteren Gestalten unserer Geschichte und unserer Gegenwart, die ihnen seinerzeit sicher nützlich waren. Ausserdem haben eine Erfolgsstory, was das Absahnen von Geldern unseres Landes angeht. Das sind die Unternehmen, die all unsere finanziellen Probleme lösen wollen.“, kritisieren die Abgeordneten. So, wie die Ausschreibung von der argentinischen Regierung formuliert worden sei, bliebe allerdings gar nichts anderes übrig, als eben jene Unternehmen zu engagieren.
Diese haben auch international keinen guten Ruf: so macht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Firma Covington & Burling dafür verantwortlich, wissenschaftliche Untersuchungen zu den Folgen des Tabakkonsums verfälscht zu haben. Sie hatten bedeutende Summen an einige Wissenschaftler gezahlt und dann von diesen unterschriebene Dokumente verbreitet, in denen die negativen Effekte des Rauchens abgeschwächt wurden.
Die fragwürdigste Firma ist jedoch die Zemi Communications, die eng mit Henry Kissinger verquickt ist. Dieser hatte zu seiner Zeit als Außenminister in den siebziger Jahren nicht nur den Vietnam-Krieg angeheizt, sondern auch die Diktaturen Lateinamerikas unterstützt. Außerdem ist er in Geschäfte mit dem argentinischen Staat verwickelt, wie im Fall des umstrittenen Staudamms von Yaciretá.
Ermordung eines Führers streikender Dozenten
(Buenos Aires, 5. Mai 2002, comcosur).- In Comodoro Rivadavia wurde Néstor Herrera ermordet. Am Abend fand man den Leichnahm des ermordeten Führers streikender Dozenten in seiner Wohnung. Trotz der Versuche den Vorfall zu vertuschen, begleiteten mehr als 1000 Arbeiter die sterblichen Überreste in einer Art Protestmarsch gegen diesen ungeklärten Mord. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Lehrkräfte in einem bereits 60 Tage andauernden Streik und Herrera in mitten einer Untersuchung über die Ausgabe öffentlicher Gelder. Herrera war Mitglied der Verhandlungskommission und zum Zeitpunkt seines Todes verschwanden sowohl sein persönliches Notizbuch, als auch alle Unterlagen, die im Zusammenhang mit der von ihm gemachten Untersuchung standen.
CHILE
Fall Pinochet: Reste zweier Kinderleichen werden exhumiert
(Montevideo, 27. April 2002, comcosur-poonal).- In versiegelten Transportsärgen wurden die Leichen zweier Kinder im August 1974 ihren Familien überbracht. Dazu lieferten die Überbringer damals die Todesurkunden, die keinerlei Angaben über die Todesursache enthielten. Der Richter des Sondergerichts, Juan Guzmán Tapia, hat nun die Exhumierung der Leichen der von Militärs im Hafen von Coquimbo ermordeten Kinder angeordnet.
Es handelt sich um Christie Bossy, acht Jahre alt, und Rodrigo Javier Palma Moraga, sieben Jahre alt. Sie wurden am 24. Dezember 1973 ermordet, während sie unweit von Zuhause in der Nähe einer Gasleitung spielten, die von einer Patrouille des Regiments „Arica“ bewacht wurde.
Am fünften Juli vergangenen Jahres klagten die Angehörigen der beiden Kinder gegen Pinochet, der möglicherweise diesen Fall zu verantworten hat. Ihr Anwalt Hugo Gutiérrez veranlasste eine Reihe von Massnahmen zur Ermittlung des Verantwortlichen. Unter anderem sollen die Leichen exhuminiert werden, um die genaue Todesursache festzustellen. Ausserdem sollen der damalige Kommandant des Regiments „Arica“ Ariosto Lapostol sowie dessen Gehilfe Leutnant Juan Emilio Cheyre vor Gericht aussagen. Während Lapostol heute seines Dienstes enthoben ist, befindet sich der heutige General Juan Emilio Cheyre seit März des vergangenen Jahres als Chefkommandant an der Spitze des chilenischen Heeres. Mord an Minderjährigen deckt das Amnestie-Gesetz, das sich die Militärdiktatur selbst gegeben hat, nicht ab.
Laut gerichtlichen Quellen hatte Richter Juan Guzmán die Exhumierung der auf dem Friedhof von Coquimbo begrabenen Leiche von Christie Bossy für Ende April und der auf einem Friedhof in Viña del Mar liegenden Leiche von Rodrigo Palma Moraga für die erste Maiwoche angeordnet.
MEXIKO
Wenn die Flüsse kein Wasser mehr führen Knappheit in Grenzregion zu USA sorgt für politische Spannungen
Von Gerold Schmidt
(Mexiko-Stadt, 10. Mai 2002, npl).- Normalerweise werden die Texaner und ihre Vertreter in der US-Regierung beschuldigt, Kriege um Öl zu führen. In den vergangenen Wochen ist in den Medien südlich und nördlich des Grenzflusses Rio Bravo dagegen immer häufiger von einem Wasserkrieg zwischen den USA und Mexiko die Rede. Der Grund: Mexiko hat in den vergangenen vier Jahren etwa 1,7 Milliarden Kubikmeter Wasserschulden gegenüber den USA angesammelt, um die Auswirkungen einer schon zehn Jahre anhaltenden Trockenperiode in seinen nördlichen Bundesstaaten zu lindern
Doch auf der anderen Seite der Grenze leiden besonders die Texaner immer stärker unter dem Wassermangel. Sie verschärfen den Tonfall, um den mexikanischen Nachbarn zu zwingen, die Nass-Schulden zu begleichen. Rick Perry, der republikanische Gouverneur des Bundesstaates Texas schlug Ende April vor, den Mexikanern als ersten Schritt den Finanzhahn für ein Grenzprojekt zuzudrehen. Das hat die Atmosphäre weiter angespannt.
Wasser ist zunehmend Gesprächsgegenstand im Rahmen der Regierungsbeziehungen. Der US-Botschafter in Mexiko, Jeffrey Davidow, sprach jüngst von einem „heißen, aber nicht explosiven Thema“ auf der bilateralen Tagesordnung. Messerscharf erkannte er: „Es gibt nicht mehr so viel Wasser wie früher.“ Einen Wassererlass für Mexiko schließt er jedoch aus.
Hintergrund des aktuellen Problems ist ein internationaler Vertrag von 1944. Unter anderem wird darin die Wasseraufteilung zwischen den USA und Mexiko bezüglich des Colorado River und des Rio Bravo – in den USA heißt er Rio Grande – geregelt. Beide Flüsse entspringen in den USA. Während der Rio Colorado auf mexikanischer Seite in den Golf von Kalifornien mündet, stellt der Rio Bravo von seinem ehemals üppigen Delta an der Atlantikküste bis zu den Städten El Paso (USA) und Ciudad Juarez (Mexiko) eine fast 2000 Kilometer lange natürliche Grenze zwischen Texas und den mexikanischen Bundesstaaten Tamaulipas, Nuevo Leon, Coahuila und Chihuahua dar. Die USA konnten ihre Wasserquote von jährlich 1,85 Milliarden Kubikmetern aus dem Colorado River für Mexiko bisher stets erfüllen. Dagegen gerät Mexiko seit 1992 mit seinen an die USA zu überweisenden Quoten von 432 Millionen Kubikmetern aus dem Rio Bravo immer mehr in Verzug.
„Nicht ein Tropfen mehr“, das ist die Position der mexikanischen Gouverneure in den nördlichen Bundesstaaten. Sinngemäßargumentieren sie, genauso wenig, wie einem nackten Mann etwas aus der Tasche gezogen werden könne, sei es möglich, aus einem immer flacheren Fluss und leeren Stauseen Wasser für die USA abzuzweigen. Zumal vor der eigenen Haustüre wegen der Wasserknappheit Ernten verdorren und Viehbestände zugrunde gehen. Cristobal Jaime Jaquez, Leiter der staatlichen Wasserkommission in Mexiko, meint: „Die extreme Trockenheit verpflichtet dazu, den nationalen Bedürfnissen Vorrang zu geben.“ Und Coahuilas Gouverneur Enrique Martinez brachte in dieser Woche den Vorschlag ein, dem großen Nachbarn im Norden als Entschädigung Geld statt Wasser zufließen zu lassen.
Im Vertrag von 1944 sind sogenannte Wasserzyklen festgelegt, die über einen Zeitraum von fünf Jahren laufen. Der alte Zyklus endet im September diesen Jahres. Theoretisch gibt es für Mexiko die Möglichkeit, die aktuelle Wasserschuld in den Zyklus 2002 bis 2007 hinüber zu ziehen. In der Praxis würde die dann anfallende durchschnittliche Quote von jährlich über 600 Millionen Kubikmetern aus dem Rio Bravo aber noch viel weniger zu erfüllen sein als die heute schon erdrückende Wasserlast von 432 Millionen Kubikmetern.
Die Texaner sind aber weder an einer Geldentschädigung noch an verzögerten Wasserlieferungen interessiert. Sie wollen das immer kostbarer werdende Nass jetzt. Die US-Regierung mit dem Texaner George W. Bush an der Spitze wird daher in den bisher nicht öffentlich gewordenen Verhandlungen nur bedingt Rücksicht auf die mexikanischen Nöte nehmen. Ohne dies offen anzusprechen, haben die USA zudem das Wasser des Colorado River als Faustpfand. Bei steigendem Wasserverbrauch und der Annahme auch zukünftig ausbleibender größerer Niederschlagsmengen im Grenzgebiet sagen die US-Farmer in Kalifornien ebenfalls „nicht einen Tropfen mehr“ – an Mexiko.
Angesichts der Machtverhältnisse und einer gewissen Beflissenheit der mexikanischen Regierung unter Präsident Vicente Fox, es den USA recht zu machen, ist der Ausgang des Konfliktes bei allen trotzigen Tönen südlich des Rio Bravo vorhersehbar. Mexiko wird so viel Wasser wie eben möglich auftreiben müssen, zu Lasten der eigenen Bevölkerung im Grenzgebiet. Die mexikanischen Bauern hoffen unterdessen auf ein Wunder. Ein Zyklon mit seinen Wassermassen könne Abhilfe schaffen und die Wasserschuld in kürzester Zeit begleichen helfen, wird einer von ihnen zitiert. Doch auch er dürfte den Ausspruch kennen: „Armes Mexiko, so weit weg von Gott und so nah an den USA..“
BOLIVIEN
Mehr als 8000 arbeitende Kinder im Land
(La Paz, 3. Mai 2002, recosur-poonal).- Die unsichere finanzielle Situation ihrer Familien ist der Grund dafür, warum sich in Bolivien mehr als 8000 Kinder und Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt betätigen. Nur so können sie überleben und ihre Familien unterstützen. Diese Daten entstammen einer Studie im Rahmen des Programms der Sensibilisierung zur Ausrottung von Kinderarbeit im Bergwerk der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). Die Organisation hat sich mit dieser Kampagne zum Ziel gesetzt, verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen diese Problematik nahezubringen. Die Studie zeigt ebenso, dass die hohe Armutsrate des Landes diese Zahl noch weiter erhöht, da fehlende Information und Ausgrenzung die Kinderarbeit in den Bergwerken auszeichnen und diese nicht einmal die minimalen Anforderungen an Sicherheit und Hygiene erfüllen.
PARAGUAY
Obwohl mehr Einwohner Guaraní als Spanisch sprechen, leben Indígenas im Abseits. Kampf um Land soll Verarmung und Abwanderung aufhalten
Von Mike Ceasar
(Asunción, 5. Mai 2002, npl).- Auf wunderschönen Plakaten oder in Prospekten für Touristen wirbt Paraguay gerne damit, das „Land der Guaraní“ zu sein. Es kostet die Regierung nichts, die Guaraní-Indígenas zum Symbol zu erheben und sich mit dem Hauch des exotischen zu umgeben. Doch das Land im Herzen von Südamerika ist alles andere an „indigen“: Es gibt hier 17 ethnische Gruppen, von denen die Guaraní die größte ist. Sie machen gerade mal zwei Prozent der 5,5 Millionen Bewohner Paraguays aus, und sie sind durchweg verarmt, leben am Rand der Gesellschaft und sind politisch wie wirtschaftlich unsichtbar.
In die Schlagzeilen und damit ins Bewusstsein ihrer Landsleute geraten die Indígenas nur, wenn sie mal wieder Strassen oder brachliegendes Land besetzen, es bei Protesten gegen Landbesitzer zu Toten kommt oder wenn – wie zuletzt im Januar – eine mysteriöse Krankheit sie heimsucht.
Um so erstaunlicher, dass in Paraguay nicht nur die Urbevölkerung die Indígena-Sprache spricht: 87 Prozent der Gesamtbevölkerung spricht Guaraní. Offiziellen Daten von 1992 zufolge ist die Hälfte der Paraguayer zweisprachig, gut ein Drittel spricht nur Guaraní, während lediglich sieben Prozent ausschließlich spanisch sprechen. Obwohl das Guaraní 1967 als Verkehrsprache offiziell anerkannt wurde, wird es kaum an Schulen unterrichtet und gilt nur als Umgangssprache.
Die Bedeutung, die die Guaraní-Indigenas in der Sprachkultur wie auch in der Landesliteratur haben, spiegelt sich überhaupt nicht in ihrer sozialen Lage wider. Die Nachfahren der Urbevölkerung leben in Paraguay genauso wie andere verarmte Bauern oder Landarbeiter: Sie besitzen kaum Land, sind arbeitslos oder zu Hungerlöhnen beschäftigt und fristen ein Dasein ohne ökonomische Perspektiven. Viele wandern vom Land in größere Städte, wo sie zu Bettlern oder Müllsammlern werden. Wer bleibt, versucht bei den großen Landbesitzern Arbeit zu bekommen – oft sind dies Mennoniten, die erst vor einiger Zeit hierher kamen und mit industrieller Agrarwirtschaft reich wurden.
Schutzlos mussten die Gemeinden mit ansehen, wie ihre Ländereien enteignet und entwaldet wurden. „Die Abholzung ist für die Indígenas das Ende der Welt,“ erklärt Rechtsanwalt Tadeo Larrateo, der sie bei Landstreitigkeiten vor Gericht vertritt. „Die bewaldeten Hügel sind ihr Tempel, ihr Zuhause und ihr Supermarkt. Ihnen wird einfach die Lebensgrundlage weggenommen,“ beschwert sich Larrateo. Ein Gesetz von 1981, dass die Landrechte der Indígena-Gemeinden regelt, wurde niemals umgesetzt. Auch die Rückübereignung geraubten Landes, die in der Verfassung von 1992 festgeschrieben wurde, kommt nur sehr schleppend voran.
So bleibt vielen Gemeinden nichts anderen übrig, als um ihr Land zu kämpfen. Zum Beispiel die Enxet-Indígenas, die seit jeher am Ostufer des Paraguay-Flusses siedeln. Bereits seit 1880 wehren sie sich gegen Siedler, die es auf ihr Territorium abgesehen und es sich mit Waffengewalt angeeignet haben. Bald zwölf Jahre prozessieren sie nun um 14.000 Hektar Land, einem Zehntel ihres ursprünglichen Landes. Ihr einziges Druckmittel ist die Besetzung von Land, was immer wieder zu brutalen Räumungen führt.
Ihre Chancen stehen schlecht. Nicht nur, weil die Indígenas traditionell kein Privatbesitz kennen während das Gesetz so etwas wie „Gemeindebesitz“ nicht vorsieht. Seitens des staatlichen Indígena-Instituts INDI kommt auch nicht viel Unterstützung, zumal es seit Jahren in Korruptionsskandalen verstrickt ist. Hinzu kommen auch noch Krankheiten: Rund 80 Prozent der Indígenas in Paraguay leidet an der Chagas-Krankheit, die durch Insekten übertragen wird und tödlich enden kann. Mangels ärztlicher Versorgung gibt es dort auch eine der höchsten TBC-Rate weltweit.
Unterstützer der Indígena-Gemeinden sagen, dass deren Existenz und Kultur vom Aussterben bedroht sind, sollten Auswanderung und Diskriminierung weiter anhalten. Ganz Paraguay würde dann zwar weiter Guaraní sprechen, aber die Guaranís selbst wären verschwunden.
BRASILIEN
Radiosender für öffentliche Schulen in Sao Paulo
(Sao Paulo, 2.Mai 2002, alc-poonal).- Ein gemeinsam von der Universität und der Stadtverwaltung Sao Paulos initiiertes Projekt beabsichtigt, die öffentlichen Schulen der Metropole mit Radioequipment auszustatten. Die Reichweite der Sender soll im Stadtgebiet liegen. Das Projekt ist gedacht als Integrationsinstrument für Schüler*innen, Eltern, LehrerInnnen und Führungskräfte.
„Educom.radio“ ist das erste Projekt dieser Art im Land. Der SchülerInnengemeinschaft soll ein Medium in die Hand gegeben werden, um über die täglichen Probleme, die sie beschäftigen, berichten und diskutieren zu können.
Zur Durchführung des Projektes wurden 520 „educomunicadores“, vor allem Schüler*innen aus Mittel-und Hauptschulen, ausgebildet werden. Diese Personen seien fähig, Bildungs- und Kommunikationskonzepte zu verbinden, berichtet Adriana Imparato, Redakteurin der Zeitschrift Sem Fronteiras.
Insgesamt sieht das Projekt vor, 9100 Personen aus 455 öffentlichen Schulen auszubilden. Bis Dezember 2004 sollen alle beteiligten Schulen mit den notwendigen technischen Geräten ausgestattet werden, um Sendungen in der eigenen Schule produzieren und ausstrahlen zu können.
Jede Schule wird ein Mischpult mit acht Kanälen bekommen, drei Aufnahmegeräte, zehn Lautsprecher und drei Mikrofone, insgesamt im Wert von 8000 Reaies (ungefähr 3.500 Dollar). Der Kostenvoranschlag für das Gesamtprojekt beläuft sich auf neun Millionen Reaies (3,9 Millionen Dollar). An „Educom“ beteiligt sich auch ein von der französischen Regierung unterstütztes städtisches Programm, das gegen Gewalt kämpft.
In der Ausbildungsphase waren 108 Profis beteiligt: Lehrer*innen, Journalist*innen, Radioleute, Student*innen und Kommunikationswissenschaftler*innen verschiedener Institute.
In der zweiten Etappe des Projektes ist vorgesehen, die Radiostudios in den Schulen einzurichten. Einige haben schon ihren Platz „im Äther“, wie zum Beispiel die Grundschule Teodomiro Monteiro do Amaral in Santo Amaro, einem der gewalttätigsten Viertel Sao Paulos.
Regiane Rodrigues, Lehrerin der Schule Teodomiro Monteiro, sagt, dass jetzt schon Ergebnisse zu beobachten seien. “ Die Schüler*innen haben begonnen, genauer auf den Satzbau zu achten. Sie haben ihr portugiesisch verbessert und haben sogar Ratschläge eingeholt über Lektüre, um die Qualität der Radiosendungen zu verbessern“, berichtet Rodrigues.
LATEINAMERIKA
Kolumbien: gefährlichstes Land für Journalisten
(Bogotá, 8.Mai 2002, alc-poonal).- Nach Informationen der Nichtregierungsorganisation „Journalisten gegen Korruption“ ist Kolumbien das Land in Lateinamerika, in dem die Ausübung der Meinungsfreiheit am schwierigsten ist.
Im Jahr 2001 stellte die Organisation 114 Fälle gegenüber der Presse vor, in denen wegen Untersuchungen oder Reportagen zum Thema Korruption Repressalien ausgeübt wurden. In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden schon 57 Fälle registriert. Im letzten Jahr wurden aus oben genannten Gründen sieben Journalisten umgebracht. Im Jahr 2002 verloren zwei Journalisten das Leben.
Die Studie fügt hinzu, dass im Vergleich zum Jahr 2000 ein Rückschritt bezüglich der Pressefreiheit festzustellen sei. Kolumbien sei das gefährlichste Land für das Pressewesen. Täglich würden kolumbianische Journalisten bedroht: von der Guerilla, von Paramilitärs und Drogenhändlern, die neben ihren Komplizen in der Regierung die unabhängige Presse als ein Hindernis für ihre gesetzwidrigen Ziele betrachten.
In Panama werden die meisten Prozesse gegen die Presse geführt. Gegen 90 Journalisten werden Prozesse geführt. Angeklagt sind sie wegen Delikten der Ehrverletzung. Viele von ihnen wurden von Regierungsbeamten angezeigt, weil sie Artikel gegen die Korruption geschrieben haben.
Außerdem wird im panamesischen Parlament ein Gesetz diskutiert, das die Bedingungen für die Ausübung des Pressewesens verändern soll. Dieser Gesetzesentwurf, bekannt unter dem Namen „Ley 114“, fordert von Journalisten einen Universitätsabschluss. Die Verfasser der Studie betrachten diesen Vorschlag als Einschränkung der Berufsfreiheit.
Auch in Venezuela waren im Jahr 2001 im Lauf der politischen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung von Hugo Chávez und den Besitzern der wichtigsten Medien Einschränkungen gegenüber der freien Berufsausübung der Presseleute zu beobachten. Im April diesen Jahre unterstützten die Medienunternehmer den fehlgeschlagenen Putsch gegen Chávez.
In der argentinischen Provinz Mendoza wurde ein von der dortigen Regierung ausgearbeiteter „ethischer Code“ für Journalisten gebilligt, der festschreibt, dass Journalisten ihre Quellen vor Gericht preisgeben müssen.
Dasselbe kann in Bolivien passieren, wenn die Artikel 20 und 25 des Vorentwurfes des Gesetzes zur Reform der politischen Verfassung des Staates durchgehen. In Honduras arbeitet das Parlament an einem neuen Strafgesetzbuch. Der Artikel 161 besagt, dass Journalisten nicht über Geschehnisse berichten dürfen, die von Personen angeklagt werden, wenn die Gerichte den Fall nicht kennen und sich nicht über ihn geäußert hätten
Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V.
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