Alarmstufe rot nach Erdbeben

von El Confidencial

(Managua, 11. April 2014, otramérica).- Die Bilanz des Erdbebens der Stärke 6.2 auf der Richterskala, welches am Nachmittag des 10. April 2014 Nicaragua erschütterte, ist ein Toter, 33 Verletzte und 822 zerstörte Häuser. Das berichtet die Regierung und die First Lady des Landes, Rosario Murillo. Präsident Daniel Ortega zeigte sich erst sechs Stunden nach dem Beben, ohne jedoch zu erklären, wie der Staat den durch das Erdbeben verursachten Schäden gegenübertreten werde. Eine Frau der Gemeinde Nagarote brachte ihre Sorge vor Nachbeben zum Ausdruck. Nagarote im Departement León war die am meisten betroffene Gemeinde, mit 700 ganz oder teilweise zerstörten Häusern und mehr als 17 Verletzten. So die letzte Zählung der Kommunalregierung, welche der Zeitung ‚Confidencial‘ vorliegt.

In dieser Gemeinde sind die durch das Erdbeben verursachten Schäden groß. Eingestürzte Häuser, zersprungene Wände, zerstörte Dächer und Nachbeben, die sich alle acht Minuten wiederholten und die Bevölkerung in Aufruhr versetzten. Letztere befindet sich in Notunterkünften auf der Straße. Überall in der Gemeinde gab es bedrückte Gesichter. Die Kinder schliefen auf dem Pflaster liegenden Matratzen und die Erwachsenen waren stets in Alarmbereitschaft.

Das Viertel Jerónimo López gehört zu den armen Stadtteilen von Nagarote. In diesem Viertel befindet sich auch der ‚Tenampa‘. In dieser Siedlung sind die Häuser mit aus Steinbrüchen abgebauten Steine ohne Stützen aus Eisen errichtet, die dem Erdbeben nichts entgegenzusetzen hatten. Die Bewohner*innen dieser bescheidenen Häuser versammelten sich verschreckt und mussten mit ansehen, wie die letzten noch stehenden Blöcke durch die Stöße des Bebens in sich zusammenfielen. Innerhalb der Wohnräume war alles zerstört: Die Betten, das bescheidene Mobilar, die so begehrten Fernseher vom Schutt begraben.

„Das ist hart, das Haus kostet einen so viel – und dann stürzt es ein“, sagte Julio Soto, während er die Brüche zeigte, die sich durch die Wände seines Hauses ziehen.

Schwere Schäden in den Armenvierteln

Dem letzten Bericht der Gemeindekommission Nagarotes für die Vorbeugung von Naturkatastrophen zufolge gibt es 414 gebrochene Wände, 137 eingestürzte Dächer und 14 eingefallene Mauern. Aber die Zahlen ändern sich ständig. Jhonatan Gutiérrez, Direktor des Projektes der Gemeinde Nagarote, machte eine Bestandsaufnahme der durch die Erschütterungen entstandenen Schäden. Der Beamte, der aufgrund des Stromausfall mit einer Leuchte in der Hand die Häuser in der Dunkelheit untersuchen musste, ging davon aus, dass es in den 36 Wohnvierteln des Ortskerns von Nagarote mindestens 3.000 sowohl leicht als auch schwer beschädigte Häuser gäbe.

Im ‚Tenampa‘ zeigten mehr als fünfzig Frauen, Männer und Kinder den Journalisten Verletzungen, die sie sich beim Einsturz der Wände zugezogen hatten. María Martínez bat die Behörden um Wasser und Nahrung, da der Zugang zu ihren Wohnräumen unmöglich war, abgesehen von der Gefahr, die diese darstellten. Diese Siedlung befindet sich ungefähr in der Mitte der Strecke zwischen Managua und León, mit Blick auf den See Xolotlán. Dort wurde das Epizentrum des Bebens verzeichnet. Im Zentrum von Nagarote waren die Schäden nicht so gravierend wie in den ärmeren Vierteln, aber auch hier waren leichte Schäden zu sehen.

Das Gebäude, welches am meisten in Mitleidenschaft gezogen wurde, war die Kirche des Heiligen Jakobus. Fernando García, Bediensteter der Kirche, versicherte, dass im Inneren eine Säule gebrochen sei. Die äußeren Wände wiesen schwere Schäden auf und starke Risse drohten, den Glockenturm an der Spitze der Kirche zum Einsturz zu bringen.

Die stellvertretende Bürgermeisterin von Nagarote, Mireya Urroz, erklärte, dass Helfer seit 12.00 Uhr mittags dabei gewesen wären, vorbeugende Maßnahmen zu treffen – als die erste Erdbewegung auf eine Welle voller Erdstöße hindeutete.

„Die schwersten Schäden gab es im städtischen Gebiet der Gemeinde. Es ist richtig, dass auch in den ländlichen Gebieten der Gemeinden von gebrochenen Wänden berichtet wurde, aber Anzahl der Schäden in der Stadt sind besonders hoch“, bekräftige die Bürgermeisterin. „Wir werden die am meisten betroffenen Familien wirtschaftlich unterstützen, damit die Wohnungen wiederherstellt werden können. Die Häuser aus Lehm und Stein ohne Träger sind diejenigen, die am häufigsten eingestürzt sind…“, fügte Urroz aus der Einsatzzentrale hinzu, die in einem Not-Zeltlager der Regierungspartei FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional) in Nagarote eingerichtet worden war.

Soldaten machen sich nützlich

Die Kommunalregierung arbeitet mit dem Katastrophenschutz zusammen, ebenso wie mit der nationalen Polizei und der Armee Nicaraguas, welche eine Gruppe in die Gemeinde entsandt hatte, um Hilfe zu leisten. „Die Militärs machen eine Bestandsaufnahme der betroffenen Wohnungen, beseitigen Häuser vom Schutt und bringen die Familien an sicheren Orten unter, da die Erde auch weiterhin bebt“, sagte der Oberstleutnant Gustavo Ramos.

Der Wind, der am Donnerstagnacht in Nagarote wehte, wirbelte eine große Menge des Staubes auf, der entstanden war, als das Erdbeben sämtliche Strukturen beschädigte. Eine weitere Sorge der Bevölkerung war die Angst. „Es war schrecklich. Als die Erde bebte, war es, als hörte man ein Fauchen. Als ich es merkte, sagte ich nur, dass das Blut Christi und die Macht des Herrn uns beschütze, da es aussah, als würde des Haus einstürzen“, so Diamantina López.

Nagarote war in Alarmbereitschaft, als die Beben die Erde verschob und gleichzeitig Einstürze an der Straße verursachte, die Managua mit León verbindet.

Regierungschef empfiehlt Beten

Daniel Ortega zeigte sich sechs Stunden nach dem Beben. In einer nächtlichen Konferenz bat der Kommandant die Bevölkerung Nicaraguas, Gebete zu sprechen. Er gab jedoch keine klaren Anweisungen, wie sich das Land im Falle eines Notstandes zu verhalten habe. „Wir sind gekommen, um Ihnen allen unsere Botschaft voll des tiefen christlichen Glaubens und im Glauben an Gott zu überbringen. Denn jetzt brauchen wir den Glauben an Gott und Christus am meisten, um diese Naturphänomene zu überwinden“, sagte Ortega.

Der Staatschef irrte sich sogar, als er die Alarmstufe angab, in der sich das Land befand. Ob gelb oder rot – nur dank eines seiner Berater erfuhren die Bürger*innen Nicaraguas, dass die Alarmstufe von gelb auf rot übergegangen war. Auch bezog Ortega nicht klar Stellung, wie der Staat mit den durch das Beben entstandenen Schäden umgehen werde.

Die Zeitung ‚Confidencial‘ besuchte auch die Trümmer in Alt-Managua, dem Stadtteil, in dem viele Teile der alten Gebäudeteile in sich zusammenfielen (diese Gebäude wurden nach dem verheerenden Erdbeben 1972 in Managua nie wieder aufgebaut – Anm. der Redaktion). Der Katastrophenschutz sperrte das Gebiet mit gelben Bändern ab und forderte die Bewohner*innen dazu auf, auf der Straße zu schlafen. Nach offiziellen Berichten gehörte das unter dem Namen ‚Calzados California – Kalifornische Schuhwaren‘ bekannte Gebäude zu den letzten, welche evakuiert wurden.

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