Konflikt um Straße durch TIPNIS-Nationalpark geht in neue Runde

(La Paz, 07. Januar 2013, bolpress-poonal).- Die Präsidentin der Obersten Wahlbehörde TSE (Tribunal Supremo Electoral), Vilma Velasco, stellte am 8. Januar einen Bericht über eine Befragung zum umstrittenen Straßenbauprojekt vor, die zwischen dem 29. Juli und dem 7. Dezember 2012 unter den Bewohner*innen der Region des TIPNIS (Territorio Indígena y Parque Nacional Isiboro Sécure) durchgeführt worden war.

Bei der Befragung ging es um den Bau einer 306 Kilometer langen Fernstraße durch den gleichnamigen Nationalpark, der sich im Zentrum Boliviens zwischen den Departments Cochabamba und Beni befindet. Dem Bericht zufolge sprachen sich 58 der 69 Gemeinden für den Bau der Straße aus.

Während einer Veranstaltung sagte Velasco, dass der Bericht das Ergebnis von mehr als fünf Monaten Arbeit sei. Der dreiteilige Bericht besteht aus 740 Seiten. Der erste Teil bezieht sich auf den Kontext der Befragung, der zweite auf die Beobachtungen von Gemeinde zu Gemeinde und der dritte fasst den Prozess der Befragung zusammen.

Straßenbauprojekt war bereits vom Tisch

Ein Teil der in der TIPNIS-Region ansässigen Indígenas lehnt den Bau der Straße ab und hatte deshalb im Herbst 2011 einen Protestmarsch zum Regierungssitz in La Paz organisiert, um den Bau der Straße zu verhindern.

Der Protestmarsch wurde in Chaparina gewaltsam niedergeschlagen (siehe poonal 965), erhielt jedoch viel Unterstützung durch die Bevölkerung woraufhin die Regierung eilig ein Gesetz zum Schutz des TIPNIS verabschiedete. (siehe poonal 967) Präsident Evo Morales erklärte damals, dass es keine Straße durch die Region geben würde.

Befragung von Kokabauern und -bäuerinnen initiiert

Die Kokabauern, die hauptsächlich von dem Straßenbauprojekt profitieren würden, drängten jedoch die Regierung, das Thema Straßenbau erneut auf die parlamentarische Agenda zu setzen und eine Befragung der Indígenas in der Region zu organisieren. Vertreter*innen der Indígenas und ökologischer Gruppen bezeichneten die Abstimmung als manipuliert und stellten die Rechtmäßigkeit des Prozesses infrage. Die Gemeinden, die gegen das Straßenbauprojekt sind, blockierten die Zufahrten zur Region, um die Ankunft von staatlichen Befragungsteams und der Obersten Wahlbehörde zu verhindern.

Der TIPNIS befindet sich auch in der Nähe der Gegend, in der die Verbände der Kokabauern und –bäuerinnen ansässig sind, deren wichtigster Vorsitzender Morales ist. Vor etwa zwei Monaten, das heißt noch vor dem Bekannt werden der Ergebnisse der Befragung, hatte die Regierung bereits zwei Unternehmen mit dem Bau der umstrittenen Straße beauftragt.

Mögliche Gesetzesänderung in der Kritik

Die Legitimierung der Befragung durch die Wahlbehörde bedeutet nun grünes Licht für die Änderung des Gesetzes Nr. 180 im Abgeordnetenhaus, mit dem die Unantastbarkeit des TIPNIS festgeschrieben worden war. Die Gegner*innen des Straßenbauprojekts und Umweltaktivist*innen haben jedoch bereits weiteren Widerstand angekündigt.

Nach Aussagen von Vertreter*innen der Indígenas, die sich gegen den Straßenbau stemmen, habe die Regierung eine Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht eingehalten, die verlangt, dass vor der Umsetzung zuerst eine Übereinkunft zu dem Projekt erzielt werden muss.
 

Weiterlesen:

Die Pacha Mama melken | von Thilo F. Papacek | ln 459/460 – September/Oktober 2012

 

Der Verfall einer Familie | von Börries Nehe | ln 456 – Juni 2012

 

Wie antastbar ist unantastbar? von Börries Nehe | ln 450 – Dezember 2011

 

 

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