Wahlen in El Salvador – Matchball FMLN?

von Markus Plate

(San José, 30. Januar 2014, voces nuestras).- Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen am 2. Februar scheint sich in El Salvador die regierende, linke FMLN von der politischen Konkurrenz abzusetzen. Nach einer Umfrage, durchgeführt von der Zentralamerikanischen Universität UCA (Universidad Centroamericana), ist sogar ein Sieg des FMLN-Kandidaten Salvador Sánchez Cerén in der ersten Runde im Bereich des Möglichen.

Umfragen sehen FMLN-Kandidaten vorn

Die UCA sieht den 69-jährigen, gegenwärtigen Vizepräsidenten bei knapp 47 Prozent, deutliche 14 Prozentpunkte vor Norman Quijano, dem Kandidaten der rechten Nationalistisch-Republikanischen Allianz ARENA (Alianza Republicana Nacionalista). Der ursprünglich als Mitfavorit gehandelte Ex-Präsident Tony Saca von der Partei Bewegung zur Einheit (Movimiento de UNIDAD) kann sich bei Umfragewerten um 15 Prozent hingegen kaum noch Chancen ausrechnen.

Für einen Sieg in der ersten Runde müsste Sánchez Cerén mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen auf sich vereinigen. Allerdings existieren auch für die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí FMLN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) weniger freundliche Erhebungen, nach denen der Vorsprung der FMLN nur zwischen einem und acht Prozentpunkten liegt. Für den Fall, dass es für die FMLN nicht reicht, ist die Stichwahl für den 9. März terminiert.

Korruptionsvorwürfe und lancierte Skandale

Der Wahlkampf ist in der letzten Woche spürbar in die heiße Phase eingetreten. Die Kandidaten und Parteien überbieten sich mit Korruptionsvorwürfen und lancieren Skandale, in die der politische Gegner angeblich verstrickt ist.

Vor allem die ARENA-Partei hat angesichts sinkender Umfragewerte den Holzhammer ausgepackt: Zwei Parlamentsabgeordnete beschuldigten Präsident Mauricio Funes, vor zwei Jahren den Maras, den vor allem in El Salvador, Guatemala und Honduras aktiven, gewalttätigen Banden, Geld bezahlt zu haben, damit diese im Gegenzug die Gewalt einschränkten. Die Maras Salvatrucha und Barrio 18 hatten im März 2012 eine Waffenruhe verkündet. Dadurch gelang es in El Salvador, einem der gewalttätigsten Länder der Welt, die Mordrate von über 4.000 (2011) auf unter 2.500 Morden pro Jahr (2013) zu drücken.

Vorwurf der erkauften Sicherheit an die FMLN

Zur Untermauerung des Vorwurfs einer “erkauften Sicherheit” präsentierten die Abgeordneten Aufnahmen, die direkt aus dem Büro der Staatsanwaltschaft stammen und angeblich gehackt worden waren. Die Staatsanwaltschaft hingegen spricht von einem Insider, der Material aus der Behörde geschleust habe. Sie hält zwar das veröffentlichte Material an sich nicht für sonderlich brisant, dafür aber die undichte Stelle und leitete eine Untersuchung wegen Weitergabe interner, Informant*innen gefährdender Informationen ein.

Funes regierte mit einer Pressekonferenz und einer landesweiten Fernsehansprache, in der er den Vorwurf angeblicher Zahlungen an Bandenmitglieder oder ihnen nahe stehende Personen in aller Schärfe zurückwies. Im gleichen Atemzug beschuldigte er ARENA, über geheime Mordkommandos zu verfügen, die vor den Wahlen ein Klima der Unsicherheit erzeugen und ein Hochschnellen der Mordraten sicherstellen sollen. Hauptpfeiler der ARENA-Kampagne sind die öffentliche Sicherheit und die Verbrechensbekämpfung.

Quijano verspricht Politik der harten Hand

ARENA-Kandidat Norman Quijano verspricht, alles dafür zu tun, um die Banden zu besiegen. Dazu gehört dann auch die Militarisierung der Gesellschaft. Doch die Kampagne, einerseits Angst zu schüren und andererseits eine harte Hand zu versprechen, scheint nur bedingt zu ziehen, glaubt man den jüngsten Meinungsumfragen.

Denn, auch wenn die Mordrate hoch bleibt und die salvadorianischen Massenmedien weiterhin geschundene Leichen präsentieren und Erfolge in der Sicherheitspolitik ignorieren, scheint eine Mehrheit der Salvadoraner*innen anzuerkennen, dass sich unter der FMLN etwas zum Besseren gewendet hat.

ARENA-Berater kann Verbleib von 10 Mio. US-Dollar Spende nicht belegen

ARENA und ihr Kandidat Quijano müssen sich dagegen seit Monaten mit einer Affäre herumschlagen, die just vor der Wahl ins Peinliche abgleitet: Ex-Präsident Francisco Flores (1999-2004) wurde in diesen Tagen vor eine parlamentarische Untersuchungskommission zitiert, um dort zu erklären, was aus den mehr als 10 Millionen US-Dollar geworden ist, die Taiwan dem Land im Jahr 2003 gespendet hatte, für deren Verbleib es aber keine Belege gibt.

Am Montag hatte sich Flores auf Grund eines angeblichen Auslandsaufenthalts bei der Kommission entschuldigen lassen und wurde zwei Stunden später beim Versuch, heimlich nach Guatemala auszureisen, von Zollbeamten entdeckt.

Matchball FMLN?

Flores ist aktuell der wichtigste Berater in der Wahlkampagne Quijanos. Das Verhalten dieses starken Mannes der Rechtspartei wird nun nicht nur von Regierungsseite heftig kritisiert. Auch das Lager des aktuell drittplazierten Präsidentschaftskandidaten, Tony Saca, reagiert zunehmend mit Kopfschütteln.

So könnte aus der Affäre Flores ein Matchball für die FMLN werden. Sollte es in El Salvador zu einer Stichwahl zwischen FMLN und ARENA kommen, hängt viel davon ab, wie die Anhänger*innen eines dann ausgeschiedenen Tony Saca (Movimiento de UNIDAD) votieren.

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