Mordrate sinkt, Gewalt hält an

von Natasha Pitts

(Fortaleza, 16. September 2014, adital).- Nach zweijähriger Recherche veröffentlichte das Universitätsinstitut für Öffentliche Meinung Iudop (Instituto Universitario de Opinión Pública) in El Salvador den Bericht “Zur Lage der Sicherheit und Gerechtigkeit 2009-2014: Zwischen Hoffnung auf Wandel, einer harten militärischen Hand und Waffenstillstand zwischen den Banden”. Das Hauptziel des Dokuments ist es, zu einer kritischen Analyse der Sicherheitspolitik und Strategie der Regierung des Präsidenten Mauricio Funes beizutragen, sowie der neuen salvadorianischen Regierung Empfehlungen nahe zu legen.

Deutlicher Rückgang gewalttätiger Todesfälle

Das erste Kapitel untersucht die Häufigkeit von vorsätzlichem Mord, Tötung aufgrund von Verkehrsunfällen, das Verschwinden von Personen in der Zeit nach dem Krieg und Anzeigen über sexuelle Delikte und innerfamiliäre Gewalt, sowie weitere Straftaten gegen Leben und Eigentum.

Die gewonnenen offiziellen Daten weisen daraufhin, dass zwischen 1990 und 2013 in El Salvador etwas mehr als 73.000 Personen ermordet wurden. Diese Ziffer, die den Opferzahlen des internen bewaffneten Konflikts (1980-1991) nahekommt, zeigt, dass tödliche Gewalt auch nach dem Krieg eine andauernde Herausforderung darstellt. Die Daten der vergangenen Jahre zeigen jedoch einen bedeutenden Rückgang der gewalttätigen Todesfälle. Das Iudop betont, dass dies auf den “Waffenstillstand zwischen den Mara-Banden” zurückzuführen sei, der während der Regierung Funes geschlossen wurde. Zwischen 2009 und 2013 sei die Zahl der gewalttätigen Todesfälle von 71,2 auf 39,7 pro 100.000 Einwohner*innen zurückgegangen; “ein bislang einzigartiges Phänomen in der Geschichte des Landes”, wie der Bericht nahelegt.

Mordrate sinkt, Verbrechen gehen weiter

Weiter heißt es in dem Bericht, dass in 70 Prozent der Mordfälle Schusswaffen im Einsatz seien und junge Männer weiterhin die häufigsten Opfer darstellen. Diese Tendenz ist jedoch in einem Wandel inbegriffen, da die Mordrate an Frauen im vergangenen Jahrzehnt spürbar zugenommen hat. Zwischen 2003 und 2011 stieg diese Zahl von 7,4 auf 19,1 Tote pro 100.000 Frauen. Diese Rate ist eine der höchsten weltweit.

Trotz des Rückgangs der Mordfälle wird in dem Bericht betont, dass Erscheinungen wie das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen, sexuelle Gewalt, Verletzungen, Drohungen, innerfamiliäre Gewalt, Erpressung und zwangsweise Umsiedlungen innerhalb des Landes auch weiterhin einen Großteil der salvadorianischen Bevölkerung betreffen, vor allem die sozial am stärksten benachteiligten Gruppen.

Funktionsweise des Justizsystems in Frage gestellt

Ein weiteres Kapitel der Studie ist der Funktionsweise des Justizverwaltungssystems gewidmet. Dabei wird deutlich, wie begrenzt die Wirksamkeit der Institutionen ist, welche die Gerechtigkeit im Land fördern sollen. Laut offiziellen Zahlen sind von 2006 bis 2009 mehr als 80 Prozent der Fälle, die der Generalstaatsanwaltschaft der Republik vorgelegten wurden, von der Behörde ad acta gelegt worden. Eine weitere beunruhigende Tatsache ist die hohe Zahl von Fällen, die zwar in das Justizsystem gelangen, aber ohne ein Urteil enden, welches die Verantwortlichen für die untersuchten Taten benannte hätte. Im Jahr 2009 hatten mehr als 70 Prozent der Fälle diesen Ausgang genommen, was in Frage stellt, welche “Ermittlungskapazität die Verantwortlichen haben und insbesondere, welche Rolle die Anwaltschaft in der Leitung der Strafverfolgung spielt.”

Im Hinblick auf die Fortschritte und Rückschritte des Landes im Zusammenhang mit der Sicherheitspolitik während der Regierung Funes deutet die Studie auf eine abrupte Kehrtwende hin. In den ersten Jahren der Regierung waren Fortschritte in der Ausgestaltung der Politik für Justiz, Sicherheit und Zusammenleben sichtbar – sie enthielt strategische Punkte, wie etwa die Professionalisierung der Nationalen Zivilpolizei (Policía Nacional Civil) und die Wiederaufnahme der zivilen und demokratischen Polizeidoktrin. Allerdings kam es bei dem zunächst geplanten Ansatz zu einem plötzlichen Wandel, bei dem die Regierung begann, konjunkturelle Maßnahmen mit medialem Charakter zu ergreifen, wie etwa die Aufstockung der militärischen Truppen im Sicherheitsbereich um 235 Prozent.

Empfehlungen an die neue Regierung

Die Studie endet mit einer Reihe von Empfehlungen, worunter folgende besonders betont werden: die Umsetzung der Politik für Justiz, Sicherheit und Zusammenleben; die Durchführung institutioneller Reformen, welche die Errichtung eines gemeinsam funktionierenden Systems zwischen den verantwortlichen Behörden für die Verfolgung und Ermittlung von Straftaten sowie für deren Sanktionierung zum Ziel haben soll; die Koordinierung eines einheitlichen Systems strafrechtlicher Statistiken zur Aufbereitung offizieller Daten; der Ausbau des bereits unter Gefängnisinsassen begonnenen Einsatzes von Programmen zur sozialen Wiedereingliederung; und schliesslich die institutionelle Entwicklung eines Modells für eine kommunitäre Polizei.

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