(Berlin, 04.09.21, pressenza).- Im Interview mit Reto Thumiger spricht Raina Zimmering, Historikerin, Politologin, Soziologin und Lateinamerikanistin, über die bevorstehende Konferenz „Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik“.
Pressenza: Wenn COVID-19 Platz in der öffentlichen Aufmerksamkeit lässt, dann richtet sich der Blick, wenn es um Frieden um Militarismus geht, nach Osten und nicht in den Westen auf Lateinamerika und die Karibik. Warum ist die Konferenz „Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik“ wichtig und warum findet sie in Deutschland, in Frankfurt a.M. statt?
Raina Zimmering: Die Konferenz „Militarismus und Frieden in Lateinamerika“ findet vom 23. bis 24. Oktober in Frankfurt a.M. statt und wird vom International Peace Bureau (IPB), dem „Netzwerk Kuba – Informationsbüro – e.V. Deutschland“, der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft (ÖKG) und der Vereinigung Schweiz-Cuba (VSC) organisiert. Eine Reihe anderer Organisationen und Institutionen wie die Rosa Luxemburg-Stiftung, Transform Österreich, EcoMujer e.V., die Friedens- und Zukunftswerkstatt Frankfurt a.M., die Gesellschaft für Frieden und internationale Solidarität (GeFiS), das Netzwerk InterRed Cooperación e.V., das internationale Netzwerk „No to war – no to NATO“, Unidas por la Paz / Defendamos la Paz Internacional und das WeltTrends-Institut für Internationale Politik in Potsdam unterstützen diese Konferenz. Referent*innen aus Lateinamerika und der Karibik, Österreich und Deutschland werden sich an der Konferenz beteiligen. Ein Netzwerk internationaler Organisationen, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen will Aufklärungsarbeit über eine Teilregion der Militarisierung in der Welt und deren Friedenspotential leisten und verantwortliche gesellschaftliche und politische Akteure in Deutschland, Europa und Lateinamerika zum Handeln motivieren und zum Nachdenken anregen.
Die Motivation für die Konferenz: Lateinamerika und die Karibik sind Teil des internationalen Trends zur Aufrüstung, Militarisierung und Militarismus, aber auch Initiator von Friedensinitiativen, die zur friedlichen Konfliktverregelung und Eindämmung der Militarisierung auf dem Kontinent und in der ganzen Welt beitragen.
Aufgrund der Fokussierung auf den konfliktiven Aktivismus der USA gegen Russland und China, das Wettrüsten zwischen den Großmächten und die Gefahr eines großen internationalen Konflikts fand Lateinamerika in den Debatten um Militarisierung und Frieden in den letzten Jahren unseres Meinung nach zu wenig Beachtung. Doch gerade der globale Süden, zu dem auch Lateinamerika und die Karibik gehören, leidet unter der Militarisierung. In erster Linie sind Morde, das Verschwindenlassen, Folter, illegale Verhaftungen, Hungersnöte und eine permanente Beeinträchtigung des Alltags unter der einheimischen Bevölkerung das Ergebnis dieser Militarisierung. Die Corona-Krise hat diesen Trend noch einmal besonders verstärkt, da das Militär in zunehmendem Maße in die staatliche Corona-Politik direkt eingebunden wird und sich zivile mit militärischer Sicherheit vermischen.
Die weltweite Militarisierung ist Folge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaften, des Handlungsverlusts internationaler Frieden schaffender Organisationen, der Aufweichung internationaler Sicherheitsregime und von Umweltkatastrophen, was zum Anwachsen regionaler Kriege, einem exponentiell steigenden Waffenhandel, der Privatisierung von Gewaltstrukturen und Gewaltakteuren, zu riesigen Migrationsbewegungen und zu einer generellen Destabilisierung der Gesellschaften führt. Weiterhin trägt die Ausbreitung des organisierten Verbrechens, des Drogenhandels und extremistischer religiöser Bewegungen zu einer Militarisierung der Gesellschaften bei. Progressive Staaten und antikapitalistische, antiimperialistische, antipatriarchalische und emanzipatorische Bewegungen werden oft von innen und außen mit militärischer Gewalt bekämpft. Regierungen, die sich dem Westen widersetzen, geraten in den Fokus von Regime-Change-Politiken der USA und der EU, die verheerende humanitäre Folgen haben und wiederum zu bewaffneten Konflikten führen. In Lateinamerika und der Karibik wirken all diese Phänomene und entwickeln sich zu einem explosiven Gemisch. Die geostrategische Abhängigkeit Lateinamerikas und der Karibik von den USA und der EU ist bei der Militarisierung ein Katalysator, denkt man an die aggressive kontinentale Sicherheitsstrategie der USA, die Militärstützpunkte der USA und europäischer Staaten, die Ausbildung lateinamerikanischer Militärs durch das US-Militär und die Geheimdienste, gemeinsame Manöver und die Einbeziehung verschiedener Länder in die NATO.
Deutschland als wichtiges NATO-Land hat viel mit dieser Entwicklung zu tun. Es könnte auf die zunehmende Militarisierung in Lateinamerika und der Karibik durch internationale Verträge und Verhandlungsinitiativen neutralisierend wirken, doch verstärkt es die Militarisierung auf dem Kontinent durch eine Ausweitung des Waffenhandels und Sicherheitsabkommen wie im Falle Mexikos, dessen Polizei gegen soziale Proteste gewaltsam vorgeht und dessen Sicherheitskräfte oftmals korrupt sind und mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeiten. Die illegalen Waffenlieferungen von Heckler&Koch im Fall der getöteten und verschwundenen Studierenden von Ayotzinapa in Mexiko von 2014, wofür das Unternehmen vor einem deutschen Gericht verurteilt wurde, ist eines der traurigsten Beispiele für diese Entwicklung. Auch beteiligen sich große deutsche Unternehmen mit Staatsbeteiligungen wie die Deutsche Bahn, VW, Bayer/Monsanto und Siemens an zahlreichen neoliberalen Mega-Projekten in Lateinamerika und der Karibik. Ein Beispiel ist der „Tren Maya“ in Mexiko, bei dem es zu Umweltvernichtung und der Vertreibung der indigenen Bevölkerung kommt, was durch das mexikanische Militär abgesichert wird. Die deutschen Unternehmen arbeiten hier mit dem Militär Hand in Hand. Bei Megaprojekten kam es immer wieder zur Ermordung von Aktivist*innen wie im Falle der Umweltaktivistin Berta Cáceres bei einem Staudammprojekt in Honduras, an dem auch deutsche Firmen beteiligt waren. Somit ist Deutschland indirekt für die Ermordung und das Verschwindenlassen von Aktivist*innen in Lateinamerika verantwortlich. Wegen all‘ dieser Aspekte und deren Verschweigen in Deutschland sind wir der Meinung, dass eine Konferenz zu „Militarismus und Frieden in Lateinamerika“ gerade in Deutschland stattfinden sollte.
Was sind Schwerpunktthemen der Konferenz, welches sind die Ziele und Bestrebungen?
Die Schwerpunkte der Konferenz ergeben sich aus den oben genannten Motivationen für die Konferenz vom 23. und 24. Oktober in Frankfurt a.M. Wir skizzieren in einem ersten Teil der Konferenz die Kontexte, die die Militarisierung in Lateinamerika vorantreiben und nennen besonders gravierende Problempunkte. Als besonders gravierend sehen wir die Partnerschaftsabkommen von Ländern wie Kolumbien mit der NATO und den Ausbau der Militärbasen der USA, Großbritanniens und der Niederlande in einer Reihe von lateinamerikanischen Staaten und der Karibik wie z.B. in Kolumbien oder in Guantánamo auf Kuba. Auch die gemeinsame Manövertätigkeit von US-amerikanischen und lateinamerikanischen Militärs ist besorgniserregend. Die Sanktions- und Blockadepolitik der westlichen Staaten gegenüber Venezuela und Kuba, an der auch Deutschland teilhat, birgt permanent die Gefahr eines bewaffneten Konflikts. So widmen sich die Referent*innen wie der renommierte österreichische Politikwissenschaftler und Aktivist Leo Gabriel, der kubanische Historiker Alberto Prieto Pozos und die Bundestagabgeordnete der deutschen Linkspartei Heike Hänsel den historischen und politisch-strategischen Kontexten des Militarismus und Friedens in Lateinamerika und der Karibik. Dabei wird der Rolle der USA und der NATObei Konfliktherden wie Kolumbien und Venezuela besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ich selbst beschäftige mich mit Mexiko als Beispiel für die Militarisierung nach innen, die eben von außen durch deutsche und US-amerikanische Waffenlieferungen und Sicherheitskooperationen befeuert wird. In Arbeitsgruppen werden diese Themen am Nachmittag weiter vertieft. Am Abend wird die Generalsekretärin des Foro São Paulo Monica Valente einen Vortrag zum Thema „Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik“ halten.
In einem zweiten Teil der Konferenz gehen wir auf die Friedensinitiativen lateinamerikanischer Staaten, wie z.B. die seit 54 Jahren bestehende „Kernwaffenfreie Zone“ durch den Vertrag von Tlatelolco, sowie die Proklamation Lateinamerikas und der Karibik zu einer Zone des Friedens durch den CELAC-Gipfel im Januar 2014 in Havanna, und progressive gesellschaftliche Perspektiven auf dem Kontinent ein, die eine Initialwirkung für einen Abbau des Militarismus und die Förderung des Friedens ausüben. Wir schlagen damit einen Bogen zwischen progressiven Entwicklungen in Lateinamerika und einer friedlichen Innen- und Außenpolitik. Zu dem Thema des Zusammenhangs zwischen Befreiungsbewegungen und Frieden sollen Subcomandante Galeano von der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und die in Venezuela lebende kolumbianische Journalistin Julieta Daza sprechen. Die Ärztin Dr. Ruth Kries analysiert die Verfassungsdebatte in Chile und ihre Frieden fördernde Wirkung. Über die europäische Debatte zu Frieden und Gerechtigkeit in Lateinamerika wird Reiner Braun vom International Peace Bureau (IPB) referieren. Auch diese Themen werden wieder am Nachmittag in Arbeitsgruppen vertieft und weiter diskutiert.
Nachdem viele gesellschaftliche Entwicklungen durch rechts-populistische und neoliberale Regierungen in den letzten Jahren zunichte gemacht wurden, zeichnet sich mehrheitlich eine progressive Wende auf dem Kontinent ab. Ist diese Wende in Gefahr und wo liegt der Zusammenhang zur Friedenspolitik?
Wir sehen durchaus eine progressive Wende in Lateinamerika, die durch den Sieg einer Reihe von progressiven linken Präsidentschaftskandidaten wie Alberto Fernández in Argentinien, Luis Arce in Bolivien, Pedro Castillo in Peru, Carlos Quesada in Costa Rica und teilweise von López Obrador in Mexiko, die linke Ausrichtung des verfassungsgebenden Prozesses in Chile, durch die Freilassung des ehemaligen Mitte-Links-Präsidenten Lula in Brasilien und seine Teilnahme am Wahlkampf und durch eine umfassenden Protestwelle gegen die im Gefolge der Corona-Krise um sich greifende Armut, Gewalt, insbesondere gegen Frauen, und gegen die neoliberalen und korrupten Politiken rechter Regierungen in jüngster Zeit sichtbar wurde. Beispiele sind die Massenproteste gegen die autoritäre und menschenverachtende brasilianische Regierung unter Jair Bolsonaro, gegen die korrupte Regierung von Iván Duque in Kolumbien und in Chile gegen Sebastián Piñera. Auch die indigenen Bewegungen organisieren sich und treten für die Anerkennung ihrer Rechte ein.
Es wurde deutlich, dass sich progressive Regierungen sehr günstig auf eine friedliche Entwicklung nach innen und außen auswirkten und Gewalt-Potentiale zurückgefahren wurden. Das war am Ende der Militärdiktaturen im Cono Sur Anfang der 1980er Jahre deutlich zu beobachten. Mit der demokratischen Transition in Lateinamerika gingen die Militärausgaben, die Repressionspotentiale und der zivile Einfluss des Militärs zurück. Z.B. wurde das Streben Argentiniens und Brasiliens nach Atomwaffen eingestellt.
Bis jetzt kann man aber nicht mit Sicherheit sagen, ob diese progressive Welle eine nachhaltige Stabilität und Resilienz aufweisen wird. Die lateinamerikanische und karibische Geschichte hat gezeigt, dass die Entwicklung auf dem Kontinent seit dem II. Weltkrieg in Wellenbewegungen zwischen linken und rechten Regierungen und Entwicklungen hin und her schwankte. Das hat etwas mit der Instabilität des ökonomischen und politischen Systems, der äußeren Abhängigkeit und des imperialistischen Interventionismus zu tun. Die Sanktions- und Regime-Change-Politik des Westens, gepaart mit einer gewaltsamen Interventionspolitik und der Unterstützung von oppositionellen Gewaltakteuren, bringt oftmals progressive sozial gerechte Regierungen in große Schwierigkeiten und existentielle Nöte, was die Verwirklichung progressiver Projekte oft verunmöglichte. Das ist die Gefahr für eine progressive Wende, wie dies z.B. in Brasilien unter Präsident Lula, in Venezuela unter Präsident Chávez und permanent in Kuba beobachtet werden konnte.
Lateinamerika und die Karibik haben sich 1967 zu ersten atomwaffenfreien Zone erklärt, Costa Rica, ein Land ohne Militär, hat eine führende Rolle beim Abkommen für das Atomwaffenverbot gespielt, Bolivien schließt in der Verfassung Kriegsführung als Mittel der Konfliktlösung ausdrücklich aus. Sollte sich Europa und Deutschland betreffend Friedenspolitik ein Beispiel an Lateinamerika nehmen?
Oh ja, das wäre schön, wenn Europa und Deutschland sich in ihrer Sicherheits- und Außenpolitik an den Friedensaktivitäten lateinamerikanischer und karibischer Staaten orientieren würden! Von Lateinamerika und der Karibik lernen hieße dann, den Frieden in Europa und der Welt sicherer zu machen. Ein wenig umgekehrte „Entwicklungshilfe“ wäre hier wirklich befreiend. Wenn sich Deutschland, wie dies Bolivien festgeschrieben hat, nicht an militärischen Operationen der NATO im Ausland wie in Afghanistan beteiligen würde, oder dazu beitrüge, in Europa eine kernwaffenfreie Zone zu bilden und das Verbot von Atomwaffen durchzusetzen, würde das die Spannungen in der Welt herunterfahren und die Gefahr eines großen Krieges erheblich reduzieren. Genau auf diese Beispielwirkung der Friedensinitiativen aus Lateinamerika und der Karibik kommt es uns auf der Konferenz ganz besonders an.
Nicht nur haben die Frauenbewegungen im Kontinent enorm an Kraft gewonnen, generell spielen Frauen in gewaltfreien Protestbewegungen, im Kampf für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Gemeinwohl in den letzten Jahren sowohl eine tragende als auch führende Rolle. Wie schätzt du die Bedeutung dieses Phänomens ein?
Du hast es in Deiner Frage schon vorweg genommen, Frauen spielen in Lateinamerika und der Karibik für die friedliche Regelung von Konflikten, für den Kampf um Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Gemeinwohl eine führende Rolle, da sie am meisten von kapitalistischer Ausbeutung, Repression und Gewalt betroffen sind. Die verheerenden Feminizide sprechen dabei für sich. In vielen lateinamerikanischen Staaten waren die Frauenproteste ein Initialmoment für die großen sozialen Massenbewegungen und zeigen den Zusammenhang zwischen patriarchalischer und sozialer Gewalt, die sich in der Politik manifestiert. Hier wird der Zusammenhang zwischen Frieden und Militarismus besonders deutlich. Allerdings sollte nicht einer neutralistischen Gewaltfreiheit das Wort geredet werden. In Mexiko gab es am 8. März diesen Jahres auch Gewaltproteste von Frauen, die vor allem aus der Verzweiflung und Wut über den Anstieg der Feminizide erwuchsen, die trotz der Mitte-Links-Regierung von López Obrador und seines Versprechens, dieses schreckliche Phänomen zu beenden, weiter zunehmen. Auch in der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung EZLN sind Frauen bewaffnet und bereit, ihre autonomen alternativen Räume zu verteidigen, was die Dialektik zwischen Befreiungsbewegung und Frieden aufzeigt.
Dein Engagement für den südamerikanischen Kontinent geht weit über deinen akademischen Forschungsauftrag hinaus. Was motiviert dich? Was treibt dich an?
Ich habe fast nie einen akademischen Forschungsauftrag von irgendjemandem angenommen, sondern habe während meiner akademischen Laufbahn zusammen mit den Studierenden und meinen Mitarbeiter*innen immer eigene Forschungsaufgaben gesucht und realisiert. Seit ich als Kind mit meinem Großvater einen Film über die kubanische Revolution gesehen hatte, war ich emotional für Lateinamerika eingenommen und sah in diesem Kontinent etwas Besonderes und Einmaliges, was uns hier auf dem „alten Kontinent“ etwas geben kann. Bis heute werde ich von diesem Gefühl beflügelt. Was soll man sonst zu den unbeschreiblichen medizinischen Hilfeleistungen der kubanischen Ärzt*innen in der ganzen Welt, die oftmals gratis erfolgt, sagen? In Lateinamerika kann man einerseits ein brutales Gewaltpotential beobachten, das auf die grausame Unterdrückung durch die herrschenden Oligarchien und die Durchsetzung ausländischer Interessen zurückgeht, doch andererseits existiert ein ungebrochener Widerstandswillen und Sinn für das Kollektive und Solidarische unter den Menschen, der uns in Europa infolge von kaltem Effizienzdenken und atomisierender Individualisierung verloren gegangen ist. In Lateinamerika spiegeln sich die Probleme unserer Welt wie in einem Brennglas wieder, und seine Lösungen haben eine große Beispielkraft.
Ich habe immer versucht, akademische Forschung mit politischem Aktivismus zu verbinden und einen sich wechselseitig bedingenden Erkenntnisgewinn daraus abzuleiten. Der Philosoph Ernst Cassirer hat sehr eindrucksvoll herausgearbeitet, dass unsere Sicht auf die Welt durch verschiedene Formen der Erkenntnis erlangt wird. Die direkte Beteiligung an sozialen und politischen Kämpfen war deshalb immer eine wichtige Grundlage für mein akademisches Arbeiten. In diesem Sinne habe ich mich an der Menschenrechtsarbeit und Beobachtung von Konflikten in Lateinamerika und emanzipatorischen Bewegungen beteiligt, um die Gewalt gegen neue Formen gesellschaftlicher Organisation zu verhindern. Ich bereiste u.a. mit der Internationalen Zivilen Kommission zur Beobachtung der Menschenrechte-CCIODH-verschiedene Konfliktregionen Mexikos und beteiligte mich an der Einhegung dieser Konflikte im Rahmen von UN- und EU-Menschenrechtsorganisationen.
Was ist deine Rolle an der Konferenz, und hast du ein persönliches Highlight?
Auf der Konferenz werde ich einen Vortrag über die Militarisierung in Mexiko halten und versuchen, die dahinter steckenden Konfliktlinien (Cleavages) zu benennen. Schließlich ist Mexiko durch seine regionale Lage zwischen den USA und Lateinamerika, als Durchgangsland für eine Massenmigration aus Zentral- und Südamerika in die USA, das Phänomen des Drogenhandels und eine der höchsten Mordraten der Welt in einer besonders schwierigen Position. Die Militarisierung des Landes hängt in starkem Maße mit dem neoliberalen Umbau der Gesellschaft zusammen, der Gewaltakteuren wie dem organisierten Verbrechen und paramilitärischen Kräften ein breites Aktionsfeld bot. Der gegenwärtige Präsident setzt nun auf das Militär bei der Bekämpfung dieser Phänomene, ohne zu beachten, dass das Militär selbst Teil des korrupten Systems ist. Ich möchte aufzeigen, in welche Richtungen die Einbindung des Militärs in die Politik und Wirtschaft und die Übernahme der inneren Sicherheit durch das Militär laufen kann und welche politischen und gesellschaftlichen Optionen daraus erwachsen können.
Ansonsten bin ich Teil des Organisationsteams der Konferenz und hoffe auf ein reges Interesse an dem Thema und eine breite Teilnahme, die durch den Hybrid-Modus der Konferenz erleichtert wird.
Vielen Dank für das Interview, Raina!
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