Bewaffnete Gruppen erschweren humanitäre Hilfe

(Bogotá, 13. Juni 2023, InSight Crime).- Bewaffnete Gruppen erschweren humanitären Organisationen den Zugang zu mehreren Gebieten in Kolumbien, möglicherweise um Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden, die die Friedensverhandlungen mit der Regierung beeinträchtigen könnten.

Häufung von Überfällen in Gebieten mit bewaffneten Gruppen

Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten ist die Zahl der Zwischenfälle, von denen Mitarbeiter*innen humanitärer Organisationen betroffen waren, zwischen Januar und April 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 133 Prozent gestiegen. Die Mitarbeitenden wurden häufig bedroht oder am Zugang zu Gebieten gehindert, in denen sie wegen Zwangsvertreibungen, der Einkesselung ganzer Gemeinden und anderer Menschenrechtsverletzungen aktiv wurden.

Am stärksten betroffen sind die Departamentos [politische Verwaltungsgebiete in Kolumbien] Norte de Santander, Guaviare und Nariño, wo einige der mächtigsten kriminellen Gruppen des Landes vertreten sind. Dazu gehören die Nationale Befreiungsarmee (ELN) und Gruppierungen der Ex-FARC-Mafia – eine Reihe von regierungskritischen Splittergruppen, die nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) und der kolumbianischen Regierung entstanden sind. Diese Gruppen befinden sich in schwierigen Verhandlungen mit der kolumbianischen Regierung im Rahmen der so genannten Initiative „Paz Total“ (etwa: totaler Frieden). Die ELN stimmte am 9. Juni einem sechsmonatigen Waffenstillstand zu.

Erschwerter Zugang für humanitäre Organisationen

Es ist nicht das erste Mal, dass humanitäre Organisationen ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen. Im Februar warnte das Equipo Humanitario País (etwa: Humanitäres Land-Team), in dem die in Kolumbien tätigen humanitären Organisationen vertreten sind, vor einer Zunahme solcher Vorfälle. Nach Schätzungen des UN-Büros erhielten zwischen Januar und April 13.168 Menschen keine humanitäre Hilfe mehr, weil der Zugang für humanitäre Organisationen eingeschränkt war.

Diese zunehmenden Beschränkungen des Zugangs für humanitäre Hilfe durch bewaffnete Gruppen könnten ein Versuch sein, zu verhindern, dass Anschuldigungen über systematische Menschenrechtsverletzungen an die Öffentlichkeit gelangen und damit die auch so schon schwierigen Verhandlungen mit der kolumbianischen Regierung gefährden könnten.

Aktivitäten bewaffneter Gruppen als Hauptursache für humanitäre Notlage

So wurden zwischen Januar und Mai 117 Gewalttaten registriert. Bei 93 dieser Taten wurde Gewalt direkt gegen die Zivilbevölkerung ausgeübt, wie aus einem Bericht des Büros des Bürgerbeauftragten über den Waffenstillstand mit dem Estado Mayor Central (etwa: zentraler Generalstab) der verschiedenen Ex-FARC-Gruppierungen hervorgeht. Im Mai veranlasste die Rekrutierung und anschließende Ermordung von vier indigenen Kindern in Putumayo die Regierung dazu, den Waffenstillstand mit der Gruppe in den Departamentos Putumayo, Caquetá, Guaviare und Meta auszusetzen.

Trotz eines Rückgangs der Aktivitäten bewaffneter Gruppen um 45 Prozent zwischen Januar und April sind dem UN-Bericht zufolge Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppen und Angriffe auf die Zivilbevölkerung weiterhin die Hauptursache für humanitäre Notlagen im Land.

In Antioquia, Guaviare und anderen Departamentos verbieten bewaffnete Gruppen den Einwohner*innen, sich zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens außer Haus zu bewegen, so ein im Mai veröffentlichter Bericht der Mission der Organisation Amerikanischer Staaten zur Unterstützung des Friedensprozesses (MAPP). Gleichzeitig blockiert die ELN den Zugang der Landbevölkerung zu Informationen indem sie die Einrichtung von Infrastrukturen, die den Zugang zum Internet in Norte de Santander und Nariño ermöglichen würden, verhinderte. Darüber hinaus waren laut den kolumbianischen Behörden im Jahr 2023 in 66 Fällen Kinder an Aktivitäten bewaffneter Gruppen beteiligt.

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