Migrationspolitik der USA: Kriminalisierung als Strategie

(Quito, 31. August 2018, colombia informa).- Die Migrationspolitik der USA hat sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts auf die Kriminalisierung der Migrant*innen im Namen der nationalen Sicherheit konzentriert. Unter der gegenwärtigen Regierung von Donald Trump stützen sich die Reformen der US-Migrationspolitik auf einen rassistischen, xenophoben und völkischen Diskurs. Dazu kommt der Plan, eine Mauer zwischen den USA und Mexiko zu bauen, um den Zutritt von Immigrant*innen ohne Dokumente zu verhindern, sowie der Anstieg der Festnahmen und Deportationen von Migrant*innen, die weder eine Straftat begangen noch Vorstrafen haben.

Diese Politik war bereits Teil des Gesetzes zur Reform der illegalen Einwanderung und der Verantwortlichkeit des Immigranten IIRIRA (Illegal Immigration Reform and Immigrant Responsibility Act), das bereits 1996 von der Administration des Ex-Präsidenten Bill Clinton auf den Weg gebracht wurde. Das Gesetz versteht die „illegale“ Einwanderung als kleinere Straftat und die Wiedereinreise nach einer Abschiebung als schwere Straftat. Auf diese Weise hat die US-Migrationspolitik ein weltweites Abschiebungssystem errichtet.

Willkürliche Verhaftungen, schnellere Abschiebungen

Eine der wichtigsten Veränderungen in der Regierungszeit von Trump ist die Art und Weise, in der die Beamt*innen der US-Grenzschutzbehörde ICE (Immigration Customs Enforcement) agieren. Sie arbeiten verdeckt, das heißt, sie können jeden und jede verhaften, unabhängig davon, ob diese Person einen Gesetzesverstoß begangen hat. Zudem wurden mehr Gelder zur Verfügung gestellt, um lokale Richter*innen anzuwerben; so sollen die Gerichtsverfahren der verhafteten Menschen beschleunigt werden, damit diese schneller abgeschoben werden können.

Die Gerichtsentscheidungen hängen von zwei Faktoren ab. Erste Möglichkeit: Wenn der Migrant oder die Migrantin zuvor bereits abgeschoben wurde und heimlich wieder eingereist ist, wird die Person automatisch abgeschoben und kann keinen Widerspruch einlegen, da dies bereits seit dem Gesetz von 1996 unter Strafe steht. Zweite Möglichkeit: Wenn die verhaftete Person zuvor noch nicht abgeschoben wurde, kann befunden werden, dass sie in ein Abschiebezentrum kommen und eine Kaution zahlen kann. Dort entscheidet ein/e Richter*in, ob diese Person ein Risiko für die Sicherheit des Landes oder ein „guter Migrant“ ist.

Wird die migrantische Person nicht als gefährlich eingestuft, kann sie auf Bewährung freikommen. Allerdings muss sie abwarten, wie über ihre Situation entschieden wird und auf einen Anruf des/der Richter*in warten. In dieser Zeit wird sie regelmäßig von der Migrationsbehörde überprüft und muss eine Kaution zahlen, die über 5.000 Dollar liegen kann. Für den Fall, dass die festgehaltene Person nicht genug Geld hat, gibt es Banken, die einen Kredit gewähren, mit dem die Person ihrer Abschiebung entgehen kann – im Gegenzug hat sie dann mit überzogenen Schulden zu kämpfen.

Abschiebesystem bringt hohe Gewinne

Es gibt Fälle von Migrant*innen, die verhaftet sind, aber weder einen Anwalt noch die Kaution bezahlen können (das ist bei den Meisten der Fall). Dann wird ihnen ein/e Richter*in zugewiesen, der/die über ihre Situation entscheiden soll. Die Migrant*innen müssen sich dann im Alleingang gegen diese Willkür verteidigen. Diejenigen, die an dieser Politik gewinnen, sind die großen globalen Konzerne, die aus der Festnahme der Migrant*innen einen Markt gemacht haben. Über die Kredite, die sie an die Migrant*innen für die Bezahlung ihrer Kaution vergeben, streichen sie enorme Gewinne ein. Das ist der wahre Grund für die Errichtung des Abschiebesystems in den USA.

Darüber hinaus erreicht die „Null-Toleranz-Politik“, mit der die „illegalen“ Migrant*innen kriminalisiert werden, einen bisher nicht bekannten Grad der Unmenschlichkeit. In diesem Moment befinden sich Kinder in Haft, die von ihren Eltern getrennt wurden. Zwar gab es das schon vor Trump; aber vorher wurden die Kinder zusammen mit ihren Müttern in die Abschiebezentren gebracht. Jetzt aber werden sie brutal von ihren Eltern getrennt, da die Erwachsenen automatisch abgeschoben werden und inmitten dieses Prozesses nicht die notwendigen Vorgaben erfüllen können, damit sich andere Familienangehörige um die Kinder kümmern.

So kommt es, dass die Kinder in den USA in Aufnahmezentren der Regierung für Waisenkinder gebracht werden, wo die meisten von Familien adoptiert werden, von denen sich dann die Spur verliert. Wenn dann eine abgeschobene Person ihren Sohn oder Tochter wiederfinden will, weiß sie nicht, wo sie sie finden kann.

Strategien für den Widerstand: „Chinga la Migra“

Inzwischen sind die Migrant*innen dabei, Strategien zu entwickeln, wie sie überleben und dem Abschiebesystem Widerstand leisten können. So verheimlichen mexikanische Migrantinnen, die im Süden der USA leben und ihre Abschiebung fürchten müssen, ihre wahre Staatsangehörigkeit. Andere beschließen, sich in ihren Häusern einzuschließen und nicht mehr zum Arzt oder zum Supermarkt zu gehen – aus Angst, von der Migrationspolizei verhaftet zu werden.

Es gibt zudem soziale Organisationen, die auch die brutalen Praktiken dieses rassistischen Abschiebesystems anprangern, wie zum Beispiel „Mijente“ („meine Leute“). Diese Organisation macht Unterstützungsaktionen für diejenigen Betroffenen in den latino-, hispano- und asiatischen Communities, die keine Papiere haben; zudem führt sie Kampagnen wie „Chinga la Migra“ („Fick die Migrationspolizei“) und „Abolish ICE“ („ICE abschaffen“) durch. Sie kämpfen gegen das System der Abschiebung und damit auch dafür, endgültig ein System abzuschaffen, das Menschen ohne Papiere im Namen der nationalen Sicherheit der USA kriminalisiert.

In diesem Jahr gab es Demonstrationen in allen Städten der USA gegen die Familientrennung und die „Null-Toleranz-Politik“ von Donald Trump. Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA, ist eine schwarze Migrantin aus dem Kongo auf die Freiheitsstatue gestiegen und forderte, dass die migrantischen Familien nicht mehr abgeschoben werden und dass alle gefangenen Kinder wieder zu ihren Eltern zurück kommen können. Alle diese Protestaktionen bilden den Widerstand – und immer mehr Menschen schließen sich dem Ruf nach weltweiter sozialer Gerechtigkeit an, um dem System der Abschiebung auf der ganzen Welt ein Ende zu setzen.

*Tania Bonilla Mena und Gloria Bermúdez Barrera sind Studentinnen der Flacso, der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften in Ecuador und sind Mitarbeiterinnen von Colombia Informa.

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