(Buenos Aires, 15. Oktober 2018, marcha/poonal).- Dieses Jahr hat uns Trelew mit seinem steppenartigen Charakter beherbergt. Die Stadt im Nordosten Patagoniens hat 100.000 Einwohner*innen und empfing 60.000 Frauen* auf dem 33. landesweiten Frauen*treffen. Gemeinsam mit dem Wind, der Erde, Nachbar*innen, Ortsansässigen, die uns ihre Türen öffneten, uns Tipps gaben und uns per Anhalter mitnahmen, verbrachten wir drei Tage (13. bis 15. Oktober) in Trelew. Eine Stadt, die nach der Schließung verschiedener Textilunternehmen, mit der höchsten Arbeitslosenquote der Provinz zu kämpfen hat. Wir befinden uns auch in der Provinz, wo nach monatelangen Streiks der Lehrkräfte, Mitte März eine heftige Repressionswelle über sie hereinbrach. Und in der Stadt, wo die revolutionären Ideen von Ana María Villarreal, Clarisa Lea Place, María Angélica Sabelli und Susana Lesgart noch lebendig sind. Sie alle wurden im sogenannten Massaker von Trelew im August 1972 erschossen.
Frauen* sind bereit für die Debatte über die Legalisierung von Abtreibung
Die Demo auf dem diesjährigen Treffen war bunt und schlug große Wellen. Wir sind im Rhythmus der Lieder und Trommel die Straßen rauf und runter gelaufen, während in Buenos Aires soziale Anführer*innen und Vorbilder noch darauf beharrten, dass „die Viertel nicht vorbereitet sind auf eine Debatte über Abtreibung“. Doch auf der Demo und vor allem in den am meisten übergangenen Vierteln von Trelew erfuhr dieser Diskurs einen Richtungswechsel: Nachbar*innen kamen aus ihren Häusern und versammelten sich auf den Gehwegen, Terrassen und an Straßenecken, um die Demo, die über 20 Häuserblocks lang war, zu empfangen. Mit Plakaten und grünen Tüchern um den Hals applaudierten hunderte Nachbarinnen den 60.000 Demonstrant*innen, deren Weg sie in diesem Jahr mehr durch die Wohnviertel als durch das Stadtzentrum führte. Mit dieser Geste zeigte sich, dass die Viertel und ihre Bewohnerinnen bestens darauf vorbereitet sind, diese Debatte sichtbar zu machen, die die mächtigen Sektoren lähmen wollen. Viele Nachbarinnen sind zu dem Treffen gekommen, um ein Ritual des Austausches zu etablieren – Umarmungen mit den grünen Tüchern, Wasserflaschen auffüllen, Mate trinken, Fotos machen, Grüße überbringen, was Abwechslung in ihren alltäglichen Sonntag brachte.
Misstrauen säen und willkürliche Verhaftungen
Am Ende der Großdemo traten die repressiven Kräfte auf den Plan. Dabei handelt es sich um ein Vorgehen, das die feministische Bewegung seit dem 30. Frauen*treffen in Mar del Plata festgestellt und analysiert hat. Auf diesem 30. Treffen hatte der damalige Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Danile Scioli, ein Einsatzkommando auf die Straßen geschickt, um den Fokus des Frauen*treffens zu verschieben, denn die Treffen waren bereits zu Großveranstaltungen herangewachsen. Diese Schiene wiederholte sich in Rosario, im Chaco und jetzt auch in Chubut. Sie versuchen mit kleinen Konfliktherden und Repression, ein allgemeines Gefühl des Unwohlseins hervorzurufen und Misstrauen unter den Teilnehmer*innen hervorzurufen, um das Netzwerk, das sich in den vorherigen Tagen zwischen den Teilnehmer*innen aufgebaut hat, zu zerstören. Die willkürlichen Verhaftungen von mindestens zwölf Frauen, einige davon verletzt, zeigen ein gezieltes frauenfeindliches Vorgehen: Die Fotos zeigen Männer und Jugendliche, die ohne Ausweise und in Zivil auf Hexenjagd gehen. Angriffe auf Kleinbusse, die die Teilnehmer*innen im Morgengrauen zu ihren Unterkünften zurückbrachten, zeigten einmal mehr den Machismus und die Frauenfeindlichkeit. Jeder Anlass wird genutzt, um die Muskeln spielen zu lassen.
Frauen kämpft mit uns!
Das alles kann den Einwohner*innen von Trelew aber niemals die Sicht auf das Großtreffen verstellen; die aktiven Debatten, die leidenschaftlichen Umarmungen, die bunte Demo, das grüne Tuch und die Lieder die dazu aufrufen: „Frau, hör zu, kämpf mit uns!“
Das Frauentreffen hat dieses Jahr seinen Namen in Plurinationales Treffen der Frauen, Lesben, Travestis und Transpersonen umbenannt. Die Umbenennung stand schon länger aus und die Notwendigkeit zeigte sich vor allem nach der Durchführung des Workshops „Selbstbestimmung der Bevölkerungsgruppen“, der mit am besten besucht war.
Der nächste Austragungsort für 2019 steht schon fest: La Plata. Das 34. Treffen in La Plata wird eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen 2019 und den Provinzregierungen stattfinden, um noch einmal die Ablehnung gegenüber der Regierung Macri, Vidal und Co. und ihrer Politik der Verarmung, Diskriminierung und Repression zu verdeutlichen.
33. Frauen*treffen in Argentinien versammelt über 50.000 Frauen* von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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