(Mexiko-Stadt, 12. März 2019, Cimacnoticias).- Andrés Manuel López Obrador, der mexikanische Präsident, war im Wahlkampf der einzige Kandidat, der einen Plan für die Gleichstellung von Frauen und Männern befürwortete, der erste Staatschef, der ein paritätisches Kabinett hatte und der vor kurzem einen Notfallplan zur Bekämpfung der Feminizide in Mexiko vorgelegt hat. Doch 100 Tagen nach seinem Amtsantritt sind erste Signale zu erkennen, dass es bei den Frauenrechten zu Rückschritten kommen könnte.
Im Dezember 2018 legte die Verwaltung den Bundeshaushalt für 2019 vor. Mit dem Argument der Sparpolitik kam es zu massiven Kürzungen im Bereich Gleichberechtigung: Unter anderem sollte das Programm zur Unterstützung von Gleichstellungsinstituten in den Bundesstaaten und der Fördertopf für Frauenorganisationen abgeschafft werden. Überzeugt davon, dass die mit Spannung erwartete „Vierte Transformation” (so hat AMLO seine Regierungszeit in Anlehnung an andere historische Umbrüche genannt) nicht ohne die Frauen stattfinden wird, haben sich Feministinnen und zivile Organisationen gegen diese Kürzungsversuche zur Wehr gesetzt – und hatten teilweise Erfolg. Die von der Streichung bedrohten Programme wurden beibehalten und für 2019 mit umgerechnet knapp drei Milliarden Euro ausgestattet.
Plan Nationalgarde: Warnung vor zusätzlicher Macht des Militärs
Großen Alarm lösten außerdem López Obradors Pläne für eine Nationalgarde aus, die aus Militär-, Marine- und Bundespolizeieinheiten zusammengesetzt werden soll. Der Präsident ist der Überzeugung, nur diese könne mit der Gewalt und dem Drogenhandel in Mexiko fertig werden, da die lokale Polizei zu korrupt sei. Zivilgesellschaftliche Organisationen jedoch warnten schon unter dem vorherigen Präsidenten Peña Nieto davor, die Macht der Militärs weiter auszubauen. Militärangehörigen wurden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen; besonders betroffen davon sind Frauen. Erst im Dezember hat der Interamerikanische Gerichtshofs für Menschenrechte den mexikanischen Staat wegen systematischer sexueller Folter gegen die Frauen von Atenco und weiterer Fälle von Vergewaltigung und Verschwindenlassen verurteilt. Es war klar, dass ein Kongress mit breiter Mehrheit der AMLO-Partei Morena die Initiative durchwinken würde, doch durch den öffentlichen Druck gelang es immerhin, eine zivile Führung für die Nationalgarde durchzusetzen.
Frauenhäuser und -organisationen sind besonders von Kürzungen betroffen
Inmitten von angeblichen „Fehlern” musste die Regierung mehr als einmal ihre Ankündigungen im Bereich der Gleichstellungspolitik korrigieren. So wurden die Pläne zum Abbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und die Bedingungen, die an finanzielle Mittel für Frauenhäuser geknüpft wurden, von Feministinnen stark kritisiert. Offiziell pflegt AMLO einen Diskurs von „Null Toleranz für Korruption“. Außerdem prangerte er die Ausgaben seiner Vorgänger an und verordnete dem Staat eine strenge Austeritätspolitik. Von den Kürzungen besonders betroffen sind soziale Organisationen, denen nun die Mittel fehlen. Der Präsident zeigt sich ihnen gegenüber misstrauisch und meint, die Gelder für die Organisationen seien in der Vergangenheit „nicht dort angekommen, wo sie hin sollten.” Stattdessen kündigte López Obrador an, den Frauen, die Gewalt erfahren haben, künftig direkt Geld zukommen zu lassen; eine Maßnahme, die sofort auf Kritik von Expert*innen stieß. Dann berichtigte er und erklärte, die privat geleiteten Frauenhäuser würden nicht verschwinden, sondern weiterhin Gelder erhalten, wenn sie sich den „Leitgrundsätzen” des Staates anpassten. Dabei gibt es ohnehin schon strenge Voraussetzungen sowie Wirtschafts- und Rechnungsprüfungen für ausgeschriebene Gelder. AMLO erklärte jedoch, er strebe den Bau neuer Frauenhäuser an, da seinen Informationen nach nur 20 der 70 existierenden Unterkünfte im Land qualifiziert seien. Immer noch ist nicht klar, ob die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Häuser betreiben, die im Haushalt vorgesehenen Mittel von umgerechnet 15,9 Millionen Euro tatsächlich erhalten werden. Die Ausschreibung für 2019 endete wie in jedem Jahr spät, am 6. März.
Auch in der Personalpolitik sät AMLO Zweifel, wie ernst er es mit der Gleichberechtigung wirklich meint. Die beiden führenden Positionen in der Gleichstellungspolitik -die Leitung des nationalen Fraueninstituts Inmujeres und die der Nationalen Kommission zur Verhütung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (Conavim)- wurden erst Ende Februar bzw. Anfang März besetzt, obwohl der Präsident sich seit dem Wahltermin im Juli 2018 auf seine Regierungszeit vorbereiten konnte. In einem Land im Ausnahmezustand, in dem mehr als die Hälfte der Bundesstaaten Notmaßnahmen zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen eingeleitet hat, laut nationalem Statistikinstitut mehr als neun Frauen täglich ermordet werden, und nach Angaben des Nationalen Verschwundenenregisters im Jahr 2018 immer noch der Verbleib von neuntausend Frauen ungeklärt ist, empfinden es die sozialen Organisationen als skandalös, dass ihnen die Mittel gestrichen werden. Denn sie haben zwar Aufgaben des Staates übernommen, aber nur, weil dieser sich seiner Verantwortung in der Vergangenheit nicht gestellt hat.
100 TAGE AMLO: Austerität auch für Frauenhäuser und -organisationen von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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