Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 15. März 2005
Inhalt
GUATEMALA
HONDURAS
NICARAGUA
KUBA
KOLUMBIEN
ECUADOR
BOLIVIEN
BRASILIEN
PARAGUAY
ARGENTINIEN
ARGENTINIEN-SPANIEN
LATEINAMERIKA
GUATEMALA
Erster Prozess gegen Rassismus in der Geschichte des Landes
VonStefanie Kron
(Berlin, 11. März 2005, npl).- Als „Apartheidsregime“ hatte der französische Anthropologe Yvon Le Bot Guatemala einmal bezeichnet. Doch diese Woche hat in Guatemala-Stadt der erste Strafprozess gegen rassistische Diskriminierung in der Geschichte des zentralamerikanischen Landes begonnen. Die Staatsanwaltschaft hatte einer Klage der guatemaltekischen Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú Tum wegen ethnischer Diskriminierung, Nötigung und Störung der öffentlichen Ordnung stattgegeben. Der Prozess ist nicht nur aufgrund seines Pioniercharakters in der guatemaltekischen Justiz von Bedeutung: Die indigene Menschenrechtlerin Menchú sagte am Dienstag (8.3.) vor Gericht zugleich gegen fünf Personen aus dem näheren Umfeld des Putschisten und Ex-Militärdiktators Efraín Ríos Montt aus. Unter den Angeklagten befinden sich ein Enkel von Ríos Montt, Juán Carlos Ríos Ramírez sowie die Abgeordnete des zentralamerikanischen Parlaments (Parlacen), Ana Cristina López Kestler.
Während der Militärherrschaft von Ríos Montt (1982-1983), der die soziale Opposition und die Guerillabewegungen mit einem blutigen Aufstandsbekämpfungsprogramm der „verbrannten Erde“ bekämpfte, waren 75.000 Menschen von den Streitkräften und paramilitärischen Einheiten ermordet worden. Die Mehrheit von ihnen waren Indígenas. Im Jahr 2000 zog Montt nach dem Wahlsieg seiner Partei „Republikanische Front Guatemalas“ (FRG) als Vorsitzender in den Kongress ein. Für die Wahlen Ende 2003 strebte er gar das Amt des Staatschefs an.
Das führte zu einer juristischen Auseinandersetzung zwischen dem Verfassungsgericht, dem obersten Gerichtshof und der Menschenrechtsbewegung des Landes. Das Verfassungsgericht hatte im Juli 2003 Montts Kandidatur zugelassen. Die Magna Carta von 1985 verbietet die Präsidentschaftskandidatur eines ehemaligen Putschisten. Die Verfassungsrichter begründeten ihre Entscheidung damit, dass Montt vor Inkrafttreten der Verfassung von 1985 durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen war. Bei einer öffentlichen Anhörung im Oktober 2003 sprach sich Menchú gegen die Kandidatur von Montt aus. Zu diesem Anlass sei sie von den fünf Beschuldigten als „dreckige Indianerin“ beschimpft, wegen ihrer traditionellen indianischen Kleidung beleidigt und bedrängt worden.
Der Anwalt von Menchú, Benito Morales, erklärte gegenüber der internationalen Presse, dieser erste Rassismus-Prozess öffne den „Weg für weitere juristische Schritte gegen das fundamentale Problem dieses Landes – den Rassismus.“ Morales verwies darauf, dass das im Jahr 2002 in Kraft getretene neue Strafgesetz ethnische Diskriminierung als Straftatbestand definiere. Trotzdem zog bislang kein einziger der 80 Fälle rassistischer Diskriminierung, die allein im Jahr 2004 der staatlichen Menschenrechtsbehörde gemeldet wurden, eine strafrechtliche Verfolgung nach sich.
María Teresa Zapeta, Sprecherin der „Instanz zum Schutz der indigenen Frau“ hofft, dass der von Menchú angestrengte Prozess „andere Indígenas ermutigt gegen die Geißel des Rassismus zu kämpfen“. Auch die „Stiftung Rigoberta Menchú Tum“ (FRMT) hob in einer öffentlichen Erklärung die „historische und juristische Bedeutung“ des Prozesses hervor. Die Stiftung erinnerte daran, dass „Rassismus und Diskriminierung ihren Höhepunkt“ während des internen bewaffneten Konfliktes fanden“. Die Gesamtzahl der Opfer in dem Bürgerkrieg (1960-1996) wird in dem 1999 veröffentlichten Bericht der internationalen „Kommission zur historischen Aufklärung“ (CEH) auf rund 200.000 Menschen geschätzt. CEH spricht von „Genozid“ an den indigenen Gruppen. Die indianische Bevölkerung bildet, Statistiken des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge, mit etwa 70 Prozent die Mehrheit in Guatemala.
Polizei geht gewaltsam gegen Freihandelsgegner vor
(Guatemala-Stadt,9. März 2005, cerigua-poonal).- Spezialeinheiten der Nationalen Zivilpolizei PNC (Policia Nacional Civil) gingen am 9. März gewaltsam gegen Demonstranten vor, die gegen die Ratifizierung des Freihandelsvertrages zwischen Guatemala und den Vereinigten Staaten protestierten. Ziel der Demonstration war das Parlamentgebäude, um von den Abgeordneten zu fordern, dem Freihandelsabkommen nicht zuzustimmen. Spezialeinheiten, die das Parlamentsgebäude schützen sollten, drängten die Demonstranten durch den Einsatz von Tränengasgranaten zurück.
Laut den Sprechern der Demonstranten ging die Aggression von den Sicherheitskräften aus. Als die Demonstranten sich einem Zaun näherten, der drei Häuserblöcke vor dem Parlamentsgebäude errichtet worden war, warfen die Polizisten Tränengasbomben und versuchten Personen festzunehmen. Die Demonstranten warfen daraufhin Steine und Flaschen auf die Polizisten.
Ein Mann wurde festgenommen und geschlagen, als er versuchte sich vor dem Tränengas zu schützen. Zwei Frauen wurden geschlagen und erlitten Verletzungen an verschiedenen Stellen des Körpers.
Internetportal zur Suche nach Verschwundenen
(Fortaleza,9. März 2005, adital).- Das Gesicht von Rocael Esteban kann nun von allen Menschen mit Zugang zum Internet auf einer Webpage gesehen werden. Er wurde als kleines Kind von seinen Eltern getrennt und teilt dieses Schicksal mit Tausenden anderen Kindern, die während des 36 Jahre andauernden Bürgerkriegs in Guatemala verschwunden sind oder entführt wurden. Viele Kinder wurden sexuell missbraucht, verkauft oder sind ohne Wissen der Eltern adoptiert worden. Über das Internet gibt es jetzt eine neue Möglichkeit, diese Kinder wieder zu finden. Die Kinderhilfsorganisation „Casa Alianza de Guatemala“ hat zusammen mit der schwedischen Menschenrechtsorganisation „Save the Children Suecia“, der Nationalen Zivilpolizei, den Justizbehörden und dem Katastrophenschutz das Internetportal www.guatemaltecosdesaparecidos.org ins Leben gerufen.
Die Schaffung dieses Portals ist Teil eines Programms zwischen 21 lateinamerikanischen Staaten, das die Zivilgesellschaft stärken und die Möglichkeit bieten soll, den Verbleib verschwundener Menschen schneller ausfindig zu machen. Insgesamt drei weit
ere Länder in Mittelamerika und eines in Südamerika haben dieses Modell bereits umgesetzt. Ein Ziel dabei ist, es über Grenzen hinweg zu ermöglichen, dass Minderjährige, die möglicherweise außer Landes gebracht wurden und nun in prekären Verhältnissen leben, wieder zu ihren Familien zu holen. Ebenso will man eine Plattform bieten für die Veröffentlichung von Fotos von Menschen, die als vermisst gemeldet wurden.
Polizei und Menschenrechtsorganisationen aktualisieren die Informationen täglich. Jederzeit können Fälle von Verschwundenen mit Foto und Beschreibung der Person auf der Seite veröffentlicht werden. Freunde und Verwandte können auf diese Weise auf das Schicksal verschwundener Menschen aufmerksam machen oder anonym Fälle von Kinderprostitution, Kinderarbeit und Kinderpornographie zur Anzeige bringen. Denn genau in diesen Fällen handelt es sich häufig um verschleppte Minderjährige.
Der Zugang zu den Informationen ist kostenlos. Regelmäßigen Zugriff darauf sollen Polizeistellen, Migrationsbehörden, Kinderschutzorganisationen, Leichenschauhäuser, Botschaften sowie weitere staatliche und private Stellen in den 21 Ländern haben, die zum „Netzwerk Verschwundener Lateinamerikaner“ (Red Latinoamericanos Desaparecidos) gehören.
Für Guatemala ist die Einrichtung des Portals von besonderer Bedeutung, da die Einwanderung ins Land sehr groß ist. Hunderttausende Migrant*innen, die illegal die Grenze passieren ziehen neue Migrant*innen nach sich, die auf der Suche nach ihren Freunden und Verwandten sind. Auf der Internetseite gibt es einen Bereich ausschließlich für Migrant*innen.
In nur einem Monat konnten mittels des neuen Systems mehr als 2.500 Menschen gefunden werden. „Wir können bereits vorhersagen, dass es sich zu einem grundlegenden Instrument der Arbeit von Polizei und Justizbehörden bei der Bekämpfung von illegalen Adoptionen und Menschenhandel sowie bei der Verfolgung von Zuhältern und Sexualverbrechern entwickeln wird.“, meint ein Vertreter von „Casa Alianza“. „Casa Alianza“ ist eine unabhängige, nicht gewinnorientierte Organisation, die sich dem Schutz von Straßenkindern und ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft widmet und die lateinamerikanische Filiale der „Covenant House“-Kinderschutzorganisation mit Sitz in New York.
HONDURAS
Proteste nach Ratifizierung des CAFTA-Freihandelsabkommens
(BuenosAires, 9. März 2005, púlsar).- Honduraner und Honduranerinnen haben mehrere Straßen blockiert, um ihre Ablehnung gegen das vergangene Woche vom Kongress ratifizierte Freihandelsabkommen zwischen Zentralamerika und den Vereinigten Staaten (CAFTA) zum Ausdruck zu bringen. Salvador Zúniga, Koordinator des Rates der Bürger- und indígenen Organisation aus Honduras wirft den Abgeordneten vor, sie hätten das 3.000 Seiten umfassende Abkommen nicht einmal gelesen. „Die Ratifizierung bedeutet einen furchtbaren Schaden für die honduranische Bevölkerung, wenn eine so kleine Wirtschaft mit der weltgrößten konkurrieren soll“, so Zúniga weiter. Der sogenannte Volksblock (Bloque Popular), der sich u.a. aus Gewerkschaften, Bauern-, Lehrer-, Frauen-, und Menschenrechtsorganisationen zusammensetzt, kündigte an, die Proteste gegen das Abkommen mit einer Demonstration vor dem Kongressgebäude sowie Streiks im Erziehungssektor fortzusetzen.
Honduras ist nach El Salvador das zweite Land in Zentralamerika, das das Freihandelsabkommen ratifiziert hat. Während die Kongressdebatten in Guatemala, Nicaragua und der Dominikanischen Republik noch ausstehen, kämpft in Costa Rica eine starke Opposition aus sozialen, religiösen und politischen Gruppen gegen das CAFTA-Abkommen. Die Entscheidungsfindung im Parlament kommt daher nur langsam voran und es besteht sogar die Möglichkeit eines Volksentscheides, der dann das letzte Wort hätte.
Der honduranische Kongress hingegen ratifizierte am 3. März das Freihandelsabkommen mit 123 Ja- und nur fünf Neinstimmen der linksgerichteten Vereinigten Demokratischen Partei (Partido Unificación Democrática).
NICARAGUA
Präsidentschaftskandidat der Sandinisten: Daniel Ortega
(BuenosAires, 6. März 2005, púlsar).- Der Vorsitzende der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN, Daniel Ortega, wurde zum Präsidentschaftskandidat seiner Partei für die Wahlen im Jahr 2006 ernannt. Ortega erhielt beim Nationalkongress der FSLN die einstimmige Unterstützung der 600 Mitglieder. Die Kandidatur des ehemaligen Bürgermeisters von Managua, Herty Lewites, wurde so verhindert. Lewites war wenige Tage zuvor aus den Reihen der FSLN ausgeschlossen worden, nachdem er geplant hatte Ortega die Kandidatur streitig zu machen. Er hatte auch gefordert die Parteibasis bei Vorwahlen über den besseren Kandidaten entscheiden zu lassen.
Einige Sandinistenführer, wie Augustín Jarquín, versichern, dass Lewites „versucht hat die Opposition zu spalten“, die bessere Chancen als je zuvor auf das Erlangen des Präsidentenamtes hätte. Auch wenn Ortega bereits bei drei vorhergehenden Wahlen besiegt worden wäre, sei er aufgrund seiner Erfahrung „der beste Kandidat“, der sich der Demokratie verschrieben hätte.
Ortega war von 1985 bis 1990 Präsident von Nicaragua und wird zum vierten Mal in Folge als Präsidentschaftskandidat aufgestellt, nachdem er Wahlniederlagen gegen Violeta Chamorro (1990), Arnoldo Alemán (1996) und Enrique Bolaños (2001) erlitten hatte. Jetzt scheinen sich die Sandinisten jedoch in einer besseren Ausgangsposition zu befinden, da sie ihre Kontrolle über die Mehrzahl der Gemeinden sowie die größeren Städte des Landes bei den Parlamentswahlen im vergangenen November ausweiten konnten.
KUBA
Ungleichheit zwischen den Geschlechtern im Arbeitsleben
VonDalia Acosta
(Havanna, 8. März 2005, sem-poonal). –Die Mehrheit der Studierenden an kubanischen Universitäten sind Frauen. Zudem stellen sie seit Jahren mehr als 50 Prozent der in technischen Berufen arbeitenden Bevölkerung. Trotzdem haben sie nach wie vor weitaus weniger Chancen, in besser bezahlte Führungspositionen aufzusteigen und müssen zudem durchschnittlich mehr Arbeitsstunden pro Tag leisten. Das Nationale Amt für Statistik ONE (Oficina Nacional de Estadísticas) hat sich deshalb in seiner neuesten Publikation zum Ziel gesetzt, zum einen die Fortschritte, die die Frauen in Kuba in den letzten 40 Jahren erzielt haben, aber auch die nach wie vor existierende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu beleuchten.
Die Studie „Frauen und Männer in Kuba“ soll von nun an jährlich erscheinen. Damit kommt die ONE einer der Zusagen nach, die im Nationalen Aktionsplan in Folge der 4. UN-Frauenkonferenz, die 1995 in Peking stattfand, festgeschrieben worden waren. Zu den besonders erwähnenswerten Daten gehört, dass zu Beginn dieser Dekade mehr Frauen als Männer Berufe in den Bereichen Technik, Verwaltung und Dienstleistungen inne hatten. Die Männer dominierten vor allem als Arbeiter und in leitenden Positionen.
Im Jahr 2001 waren 62,9 Prozent der insgesamt 17.136 Universitätsabsolventen Frauen. Jedoch schlossen 8.875 der 10.772 Absolventinnen ihre Studien in den Bereichen Medizin, Pädagogik, Sozial- und Geisteswissenschaften ab, wohingegen Abschlüsse in technischen Studienfächern in der Mehrzahl nach wie vor von Männern abgelegt werden.
Eine Analyse des Bildungsstandes der arbeitenden kubanischen Bevölkerung ergab zudem, dass die Mehrzahl der Beschäftigten mit einem niedrigen (Grundschulabschluss) oder mittleren Bildungsniveau Männer sind. Im Gegensatz dazu weisen Frauen häufiger als Männer einen hohen Schulabschluss auf. Trotzdem war im Jahr 2001 das Verhältnis zwischen arbeitlosen Frauen und Männern 2,7: 1. Jedoch hat sich damit die Situati
on seit 1997 schon spürbar verbessert als das Verhältnis noch bei 4,1: 1 lag.
„Wir mussten die Arbeitsplätze unter die Lupe nehmen, um den Unterschied zu sehen. Ein Chauffeur verdient mehr als eine Putzfrau, obwohl beide im Dienstleistungssektor arbeiten. Aus verschiedenen Gründen müssen Frauen öfters den Arbeitsplatz verlassen und verdienen daher weniger“, erklärt Terese Lara, Expertin der ONE.
KOLUMBIEN
Indígenas sagen Nein zum Freihandelsvertrag
(BuenosAires, 8. März 2005, púlsar-poonal).- 98 Prozent der Teilnehmer einer im Departement Cauca im Süden Kolumbiens durchgeführten Volksbefragung stimmten gegen Verhandlungen und die Unterzeichnung des Freihandelsvertrages zwischen Kolumbien und den USA. Die Volksbefragung fand am 6. März in den Landkreisen Inzá, Páez, Silvia, Caldono, Jambaló und Toribío statt. Organisiert wurde sie von den im „Wanderkongress der Völker“ (Congreso Itinerante de los Pueblos) versammelten Indígena-Organisationen. Der Kongress war im September 2004 erstmals in Cali zusammengetreten. Ihm gehören neben der nationalen Indígena-Organisation ONIC auch regionale Organisationen und Indígena-Räte an.
Der Urnengang erfreute sich reger Beteiligung der Bevölkerung, die in dieser Region überwiegend aus Indígenas besteht. Es nahmen mehr als 51.000 Personen teil, das sind 75 Prozent der Wahlberechtigten. Diese Quote liegt deutlich über der gewohnten Wahlbeteiligung in diesen Gemeinden. Die Organisatoren verwiesen auf die Transparenz und Legitimität des Abstimmungsprozesses und bezeichneten ihn als vollen Erfolg. „Wir haben einen Präzedenzfall geschaffen und werden der Regierung eine Botschaft übermitteln, damit sie unsere Meinung berücksichtigt und die Indígenas und Bauern zu den Verhandlungspunkten konsultiert. Wenn das Abkommen hinter unserem Rücken unterzeichnet wird, werden viele von uns ihre Lebensgrundlagen und Kultur verlieren“, betonte der Indígena-Führer Alirio Tumbó Yacué. Die Ergebnisse des Plebiszits werden mit entsprechenden Berichten dem kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe übergeben.
ECUADOR
AI fordert Ende der Angriffe auf MenschenrechtsaktivistInnen
(Fortaleza,9 März 2005, adital-poonal).- Am Morgen des 6. März starb der sozialistische Abgeordnete und Rektor der Anden-Universität (Universidad Andina Simón Bolivar) Enrique Ayala Mora infolge eines Attentats. Nach Angaben der lokalen Presse fuhr Enrique Ayala in seinem Auto, „als er gewaltsam durch ein anderes Auto gestoppt und mehrere Schüsse auf ihn abgegeben wurden. Das Attentat ereignete sich zwei Tage nachdem er sich öffentlich gegen die jüngsten Personalwechsel am Obersten Gerichtshof ausgesprochen hatte. In einer Pressekonferenz, die im Krankenhaus noch vor Bekanntgabe seines Todes abgehalten wurde, machten führende Mitglieder der sozialistischen Partei die Ultrarechten für das Attentat auf Ayala Mora verantwortlich.”
Für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) ist es unerlässlich, dass die Einschüchterungen gegen Kritiker der ecuadorianischen Regierung sofort gestoppt werden. In einer Presseerklärung äußerte die Organisation ihre Besorgnis über die wiederholten Bedrohungen und Angriffe auf Politiker*innen, Journalist*innen und Menschenrechtler*innen in Ecuador, die Kritik an der Regierung üben.
AI weist darauf hin, dass der Tod von Ayala keinen Einzelfall darstellt und erinnert daran, dass am 2. März Orlando Pérez Torres, Journalist der Tageszeitung „Hoy“, eine Todesdrohung erhalten hat. Die Menschenrechtsorganisation wies die ecuadorianischen Behörden darauf hin, dass „die Anerkennung und der Respekt vor der Arbeit von politischen, sozialen und Menschenrechts-Organisationen ein Schlüsselelement auf dem Weg zu einem wirklichen Rechtsstaat in Ecuador darstellen”. Sie fügt hinzu, dass „es unerlässlich ist, dass die ecuadorianische Regierung konkrete Maßnahmen einleitet, um diesen Personen die Ausübung ihrer Arbeit und das Äußern ihrer Ideen gemäß dem Gesetz zu ermöglichen, ohne Angst vor Repression haben zu müssen”.
Die jüngsten Anschläge auf Politiker, Journalisten und Menschenrechtler finden in einem Klima wachsender Kritik an Präsident Lucio Gutiérrez statt. Im Dezember 2004 wurden auf einer außerordentlichen, durch den Präsidenten einberufenen Sitzung des Kongresses ,die Richter des Obersten Gerichtshofs ihres Amtes enthoben. Das Vorgehen ist in der Verfassung des Landes so nicht vorgesehen.
Um die Kritik zu widerlegen, akzeptierte die ecuadorianische Regierung in der letzten Woche die Bitte des UN-Sonderberichterstatters Leandro Despouy, Ecuador einen Besuch abzustatten, um die Unabhängigkeit der Rechtsprechung im Land zu untersuchen. Die Pressestelle der Vereinten Nationen gab bekannt, dass Despouy im Laufe dieses Monats nach Ecuador reisen werde, um die Situation im Land zu evaluieren. Am 18. Februar hatte der Sonderberichterstatter eine Petition bei der ecuadorianischen Regierung eingereicht, damit diese ihm erlaube, die Situation im Land zu beobachten „angesichts der ernsten Krise innerhalb der Rechtssprechung, insbesondere im Kontext der ergriffenen Maßnahmen beim Obersten Gerichtshof und den Verfassungs- und Wahlgerichten“.
Zu den erwähnten Maßnahmen gehört die Absetzung von 27 der 31 Richter am Obersten Gerichtshof. Despouy sagte dazu, dass ihm diese Entscheidung des Kongresses als ein „schwerwiegender Eingriff der Exekutive und Legislative in die rechtssprechende Sphäre“ vorkomme. „Das würde eine Verletzung der Unabhängigkeit der Rechtssprechung darstellen”, ein Prinzip, dass in der Verfassung des Landes festgeschrieben ist.
Die Krise des ecuadorianischen Justizsystems verschlimmerte sich noch, als der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Ramón Rodríguez, zurücktrat. Rodríguez war nicht einverstanden mit der Nominierung der Mitglieder des Nationalen Rechtsrates, einem Organ, dass u.a. für die Bestimmung der drei Kandidaten zuständig ist, unter denen der Kongress den Generalstaatsanwalt auswählt.
BOLIVIEN
Präsident bleibt im Amt – Parlament lehnt Rücktritt ab
VonRodolfo Sánchez
(Berlin, 10. März 2005, npl).- Präsident Carlos Mesa regiert weiter. Am Ende einer emotional aufgeladenen Sitzung hat der bolivianische Kongress am späten Dienstagabend (8.3.) sein Rücktrittsgesuch abgelehnt. Mesa hatte am Sonntag (6.3.) in einer Fernsehansprache überraschend seinen Rücktritt angekündigt, der laut Verfassung vom Parlament angenommen oder abgelehnt werden muss. Gleichzeitig haben sich Präsident und die Mehrheit der Abgeordneten verpflichtet, rasch einen „sozialen Pakt“ zu unterzeichnen, um „Ruhe und Stabilität“ einkehren zu lassen. Die größte Oppositionspartei, die „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) des Oppositionsführers Evo Morales, stimmte nicht für den Verbleib Mesas im Amt.
Mesa war in den vergangenen Wochen von der zerstrittenen Opposition, von Unternehmern und von der Autonomiebewegung des Departments Santa Cruz im Osten des Landes so stark unter Druck gesetzt worden, dass er als regierungsunfähig galt. Aus der kurzen Regierungskrise geht der Präsident allerdings gestärkt hervor. Denn die Fortführung seiner Amtszeit hat er an vier Bedingungen geknüpft, die jetzt vom Parlament akzeptiert worden sind: Das erst kürzlich von einer parlamentarischen Kommission erarbeitete Energiegesetz muss modifiziert und die geplante Verfassungsgebende Versammlung einberufen werden. In den neun Departments des Landes sollten darüber hinaus Volksabstimmungen über mehr regionale Autonomie abgehalten und die Gouverneure der Departments künftig von der Bevölkerung gewählt werden. Sie werden derzeit vom Präsidenten eingesetzt.
Evo Morales warf Mes
a wegen des eingereichten Rücktritts „Erpressung“ vor. Tatsächlich hat Mesa mit dieser Aktion, die mit der Vertrauensfrage vergleichbar ist, dem Parlament seine politischen Ziele aufgezwungen. Kern des Streits ist der Entwurf für ein neues Energiegesetz. Davon hängt ab, zu welchen Bedingungen internationale Konzerne bolivianisches Gas und Öl exportieren dürfen. Morales fordert, dass Unternehmen für den Export von fossilen Brennstoffen – wie im derzeitigen Entwurf vorgesehen – 50 Prozent Abgaben an den Staat zahlen sollen. Mesa hingegen hat nun als Bedingung für sein Verbleiben im Amt gefordert, diese Passagen aus dem Gesetz zu streichen, den Konzernen Rechtssicherheit für die in den 1990er Jahren abgeschlossenen, lukrativen Erdgas-Konzessionen und weiterhin hohe Gewinne zu garantieren.
Mesas Rücktritt und die Ablehnung durch das Parlament sei „ein gut inszeniertes Theaterstück um die Interessen der multinationalen Konzerne zu bedienen“, sagte die Analystin und Direktorin des Dokumentations- und Forschungszentrum Boliviens (CEDIB) in Cochabamba, María Lohmann. In den nächsten Monaten stünden im Parlament Abstimmungen über kontroverse Themen bevor, die Mesa jetzt durchpeitschen wolle. Neben Mesas vier Bedingungen gehöre dazu auch das geplante Gesetz zur Immunität von US-Bürgern in Bolivien. Das Vorhaben, so Lohmann, werde von vielen Bolivianern und Bolivianerinnen als Eingriff in die Souveränität des Andenlandes empfunden.
BRASILIEN
Umweltschützer kritisieren „Biosicherheitsgesetz“
(Brasilien,7. März 2005, alc).- Die Zustimmung der Abgeordnetenkammer zum Gesetz über die „Biologische Sicherheit“ bereitet den Umweltschützern Sorge. Die Vorschrift genehmigt nicht nur die Forschung mit Stammzellen, sondern legalisiert auch den Anbau und den Handel mit genetisch modifizierten Organismen. Die Gesetzesinitiative wurde am 2. März mit 352 Stimmen gebilligt. Es gab 60 Gegenstimmen und eine Enthaltung. Jetzt muss das Gesetz nur noch von Präsident Luis Inácio Lula da Silva verkündet werden, damit es in Kraft tritt. Der Senat hat es schon genehmigt.
Die Umweltministerin Marina Silva ist gegen das Gesetz, genauso wie die Organisation „Beratung und Dienstleistungen für alternative Projekte in der Landwirtschaft“. Diese erklärte, dass das gebilligte Gesetz von einer „genetisch modifizierten Regierung“ stamme, da die Arbeiterpartei, die Lula zur Macht brachte, immer gegen den Anbau und Handel mit genmanipulierten Organismen gewesen sei.
Die Zustimmung zu diesem Gesetz unterstütze die Pläne einiger Länder Südamerikas, sich in große Soja-Produzenten und Exporteure zu verwandeln. Die Umweltschützer vertreten die Meinung, dass es noch nicht genug Wissen über die Gefahren der genmanipulierten Organismen für die Landarbeiter, die Gesundheit von Menschen allgemein, für Tiere und die Umwelt gäbe.
Das wichtigste Pro-Argument der Produzenten von genetisch verändertem Soja im Bundesstaat Rio Grande do Sul ist die hohe Produktivität. Dort behauptet man, dass die genetisch modifizierten Samen aus Argentinien geschmuggelt wurden. Laut Statistiken des US-Landwirtschaftministeriums, die über das Internetbulletin „Für ein Brasilien ohne Genmanipulation“ veröffentlicht wurden, sank jedoch die Produktivität beim Anbau von genetisch modifiziertem Soja zwischen fünf und elf Prozent im Vergleich zu den traditionellen Erzeugnissen. Zudem bräuchten die Anbauten mit genetisch manipuliertem Soja in den Vereinigten Staaten nach neun Jahren 86 Prozent mehr Herbizide als die traditionellen Anbauten. In Argentinien sei die Anwendung des Herbizids Glyphosat nach sieben Jahren um 14 Prozent gestiegen.
Der US-amerikanische Konzern Monsanto hat das Patent auf die Samen des Gen-Sojas „Round Up Ready“ in Brasilien. Die Firma, die auch das von den US-amerikanischen Truppen in Vietnam benutzte „Agent Orange“ herstellte, erhebt Gebühren von den Landwirten für die Nutzung der Samen. Das gilt auch für die Bauern, die die Samen als “Luftverschmutzung” von Nachbarn bekamen.
Die Zustimmung zu dem Gesetz hat einen negativen Aspekt für die Wirtschaft. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärte, dass 57 der 60 weltweit größten Nahrungsmittelhersteller keine genmanipulierten Produkte in die Europäischen Union verkaufen werden. In Deutschland setzt 99 Prozent der Nahrungsmittelindustrie keine genetisch veränderten Substanzen ein, weil die Verbraucher Druck gemacht hatten.
Der Bundesstaat Parana, der größte Soja-Produzent, hat sich frei von genmanipulierten Produkten erklärt. Dort wurde in den Häfen verboten, solches Soja aus anderen Bundesstaaten oder aus Argentinien und Paraguay einzuschiffen. Der Handel mit traditionellen und organischen Anbauten bringt dem Bundesstaat wirtschaftliche Vorteile. Auch die Regierung des Bundesstaat Mato Grosso do Sul erklärte letzte Woche, dass sie den Export von genmanipuliertem Soja über den Hafen von Paranaguá nicht erlauben werde. Dies würde zu einem Preisverfall und schlechter Wettbewerbsfähigkeit der Produkte auf den internationalen Märkten führen.
PARAGUAY
Opfer des Supermarktbrandes fordern Gerechtigkeit
(Asunción,9. März 2005, recosur-poonal).- Nach dem Brand im Supermarkt Ycua Bolaños am 1. August vergangenen Jahres fordern die Familienangehörigen und die Opfer noch immer, dass die dafür Verantwortlichen bestraft werden. Bei dem Brand im Einkaufszentrum des Stadtviertels Trinidad in Asunción starben 464 Menschen. Wie schon so oft demonstrierten die Betroffenen auch am 9. März wieder vor dem Rathaus von Asunción gegen den Bürgermeister Enrique Riera und die Deckung die Riera von den Stadträten gewährt wird. Damit wird Riera bis heute vor einer möglichen Bestrafung bewahrt. Wegen Ausschreitungen am Ort war es unmöglich die mitgebrachten Kreuze als symbolische Erinnerung an die Opfer gegenüber dem Rathaus aufzuhängen. Die Demonstanten verteilten die Kreuze an die Autofahrer.
Die Betroffenen beklagten, dass die kommunalen Behörden bis heute ihre Stellungnahme zu dem Unglück nicht konkretisiert hätten, weil die Stadträte der Colorado-Partei, die die Mehrheit stellen, sich weigern. Diese Maßnahme sei zwar nur administrativer Natur, würde aber dazu beitragen die Verantwortung der Kommune für den Brand im Supermarkt zu klären. „Die gesamte politische Deckung, die Riera erhält, ist für ihn und folglich auch für den ehemaligen Bürgermeister Martín Burt, der dadurch ebenso indirekt geschützt ist, wie ein Freibrief. Bis heute hat niemand Interesse an der Aufklärung des Falles und somit an der Klärung der Verantwortlichkeiten gezeigt“, erklärt Dr. Roberto Almirón, ein Mitglied der Koordinationsgruppe der Opfer von Ycua Bolaños.
Die Eigentümer des Supermarktes Juan Pío Paiva und sein Sohn Victor Manuel Paiva wurden schon vor Gericht angeklagt. Man wartet nun auf die Voranhörung, um den Verhandlungsbeginn festzulegen.
ARGENTINIEN
Eskalation gegen die Arbeiter der besetzten Fabrik Zanon
VonAlix Arnold
(Neuquen, 7. März 2005, poonal).- Eine Woche nach den telefonischen Morddrohungen gegen Raúl Godoy und Alejandro López, Sprecher der Gewerkschaft SOECN und der Zanonarbeiter, kam es zu einem blutigen Überfall. Am 4. März wurde die Frau eines Zanon-Arbeiters entführt, bedroht und verletzt. Drei Männer und eine Frau zerrten die 24-Jährige in ein Auto, schlugen sie und drohten, auch ihrem Kind etwas anzutun: sie wüssten genau, wo sie ihr Kind lässt, wenn sie zur Arbeit fährt. Sie verfügten über Detailwissen und müssen die Familie systematisch beobachtet haben. Mit einem scharfen Gegenstand fügten sie der Frau blutige Schnitte am Oberkörper und im Gesicht zu und sagten: “Das ist für Godoy, für
López und für Mariano Pedrero (den Anwalt der Zanonarbeiter). Das ist wegen Zanon. Sag denen, dass wir in der Gewerkschaft ein Blutbad anrichten werden. Wir wollen, dass du mit blutigem Gesicht dort ankommst, um ihnen zu zeigen, wie sie alle aussehen werden. Sie werden alle in die Fabrik umziehen müssen, denn wir werden sie sonst alle umbringen.”
Nach zwanzig Minuten ließen die Vermummten ihr Opfer frei. In der folgenden Nacht drangen die Täter in das Haus der Entführten ein und bedrohten sie erneut. Das Fahrzeug der Täter ist ein Ford-Falcon. Dieser Autotyp hat in Argentinien einen schrecklichen Symbolwert, denn er wurde von den Militärs für ihre Entführungen benutzt. Vor und während der Militärdiktatur in Argentinien (1976-83) “verschwanden” 30.000 Menschen. Die meisten von ihnen waren gewerkschaftlich und politisch aktive Arbeiter*innen.
Die Arbeiter*innen von Zanon sehen den Überfall als weitere Eskalation in der derzeitigen Repression, deren Beginn sie auf den November 2003 datieren. Damals ging die Polizei mit großer Brutalität gegen Arbeitslose vor, denen die Zanonarbeiter in einer stundenlangen Straßenschlacht zu Hilfe kamen. Mehrere Menschen wurden durch Gummigeschosse und sogar scharfe Munition verletzt. Der Zanonarbeiter Pedro Alveal verlor dabei ein Auge. Erst vor kurzem ist es den Anwält*innen der Zanonarbeiter gelungen, nach mehreren Einstellungen doch noch ein Strafverfahren gegen beteiligte Polizisten in Gang zu bringen.
Noch ist unklar, woher genau die derzeitigen Angriffe kommen, aber alle Hypothesen deuten in dieselbe Richtung: auf die Provinzregierung. Dies gilt auch für die Vermutung, dass die ehemaligen unternehmertreuen Gewerkschafter dahinterstecken könnten, die schon einmal versucht haben, den Betrieb mit Gewalt “zurückzuerobern”, denn auch diese Mafia hat beste Verbindungen zur Provinzregierungspartei MPN.
Nachdem zuerst bekannte Führungspersönlichkeiten bedroht wurden, ist nun die Frau eines Arbeiters angegriffen worden, der keinerlei besondere Funktionen in der besetzten Fabrik ausübt. Wenn die Täter damit sämtliche Arbeiter*innen einschüchtern wollten, haben sie sich verrechnet. Die Entführte selbst hat die Arbeiter*innen aufgefordert, auf keinen Fall in ihrem Kampf nachzulassen und sich durch diesen Überfall nicht aufhalten zu lassen, und die Arbeiter*innen haben bei einem weiteren Diskussionstag über die Vorfälle ihre Einheit und Entschlossenheit bekräftigt. Für den 8. März hatte die CTA (einer der drei Gewerkschaftsdachverbände, der vor allem im Öffentlichen Dienst vertreten ist) in der Provinz Neuquén zu einem Streik mit Mobilisierung aufgerufen.
ARGENTINIEN-SPANIEN
Staatsanwaltschaft fordert über 9.000 Jahre Haft für Ex-Militär
(Cordoba,7. März 2005, recosur-poonal).- Die Staatsanwaltschaft hat vor dem obersten spanischen Strafgerichtshof am 7. März für den ehemaligen argentinischen Marineoffizier Adolfo Scilingo 9.138 Jahre Haft gefordert. Scilingo ist in Spanien wegen Menschenrechtsverbrechen während der Militärdiktatur in Argentinien angeklagt. Ihm wird Völkermord und Terrorismus vorgeworden.
In ihrem Plädoyer beschuldigte Staatsanwältin Dolores Delgado den Ex-Militär für „Völkermord, 30 Morde und 255 Fälle von Körperverletzungen“ verantwortlich zu sein. Bei zwei sogenannten „Todesflügen“ in Argentinien, an denen Scilingo teilgenommen haben soll, seien 30 Menschen lebend ins Meer geworden worden.
Als der neue Generalstaatsanwalt Cándido Conde Pumpido in Juni letzten Jahres das Amt übernahm, vollzog sich eine Kehrtwende in der Haltung in spanischen Anklagebehörde. Pumpido trat für die Zuständigkeit der spanischen Justiz bei der Verurteilung von Menschenrechtsverbrechen, die im Ausland begangen wurden, ein.
Wegen der ihm vorgeworfenen Verbrechen, könnte Scilingo zu mehr als 12.000 Jahren Haft verurteilt werden. Jedoch werden sich die spanischen Richter auf das Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1973 beziehen, das für die Zeit der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) zur Anwendung kommt. Danach kann der Angeklagte zu maximal 9.138 Jahren Haft verurteilt werden. Angehörige von Opfern der Militärdiktatur forderten als Nebenkläger 6.626 Jahre Haft wegen Völkermord im Zusammenhang mit 30 Morden, 93 Fällen von Körperverletzung, 255 Fällen von Terrorismus und 286 Fällen von Folterungen. Man geht jedoch davon aus, dass Scilingo davon nur höchstens 30 Jahre im Gefängnis absitzen wird.
Die spanische Staatsanwältin beschrieb vor Gericht detailliert die Gräueltaten, die der argentinische Ex-Militär begangen hat. „Es roch stark nach Desinfektionsmittel, es gab Spuren, die auf Verschleppung und Transport von Personen hindeuteten und man verabreichte den Menschen Injektionen vor den Todesflügen“. Die Staatsanwältin wiederholte damit die Aussagen, die Scilingo vor Jahren vor den spanischen Behörden gemacht hatte, als er sich als Zeuge zur Verfügung gestellt hatte. Er hatte damals seine Teilnahme an den Todesflügen zugegeben, später seine Aussage jedoch widerrufen.
Scilingo gehörte während der Diktatur zur Mechanikschule der Marine ESMA (Escuela de Mécanica de la Armada), einem der geheimen Folterzentren der argentinischen Militärs.
LATEINAMERIKA
Im Mai geht der Fernsehkanal “Telesur” auf Sendung
(Santiagode Chile, 10. März 2005, anchi-poonal).- Unter dem Motto “Unser Norden ist der Süden” wird Lateinamerika bald einen eigenen Nachrichtensender via Satellit empfangen können. “Telesur” wird im Mai auf Sendung gehen und wird das “erste gegenhegemonische Kommunikationsprojekt im Fensehbereich in Südamerika” sein, meint der uruguayische Journalist Aram Aharoniam. Aharoniam ist Generaldirektor der Gesellschaft “Neues Fernsehen des Südens AG” (Nueva Televisión del Sur SA), ein multinationales Unternehmen, an dem die Regierungen Venezuelas, Argentiniens, Brasiliens und Uruguays beteiligt sind. Der Sitz wird in Caracas sein.
Der 24-Stunden-Sender will seine Übertragung mit drei Blöcken à acht Stunden und einem Basisprogramm aus Nachrichten und Dokumentarfilmen beginnen. “Telesur” wird von Korrespondenten aus den USA, Mexiko, Bogotá, Caracas, Havanna, Lima, Buenos Aires und Brasilien beliefert. “Wir wollen ein Korrepondentennetzwerk aufbauen und Verträge mit unabhängigen Medien schließen, die sich durch ihre editoriale Linie ausgezeichnet haben, sagten die Träger des Projekts.
Der zukünftige Konkurrent von CNN, Univisión und anderen spanischsprachigen Sendern in Lateinamerika macht einen Schritt auf dem Gebiet der Nachrichten, der an den Kampf zwischen David und Goliat erinnert. Die Situation ist vergleichbar mit der von Radio Al Jazeera in der arabischen Welt. Der Sender funktioniert “unter strengen Kriterien von Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Kommerzalisierung”, sagte Aharoniam der mexikanischen Tageszeitung “La Jornada”.
Die Beteiligung von vier Ländern schon zum Start des Senders gibt dem Projekt seinen multinationalen Charakter. Die Hauptaktionäre sind die Regierungen von Venezuela und Argentinien. Daneben sind brasilianische Institutionen eingebunden und demnächst wird sich noch Uruguay anschließen. Ein Treffen dafür ist im März angesetzt.
Die Aktiengesellschaft hat einen internationalen Vorstand. Den Vorsitz hat Andrés Izarra, der derzeitige Minister für Kommunikation und Information aus Venezuela. Desweiteren besteht der Vorstand aus Aharoniam als Generaldirektor und der Argentinierin Ana de Escalom, Direktorin von Canal 7 aus Buenos Aires, Beto Almeida, Gewerkschafter des brasilianischen Journalistenverbandes, Botero, künftiger Informationsdirektor des Senders und Ovidio Cabrera, dem Ex-Vizepräsident von Radio Tv aus Kuba.
“Telesur ist ein strategisches Projekt, das aus der Notwendigkeit entstand, den Lateinamerikanern eine Stimme gegen die Einheitsgedanken und –bilder zu verleihen, die kommerzielle Kommunikationsmedien verbreiten”, erklärte Aharoniam. “Es ist dringend nötig, uns selbst mit eigenen Augen zu sehen und eigene Lösungen für unsere Probleme zu finden. Wenn wir hier nicht anfangen, wird der Traum von der Integration Lateinamerikas nichts weiter als ein Wunsch in der Ferne bleiben”.
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