Poonal Nr. 495

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischen Agenturen vom 28. September 2001

Inhalt


KOMMENTAR: Das Theater vom Guten

MEXIKO/USA

MEXIKO

KUBA

GUATEMALA

 

ECUADOR/KOLUMBIEN

PARAGUAY

BRASILIEN

URUGUAY


KOMMENTAR: Das Theater vom Guten

Von Eduardo Galeano

(Montevideo, September 2001, Poonal).- Im Kampf des Guten gegen das Böse ist es immer die einfache Bevölkerung, die die Toten stellt. Die Terroristen haben in New York und in Washington Arbeiter aus 50 Ländern umgebracht, im Namen des Guten gegen das Böse. Und im Namen des Guten gegen das Böse, schwört Präsident Bush Rache: „Wir werden das Böse aus dieser Welt auslöschen“, kündigt er an.

Das Böse auslöschen? Was wäre das Gute ohne das Böse? Nicht nur die religiösen Fanatiker benötigen Feinde, um ihren Wahnsinn zu rechtfertigen. Um ihre Existenz zu rechtfertigen, benötigen ebenfalls die Rüstungsindustrie und der gigantische Militärapparat der USA Feinde. Gute und Böse, Böse und Gute: die Akteure vertauschen die Masken, die Helden werden zu Monstern und die Monster zu Helden, ganz wie es diejenigen fordern, die das Drama schreiben.

Das hat nichts Neues an sich. Der deutsche Wissenschaftler Werner von Braun war böse, als er die V-2-Raketen erfand, die Hitler über London ablud, doch er wandelte sich zum Guten an dem Tag, an dem er sein Talent in die Dienste der Vereinigten Staaten stellte. Stalin war gut während des Zweiten Weltkrieges und böse danach, als er das Reich des Bösen dirigierte. In den Jahren des Kalten Krieges schrieb John Steinbeck: „Vielleicht braucht die ganze Welt Russen. Ich wette, auch in Russland brauchen sie Russen. Vielleicht nennen sie sie dort Amerikaner.“ Später wurden die Russen guter. Jetzt sagt auch Putin: „Das Böse muss bestraft werden.“

Saddam Hussein war gut und gut waren die Chemiewaffen, die er gegen die Iraner und die Kurden einsetzte. Später wurde er böser. Da hieß er bereits Satan Hussein, als die Vereinigten Staaten, die gerade Panama invadiert hatten, Irak invadierten, weil Irak Kuwait invadiert hatte. Bush Vater hatte für diesen Krieg gegen das Böse die Verantwortung. Mit dem humanitären und mitleidenden Geist, der seine Familie charakterisiert, brachte er mehr als hunderttausend Iraker um, in ihrer großen Mehrheit Zivilisten.

Satan Hussein ist immer noch dort, wo er war, aber dieser Feind Nummer Eins der Menschheit ist in die Kategorie des Feindes Nummer Zwei zurück gefallen. Die Geißel der Welt nennt sich nun Osama bin Laden. Der CIA hatte ihm alles beigebracht, was er in Sachen Terrorismus wusste: Bin Laden, geliebt und bewaffnet von der Regierung der USA, war einer der wichtigsten „Freiheitskämpfer“ gegen den Kommunismus in Afghanistan. Bush Vater war Vizepräsident als Präsident Reagan sagte, diese Helden seien „das moralische Äquivalent der Gründerväter Amerikas“. Hollywood war einverstanden mit dem Weißen Haus. Damals wurde Rambo 3 gedreht: die afghanischen Muslime waren die Guten. Jetzt, dreizehn Jahre später, in Zeiten von Sohn Bush, sind sie die bösesten Bösen.

Henry Kissinger war einer der ersten, die gegenüber der jüngsten Tragödie reagierten. „Genauso schuldig wie die Terroristen sind diejenigen, die Unterstützung, Finanzierung und Inspiration leisten“, urteilte er mit Worten, die Präsident Bush wenige Stunden danach wiederholte. Wenn das so ist, müsste man damit anfangen, Kissinger zu bombardieren. Er würde sich vieler Verbrechen mehr als schuldig herausstellen als der, die von Bin Laden und von allen in dieser Welt existierenden Terroristen begangen wurden. Und in viel mehr Ländern: im Dienste mehrerer US-Regierungen stehend, leistete er „Unterstützung, Finanzierung und Inspiration“ – dem Staatsterror in Indonesien, Kambodscha, Zypern, Südafrika, Iran, Bangladesh und in den südamerikanischen Ländern, die den schmutzigen Krieg des Plan Condor durchmachten.

Am 11. September 1973, genau 28 Jahre vor den jetzigen Feuerbällen, hatte der Präsidentenpalast in Chile in Flammen gestanden. Kissinger war es, der die Grabschift für Salvador Allende und die chilenische Demokratie vorweg genommen hatte, als er das Ergebnis der Wahlen kommentierte: „Wir müssen nicht akzeptieren, dass ein Land wegen der Unverantwortlichkeit seiner Bevölkerung marxistisch wird.“ Die Verachtung des Volkswillens ist eine der zahlreichen Übereinstimmungen zwischen dem Staatsterrorismus und dem Privatterrorismus. Um ein Beispiel zu nennen: die ETA, die Menschen im Namen der Unabhängigkeit des Baskenlandes umbringt, sagt durch einen ihrer Sprecher: „Die Rechte haben nichts mit Mehrheiten und Minderheiten zu tun.“

Der handwerkliche und der hochtechnisierte Terrorismus, der der religiösen Fundamentalisten und der der Marktfundamentalisten, der der Verzweifelten und der der Mächtigen, der der losgelassenen Irren und der der Profis in Uniform ähneln sich in Vielem. Alle teilen dieselbe Verachtung für das menschliche Leben: Die Mörder der 5.000 zermalmten Bürger unter den Trümmern der Zwillingstürme, die wie Sandburgen einstürzten und die Mörder der 200.000 Guatemalteken, in ihrer Mehrheit Indigenas, die ausgelöscht wurden, ohne dass ihnen jemals das Fernsehen oder die Zeitungen der Welt geringste Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Sie, die Guatemalteken, wurden nicht von irgendeinem fanatischen Muslim geopfert, sondern von terroristischen Militärs, die „Unterstützung, Finanzierung und Inspiration“ von den aufeinander folgenden US-Regierungen erhielten.

Alle in den Tod Verliebten stimmen ebenfalls in ihrer Besessenheit überein, die sozialen, kulturellen und nationalen Widersprüche auf militärische Begriffe zu reduzieren. Im Namen des Guten gegen das Böse, im Namen der einzigen Wahrheit, lösen sie alle alles, indem sie zuerst umbringen und danach fragen. Und auf diesem Weg enden sie damit, den Feind zu nähren, den sie bekämpfen. Es waren die Greueltaten des Sendero Luminoso, die in großem Maße den Präsidenten Fujimori ausbrüteten, der mit beträchtlicher Unterstützung aus der Bevölkerung ein Terrorregime einrichtete und Peru zum Preis einer Banane verkaufte. Es waren die Greueltaten der USA im Mittleren Osten, die in großem Maße den heiligen Krieg von Allahs Terrorismus ausbrüteten.

Auch wenn jetzt der Führer der Zivilisation zu einem neuem Kreuzzug aufruft, Allah ist für die Verbrechen, die in seinem Namen begangen werden, nicht schuldig. Schließlich hat Gott nicht den Holocaust der Nazis gegen die Anhänger Jehovas befohlen und es war nicht Jehova, der das Massaker von Sabra und Chatila anordnete oder vorschrieb, die Palestinenser von ihrem Land zu vertreiben. Sind nicht Jehova, Allah und Gott nüchtern betrachtet drei Namen einer selben Divinität? Eine Tragödie von Irrtümern: Man weiß nicht mehr, wer wer ist. Der Rauch der Explosionen formt Teil eines viel riesigeren Rauchvorhanges, der uns am Sehen hindert. Die Terrorismen zwingen uns, von einer Rache zur anderen zu stolpern. Ich sehe ein kürzlich veröffentlichtes Foto vor mir: auf eine Wand in New York hatte eine Hand geschrieben: „Auge um Auge lässt die Welt blind.“

Die Gewaltspirale bringt Gewalt und auch Konfusion hervor: Schmerz, Angst, Intoleranz, Hass, Wahnsinn. In Porto Alegre warnte zu Beginn dieses Jahres der Algerier Ahmed ben Bella: „Dieses System, das bereits die Kühe zum Wahnsinn trieb, ist dabei, auch die Leute wahnsinnig zu machen.“ Und die Wahnsinnigen, wahnsinnig vor Hass, agieren genauso wie die Macht, die sie hervorbringt. Ein dreijähriges Kind, mit dem Namen Luca, kommentierte in diesen Tagen. „Die Welt weiß nicht, wo ihr Haus ist.“ Der Kleine schaute auf eine Landkarte. Er hätte auch eine Nachrichtensendung sehen können.

 

MEXIKO/USA

Mexikaner im Zwiespalt: Wieviel oder wiewenig Solidarität mit den USA ist nach den Attentaten angemessen – Traditionelle Außen- und Neutralitätspolitik auf dem Prüfstand

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 28. September 2001, npl).- „Armes Mexiko, so nah an den USA und so weit weg von Gott“, hieß es früher oft mitfühlend, wenn vom südlichen Nachbarn der Supermacht die Rede war. Das schien mit dem Amtsantritt von Präsident Vicente Fox Ende vergangenen Jahres auf einmal vorbei zu sein. Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten gediehen auf den ersten Blick prächtig. Fox traf seinen Gegenüber Bush innerhalb weniger Monate öfter als seine Vorgänger in ihren gesamten Regierungsperioden. Von einem Verhältnis auf gleicher Augenhöhe, einer harmonischen Partnerschaft war in mexikanischen Regierungskreisen die Rede.

Die Attentate in den USA haben das wieder schlagartig verändert. Mexiko leidet erneut an der Beziehung zum Nachbarn und ist in eine tiefe Diskussion um die künftige Außenpolitik verstrickt. Im Kern geht es darum, wie weit die Solidarität mit den USA gehen kann und darf. Und um die Identität und Souveränität des Landes. Der Schriftsteller Carlos Fuentes erklärte am 25. September provokativ: „Wir sind Partner der Amerikaner, aber auf keinen Fall ihre Befehlsempfänger. Da gibt es doch einen Unterschied, oder?“

Die Frage hat ihren Grund und wird seit den Terroranschlägen in variierter Form jeden Tag wieder neu gestellt. Am 12. September preschte der mexikanische Außenminister Jorge Castañeda vor und rechtfertigte im Vorhinein „Vergeltungsmaßnahmen“ und „Rache“ der USA. Er sprach sich für eine bedingungslose Unterstützung des Nachbarns im Norden aus und schloss indirekt sogar militärische Hilfeleistung nicht aus. Den sich abzeichnenden Konflikt bezeichnete er „als den unseren“. Ein Tabubruch in der Geschichte der mexikanischen Außenpolitik.

Traditionell ist Mexiko stolz auf das Prinzip der Nicht-Einmischung und die Neutralität seiner Außenpolitik gewesen. In der Verfassung wird diese Haltung bekräftigt. Zudem spielte über Jahrzehnte hinweg die sogenannte Estrada-Doktrin aus den 30er Jahren eine große Rolle, die für politische Distanz zu den USA sorgte, weil sie sich nicht mit Interventionspolitik einverstanden erklärte. Nun regt sich Widerstand dagegen, dass Minister Castañeda und Präsident Fox die alten Prinzipien quasi im Vorbeigehen umstossen könnten.

Beide sind als Verfechter einer starken politische Annäherung an die USA bekannt. Sie halten diese aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit auch für unvermeidlich. Im Falle des Außenministers, der noch Anfang der 90er Jahre ein entschiedener Gegner des Nordamerikanischen Freihandelsvertrages (NAFTA) gehörte, bedeutet das allerdings eine Kehrtwendung von 180 Grad. „Vasallentreue“ wird ihm jetzt vorgeworfen. Der Oppositionsabgeordnete Emilio Ulloa sprach aus, was wohl viele Mexikaner denken: „Sie laden uns zu einem Krieg ein, der aber Ihrer ist und nicht unserer.“

Laut Umfragen ist eine große Bevölkerungsmehrheit gegen den starken Schulterschluss mit den USA. Auf fast einhelligen Widerspruch der Kommentatoren fällt die Bush-Aussage „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Bei allem Mitgefühl mit den Opfern – unter denen sich wahrscheinlich über 200 Mexikaner befinden – wird vielfach darauf hingewiesen, dass die Attentate auch eine Konsequenz einer arroganten und oft brutalen US-Außenpolitik sind. Bis hin in eher konservative Kirchenkreise findet diese Kritik derzeit Erwähnung. Ins vergangene Jahrhundert zurück reichende Demütigungen, wie der Abtritt von der Hälfte des Staatsgebietes an die USA, sind in Mexiko nicht vergessen.

In der aktuellen Situation ist die Regierung sich nicht einig. Innenminister Santiago Creel hat mehrmals demonstrativ betont, jede Hilfe für die USA müsse sich an den Kriterien des Rechtsstaates orientieren und UNO-Resolutionen beachten. Kritisiert wird das Vakuum, das Vicente Fox bei seiner Amtsführung aufkommen lässt. Führungsqualitäten hat der Präsidenten in den vergangenen Wochen nicht gezeigt.

Der mexikanische Senat, der schwerwiegenden Entscheidungen der Außenpolitik zustimmen muss, geht immer mehr auf Konfrontationskurs mit dem Außenminister. Die Opposition fordert seinen Rücktritt, aus der Regierungspartei PAN kaum Beistand für den zuvor bereits wenig geliebten Castañeda. Aufgrund der Intervention aus dem Senat ist der Ton offizieller Regierungserklärungen bezüglich der Solidarität mit den USA wesentlich verhaltener als die Aussagen des Außenministers, der die „Litanei von Prinzipien“ für eine Sache der Vergangenheit hält.

Einen „Pragmatismus ohne Prinzipien“ befürchten dagegen seine Widersacher. Die Sorge um ein gutes Verhältnis zur Supermacht dürfe nicht das ausschließliche Kriterium sein. Die Diskussion ist in keinster Weise abgeschlossen. Daran ändert die Tatsache nichts, dass US-Botschafter Jeffrey Davidow am 24. September ein Gesuch um militärische Hilfe an die Mexikaner so gut wie ausschloss. Diese müssen sich entscheiden, ob sie trotz eventueller politischer Kosten ihre Neutralität beibehalten wollen oder ob sie sich auf einen Weg begeben, von dem es einmal eingeschlagen, kaum mehr ein Zurück gibt.

 

MEXIKO

Ein Projekt versucht Folgen der psychologischen Kriegführung in Chiapas zu lindern

Von Thomas Guthmann

(Mexiko-Stadt, 25. September 2001, Poonal).- Am 26. August 2001 fährt morgens, um 6:30, ein blauer Transporter aus dem Besitz der Sicherheitspolizei Streife in den Strassen der „Autonomen Gemeinde 17. November“ Morelia. Auf der Ladefläche befinden sich acht schwerbewaffnete Polizisten. In der Fahrerkabine sitzen zwei weitere Polizisten, die mit Wollmasken maskiert sind. Sie fragen die Bewohner „ob sie Diebe gesehen haben“. Nachdem sie einige Male durch die Strassen patrouillieren und die Bewohner mit Fragen belästigt haben, verlassen sie die Gemeinde in Richtung Altamirano, wo der Transporter parkt und drei Polizisten den Transporter in einen Wald zwei Kilometer von der Gemeinde entfernt verlassen. „Wir verlangen von der Landesregierung von Chiapas, dass sie eingreift und die Belästigung und Einschüchterung indigener Gemeinden unterbindet“, heisst es in einer Erklärung der Bewohner*innen der Gemeinde, die sich gegen die Willkür der Polizei richtet.

Beschwerden über Belästigungen oder Übergriffe von staatlicher Seite, wie die der Bewohner*innen der autonomen Gemeinde des 17. November, gibt es von indigenen Gemeinden in Chiapas immer wieder. Vor allem Gemeinden, die mit der Zapatistischen Befreiungsarmee – EZLN – sympathisieren, sind das Ziel von Übergriffen des Militärs, Polizei oder Paramilitärs. Der Konflikt in Chiapas dauert nun seit über sechs Jahren an. Am 1. Januar 1994 besetzte das Zapatistische Nationale Befreiungsheer (EZLN), für die mexikanischen Sicherheitskräfte völlig überraschend, die Kolonialstadt San Cristobal de las Casas und andere Gemeinden in Chiapas, sowie Kasernen und Polizeistationen. Nach zwölf Tagen Bürgerkrieg schwiegen die Waffen wieder. Aufgrund der Sympathiebezeugungen für die Zapatistische Bewegung im ganzen Land musste die Regierung ihre Absicht, den Aufstand militärisch niederzuschlagen, aufgeben. Statt dessen setzten sich Regierung und Rebellen an den Verhandlungstisch. Seitdem ruhen die Waffen, zumindest offiziell. Dem offenen Krieg folgte ein versteckter. Mit diesem „Krieg niedriger Intensität“, wie es in der Militärfachsprache heisst, sind viele Gemeinden in Chiapas, die mit den Zapatisten sympathisieren, bis heute konfrontiert.

Bei dieser Art der Kriegführung, so die Psychologin Berenice Mejia, „handelt es sich um eine globale Strategie der Aufstandsbekämpfung, die auf verschiedene Art angreift: politisch und militärisch, aber auch sozial, kulturell oder psychologisch. Man nennt ihn auch psychologischen Krieg, weil es nicht notwendig ist, einen Schuss abzufeuern, sondern es reicht die Tatsache, das Soldaten einfach nur bewaffnet durch ein Dorf fahren. Das reicht dann schon dafür aus, dass die Kinder ständig verschreckt sind“. Dr. Mejia, Psychologin an der Autonomen Universität von Mexiko – UNAM – in Mexiko-Stadt, leitet seit 1997 ein Projekt, mit dem die autonomen Gemeinden unterstützt werden die psychologischen Folgen dieses versteckten Krieges zu bekämpfen.

Die Initiative versucht nach den Bedürfnissen der Bewohner*innen der Gemeinden zu handeln. Den Mitarbeiter*innen des Projekts geht es nicht darum, die BeschützerInnenrolle auf dem Gebiet der Gesundheit zu übernehmen, sondern bei der Entwicklung eines selbstverwalteten Gesundheitssystems unterstützend tätig zu sein. Durch die Tätigkeit der engagierten Psycholog*innen und Mediziner*innen soll den Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, Krankheiten selbst zu erklären und zu behandeln. Es geht darum, so Mejia, dass die betroffenen Menschen in den Gemeinden „eine Form zu finden, mit der Problematik der Krankheit umzugehen.“

Um diese Ziel zu erreichen reisen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Programms ein bis zweimal im Jahr nach Chiapas, besuchen die Gemeinden, arbeiten in Arbeitsgruppen mit Frauen, Kindern und Jugendliche und bilden Gesundheitsbeauftragte aus. Ziel ist: Hilfe zur Selbsthilfe. Die Bedürfnisse der Menschen, ihre Traditionen und Lebensweisen stehen im Vordergrund, nicht die Konzepte westlicher Psychologie oder Medizin. Die Mitglieder der Gemeinde bestimmen, wie an die psychischen und physischen Probleme der Menschen herangegangen wird. Das Konzept der Projekts richtet sich nach der Sichtweise der betroffenen Menschen. Die Philosophie der Arbeit bedeutet: die indigenen Gemeinden selbst, die grösstenteils in bitterer Armut leben müssen und zudem noch den Schikanen von Polizei oder Paramilitärs ausgesetzt sind, entscheiden wann und wie sie die Hilfe des Projektes annehmen und was sie brauchen.

„Es ist nicht unsere Arbeit“, so die Psychologin Berenice Mejia, „zu sagen, wir kommen um euch alle zu heilen. Es handelt sich um eine Arbeit des Zuhörens. Deswegen arbeiten wir auf verschiedene Weise, in Gruppen, z.B. mit Kindern, wo wir ganz genau das erklären“. Die Mitarbeiter*innen des Projekts unterhalten sich mit den Betroffenen über die Situation in der sie leben. Dabei thematisieren sie wie wichtig es ist, dass sie, die Betroffenen der psychologischen Kriegführung, die Bewohner*innen der Gemeinden einen Weg finden, sich miteinander austauschen. „Wichtig ist, dass sie unter sich sprechen können, und unter sich Wege finden können mit den Problemen umzugehen und dadurch auch weiter Widerstand leisten können“ fügt die engagierte Psychologin hinzu.

Konkret geht es in der Arbeit darum, mit den Gemeindemitgliedern zusammen herauszufinden, ob eine Gastritis beispielsweise eine psychische oder eine physische Ursache hat, beides ist möglich. Es kann sein, das alle Medikamente nicht wirken, weil die Ursache der Krankheit psychosomatisch bedingt ist. Natürlich gibt es auch beide Ursachen gleichzeitig: Unterernährung und der Druck der Militärpatrouillen. Nicht die Psycholog*innen entscheiden, ob jemand eine Depression hat. Das, so Berenice Mejia könnten sie schon deswegen nicht machen, „weil wir hier nicht dieselben Massstäbe benutzen können, die wir in einer städtischen Gesellschaft benutzen. Unsere Sicht der Welt muss auch nicht die Sicht sein, in der die Indígenas die Welt sehen. Deswegen beinhaltet das Projekt auch anthropologische und kulturelle Fragen. Die Kultur der Indígenas muss in die Arbeit mit einbezogen werden.“

Berenice Mejia und ihre Mitstreiter*innen sehen sich nicht als humanitäre Hilfsorganisation, im klassischen Sinne, die oft die Sichtweise einer westlichen Zivilisation mitbringen und die Traditionen und Lebenserfahrungen der Menschen vor Ort unterschätzen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts sind die Gemeinden, Kommunen im Widerstand, die gegen die jahrhundertelange Benachteiligung der indígenen Bevölkerung in Chiapas aufgestanden sind. Ihre Lebensweise unterscheidet sich in vielen Aspekten von der Lebensart der westlichen Zivilisation. Was die Gemeinden machen, ist, ihr Recht zu fordern, nach ihren Traditionen und ohne Benachteiligung zu leben. Deswegen sieht Berenice Mejia die autonomen Gemeinden nicht als Opfer, sondern als Akteure, die für ihre Rechte kämpfen.

Natürlich geht es auch um Soforthilfe. Immer noch sterben Kinder an Krankheiten, wie Fieber, die bei entsprechender medizinischer Versorgung, ungefährlich sind. Es werden daher materielle Mittel, wie etwa Medikamente, benötigt. Dazu gehören neben Medikamente auch Nahrungsmittel oder eine ausreichende Grundversorgung, sowohl sozial, als auch medizinisch beispielsweise für Kinder und Schwangere. Das Projekt ist auf materielle Spenden angewiesen.

(Wer sich für das Projekt interessiert, kann sich direkt an Berenice Mejia wenden: Dr. Berenice Mejia, Comisión de Salud, FZLN, e-mail:berenic@compuserve.com)

 

KUBA

Kuba lehnt kriegstreiberische Haltung von führenden Persönlichkeiten in den Vereinigten Staaten ab

(Havanna, 19. September 2001, pl-Poonal).- „Die Welt hat nicht ihre einhellige Unterstützung erklärt oder ihr aufrichtigstes Beileid für das edelmütige nordamerikanische Volk ausgedrückt, damit diese Gefühle ausgenützt werden um Doktrinen auszuarbeiten, die den Planeten mit Chaos und blutigen Tagen überziehen könnten.“ So heißt es in einer Erklärung, die heute am frühen Morgen von der kubanischen Regierung abgegeben wurde. Darin wird die kriegstreiberische Tendenz der höchsten Beamten der Vereinigten Staaten, die diese unter dem Deckmantel einer energischen Vergeltungsmaßnahme für die Terroranschläge in New York und Washington am vergangenen 11. September entwickeln, kritisch analysiert. Im Folgenden gibt Prensa Latina den vollständigen Text der Verlautbarung wieder.

Die traurige und brutale Nachricht von dem Terroranschlag, dessen Opfer das nordamerikanische Volk am 11. September wurde, und die schrecklichen Bilder des Leidens und des Schmerzes auslösten, haben Erschütterung ausgelöst. Nun haben sich Geister, die sich von Gefühlen des Hasses und der Hochmut hinreißen lassen, der finsteren Aufgabe verschrieben, alte Methoden und Doktrinen neu zu beleben, die selbst die Wurzel des Terrorismus und der schweren Spannungen sind. In diesem Moment, in dem das einzig Ratsame die gelassene und mutige Suche nach endgültigen und weltweit abgesprochenen Lösungen für den Terrorismus und andere Tragödien ist, hören wir einflussreiche Politiker der Vereinigten Staaten voll Wut und Rachegedanken scharfe Worte aussprechen, wie wir sie seit den Zeiten unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gehört haben.

Jede anständige Person darf sich fragen, ob wirklich Gerechtigkeit gesucht wird, oder ob die schmerzhafte und außergewöhnliche Tragödie benutzt wird, um Methoden, Vorrechte und Privilegien durchzusetzen, die zur grenzenlosen und uneingeschränkten Tyrannei des mächtigsten Staates über alle Völker der Erde führen werden. Einige wichtige Beamte verkünden öffentlich, jede Einschränkung des Rechtes, jede beliebige Person durch Institutionen und Beamte der Vereinigten Staaten töten zu lassen, aufheben zu wollen, einschließlich des Verbots, sich dazu Krimineller und Verbrecher der schlimmsten Sorte zu bedienen.

Dieses Vorrecht haben die Regierenden der Vereinigten Staaten genutzt, um patriotische Führer wie Patrice Lumumba im Jahr 1961 zu eliminieren, um Staatsstreiche und Genozide zu organisieren, die Hunderttausenden das Leben kosteten und bei denen Millionen von Menschen gefoltert, verschwinden gelassen oder auf andere Weise eliminiert wurden. Kuba hat Hunderte von Attentatsplänen gegen seine Führer angeklagt und wurde nicht müde zu fordern, dass die Verantwortlichen und Urheber unzähliger terroristischer Akte, die unser Volk eine hohe Zahl von Opfern kostete, bestraft werden. Der Senat der Vereinigten Staaten selbst untersuchte und verurteilte mehrere dieser gegen Kuba gerichteten Akte, bei denen verschiedene Apparate benutzt wurden, die keine plumpe und abstoßende Art des Tötens ausschlossen.

Eine ganze Wissenschaft wurde um solche Vorhaben herum entwickelt. Die Welt hat nicht ihre einhellige Unterstützung erklärt oder ihr aufrichtigstes Beileid für das edelmütige nordamerikanische Volk ausgedrückt, damit diese Gefühle ausgenützt werden um Doktrinen auszuarbeiten, die den Planeten mit Chaos und blutigen Tagen überziehen könnten. Genauso schwer wiegend wie der Terrorismus und eine seiner verabscheuenswürdigsten Formen ist es, wenn ein Staat das Recht verkündet, nach Belieben in jedem Winkel der Erde und ohne gesetzliche Normen, Gerichtsverfahren und sogar ohne Beweise töten zu dürfen. Eine solche Politik wäre ein barbarisches und unzivilisiertes Tun, das alle Normen und gesetzlichen Grundlagen, auf denen der Frieden und das Zusammenleben zwischen den Nationen aufbauen könnten, untergräbt.

Inmitten der durch die Situation entstandenen Panik und Verwirrung haben die politischen Führer der verschiedenen Staaten, obwohl die Einführung solcher Vorgehensweisen in die internationale Politik eine extrem wichtige Angelegenheit ist, mit wenigen Ausnahmen kein einziges Wort über die faschistische und terroristische Tendenz solcher Erklärungen verloren. Eine der ersten Folgen waren Hunderte fremdenfeindlicher und schrecklicher Handlungen gegen Personen anderer Nationalität und Religion. Das nordamerikanische Volk wird niemals für die brutale Methode Partei ergreifen, andere Menschen kaltblütig zu ermorden, Gesetze zu brechen, ohne Beweise zu strafen und Prinzipien elementarer Gleichheit und Gerechtigkeit zu verleugnen, um den Terrorismus zu bekämpfen, so abstossend und skrupellos er auch sein mag. Solche Methoden werden auf unserem Planeten das Gesetz des Dschungels einführen; sie werden die Vereinigten Staaten beschmutzen, ihr Ansehen zerstören und dem Hass Nahrung geben, de heute so viel Schmerz und Trauer verursacht. Das nordamerikanische Volk will Gerechtigkeit, nicht Rache!

Kuba hat vom ersten Augenblick an gesagt, dass kein Problem der gegenwärtigen Welt mit Gewalt gelöst werden kann; dass wir angesichts des Terrorismus weltweites Bewusstsein und Einigkeit schaffen müssen, mit denen wir diesen und andere Konflikte und Tragödien, die sogar das Überleben der Spezies gefährden, ausrotten und beenden können. Auch wenn die Kriegstrommeln, die allem Anschein nach unerbittlich auf ein blutiges Ende hinsteuern, ungewöhnlich mächtig tönen, ist noch nicht alles verloren. Die Ulemas von Afghanistan, religiöse Führer eines traditionell kämpferischen und mutigen Volkes, haben sich versammelt um grundsätzliche Entscheidungen zu treffen. Sie sagten, sie würden sich nicht der Anwendung des Rechts und seiner Verfahrensweisen entgegenstellen, wenn die der Taten Beschuldigten, die in ihrem Land leben, schuldig sind. Sie haben einfach nur Beweise verlangt, sie haben Garantien für die Unparteilichkeit und Gleichheit im Gerichtsverfahren verlangt. Das kann die UNO mit der vollen Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hervorragend zusichern.

Wenn solche Beweise existieren, wie die Führer der nordamerikanischen Regierung kategorisch bestätigen; wenn man nicht von den religiösen Führern verlangt, sich über die tiefsten Überzeugungen ihres Glaubens – die sie, wie man weiß, bis zum Tod zu verteidigen pflegen – hinwegzusetzen; dann könnte eine Alternative zum Krieg gefunden werden. Sie werden ihr Volk nicht unnötig opfern, wenn ihre ethisch berechtigten Forderungen berücksichtigt werden. Ströme von Blut könnten vermieden werden. Dies könnte der erste große Schritt zu einer Welt ohne Terrorismus und ungestrafte Verbrechen sein: eine wirklicher weltweiter Zusammenschluss für Frieden und Gerechtigkeit. Das nordamerikanische Volk gewänne dadurch enorm an Ansehen und Respekt. Kuba würde eine Lösung dieser Art ohne Zögern unterstützen. Aber wir dürfen nicht eine Minute verlieren, es bleibt uns wenig Zeit. Ohne diesen elementaren, einfachen und möglichen Versuch wäre der Krieg ungerecht.

Die Regierung der Republik Kuba

Havanna, 19. September 2001

 

GUATEMALA

Frau an der Spitze der URNG

(Guatemala-Stadt, 24. September 2001, na/infopress-Poonal).- Alba Estlela Maldonado ist zur Generalsekretärin des Nationalen Führungskommittees der URNG (Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca) gewählt worden und damit die erste Frau in Guatemala, die einer Partei vorsteht.

Auf der landesweiten Versammlung am 26. August hatte sich die URNG als eine revolutionäre, demokratische und sozialistische Partei definiert. Die ehemalige Guerillaorganisation war 1996, nach Unterzeichnung der Friedensverträge mit der Regierung, die dem Bürgerkrieg nach 36 Jahren ein Ende setzten, zu einer legalen politischen Partei geworden.

Es wird geschätzt, dass mehr als 200 000 Menschen während des Konfliktes umkamen oder verschleppt wurden. URNG und Regierung legten das Jahr 2004 als neues Zieldatum für die Umsetzung der sozialen, wirtschaftlichen und militärischen Reformen fest, die die Friedensverträge vorsehen.

 

Aufklärung für Mord an Journalist gefordert

(Guatemala-Stadt, September 2001, comcosur-Poonal).- Die Ombudsstelle der Maya schließt sich mit einem Kommunique Organisationen an, die den Mord an dem Journalisten Jorge Mynor Alegria Armendariz anklagen.

Der Mord geschah am 5. September gegen 22.00 Uhr diesen Jahres. Der Journalist, 38 Jahre alt, wurde vor seinem Haus von Unbekannten ermordet. Er war Direktor bei „Radio Amatique“ und Moderator einer Life-Sendung. Zudem fungierte er als Korrespondent für das nationale vereinigte Radionetz.

Als Journalist machte er Korruptionsfälle und Unregelmäßigkeiten der Behörden in Puerto Barrios und Aduanas öffentlich. Seine Radiosendungen galten als Orte der Meinungsfreiheit der Bevölkerung.

Die Ombudsstelle der Maya fordert die Regierung dazu auf, mit der Aufklärung des Mordes sofort zu beginnen. Außerdem spricht sie andere nationale und internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UNO) und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) an, der staatlichen Gewalt und den Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen.

 

HONDURAS

Funde von Resten Verschwundener

(El Aguacate, 24. September, 2001, na-Poonal).- Insgesamt 21 Funde von Knochen machten gerichtlich bestellte Anthropologen und Archäologen in der Militärbasis El Aguacate, 250 km östlich der Hauptstadt Tegucigalpa.

El Aguacate wurde zwischen 1983 und 1990 von den USA als Stützpunkt benutzt, um von dort aus Militäroperationen gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua (1979-1990) zu führen.

Es wird angenommen, dass es sich um Knochen von Mitgliedern der nicaraguanischen „Contra“ handelt, die im Hospital der Militärstützpunktes an ihren Kriegsverletzungen starben. Menschenrechtsorganisationen jedoch meinen, dass man möglicherweise auf die Reste der 80 Honduraner gestoßen ist, die in den achtziger Jahren verhaftet und verschwinden gelassen worden waren.

Unter den Opfern wird auch der us-amerikanische Jesuit James Carney vermutet, der 1983, als er bei einer Gruppe von Guerilleros als Feldgeistlicher tätig war, verschleppt wurde.

 

ECUADOR/KOLUMBIEN

Gegen die Besprühungen der Kokaplantagen

Von Luis Ángel Salvedra

(Quito, August 2001, na-Poonal).- Zwei neue Untersuchungen, eine kolumbianische, eine ecuadorianische, warnen deutlich vor den Konsequenzen der Besprühungen der Kokafelder für Mensch und Natur in der Grenzregion. Sowohl die Studie der kolumbianischen Biologin Elsa Nivia, die Februar und April diesen Jahres in der südlichen Provinz Putumayo durchgeführt wurde, als auch die entsprechende Untersuchung der ecuadorianischen Organisation „Ökologische Aktion“ kommen zu dem Schluss, dass die Besprühung mit dem Herbizid Glyphosat(1) schädigend für die menschliche Gesundheit sowie die Umwelt ist.

Elsa Nivia ist Vertreterin der NGO Rapalmira, einer Organisation, die in Kolumbien schon seit 20 Jahren die gesundheitlichen Folgen des Einsatzes chemischer Mittel in der Landwirtschaft untersucht. „Roundup Ultra“, das derzeit zu Besprühungen eingesetzt wird, ist dem eigentlichen Wirkstoff Glyphosat (43,9 Prozent), POEA und (Polyoxyethylenamin) und Cosmo-Flux 411F zugesetzt, die die Toxizität des Glyphosats annähernd 22 mal erhöhen. In Kolumbien wird das Biozid in bis zu 26-fach höherer Konzentration als dem in den USA für die Unkrautbekämpfung zugelassenen Grenzwert versprüht. Von Dezember 2000 bis Februar diesen Jahres wurde in Putumayo intensiv besprüht. Im März und April fanden nur noch vereinzelt Besprühungen aus der Luft statt.

„Wenn die Flugzeuge über uns sind, so wie jetzt, fängt man an, einen Geruch wie nach Benzin wahrzunehmen, etwas, das man nicht atmen kann, dann tut einem der Kopf weh wie bei einem Kater und die Augen brennen. Dann fangen die Kinder an zu weinen und sich schlecht zu fühlen, dann kommen sie Fieber…“ erzählt ein Bauer, der als Kokapflücker im Valle del Guamez in der Provinz Putumayo arbeitet.

„Die Symptome sind dieselben, die in Untersuchungen der Herstellerfirma beschrieben werden“, sagte Elsa Nivia in Bezug auf technische Informationen, die von der US-amerikanischen Firma Monsanto bereitgestellt werden.Die selben Symptome, die in den Gemeinden Valle del Guamez y el Río San Miguel, beide in Putumayo, bei der Bevölkerung festgestellt wurden, zeigten sich auch in den indigenen Gemeinden der Provinzen Sucumbíos und Orellana in Ecuador.

Die Symptome treten gleich auf, „nachdem eine dichte Wolke, mit starkem Geruch und Augenbrennen auftrat“ berichtete Abelardo Sáez, Leiter der Landwirte in Puerto Aguarico in Sucumbíos, der in die ecuadorianische Hauptstadt Quito reiste, um seine Zeugenberichte bei einer Präsentation der Ergebnisse der Untersuchungen der „Ökologischen Aktion“ und „Rapalmira Colombia“ vorzulegen.

38 Bauern-Organisationen, die in der Union der Verbände aus Orellana y Sucumbíos zusammen geschlossen sind, beklagten schon im April die Schäden, die die Besprühungen an ihren Anbauten anrichten. „Wir wollen nicht mehr Geld verdienen, wir wollen nur, dass sie uns überleben lassen. Wir wollen nicht die Schuld bezahlen, die nicht unsere ist“, fügte Sáez hinzu.

Die Anklagen der Bauern wurden von der „Ökologischen Aktion“ aufgenommen, die im Mai und Juni eine Untersuchung über die Auswirkungen der Besprühungen mit Roundup Ultra in den ecuadorianischen Gemeinden San Francisco, Nuevo Mundo und San Francisco II in Sucumbíos, zwei km von dem Gebiet der Besprühungen und in anderen Gemeinden im Umkreis von fünf bis zehn Kilometer durchführte.

In der Region wurden 144 von 2000 Bewohnern wegen Vergiftungserscheinungen untersucht. Darüber hinaus wurden Schäden an der Umwelt beobachtet. Nach den Untersuchungen, die im Krankenhaus von Lago Agrio,der Hauptstadt der Provinz und im kirchlichen Gesundheitszentrum San Miguel de Sucumbíos (ISAMIS), welches ein Gesundheitsnetz in der ganzen Provinz unterhält, leiden 100 Prozent der Bewohner an den selben Symptonen wie ihre kolumbianischen Nachbarn. Auch in fünf Kilometer Entfernung waren noch 100 Prozent der Bewohner betroffen, in zehn Kilometer Entfernung waren es immerhin noch 89 Prozent. Die Studie zeigt auch auf, dass nach den Besprühungen verstärkt Hautkrankheiten zu beobachten sind, die auf die Chemikalien zurückzuführen sind.

„Ökologische Aktion“ weist darüber hinaus darauf hin, dass die besuchten Gemeinden starke Einbußen bei der Kaffeeernte vermelden, die sich auf zehn Prozent der üblichen Produktion reduziert haben, da die Pflanzen keine Früchte mehr tragen. Ebenso brach die Reisproduktion um 85-90 Prozent ein. „Wir konnten beweisen, dass die Kaffeeblüte keine Frucht mehr hervorbringt, und falls doch, nur eine leere Hülse. Reis, Bananen und Kakao verbrennen, die Yuca hat ihren Geschmack verändert, so dass in den Indigena-Gemeinden daraus kein rituelles Getränk mehr gemacht werden kann. Als die Schamanen sahen, dass ihre heilige Pflanze vergiftet war, haben sie beschlossen, ihre Gemeinschaften zu verlassen. Diese wiederum fühlen sich ohne sie schutzlos“, bestätigte Patricia Granda, Forscherin des Teams von „Ökologische Aktion“.

Der Beauftragte der kolumbianischen Botschaft in Ecuador, Dr. Gabriel Martínez, bezweifelte die Studie: „Das Dokument hat fragwürdige Aspekte, so muss man die hygienische pflanzenhygienische und Situation in der Zone berücksichtigen. Viele ähnliche Krankheiten existierten schon vor den Besprühungen und sind nichts weiter als endemische Probleme in deiner Tropenregion“.

Dr. Adolfo Maldonado, Koordinator der Untersuchungen, widerspricht diesen Darstellungen: „Wenn wir eine gehäufte Serie von bestimmten Krankheiten in der Nähe eines bestimmten Ortes beobachten, und sie entsprechend der Entfernung von diesem Ort abnehmen, heißt das, das es an diesem Ort etwas gibt oder gab. Das gilt noch mehr, wenn die Anzahl der Erkrankungen stark von der in anderen Regionen mit ähnlichen Charakteristiken abweicht.“

Darüber hinaus berichtete auch das Gesundheitsnetz von ISAMIS, das sich um viele endemische Krankheiten wie Malaria und andere tropische Krankheiten kümmert, die aus Mangel an entsprechender Behandlung entstehen, über Symptome, wie die den von Monsanto beschriebenen, in Fällen, bei denen Menschen dem Herbizid Roundup Ultra ausgesetzt wurden, oder dieses einatmeten.

Obwohl sich die Regierung des Präsidenten Gustavo Noboa weigerte, eine technische Besichtigung, wie sie von den betroffenen Gemeinden gefordert wurde, durchzuführen, sendete sie Anfang Juli eine diplomatische Note an die kolumbianische Regierung in der sie fordert, dass sie es „unterlasse, Besprühungen aus der Luft mit Glyphosat in Zonen die näher als zehn Kilometer zur Grenze liegen, durchzuführen“.

Martínez wiederum behauptet, dass in Putumayo 54 Prozent der Kokablätter, dem Ausgangsprodukt für Kokain, hergestellt werden. Und dass die meisten Besprühungen industrielle Pflanzungen in von Paramilitärs kontrollierten Gebieten beträfen. „Es ist nicht wahr, dass 100 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, es ist nicht wahr, dass wir die Indigena-Gemeinden treffen wollten und es ist auch nicht wahr, dass diese Gemeinden ihre Ökonomie auf legalen Produkten aufbauen und deswegen muss man die Besprühungen als notwendig im kolumbianischen Konflikt betrachten“ betont der Diplomat und versuchte so, die Besprühungen in Valle del Guamez und am Río San Miguel im Putumayo zu rechtfertigen.

Am 27 Juli bestimmte der Zivilrichter des Distrikts Bogotá, Gilberto Reyes Delgado, eine zeitweise Unterbrechung der Glyphosat-Besprühungen von Koka- und Mohnpflanzungen in einigen Gegenden Kolumbiens aus der Luft. Dagegen widerrief er am 6. August das Urteil, da keine Beweise dafür existierten, dass das Herbizid die menschliche Gesundheit und die Umwelt schädige. Reyes fällte die Entscheidung, nachdem die Botschafterin der USA in Kolumbien, Anne Patterson, androhte, dass die finanzielle Hilfe für Kolumbien gefährdet sei, wenn die Besprühungen gestoppt würden.

(1) Anmerkung der Redaktion Es handelt sich um ein systemisches, nicht selektives Herbizid mit Nachwirkung, also einem „Unkraut“vernichtungsmittel, das alle Arten von Pflanzen langzeitig angreifen kann. Die eigentlichen Nutzpflanzen (Getreide, Soja…) sind dabei normalerweise genetisch so verändert, dass sie nicht auf den Wirkstoff reagieren. Seine Wirkung wird charakterisiert durch das Verhindern von Aminosäuren-Verbindungen. Hersteller ist die Monsanto-Company. Die bekannteste Zusammensetzung dieses für landwirtschaftliche Zwecke verwendeten Herbizides ist Roundup, das abgesehen vom aktiven Inhaltsstoff Glyphosat 15 Prozent POEA (Polyoxyethylenamin, toxisches Tensid zur besseren Benetzung) enthält. Bei Roundup Ultra wird die Wirkung zusätzlich durch Cosmo-Flux 411F erhöht, welches die Oberfläche, sowohl von Blättern als auch menschlicher und tierischer Haut für den Wirkstoff durchgänglich macht. Zum Teil werden noch Pilze zugesetzt, die die abgetöteten Pflanzen zersetzen sollen.

 

PARAGUAY

Krise eskaliert

(Asunción, 24. September 2001, na-Poonal).- Die Bischöfe Paraguays sind besorgt, dass das Land – nach Jahren politischer Turbulenzen und ökonomischer Krise – in einen Bürgerkrieg hineinschlittern könnte. „Alles deutet auf einen Bürgerkrieg hin“ sagte der Erzbischof von Asunción, Felipe Santiago Benítez, mit Blick auf die soziale und ökonomische Situation.

Nach Angeben der Kirchen hat die Arbeitslosenrate 20 Prozent erreicht, die Korruption breitet sich weiterhin aus und die politischen Konflikte könnten dazu führen, dass der derzeitige Präsident Luis González Macchi gezwungen wird vor dem Ablauf seines Mandates im Jahr 2003 zurückzutreten.

Der Vorsitzende der paraguayanischen Bischofskonferenz, Jorge Livieres, Bischof von Encarnación, beschuldigte die Regierung, sie sei „unsensibel“ gegenüber einer Situation, „die inzwischen an ihren äußersten Grenzen angelangt ist“. Nach den Würdenträgern besitzen 351 Grossgrundbesitzer*innen 78 Prozent des fruchtbaren Landes in Paraguay, einem Land mit 5,3 Millionen Einwohner*innen.

Mario Melanio Medina, Bischof von Misiones, sagte, dass „angesichts der tauben Ohren der Abgeordneten nur noch der Ausweg der Mobilisierung der Bevölkerung bleibt. Es scheint, dass die Regierung sich für die Leiden der Leute nicht interessiert“. Seit August haben sich Transportarbeiter*innen, Industrielle, Lehrer*innen, Arbeiter*innen und Bäuer*innen, ja sogar der Vizepräsident Julio César Franco, an Protesten beteiligt und Massnahmen gefordert um die Krise zu lösen und den Rücktritt von González Macchi zu erreichen.

González Macchi trat das Präsidentenamt 1999 an, nachdem Rául Cubas Grau nach der Ermordung seines Stellvertreters, Luis María Argaña zurücktrat und in Brasilien um Asyl bat. Franco wurde im August 2000 zum Vizepräsident gewählt.

Guillermo Stanley, Vorsitzender des Industrieverbands Paraguays und Anführer einer Demonstration am 8. September, sagte, dass die dringendste Forderung sei, „dass die Regierung versteht, dass der Kampf gegen den Schmuggel, die Steuerhinterziehung, die Korruption und die Straflosigkeit der Schlüssel für den Beginn einer wirtschaftlichen und sozialen Entspannung ist“. Die Paraguyaner*innen gehen davon aus, dass ihre Regierung korrupt ist und zudem verantwortlich für die derzeitige tiefgreifende Rezession, in der sie leben.

„Alle Korrupten müssen sofort gehen und die Paraguayer die Republik regieren lassen, die einen guten Willen haben“ sagte Franco, Führer von der Liberalen Radikalen Authentischen Partei (PLRA), die grösste Oppositionspartei in Paraguay darstellt und in Paraguay seit über einem halben Jahrhundert eine wichtige Rolle spielt. Die PLRA bildete ursprünglich ein Bündnis mit González Macchi, aus dem sie sich allerdings im Februar zurückzog.

 

BRASILIEN

Schrei der Ausgeschlossenen

(Brasilia, 24. September 2001, na-Poonal).- Etwa 200 000 Menschen nahmen bei den zahlreichen landesweiten Protestveranstaltungen des „Schrei der Ausgeschlossenen“ teil, eine seit 1996 existierende Initiative der katholischen Kirche zum Protest gegen die ausschließende Wirtschaftspolitik, die immer am Tag der Unabhängigkeit Brasiliens stattfindet.

Die größte Protestversammlung gab es vor der Basilika in Aparecida, 130 km nordöstlich von São Paulo, wo 100 000 Demonstranten zusammenkamen. Der Erzbischof von Aparecida, Don Aloísio Lorscheider, hielt eine Messe, in der er die Wirtschaftspolitik der Regierung kritisierte, die er als „ohne Gespür für die zunehmenden Schwierigkeiten der Armen“ bezeichnete.

In Brasilia schrubbten Aktivisten der Landlosenbewegung MST und Repräsentanten der Nationalen Bischofskonferenz den Boden des Platzes der drei Gewalten, als Symbol für den Kampf gegen die Straflosigkeit.

Eines der Themen beim „Schrei der Ausgeschlossenen“ war dieses Jahr das Festhalten an der Agrarreform, jedoch unter Ablehnung des Anbaus transgenetischer Produkte, sowie die Einbeziehung von Immigrant*innen in die Sozialpolitik.

 

URUGUAY

Analyse der Leichenreste von Todesflügen

(Montevideo, 22. September 2001, comcosur-Poonal).- Nach Angaben eines Mitglieds der Friedenskommission, Gonzalo Fernández, ist das argentinische Forscherteam in Uruguay eingetroffen, das sich mit der Analyse der Leichenreste beschäftigen wird, die vermutlich aus Zeiten der Militärdiktatur (1973-85) stammen, beschäftigen wird. Die Toten sind Expertenmeinungen zufolge Ermordete der von argentinischem Militär organisierten sogenannten „Todesflüge“, bei denen Oppositionelle über dem Meer aus Flugzeugen geworfen wurden.

Die Überreste der 26 Toten wurden an den Küsten der uruguayischen Provinzen Maldonado, Colonie und Rocha angeschwemmt. Bisher konnten die Anthropologen als eine der Ermordeten María Rosa Mora, argeninischer Nationalität, identifizieren. Sie war 1976 im Rio de la Plata gefunden und unbekannterweise auf einem Friedhof in Montevideo begraben worden.

 

 

   

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