Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 457 vom 24. November 2000
Inhalt
PANAMA
HAITI
ECUADOR
NICARAGUA
PERU
CHILE
URUGUAY
URUGUAY/BRASILIEN
ARGENTINIEN
ARGENTINIEN/ITALIEN
PANAMA
Zehnter Iberoamerikanischer Gipfel geht zu Ende
(Panama-Stadt, 18. November 2000, pulsar-Poonal).- Am vergangenen Samstag ging in Panama-Stadt der zehnte Iberoamerikanische Gipfel zuende. 21 Staatschefs der Region sowie aus Spanien und Portugal debattierten über die Armut, den Analphabetismus und die zunehmende Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Lateinamerika. Die Anwesenden beschlossen, politische Maßnahmen zur würdigen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu ergreifen. Der am Wochenende zurückgetretene peruanische Staatschef, Alberto Fujimori sowie der Präsident Nicaraguas, Arnoldo Aleman nahmen nicht an dem jährlichen Gipfeltreffen teil.
Statistiken des UN-Kinderhilfswerkes UNICEF zufolge leben fast die Hälfte der 200 Millionen Kinder und Jugendlichen Lateinamerikas in Armut. Das bedeutet, dass ihre Basisbedürfnisse wie Gesundheit, Bildung und ausreichende Ernährung nicht ausreichend befriedigt werden können.
Obwohl die Situation der Kinder und Jugendlichen das Hauptthema des Gipfels war, diskutierten die anwesenden Teilnehmer*innen auch andere Themen. Der venezolanische Präsident Hugo Chavez erklärte, die Demokratien der Region seien „verfault“ und „korrupt“. Er schlug vor, ein neues Modell für die politischen Systeme zu konstruieren. Der kubanische Staatschef Fidel Castro kritisierte vor allem die Globalisierung.
Der diesjährige Iberoamerikansiche Gipfel wurde außerdem zum Anlass genommen, um den mexikanischen Präsidenten Ernesto Zedillo zu verabschieden, der am ersten Dezember die Macht an Vicente Fox übergibt.
HAITI
Militärs und Paramilitärs für Massaker während des Staatsstreichs verurteilt
(Port-au-Prince, 17. November 2000, pulsar-poonal).- Nach sechs Jahren juristischem Kampf widerfährt den Opfern des Massakers von Raboteau in Haiti Gerechtigkeit. Raboteau ist ein Arbeiterviertel der Stadt Gonaives, etwa 152 nördlich von Puerto Principe. Der Prozess, der vierzig Tage dauerte, wurde in Anwesenheit von 22 der 59 Angeklagten geführt. Die anderen 37 Angeklagten wurden in Abwesenheit verurteilt.
53 ehemalige Militärchefs und Mitglieder der paramilitärischen Gruppe FRAPH wurden vor einem haitianischen Strafgericht verurteilt, unter ihnen auch der ehemalige oberste Chef der Streitkräfte, Raoul Dedras, Anführer des Staatsstreichs von 1991. Die angeklagten Militärs waren der direkten Beteiligung oder Komplizenschaft des Massakers vom 22. April 1994 angeklagt, bei dem mehr als 20 Menschen ermordet und Dutzende verletzt wurden.
49 der Angeklagten wurden zu lebenslänglichen Haftstrafen und Zwangsarbeit verurteilt, weitere vier zu Zwangsarbeit und Haftstrafen zwischen vier und 10 Jahren. Sechs Angeklagte wurden frei gesprochen.
Unter den zu lebenslänglicher Haft verurteilten Militärs befinden sich die befehlshabenden Mitglieder: Raoul Cedras, Michel Francois, Phillipe Biamby und der Chef der paramilitärischen FRAPH, Emmanuel Constant. Cedras und Biamby leben seit Oktober 1994 in Panama, während sich Francois in Honduras aufhält. Der ehemalige FRAPH-Chef seinerseits lebt in den Vereinigten Staaten.
Die Familien der Opfer äußerten, sie seien mit den Verurteilungen zufrieden, kritisierten jedoch, dass sechs Angeklagte freigesprochen wurden. Die Menschenrechtsgruppen ihrerseits, die die Familienangehörigen während der Verhandlung begleiteten, erklärten, das Urteil sei ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit. Die haitianischen Menschenrechtsorganisationen erinnerten auch an die Opfer der Massaker in anderen Teilen des Landes während der vergangenen 15 Jahre.
ECUADOR
Ökoaktivisten besetzen Umweltministerium und protestieren gegen Privatisierung
(Quito, 17. November 2000, pulsar-poonal).- Umweltgruppen und eine Bauern- und Fischerorganisation führen ihre Besetzung des Umweltministeriums in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito fort. Das Gebäude wurde am vergangenen Donnerstag besetzt, um gegen ein neues Privatisierungsgesetzt zu protestieren, das „Ley Trole 2“ genannt wird.
Die Umweltaktivisten klagen an, dass unter dem Schutz des neuen Gesetzes, die Naturschutzgebiete der Region gefährdet würden. Sie kritisierten weiter, dass der Energieminister Lizenzen für Ölförderfirmen innerhalb der Nationalparks vergeben würde, Lizenzen, deren Existenz das Umweltministerium leugnet.
Das Umweltschutz-Bündnis fordert, dass der Umweltminister, Rodolfo Rendon, seinen Amtsaufgaben nachkommt und sich ernsthaft um den Erhalt der Naturschutzgebiete kümmert.
Die Besetzer warnen vor den Gefahren, die das Inkrafttreten des neuen Privatisierungsgesetzes mit sich bringt: Strände, Buchten und Mangrovengebiete würden aus Geschäftsinteressen verkauft. Außerdem drohe die Privatisierung des Wassers und die Ausweitung der Ölfördergebiete. Als Folge davon stehe die Zerstörung tropischer Bäume bevor.
Das Privatisierungsgesetz erlaubt auch die Vergabe von Lizenzen an Holz- und Bergbaukonzerne, um in Naturschutzgebieten zu arbeiten, die bisher staatliche Waldgebiete waren.
NICARAGUA
Pakt zwischen katholischer Kirche und Regierung
(Managua, 15. November 2000, alc-Poonal).- Kardinal Miguel Obando y Bravo hat die Existenz eines Übereinkommens zwischen der katholischen Kirche und Präsident Arnoldo Alemán mit dem Ziel eines Wahlsiegs bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr bestritten. Die Gerüchte um den vermeintlichen Pakt waren im Zuge eines Treffens zwischen Kardinal Obando, den katholischen Bischöfen und dem päpstlichen Botschafter Luigi Travaoglino mit Präsident Alemán und seinen wichtigsten Ministern am 10. November aufgetaucht.
Bei dem Treffen ging es auch um eine Analyse der Niederlage der regierenden Liberalen Partei bei den Bezirkswahlen am 5. November. Alemán erklärte, dass seine Partei ihre Wahlhelfer nun besser vorbereiten müsse, da die Helfer der oppositionellen FSLN zum Teil sogar eine militärische Ausbildung genossen hätten.
Die katholischen Würdenträger forderten ihrerseits, die Landstraßen auszubessern, die Kirchen bestimmter Gemeinden instandzusetzen und den Schulkindern Kekse zu geben, da diese die Armut ihrer Eltern miterleben müßten. Bismarck Carballo, der Sprecher der Kurie von Managua, bat den Präsidenten um Hilfe für die katholischen Radiosender Alemán sicherte seinerseits Hilfe zu. Er sehe Unterstützung für den katholischen Glauben aktuell als nötig an, da sowohl die Demokratie wie auch die katholische Kirche durch andere, finanzstarke Kirchen und Glaubensrichtungen, die sich nun im Land niederlassen würden, unter Druck stünden.
Der katholische Klerus ist wegen der Wahl des Sandinisten Herty Lewites zum Bürgermeister Managuas besorgt. Aus diesem Grund, so erläuterte ein politischer Kommentator, wird die katholische Kirche seine Unterstützung für die Regierung verstärken und der Regierung bei ihrer Wahlkampagne religiös den Rücken zu stärken.
Der Kardinal bestätigte, daß sich die Bischofskonferenz am 20. November offiziell zum Ausgang der Wahlen äußern wird. Gleichzeitig sagte Obando y Bravo, dass die Kirche im politischen Kontext neutral bleiben wolle.
Professor Gilberto Aguirre, der Sprecher des Rates der Evangelischen Kirchen Pro Alianza Denominacional (CEDAP) drückte seine Beunruhigung darüber aus, wie weit die katholische Kirche in Nicaragua mit einem solchen Abkommen zwischen Kirche und Staat gehe. Derlei gegenseitige Hilfe von Regierung und Klerus sind indes in Nicaragua nicht neu: Die katholische Kirche hat bereits 1956 dem verstorbenen Anastasio Somoza García ein fürstliches Begräbnis zukommenlassen. Silvio Mora, der Sprecher der FSLN betitelte das Treffen zwischen Alemán und dem Kardinal als „Heilige Allianz“, um die liberale Regierung zu retten.
Am vergangenen Dienstag veröffentlichte die Tageszeitung La Prensa ein Foto, auf dem Präsident Alemán zu sehen ist, wie er aus den Händen von Monsignore Silvio Fonseca eine Goldmedaille des Katholischen Instituts Johannes Paul II überreicht bekommt, um ihn für seine Verdienste „Um Bildung und Fortschritt“ zu ehren.
PERU
Tauwetter in den Anden
Von Alvaro Alfonso
(Lima, 20.November 2000, npl-Poonal).- „Es ist vorbei und aus, die Diktatur ist gestürzt“, skandieren dieser Tage die Menschen in den Straßen Perus. Obwohl es Sonntag war, glichen gestern die Straßen der peruanischer Städte einem großen Freudenfest. Zehntausende feierten den schon zum historischen Datum erklärten 19. November, dem Tag als Staatschef Alberto Fujimori seinen Rückktritt bekannt gab und damit eine zehnjährige autokratische Regierung ihr Ende genommen hat.
Fujimori ist offenbar definitiv „rückwärts zur Tür hinausgegangen“, wie man in Peru sagt. Und obgleich er in einem Telefonat versprochen hat, zurück zu kommen, glaubt niemand mehr so recht an seine Rückkehr. Wahrscheinlich ist eher, dass es Fujimori vorzieht, in Japan, dem Heimatland seiner Eltern, zu bleiben. Dort muss er nicht einmal Asyl beantragen, denn er besitzt seit seiner Jugend die japanische Staatsangehörigkeit und genießt deshalb alle Privilegien eines Staatsangehörigen.
Fujimoris Minister geben sich entrüstet, einige bezeichneten ihn gar als „Feigling“. Lediglich seine treuesten Anhänger im Parlament fahren fort, Argumente zur Verteidigung des Staatschef zu suchen und die Opposition zu beschuldigen, den vorhersehbaren Ausgang der seit Wochen schwelenden Staatskrise verursacht zu haben.
Der populärste peruanische Präsident aller Zeiten gibt die Macht ab, nachdem das kriminelle Netz des herrschenden politischen Machtblocks aufgeflogen war, das sein engster Vertrauter, der de facto Chef des berüchtigten Geheindienstes SIN, Vladimiro Montesinos, aufgebaut und gesteuert hatte. Ein Netz, das dem Gespann Armee, Montesinos und Fujimori illegale Millionen einbrachte und auf Aktivitäten wie Mord, Drogenhandel, Geldwäsche, Waffenschmuggel, Folter, Terrorismus, Veruntreuung öffentlicher Gelder, Bestechung und Korruption beruhte – schenkt man den Strafanzeigen der peruanischen Justiz Glauben.
Montesinos, der offiziell über ein Gehalt von 370 Dollar pro Monat verfügte, hatte, wie kürzlich aufgedeckt wurde, auf schweizer Konten insgesamt 48 Millionen Dollar deponiert. Experten vermuten allerdings, dass sich sein Gesamtvermögen auf rund eine Milliarde Dollar beläuft. Endlich hat sich bestätigt, was nicht nur in Peru längst ein offenes Geheimnis war: Montesinos kontrollierte die Armee, die Justiz, den Kongress, die Staatsanwaltschaft, die Polizei, die Massenmedien, die öffentlichen Universitäten, die Wahlkommissionen – kurz: alle tragenden Instanzen des Staatsapparates. Er verfügte über hunderte von kompromittierenden Videoaufzeichnungen, um kritische politische Funktionäre mundtot zu machen, zu bestechen und zu erpressen. „Fujimori wusste das alles, er ist ein weiteres Mitglied der Bande, die ins Gefängnis gehört. Wer das nicht wusste, ist ein großer Dummkopf, weil es das ganze Land wusste“, erklärte der renommierte oppositionelle Rechtsanwalt Isidro Condori der Presse.
Fujimori wollte einen „neuen Weg einschlagen“, seit sein Alter ego Montesinos im September öffentlich in Ungnade gefallen war, nachdem das inzwischen weltweit berühmt gewordene Video auftauchte, das ihn bei einem offenen Bestechungsversuch eines Parlamentariers der Opposition zeigt. Der Präsident gab Neuwahlen ohne seine Kandidatur bekannt und kündigte an den Geheimdienstapparat auflösen. Aber ohne seine rechte Hand Montesinos schien er unschlüssig, fahrig und nervös. Die Regierungsgeschäfte schienen ihm aus den Händen zu gleiten. Den Vorsitz der Generalstaatsanwaltschaft übernahm eine rechtschaffende Juristin, das oberste Wahlgericht kam in die Hände integerer Anwälte. Die Justiz und die Streitkräfte begannen mit internen Umstrukturierungen und der Journalismus versuchte vorsichtig seine verlorene Objektivität wieder zu gewinnen. Und, was Fuimori wohl am meisten schmerzte: die Abgeordneten des Kongresses traten zurück oder wechselten zur Opposition. Ein unerträgliches Panorama für jemanden, der daran gewöhnt ist, sich stets nur mit einer einzigen Person zu beraten: mit Vladimiro Motesinos.
Konservative Kräfte mögen in Fujimori den erfolgreichsten peruanischen Staatschef aller Zeiten sehen: mit rigiden Methoden bezwang er die peruanischen Guerillas, einschließlich des „Sendero Luminoso“, der den Vereinten Nationen einmal als die „grausamste bewaffnete Gruppe der westlichen Hemisphäre“ bezeichnet wurde. Und er erreichte einen definitiven Friedensschluss mit Ecuador. Letztlich stürzte Fujimori jedoch über seine erzwungene – wiederrechtliche – dritte Amtszeit, die er mit einem offenen Wahlbetrug durchsetzte. Peru gleicht momentan einem Strudel aus Unsicherheiten. Man diskutiert, ob der aktuelle Vizepräsident Ricardo Marquez bis zur anvisierten Vereidigung eines neuen gewhälten Päsidenten am 28. Juli im Amt bleiben, oder ob die Opposition die Regierung übernehmen soll, mit Valentin Paniagua als Präsidenten, dem derzeitigen Vorsitzenden des Kongresses. Montesinos hält sich weiterhin an einem unbekannten Ort innerhalb der Landesgrenzen auf. Fujimori interessiert das alles wahrscheinlich nicht mehr. Er scheint sich auf seinen Ruhestand in Japan einzurichten.
CHILE
Bestätigt: Allende von USA geputscht
(Santiago, 17. November 2000, comcosur-Poonal).- Die us-amerikanische Regierung hat Dokumente anerkannt, die erstmals jegliche Zweifel an ihrer Beteiligung am Militärputsch in Chile im September 1973 ausräumen. Ebenfalls erhärteten sich die Beweise dafür, dass Washington in die Koordination der Diktaturen des Conosur zum Zwecke der Unterdrückung involviert war.
Zudem findet sich unter der Masse an Material ein Schriftsatz des damaligen Chefs der Nationalen Sicherheit, Henry Kissinger an den Präsidenten Richard Nixon, in dem offenkundig und deutlich von einer „Geheimaktion“ die Rede ist. Außerdem liegen Beweise vor, dass die Zerrüttung der chilenischen sozialistischen Regierung ab 1970 seitens der USA auf Nixon zurückgeht: er hatte entschieden, „die chilenischeWirtschaft zu ruinieren.“
Ein weiteres Dokument jügeren Datums zeugt davon, dass es einen Plan gab, den 1989 gewählten Präsidenten Patricio Aylwin zu ermorden, um seine Regierung nach der Diktatur zu verhindern.
Nach Bekanntwerden der Dokumente hat die chilenische Regierung unter Vorsitz von Ricardo Lagos auf diplomatischem Wege bei den Vereinigten Staaten nach einer Erklärung für die Interventionen der CIA in chilenische Angelegenheiten während vier Jahrzehnten verlangt.
„Wir haben ein Schreiben an die us-amerikanische Regierung gerichtet, in dem wir fordern, dass Aktionen wie die in den durch den CIA anerkannten Dokumenten beschriebenen sich nicht wiederholen“, erklärte die Chefin der chilenischen Diplomatie. Sie sah die Anerkennung der Dokumente als ein „Beispiel für Transparenz und Kenntnis der wahren Geschichte“ an, bemerkte allerdings, dass alle Informationen zugänglich gemacht werden müßten, damit die derzeit durch Gerichte untersuchten Geschehnisse aufgeklärt werden könnten. Außen vor blieb die Frage, ob diejenigen „Persönlichkeiten“ in Washington, die an Verbrechen vor und nach dem Putsch beteiligt waren international verurteilt werden sollten. Die relevanten Dokumente werdendie Anklageschrift gegen Pinochet verdichten. Was aber mit denen geschieht, die aus dem Ausland den Staatsterrorismus in Chile unterstützten, finanzierten und schulten bleibt offen.
URUGUAY
Konten von Montesinos in Uruguay entdeckt
(Montevideo, 18. November 2000, comcosur-Poonal).-Eine Untersuchung der Zeitschrift „Latitud 30/35“ aus Montevideo berichtete jüngst von der Entdeckung Konten des ehemaligen peruanischen Geheimdienstchefs Vladimiro Montesinos in Uruguay. Dem Bericht zufolge hat Montesinos drei Konten bei der „Banco Sudameris“ in Montevideo, die er auch gebraucht. Es wird angenommen, dass es nicht die einzigen Konten sind, die Montesinos in Uruguay besitzt.
Wie „Latitud“ berichtet, haben Montesinos, nach dem in Peru gefahndet wird, und seine Frau María Trinidad Becerra sowie ihre Tochter Silvana Montesinos Becerra etwa Mitte des Jahres drei Konten in der Banco Sudameris eröffnet. Auf diesen Konten wurden in der ersten Novemberwoche Buchungen vermerkt, die zeitgleich mit der Suche nach dem ehemaligen Mitglied der Regierung Fujimori stattfanden.
Montesinos ist derzeit angeklagt, etliche Millionen US-Dollar, die aus dem Drogenhandel stammen, gewaschen zu haben. Um die Konten zu eröffnen, benutzte er einen argentinischen Pass und gab als Adresse eines seiner privaten Büros in Lima an. „Latitud“ erinnert in dem Bericht daran, dass der Ex-Geheimdienstchef seinerzeit aus der Armee auseschlossen wurde, weil er Informationen an die CIA und Waffen an die kolombianische Guerilla verkauft hatte. Mit derartigen Geschäfte, so wird geschätzt, hat Montesinos auch während seiner langen politischen Karriere mehr als 100 Millionen Dollar angehäuft.
Schwarze Gemeinde erreicht Unterstützung im Kampf gegen Rassismus
(Montevideo, 15. November 2000, comcosur-Poonal).- Wenn auch weniger stark wie in anderen Ländern, so existiert er auch in Uruguay, erkannte der Abgeordnete Washingotn Abala (Partido Colorado), der der unteren Kammer vorsitzt. Es entstand zum ersten Mal eine parlamentarische Arbeitsgruppe, um das Thema der Diskriminierung und des Rassismus in Uruguay zu bearbeiten. In diesem Jahr findet eine Weltkonferenz gegen Rassismus in Chile statt. Die gleiche Konferenz wird im nächsten Jahr in Südafrika abgehalten, wo ebenfalls viele Vertreter*innen aus der ganzen Welt erwartet werden.
URUGUAY/BRASILIEN
Brasilianische Händler blockieren Autobahn in Chui
(Montevideo, 19. November 2000, comcosur-Poonal).-Als Protestform gegen die von der uruguayischen Regierung initiierte Kampagne gegen den Schmuggel haben brasilianische Händler aus der Stadt Chui (die der uruguayischen Stadt Chuy gegenüberliegt) für einige Stunden die Autobahn blockiert. Es handelt sich bei der Straße um die BR471, die Chui mit Rio Grande verbindet. Mit der Blockade verhinderten sie die Durchfahrt von Bussen und LKWs, und schlossen somit den wichtigsten Handelsweg zwischen Brasilien und Uruguay.
Der von Chui, Mohamed Kassem Jomah verlangt Lizenzen für seine Waren und nimmt als wichtiger Händler an den Demontrationen teil. Er empfindet eine „brutale Diskriminierung“ Brasiliens durch Uruguay. Die Brasilianer*innen machten ihre Einkäufe auf normale Art und Weise in den uruguayischen Freeshops und kehrten ohne weiters in ihr Land zurück. Die Uruguayer*innen hingegen verhielten sich anders: Sie würden lediglich mit uruguayischen Händlern Geschäfte machen, und das seit Jahrzehnten.
Der Bürgermeister fügte hinzu, dass die Brasilianer*innen, die in Richtung Punta del Este oder Montevideo fahren, würden stark aufgehalten werden, da die uruguayischen Behörden zu den zwei bereits existierenden zwei neue mobile Zollstationen eingerichtet haben. Die brasilianischen Händler betonen, dass derartige Maßnahmen am Thema vorbeigingen, da der Hauptteil des Schmuggels niemals durch den normalen Zoll ginge. Sie weisen darauf hin, dass in den freien Zonen, dem Hafen und Flughafen, wo der Groß-Schmuggel floriere, keine besonderen Maßnahmen ergriffen worden sind. „Wir sind nicht für den Schmuggel,“ erklärte Jomah in einem lokalen Radio, „sondern wir kämpfen für die Leute, die um ihre Einkäufe zu machen die Grenze passieren müssen.“
Nach den verschärften Zollkontrollen fielen die Verkäufe des Handels in Chui deutlich, und viele Läden sahen sich gezwungen, Angestellte zu entlassen.
ARGENTINIEN
Generalstreik in Argentinien.
Von Marcos Salgado
(Buenos Aires, 19. November 2000, npl-Poonal).- Argentinien steht vor einer neuen Zerreißprobe. Die drei großen Gewerkschaftsverbände haben für Ende dieser Woche (23./24.11) zu einem 36-stündigen Generalstreik aufgerufen. Damit wollen sie gegen die von Präsident Fernando De la Rua verkündeten Sparmaßnahmen protestieren. Nicht einmal ein Jahr im Amt, ist die Popularität des Sozialdemokraten De la Rua auf einem Tiefpunkt angelangt, während die Proteste gegen seine Wirtschaftspolitik landesweit zunehmen.
Vor allem in den Vororten der Hauptstadt Buenos Aires und in den nördlichen Provinzen Argentiniens eskaliert die Unzufriedenheit über steigende Arbeitslosigkeit und Armut. In Tartagal, nahe der Grenze zu Bolivien, besetzten Hunderte Demonstranten vor wenigen Tagen Polizeiwachen und zerstörten öffentliche Einrichtungen, nachdem ein Arbeitsloser, der an einer Straßenblockade teilnahm, von der Polizei erschossen wurde. Es vergeht kein Tag ohne dass irgendwo in Argentinien Arbeitslose und andere Menschen, die sich ausgeschlossen fühlen, Straßen besetzen. Inzwischen sind diese Straßenblockaden zu einer neuer Form des Protestes und zivilen Ungehorsams geworden. Und die Forderung ist immer dieselbe: „Arbeit und Essen“.
Die Bilanz der ersten zehn Monate der Mitte-Links-Koalition unter Fernando De la Rua ist erschreckend. Die Arbeitslosigkeit stieg von 13,8 auf 15,4 Prozent, was soviel bedeutet, dass in diesem Zeitraum 240.000 Argentinier ihren Job verloren haben. Die Armut stieg von 27 auf knapp 30 Prozent, also rund 370.000 Menschen mehr, die UNO-Kriterien zufolge als arm eingestuft werden. Angesichts dieser Zahlen befürchtet der Soziologe Ricardo Rouvier, dass „gewalttätige Ausschreitungen und die Zahl der Straßenblockaden noch zunehmen werden“. Umfragen zufolge hält die Hälfte der Bevölkerung eine soziale Explosion für „sehr wahrscheinlich“.
Natürlich ist nicht nur Fernando De la Rua für die katastrophale Lage verantwortlich. Sein Vorgänger, der konservative Carlos Menem, hinterließ ihm eine Land, dass von zehn Jahren unsozialer und korrupter Wirtschaftspolitik geprägt ist. Claudio Lozano, Wirtschaftsexperte der Argentinischen Arbeiterzentrale, die den Streikaufruf unterstützt, wirft De la Rua die Fortsetzung der unsozialen Menem-Politik vor: „Der Präsident hat die politischen Prinzipien von Menem, die Konzentration von Macht und Geld in den Händen weniger, übernommen. Jetzt sagt ihm seine eigene Basis: Es reicht.“
Doch Präsident De la Rua gibt sich standhaft. Vor gut einer Woche, während Demonstranten im Norden des südamerikanischen Landes Banken und Regierungsgebäude angriffen, verkündete er vor Unternehmern ein neues Paket von Sparmaßnahmen: Einfrierung der öffentlichen Ausgaben für mehrere Jahre, Rückzug des Staates aus der Altersversorgung, Kürzung der Zuschüsse an Universitäten und die Öffnung des Gesundheitssektors für ausländisches Kapital. Besonderen Unmut erregte hierbei, dass Tilgung und Zinsen der Auslandsschuld explizit von den Sparmaßnahmen ausgenommen wurden.
Eigentlicher Autor des Sparpakets ist der Internationale Währungsfonds (IWF), der Argentinien einen Kredit von zehn Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt hat. Bedingung ist allerdings, ausländischen Investoren ausreichend Sicherheit bieten zu können, was in Augen der internationalen Währungshüter vor allem einen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft bedeutet. Auch das us-amerikanische Finanzministerium forderte explizit die Umsetzung der Sparmaßnahmen, um „die Lage in Argentinien zu stabilisieren“.
Fernando De la Rua, der sich als Oppositionsführer und Bürgermeister der Hauptstadt großer Beleibtheit erfreute, hat dieses politische Kapital offenbar restlos verspielt. Laut Umfragen bewerten heute gerade mal neun Prozent seine Regierungsarbeit positiv. Angesichts dieser Schwäche wollen die Gewerkschaften mit dem Generalstreik, der am Donnerstag Mittag beginnen soll, ihrer Forderung nach dem Ende der unsozialen Politik Nachdruck verleihen. Die Regierung versucht derzeit, durch einzelne Dialogangebote die Gewerkschaftsfront zu spalten. Doch vor allem die Lehrer, Transportarbeiter und die öffentlichen Angestellten zeigen sich entschlossen, den Streik durchzusetzen. Angesichts der geladenen Stimmung im Land befürchten Beobachter ein heftiges Kräftemessen.
Ex-Agent des Geheimdienstes Chiles wegen Mord an Carlos Prats verurteilt
Von Marcos Salgado
(Buenos Aires, 21. November 2000, npl-Poonal).- Ein argentinisches Gericht verurteilte am Montag erstmals einen ehemaligen Agenten des berüchtigten chilenischen Geheimdienstes DINA zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Die drei zuständigen Richter befanden den 56- jährigen Enrique Arancibia Clavel für schuldig, den Doppelmord an General Carlos Prats und seiner Frau, Sofia Cuthbert, 1974 in Buenos Aires, organisiert zu haben – ein Verbrechen, das nach direkter Anweisung der DINA-Leitung in Santiago verübt wurde. General Carlos Prats war unter dem sozialistischen Präsidenten Salvador Allende Oberster Chef der chilenischen Streitkräfte. Wenige Tage vor dem Militärputsch 1973, der Allende zu Fall und Augusto Pinochet an die Macht brachte, mussten Prats und seine Familie das Land verlassen. Sie erhielten Asyl im Nachbarland Argentinien und lebten dort in einem Haus der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, das ihnen vom argentinischen Militär zur Verfügung gestellt worden war. Ein Jahr später, im Morgengrauen des 30. September 1974, kamen Prats und seine Ehefrau auf dem Nachhauseweg ums Leben, als eine unter dem Auto befestigte Bombe detonierte.
Der Mord am Ehepaar Prats war der erste einer Reihe von Attentaten im Ausland, für die der chilenische Geheimdienst DINA verantwortlich gemacht wird. Es folgten der Mordversuch an dem Vizepräsidenten unter Allende, Bernardo Leighton, 1975 in Rom sowie der Mord am ehemaligen sozialistischen Außenminister Orlando Letelier 1976 in Washington. Experten vermuten, dass Pinochet fürchtete, die unter Allende führenden Funktionäre planten eine chilenische Exil-Regierung zu etablieren. An allen drei Attentaten war der CIA-Mann Michael Townley beteiligt, der zu jener Zeit als Spezialagent im Dienste der DINA operierte. Townley hat bereits vor längerer Zeit zugegeben, die Bombe am Auto des Ehepaars Prats angebracht zu haben. Er lebt jedoch als Zeuge unter Schutz und mit falschem Namen in den USA und kann deshalb nicht in Argentinien zur Rechenschaft gezogen werden.
In Chile selbst wurde niemals ein Strafverfahren im Mordfall Prats eingeleitet und auch in Argentinien lagen die Ermittlungen fast 20 Jahre auf Eis. Bereits seit Ende der 70er Jahre wird Arincibia, der legal in Argentinien lebte, der Spionage für den chilenischen Geheimdienst verdächtigt. Bei einer Hausdurchsuchung 1978 fand die Polizei Todeslisten mit den Namen chilenischer Oppositioneller. Aber erst 1986 kommt es zur Verhaftung.
Maria Angelica Prats, eine der drei Töchter des ermordeten Ehepaars Prats, bezeichnete das nun gefällte Urteil gegen den Ex- DINA-Mitarbeiter unter Tränen als „späte Gerechtigkeit“. Sie merkte jedoch an, dass Arancibia lediglich „ein kleines Rädchen im Getriebe der ehemaligen chilenischen Mordmaschinerie DINA“ gewesen sei.
Strafverschärfend wirkte für Arancibia, dass das Gericht ihn zudem für die Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung verurteilte. Der argentinischen Justiz zufolge erfüllen die Aktivitäten des chilenischen Geheimdienstes außerhalb der Landesgrenzen den Tatbestand der illegale Vereinigung. Das Urteil gegen Arancibia gilt als juristischer Präzedenzfall und ermöglicht nun auch Ermittlungen gegen andere Verbrechen der DINA auf argentinischem Territorium, die im Rahmen der sogenannten Operation Condor begangen wurden. „Operation Condor“ war eine Geheimdienst- Vernetzung der Militärdiktaturen Südamerikas, die in den 70er Jahren systematisch Terror und Repression gegen Oppositionelle ausübten. Erst kürzlich veröffentlichte das US-Statedepartent Geheimdokumente, in denen der chilenischen Geheimdienst als Kopf der Operation Condor benannt wird.
Mit der Verurteilung Arancibias sind die Ermittlungen im Fall Prats allerdings noch nicht abgeschlossen. Derzeit muss der Oberste Gerichtshof in Chile über einen Antrag der argentinischen Justiz entscheiden, in dem die Auslieferung der ehemaligen Militärs Augusto Pinochet, Manuel Contreras, Pedro Espinoza, Raul Iturriaga Neumann und Jose Zara sowie der Geheimdienstagenten Jorge Iturriaga Neumann und Mariana Callejas gefordert wird. Argentinischen Rechtsexperten zufolge waren alle damals als leitende Funktionäre der DINA in den Doppelmord an den Prats verwickelt und sollen nun als Tatverdächtige vor Gericht aussagen. Besonders schwer belastet wird Mariana Callejas – die übrigens mit Michael Townley verheiratet war: Townley sagte aus, sie habe damals die Bombe am Auto der Prats gezündet.
Pamela Pereyra, die Anwältin der Familie Prats, erklärte nach dem Ende des Prozesses gegen Arancibia, dass das Urteil „angesichts der laufenden Auslieferungsanträge von enormer Wichtigkeit“ sei, weil „nun juristisch bestätigt ist, dass der grausame Doppelmord nicht von einer Person, sondern von einer illegalen Vereinigung begangen wurde.“ Die Verteidigung Arancibias kündigte an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
ARGENTINIEN/ITALIEN
Gelman klagt „Plan Condor“ in Italien an
(Montevideo, 18. November 2000, comcosur-Poonal).- Der argentinische Dichter Juan Gelman hat dem ermittelnden Staatsanwalt in Rom, Giancarlo Capaldo, ein Dossier mit 100 Seiten übersandt, das die Namen von Militärangehörigen sowie Zivilisten argentinischer und uruguayischer Herkunft enthält, die in die Entführung und das Verschwindenlassen sowie die Ermordung der Familienangehörigen des Dichters verstrickt sind. Es handelt sich um den Sohn, die Schwiegertochter und die Enkelin Gelmans. Auf einer Pressekonferenz erklärte Gelman, dass „die Untersuchungen wie die, die der Staatsanwalt Giancarlo Capaldo angestossen hat, sehr wichtig dafür sein können, die Wahrheit über den „Plan Condor“ herauszufinden“.
Marcelo Gelman und seine Ehefrau María Laura Garcia Irurtagoyena waren 1976 im Alter von 20 und 19 Jahren entführt worden. Marcelo wurde in dem geheimen Zentrum „Automotores Orletti“ in Buenos Aires umgebracht, während seine Frau, die im achten Monat schwanger war, nach Montevideo verschleppt wurde. Nachdem sie in einem Militärhospital ihr Kind zur Welt gebracht hatte, liessen die Schergen der Diktatur María Laura verschwinden. Das Baby wurde in einem Korb an der Tür eines Hauses eines Polizeioffiziers abgestellt. Ihr Großvater, Juan Gelman, fand sie 24 Jahre später in diesem Haus. „Seit unserem ersten Treffen in Montevideo verbringen wir einen Monat zusammen, sie, ihr Freund und ich, und fahren in Urlaub“ erzählt der Dichter.
Der italienische Staatsanwalt Capaldo ermittelt in elf Fällen verschwundener italienischer Staatsbürger*innen im Raum des Rio de la Plata in den siebziger Jahren. Vier von ihnen sind italienisch-argentinischer Herkunft, sieben italinisch- uruguayischer. Die Liste könnte sich allerdings noch erweitern. Mit den Dokumenten, die Gelman ihm übersandt hat, hat Capaldo etwa 40 Zeugenaussagen über der „Plan Condor“ und die Mechanismen der Koordination ihrer Teilnehmer gesammelt. Sechs Länder haben mit ihren Geheimdiensten an diesem Plan mitgewirkt: Argeninien, Uruguay, Chile, Bradilien, Bolivien und Paraguay.
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