(New York, 17. 04.2023 Servindi) Das Ständige Forum für Indigene Angelegenheiten der Vereinten Nationen begann seine 22. Sitzung am 17. April mit einem Aufruf des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres, die Rechte indigener Gemeinschaften zu achten. Wir könnten viel von ihnen lernen, sagte er. Die zehntägige Veranstaltung fand im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City statt. Dabei waren indigene Delegationen aus der ganzen Welt vertreten.
Guterres forderte, die Rechte indigener Menschen zu achten und an ihren nachhaltigen Praktiken ein Beispiel zu nehmen. „Die so genannte ‚grüne Wirtschaft‘ ist für indigene Gemeinschaften kein neues Konzept“, betonte er. „Es ist eine Lebensweise, die Jahrtausende zurückreicht. Von ihrer Weisheit, ihrem Wissen, ihren sozialen Strukturen, ihren Erfahrungen können wir viel lernen“, fügte er hinzu.
Während der Eröffnung verwies er auch darauf, dass indigenen Menschen schon immer klar gewesen ist, dass die Gesundheit des Planeten und die der Menschen Hand in Hand gehen. Deshalb hätten diese Menschen großen Respekt vor Mutter Erde und allen Lebensformen. Diese Philosophie nütze nicht nur ihnen, sondern der gesamten Menschheit. Dennoch mache sie die Verteidigung ihrer Rechte, zu der auch die vernünftige und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen gehören, zum Ziel von Angriffen, Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Guterres wies darauf hin, dass indigene Gemeinschaften auf der ganzen Welt unter Marginalisierung, Ausgrenzung, Verweigerung ihrer Menschenrechte, illegaler Ausbeutung der Ressourcen in ihren Territorien, Enteignung und Zwangsräumungen, physischen Angriffen und Gewalt leiden.
„Die Ungerechtigkeit nach Jahrhunderten der Diskriminierung zeigt sich in erschütternden Ungleichheiten“, sagte er und betonte, dass sie etwa 5 Prozent der Weltbevölkerung, aber 15 Prozent der ärmsten Menschen der Welt ausmachen. Er fügte hinzu, dass indigene Frauen, die ein so reiches Erbe bewahren, oft am meisten leiden.
Ölförderung zerstört das Leben
Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro bekräftigte, dass Ölförderung das Leben auf der Erde zerstört. Um das Öl zu bekommen, muss man das Blut aus der Erde holen, sagte er.
Petro erinnerte sich an ein Treffen, das er vor Jahrzehnten in Kolumbien mit einem Anführer der Ugua-Gemeinschaft hatte, der gegen die Ausbeutung des Öls in indigenem Gebiet kämpfte.
Der Anführer sagte damals, das Öl zu extrahieren sei wie Blut aus der Erde zu nehmen und die Folge wäre der Tod, das Aussterben auf dem Planeten.
Die westliche Wissenschaft hat herausgefunden, dass dieser Gedanke richtig sei, sagte der Präsident und unterstrich damit, wie richtig und nützlich die indigene Weltsicht und ihr Wunsch nach einem dauerhaften Gleichgewicht mit der Natur ist.
Aus den beiden Perspektiven, die eine überliefert, die andere wissenschaftlich und westlich, ist die Schlussfolgerung die gleiche: Wenn Öl aus der Erde entnommen wird, geht die Menschheit zugrunde, sagte er. Außerdem wies er darauf hin, dass in Kolumbien 4,4 Prozent der Bevölkerung indigen seien und derzeit daran gearbeitet werde, diese zu stärken. „Sie können sich besser um die Erde kümmern als jede andere Kultur“.
Er fügte hinzu, dass der Regenwald des Amazonas für das Klimagleichgewicht der Welt lebenswichtig und es daher unerlässlich sei, ihn wieder aufzuforsten. Er kündigte ein Gipfeltreffen im August an, bei dem die zehn Länder, über die sich der Regenwald erstreckt, in Brasilien zusammenkommen werden. Ziel des Treffens ist die Entwicklung eines Programms, mit dem unter Beteiligung der restlichen Welt ein solches Vorhaben finanziert werden kann. Der kolumbianische Präsident bekräftigte, dass die indigenen Gemeinschaften diejenigen sein müssen, die diesen Plan mit internationaler Unterstützung umsetzen, weil sie im Kampf gegen die Klimakrise „eine der wichtigsten Säulen für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts des Lebens auf der ganzen Welt“ sind.
Die Lösung ist, die Förderung von Öl, Gas und Kohle zu beenden
Gustavo Petro erklärte, dass Wiederaufforstung nicht ausreiche, um die Klimakrise zu lösen: „Die Klimakrise ist eine existenzielle Zivilisationskrise, weil sie Hunger und Krankheiten, wirtschaftliche Stagnation und letztlich Krieg hervorbringt. Diese Klimakrise wird nur durch die Einstellung der Öl-, Kohle- und Gasförderung gelöst“, sagte er und die Zuschauer applaudierten. Petro argumentierte, dass sich die globale Diskussion über die Krise vom Kern des Problems entfernt. Er beschuldigte die „mächtigen Länder, die sich lieber mit Krieg beschäftigen“, nicht an Lösungen zu arbeiten, denn man müsse sich ja auf den Krieg konzentrieren. „Deshalb ist es heute von entscheidender Bedeutung, auf den Weltfrieden zu drängen, denn Krieg bedeutet nicht Leben, sondern nur Tod. Er nimmt uns die Zeit, die wir noch haben, das Leben auf diesem Planeten zu erhalten.“ „Der Krieg verschleiert nur die Unfähigkeit der Weltmacht, die Klimakrise zu lösen. Denn das Ende von Öl-, Kohle- und Gasförderung wäre auch das Ende von dem, was in anderthalb Jahrhunderten die Grundlage für die Anhäufung von Profit, die Anhäufung von Kapital war“, so Petro.
Pioniere der Klimaanpassung
UN-Generalsekretär Guterres sagte, die indigenen Völker seien seit Jahrtausenden Pioniere bei der nachhaltigen Landbewirtschaftung und der Anpassung an den Klimawandel. „Im gesamten Amazonasgebiet hat die von Indigenen betriebene Landwirtschaft die Artenvielfalt des Regenwaldes bewahrt und verbessert“, stellte er fest und beklagte, dass es diese Gemeinden sind, die den Klimawandel am stärksten zu spüren bekommen. „Sie haben die Klimakrise nicht verursacht, aber sie sind oft mit den schlimmsten und unmittelbarsten Auswirkungen konfrontiert“, sagte er. Er forderte deswegen beschleunigte Anstrengungen zur Gewährleistung von Klimagerechtigkeit und zum Ausbau der Finanzmittel und Kapazitäten für Anpassungsmaßnahmen sowie zum Ausgleich von Verlusten und Schäden. Der Generalsekretär bekräftigte noch einmal, dass sich Vereinten Nationen den Rechten der indigenen Gemeinschaften verpflichten und rief zu vereinten Bemühungen um Frieden, Nachhaltigkeit und Wohlstand für alle auf.
Kein Aufruf zur Revolution gegen das Kapital
„Auf politischem Wege können wir es nicht direkt sagen, doch von diesem Saal aus bitten wir das Großkapital, das Anhäufen von Geld zu beenden und zu einem Verbündeten des Lebens zu werden, was praktisch unmöglich ist“, beklagte Guterres. Gleichzeitig versicherte er, dass sein Appell nicht der einer Revolution gegen das Kapital, die ohnehin nie stattgefunden hat, sondern an die Umsetzung pragmatischer Lösungen appelliert. Er betonte, dass das Forum dazu beitragen könne. Er wies auch darauf hin, dass die Lösung der Klimakrise nicht vom Markt oder von privatem Kapital erwartet werden könne, wie seit 40 Jahren angenommen werde. „Hier werden die Lösungen nicht herkommen. Daher betrachte ich als unerlässlich, dass die Staaten gestärkt werden, dass sie eine Planungskapazität haben, mit der die erforderlichen Maßnahmen auf dem Weg hin zu dekarbonisierten Volkswirtschaften innerhalb eines Jahrzehnts umgesetzt werden können.“ Solche Entscheidungen sollten multilateral sein und die politische und menschliche Vielfalt einschließen.
„Zur Finanzierung des Übergangs, den die Staaten und sozialen Bewegungen heute vorantreiben müssen, unabhängig davon, ob es den Märkten gefällt oder nicht, ist es notwendig, Finanzräume zu öffnen, um in zehn Jahren handeln zu können“, erklärte er, als er den Tausch von Schulden gegen Klimaschutzmaßnahmen verteidigte. Ein Vorschlag, der bereits dem Internationalen Währungsfonds vorgelegt wurde.
Alle in die Entscheidungsfindung einbeziehen
Im Bezug auf den Appell zu Multilateralismus und Vielfalt verwies der Vorsitzende des Ständigen Forums, Dario Mejia Montalvo, auf den Slogan „Niemanden zurücklassen“ und fragte: „Aber gehen die, die vorangehen, den richtigen Weg? Offensichtlich nicht.“ Angesichts dieser Realität schlug Mejia Montalvo vor, niemanden aus der Entscheidungsfindung auszuschließen. Die indigenen Völker machen weniger als 6 % der Weltbevölkerung, aber 15 % der ärmsten Weltbevölkerung aus. Sie leben in etwa 90 Ländern, vertreten 5000 verschiedene Kulturen und sprechen die meisten der geschätzten 6700 Sprachen der Welt.
Das Ständige Forum für indigene Angelegenheiten wurde 2000 vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) eingerichtet, um Ratschläge und Empfehlungen zu indigenen Angelegenheiten abzugeben, Bewusstsein schaffen, die Integration und Koordinierung einschlägiger Aktivitäten innerhalb des UN-Systems zu fördern, und Informationen über indigene Themen zu verbreiten.
UN-Generalsekretär: „Wir können viel von Indigenen lernen“ von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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