Von Rodrigo Soberanes, Chiapas
(Mexiko-Stadt, 09. Dezember 2017, desinformemonos).- Teil 2. Der Palmanbau schreitet langsam aber stetig in dieser tropischen Region voran, die den größten Teil Südmexikos umfasst. Laut Zeugenaussagen, die Mongabay Latam gesammelt hat, haben sich die Palmplantagen auf diese Weise in den Bundesstaaten Veracruz, Quintana Roo, Tabasco, Oaxaca, Guerrero und Chiapas auf Ländereien ausgedehnt, auf denen Viewirtschaft betrieben wurde, auf Weidelang, Grasland oder heimlich abgeholzten Urwald und sie werden sich noch mehr ausdehnen, denn der Boden ist in diesen Bundesstaaten gut für den Palmambau geeignet.
Die Abkommen von Mexiko
Mit der Pflanzung von Palmen werden die Bedürfnisse des inländischen und der ausländischen Märkte befriedigt, die Biodiesel und Öl für die Nahrungsmittelindustrie brauchen.
Laut der mexikanischen Bundesbank importiere Mexiko rund 462.000 Tonnen Palmöl jährlich, dies entspreche 82 Prozent des Verbrauchs der mexikanischen Industrie. Aus diesem Grund würden 200.850 Hektar Produktionsfläche benötigt, um den heimischen Markt mit Öl versorgen zu können. Zurzeit werde auf einer Fläche von 24.434 Hektar produziert und weitere 30.000 Hektar befänden sich in der Vorbereitung. Es sei also noch ein langer Weg bis zu höheren Einkommen in den ländlichen Gebieten der ärmsten Regionen Mexikos.
Transformation von der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung hin zur Monokultur
Die Bedingungen für eine Ausweitung der Plantagen sind geschaffen, da es auf Landesebene, auf Bundesebene und auch auf internationaler Ebene Programme gibt, die den Anbau fördern sollen.
Der Vormarsch der Ölpalme im Urwald in Chiapas basiert auf drei Abkommen, die Mexiko auf internationaler Ebene getroffen hat.
Eines davon ist das “Mittelamerika-Projekt“, an dem zehn Länder beteiligt sind (Belize, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica, Dominikanische Republik, Kolumbien, Panama und Mexiko) und das ein Programm für Biobrennstoff beinhaltet. Im Rahmen dieses Programms hat Mexiko eine Initiative zur Umstellung der Produktion gestartet. Das Programm fördert die Umstellung von Tausenden von Hektar Weideland und Land für Landbau hin zu Anbauflächen für Ölpalmen.
Vor Ort bedeutet das konkret: Bauernorganisationen bemühen sich, die Bedürfnisse eines Unternehmens zu befriedigen, das Fabriken gebaut hat und den Anbau von Ölpalmen in der Nähe fördert.
Der Forscher León Enrique Ávila, Experte für Ölpalmen und Dozent der Interkulturellen Universität Chiapas, meint dazu: „Dies ist die Transformation von der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung hin zur Monokultur, der Eintritt Mexikos in einen Zustand der Annäherung an die smart agriculture, die klimasmarte Landwirtschaft.“
Onorato Olarte, Leiter für Gartenbau und Agrarindustrie im Landwirtschaftsministerium des Bundesstaates Chiapas erläutert die Sichtweise der Regierung zu diesen Projekten: „Der Anbau wurde von verschiedenen Organisationen verteufelt. Aber der Landwirt, der im Urwald lebt, der sein Weideland hat und durch die Viehzucht nicht so viel erwirtschaftet wie er will, oder wie er braucht, um seine Familie zu versorgen, der muss schauen, wie er seine Familie ernährt und die Ölpalme ist eine gewinnbringende Möglichkeit.“
Die Landwirt*innen würden auf den Zug der industriellen Produktion von Öl für die Lebensmittelindustrie und für Biodiesel aufspringen, so León Ávila. Und der Markt für Biodiesel werde von der holländischen Börse in Rotterdam kontrolliert.
Ursprüngliche Anbaumethoden und Subsistenzwirtschaft verschwunden
Bárbara Linares Bravo, Forscherin an der Hochschule Ecosur in Süd-Mexiko, hat diese Umstellung der Flächen auf die Anpflanzung von Ölpalmen im Tulija-Tal im Norden des Bundesstaates Chiapas gründlich kennengelernt. Sie hat einschneidende Veränderungen beobachtet, wobei die ursprünglichen Anbaumethoden und die Subsistenzwirtschaft durch den Anbau der Palmen und durch internationale und nationale Fördermittel für den Anbau vollkommen verschwunden seien.
Und Bárbara Linares kommt zu dem Schluss: “Die Verbreitung dieser Pflanze hat, paradoxerweise und in Widerspruch zum Nachhaltigkeitsdiskurs, der den Anbau von Ölpalmen rechtfertigt, die Widersprüche im sozialen Bereich und in der nachhaltigen Bewirtschaftung noch vergrößert.“
Auf der anderen Seite stellt Mexiko klar heraus, dass es mit seiner Innenpolitik am internationalen Aufschwung bei der industriellen Entwicklung von Biotreibstoffen teilhaben will und mit dem Strategischen Plan zur Förderung der klimatischen Region der Immerfeuchten Tropen Fördergelder für den Anbau der Ölpalme zur Verfügung stellt.
“Wenn man die Palme in Regionen anbaut, in denen es genügend Wasser gibt, dann gibt es keine Probleme“
“Wenn man die Palme in Regionen anbaut, in denen es genügend Wasser gibt, dann gibt es keine Probleme. Man muss es nur genauso machen wie beim Anbau von jeder Pflanze: Man benötigt ein gutes Management. Dafür haben wir unsere Fachleute, die einen Plan für jede Parzelle haben“, meint Olarte vom Landwirtschaftsministerium.
Die Regierung in Chiapas gehe momentan davon aus, dass sie ihr Ziel von 100.000 Hektar Ölpalmenplantagen erreichen könne, denn man nähere sich schon den 65.000 Hektar und nach Schätzungen des Landwirtschaftsministeriums würden auf 80 Prozent dieser Fläche bereits Erträge erzielt.
In Mexiko gebe es zehn Palmölfabriken. Sieben davon seien in Chiapas und sie alle befänden sich in Privatbesitz. Um die Fabriken herum organisierten sich die Kleinbauern und täten das Notwendige, um den Boden zu „säubern“. Sie verdienten so nicht mehr nur 5.000 Pesos (ca. 277 US-Dollar) pro Monat wie für ihren Mais, der für Verkauf und eigenen Konsum ausgesät wurde, sondern bis zu 35.000 Pesos (ca. 1.939 US-Dollar) für die Monokulturen, wie José Baldovinos berichtet, ein Kleinbauer aus Boca Chajul, der selbst Ölpalmen anbaut.
Das ist die Chance
Der Bauer José Baldovinos, hat bis jetzt 27 Hektar Land in der Nähe von Boca Chajul bepflanzt und weitere sechs Hektar bereits für den Anbau vorbereitet.
Wenn er sich nicht dazu entschlossen hätte Palmen zu anzupflanzen, hätte er die Ausgaben für die medizinische Versorgung zweier Familienangehöriger nicht bezahlen können, als diese schwer erkrankt waren.
Wie Tausende Bewohner*innen von Marqués de Comillas und der Urwaldregion, kam Baldovinos 1972 aus Michoacán in einem kleinen Sportflugzeug, das auf einem Feldweg oder nur einer Lichtung landete.
“Hier war nur Urwald“, erinnert er sich, „aber das hat sich dramatisch verändert.“ Er sitzt auf einem Stuhl, den er mitten auf die Hauptstraße von Chajul gestellt hat. Die schwüle, sengende Hitze ist hier besser zu ertragen als im Haus und hier kommen die Tagelöhner neben einem Bierlager zusammen, um Fernsehen zu schauen, während die Jüngeren sich im noch nicht fertig gestellten Pavillon treffen, denn dort kann das Handy-Signal aus Guatemala empfangen werden.
Siedler José Baldovinos: Die Regierung zog es vor, Land an neue Siedler*innen zu verteilen
Als Don José in diese Region kam, waren die Zeiten schwierig in diesem Grenzgebiet zu Guatemala. Baldovinos berichtet, dass man die Anwesenheit der Guerilla aus Guatemala auf mexikanischem Gebiet spürte und der mexikanische Staat die Sicherheit seiner Bürger*innen nicht garantierte.
Die Erinnerungen von Don José bezeugen chaotische Zeiten, in denen man leicht in das Land eindringen konnte. Die Regierung zog es vor, Land an neue Siedler*innen zu verteilen, die aus Guatemala und den Bundesstaaten Veracruz und Michoacán kamen, um Ordnung in dieser Region zu schaffen, die vom Wachstum menschlicher Siedlungen gekennzeichnet war.
Aus Guatemala kamen rund 10.000 Geflüchtete, während die Menschen, die aus Zentralmexiko kamen, auf der Suche nach einem besseren Auskommen waren, erklärt das mexikanische Umweltamt.
Der damalige Gouverneur Manuel Velasco habe ein „produktives Heer“ aufbauen wollen, um kleine soziale Zentren in der Region zu schaffen und die Situation auf diese Weise zu entschärfen, erinnert sich Don José mit Lachen.
Und er lacht noch mehr, denn er meint, dieses Heer habe nichts erreicht und niemanden besiegt. Das Ziel der Regierung erfüllte sich nicht, versicherte Baldovinos. Es war ein Heer ohne Waffen, ohne Munition. Eine gescheiterte Ansammlung von rund 20.000 Menschen, schätzt Baldovinos, diejenigen nicht mitgezählt, die vor der Hitze geflüchtet seien, vor der Feuchtigkeit, vor den Insekten.
Bereits in den 1970er Jahren begann innerhalb der Ejidos* die Viehwirtschaft und auch der Anbau der Ölpalme. Das „Grasland“ dehnte sich aus. Als Grasland wird Urwald bezeichnet, den die Ejido-Bewohner*innen abholzen, wobei sie dann ein paar Jahre warten, um anschließend dieses Land registrieren zu lassen. Sie wollen so Fördergelder für den Anbau von Ölpalmen erlangen und sich über das „Hindernis“ hinweg setzen, dass es Urwald ist. Sie holzen den Urwald ab, um den Weg für einen ertragreichen Anbau zu ebnen.
Nachts wird der Urwald von „illegalen Unternehmen“ gerodet
Ein Angestellter der Regierung in Chiapas, der anonym bleiben möchte, berichtet gegenüber Mongabay Latam, dass es hauptsächlich „illegale Unternehmen“ seien, die nachts den Urwald rodeten.
Der Palmanbau schreitet langsam aber stetig in dieser tropischen Region voran, die den größten Teil Südmexikos umfasst. Laut Zeugenaussagen, die Mongabay Latam gesammelt hat, haben sich Palmplantagen auf diese Weise in den Bundesstaaten Veracruz, Quintana Roo, Tabasco, Oaxaca, Guerrero und Chiapas auf Ländereien ausgedehnt, auf denen zuvor Viehwirtschaft betrieben wurde sowie auf Weideland, Grasland oder heimlich abgeholztem Urwald – und diese Flächen werden sich noch mehr ausdehnen. (Der Boden ist in diesen Bundesstaaten gut für den Palmambau geeignet).
Onarto Olarte teilte mit, dass die Regierung bemüht sei, Bäuerinnen und Bauern für den ökologischen Anbau von Palmen zu gewinnen, bei dem die Nährstoffe nach der Ernte und der Verarbeitung der Früchte wieder in den Boden zurückkehrten.
Nach Ansicht von Léon Ávila man müsse alle dazu verpflichten, mehrere Pflanzenarten anzubauen, d.h. innerhalb der Palmpflanzungen ein Ökosystem zu errichten.
Doch es wird auch mehr Geld in diesen ärmsten Regionen Mexikos fließen.
Rafael Lombera und José Baldovinos sind der Meinung, die Ölpalme sei eine Pflanzung, die es allen Besitzer*innen von kleinen Grundstücken ermögliche, der Armut zu entkommen und ihre Gewinne stark zu steigern.
„Förderprogramm für umweltbewusste Waldwirtschaft“
Baldovinos war mehr als 65 Jahre Bauer. Erst jetzt hat er wirtschaftliche Sicherheit erlangt. Er verdient im Monat 30.000 Pesos ohne große Anstrengungen, während er all die Jahre zuvor, als er Bohnen, Mais oder Chile angebaut hat, nur einen Bruchteil dessen mit viel mehr Arbeitsaufwand erwirtschaftete.
Es ist eine einfache Gleichung: Mit dem „Förderprogramm für umweltbewusste Waldwirtschaft“ bezahlt die mexikanische Regierung 300 Pesos pro Jahr und Hektar Urwald während ein Hektar Ölpalmen, die Früchte tragen, einen Gewinn von 100.000 Pesos im Jahr einbringt.
So sehen die Kalkulationen von José Baldovinos aus, der zusammen mit Rafael Lombera durch seine Palmenplantage geht. Sie sind Freunde, seit sie vor Jahrzehnten nach Chajul gekommen sind. Davor, als Don José schon sein Glück als Bauer in Michoacán und Guerrero versucht hatte, war Rafael noch ein Kind.
Olarte versichert, er habe noch keine Berichte erhalten, dass Menschen auf Gelder aus dem Förderprogramm verzichten, den Urwald roden und Unterstützung beantragen würden, um Ölpalmen zu pflanzen. „Davon habe ich keine Kenntnis. Wir als Regierung müssen den Urwald schützen“, sagte er.
„Die Menschen sind langsam entmutigt und roden den Urwald, um Palmen zu pflanzen.“
Rafael Lombera – der in einem Ejido lebt und gemeinsam mit anderen ein Stück Urwald bewirtschaftet – ist da anderer Ansicht. „Die Menschen sind langsam entmutigt und roden den Urwald, um Palmen zu pflanzen.“
Diese Logik beherrscht die Urwaldregion in Chiapas, die sich entlang der Grenze zu Guatemala ausdehnt und in der es Grundstücke gibt, die bis zu 4.000 Hektar groß sind. Mit ihren Erträgen wird die Firma Aceites Sustentables beliefert, so die Kalkulation von Forscher*innen.
Auf mexikanischem Gebiet gibt es Produzent*innen, die bis zu 1.000 Hektar besitzen aber auch Besitzer*innen von kleinen Grundstücken, die gerade erst mit dem Anbau beginnen – so wie Don José anfangs – und die ihren Landbesitz langsam ausdehnen.
„So wird der Urwald langsam zur Palmen-Plantage”, sagt Don José Baldovinos, dem eines der größten Häuser im Dorf gehört. „Die Palme ist die Zukunft“, beklagt sich Rafael Lumbrera und hält ein Bingo-Spiel in der Hand. Darauf sind Fotos von Tieren und Pflanzen aus dem Urwald zu sehen, die Lumbrera selbst gemacht hat in dem Urwalddickicht, das sich auf der anderen Seite des Lacantún-Flusses erstreckt.
* Ejido: gemeinschaftlicher Grundbesitz mit in der Regel den Kleinbauern und Kleinbäuerinnen individuell zugeteilten Parzellen
Der erste Teil des Artikels findet sich hier.
Der Text wurde zuerst auf Spanisch bei Mongabay publiziert.
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