Von Silvia Ribeiro*
(Mexiko-Stadt, 16. April 2016, La Jornada).- Seit dem vergangenen Jahr befindet sich die Chemie- und Saatgutindustrie in Eruption. Wenn wir nicht aufpassen, wird ihre giftige Asche auf unserem Teller landen. Monsanto, das weltweit größte Unternehmen für gentechnische veränderte Organismen (GVO) und kommerzielles Saatgut versuchte zweimal, Syngenta, den weltweit größten multinationalen Konzern für Agrargifte zu kaufen. Ziel: ein Mega-Unternehmen, das die Nummer 1 in beiden Sektoren gewesen wäre. Aber Syngenta lehnte ab und entschied sich für die Fusion mit ChemChina.
Verkauf „in ehelicher Gemeinschaft“
Um diesem Schachzug zu begegnen, begann Monsanto Verhandlungen mit zwei der sechs Giganten für Agrargifte und GVO auf dem Weltmarkt – Cbayer und BasfCC. Kurz zuvor hatten DuPont und Dow Agrosciences beschlossen, zu fusionieren. Schon die Tatsache, dass sechs Multis den Markt für den Saatgut- und Agrargiftevertrieb in weiten Teilen beherrschten, war ein Attentat auf die Ernährungssicherheit und -souveränität der Länder. Heute sehen wir uns der Perspektive gegenüber, dass diese globalen Märkte in den Händen von nur drei Unternehmen bleiben.
Die ETC Group warnte bereits 2015 vor diesen Manövern. Logik und Konsequenzen werden in dem Dokument „Jurrasic Park: Syngenta, DuPont, Monsanto – der Dinosaurierkrieg im Agrobusiness“ erklärt. In den vergangenen drei Jahrzehnten widmeten sich die mehr als 100 Jahre alten und mächtigen Unternehmen der Chemiebranche dem Aufkauf von Saatgutbetrieben in der ganzen Welt. Anfangs gab es Tausende dieser Betriebe und sie waren stark dezentralisiert. Die Konzerne dagegen zielten auf eine oligopolistische Marktstruktur ab. Diese Struktur sollte die Landwirt*innen zwingen, das Saatgut zusammen mit den Agrargiften – von den Multis „Agrochemikalien“ genannt, damit sie weniger schädlich erscheinen – aus einer Hand zu kaufen. Das offensichtlichste Resultat dieses Verkaufs „in ehelicher Gemeinschaft“ war das transgene Saatgut. Dieses ist so manipuliert, dass es hohe Dosen der Giftstoffe von denselben Konzernen toleriert.
Kampf um Kontrolle bei Saatgut und Agrargiften
Bis 2015 kontrollierten sechs Unternehmen – Monsanto, Syngenta, Dow, DuPont, Bayer und Basf – zusammen 75 Prozent des Welthandels mit Agrargiften und 61 Prozent des Saatguthandels in all seinen Varianten. Außerdem vereinten sie 75 Prozent der privaten Landwirtschaftsforschung auf sich. Was gentechnisch verändertes Saatgut angeht, kontrollieren sie es zu 100 Prozent. Das heißt, auf diesem Feld beherrschen sie den Weltmarkt komplett. Dies ist nicht immer erkennbar, weil die Konzerne die Namen aufgekaufter Unternehmen nicht ändern. So ist DuPont im Landwirtschafts- und Saatgutbereich eher als Pioneer Hi-Bred bekannt.
Innerhalb von drei Jahrzehnten nahm der Rhythmus von Fusionen und Aufkäufen in den Branchen für Saatgut und Agrargifte so viel Fahrt auf, dass er an seine Grenzen stieß. Es bleiben faktisch keine Unternehmen mehr für den Aufkauf übrig. Doch die Konzerne wollen weiterwachsen, um noch umfassendere Marktanteile zu kontrollieren. Darum verschlingen sie sich gegenseitig. Im Ergebnis könnte es dazu kommen, dass nur noch drei gigantische Unternehmen die ersten Glieder der industriellen Nahrungsmittelkette komplett dominieren.
Darum haben in mehreren Ländern die Anti-Monopolbehörden ein Auge auf die Fusionen geworfen. Möglicherweise konkretisieren sie sich nicht, vor allem, wenn es gesellschaftlichen und öffentlichen Druck dagegen gibt. Monsanto wartet: Wenn die Fusionen von Syngenta und anderen Multis genehmigt werden, wird dem Konzern seine Fusion mit den landwirtschaftlichen Zweigen von Bayer und/oder Basf nicht verweigert werden können. Branchenexpert*innen erklären die Präferenz von Syngenta für ChemChina zum Teil damit, dass der chinesische Konzern halbstaatlich ist und damit antimonopolistische Maßnahmen vermeiden könne. Allerdings hat eine Gruppe internationaler und chinesischer Organisationen sich bereits an die chinesische Regierung gewandt, damit sie wegen der mit der Fusion verbundenen Ausbreitung von mehr und schlimmeren Giften ihr Veto einlegt.
All inclusive für Landwirt*innen: Düngemittel, Maschinen, Klimadaten, Agrarversicherungen
Nichts weist darauf hin, dass die Unternehmenskonzentration beendet sein wird, sollten nur drei Konzerne übrig bleiben. Die Gewinnlogik der Multis im Agrobusiness wird darin bestehen, diese Kartelle für Saatgut und Agrargifte mit den nächsten Gliedern der Industriekette zu verbinden. Dabei kann es sich sowohl um Düngemittelkonzerne als auch Unternehmen aus dem Bereich Landwirtschaftsmaschinen handeln.
Mit diesen bestehen bereits verschiedene Abkommen zur Zusammenarbeit. Die Absicht ist, die Kontrolle über die Landwirt*innen auszuweiten und Saatgut, Agrargifte, Düngemittel, Maschinen, Klimadaten bis hin zu Agrarversicherungen als ein einziges Paket anzubieten. Damit würde die Kontrolle über die Landwirt*innen durch einige wenige Unternehmen ein beispielloses Niveau erreichen.
Gegendruck aus der Zivilgesellschaft
Für die bäuerlichen Gemeinden und Organisationen, die diejenigen sind, die die Mehrheit der Menschheit ernähren und überwiegend ihr eigenes Saatgut besitzen sowie für die vielen, die sich für den ökologischen Landbau entschieden haben, mögen diese Fusionen vielleicht irrelevant erscheinen. Sie gehören nicht zu den Kund*innen.
Aber diese Industrieriesen werden ihre Macht stärken, um die Agrarhandelsabkommen, Subventionen und ländlichen Entwicklungsprogramme, Arbeits-, Saatgut- und Patentgesetze sowie Vorschriften zur Bodennutzung, zur Verwendung von Agrargiften bis hin zu öffentlichen Infrastrukturausgaben nach ihrem Gusto zu formen. Alles im Sinne ihrer Geschäfte.
All dies hat bereits jetzt ganz negative Auswirkungen auf die kleinbäuerlichen Ökonomien. Wenn sich auf globaler Ebene die neuen Fusionen konkretisieren, wird die Lobby der verbleibenden Mega-Unternehmen noch viel mehr Druck ausüben können. Es gibt Initiativen aus der Zivilgesellschaft, diese Fusionen auf dem gesetzlichen Weg zu verhindern. Schließlich geht es um die Ernährung aller.
*Forscherin der ETC Group
Monsanto kämpft um seine Vorherrschaft von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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