Gesetzliche Schutzklausel für Monsanto

von Silvia Ribeiro*

(Mexiko-Stadt, 06. April 2013, la jornada).- Am 26. März 2013 trat in den USA eine Gesetzesklausel in Kraft, die es Monsanto und den anderen Genmultis erlaubt, einstweilige gerichtliche Verfügungen gegen die Aussaat von Genkulturen zu ignorieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese wegen Unregelmäßigkeiten bei der Genehmigung, wegen fehlender Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen oder wegen neuer wissenschaftlicher Hinweise auf Gesundheitsschäden oder aus anderen Gründen erlassen wurden.

Jenseits aller Kontrolle

Es handelt sich um eine weltweit beispiellose Ausnahmeregelung, die bereits Monsanto-Schutzgesetz (Monsanto Protection Act) getauft wurde. Mit dieser Entscheidung werden Monsanto, Syngenta, DuPont-Pioneer, Dow, Bayer und Basf, d.h., die Multis, die den Genanbau kontrollieren, über die Rechtsprechung gestellt. Es ist auch eine Entscheidung gegen die Gewaltenteilung, denn sie verwehrt dem Justizapparat die Macht, die Beschlüsse anderer zu überprüfen.

Für die USA und die Welt handelt es sich um einen schwerwiegenden Präzedenzfall. Er unterstützt ein in sich schon völlig in die Irre führendes Genehmigungsverfahren für gentechnisch manipulierte Organismen (GMO). Diese beruht darauf, dass die Daten über Folgewirkungen von dem Unternehmen, das mit der Freisetzung Gewinnziele verfolgt, selbst beigebracht werden. Die Gesetzesklausel macht Initiativen von zivilen Organisationen unmöglich.

Diese Initiativen haben bisher in den USA mehrere Gerichtsverfügungen erwirkt, die den Freilandanbau von GMO stoppten, welche keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurden oder bei denen es Belege für potentiell schwerwiegende Schäden gibt. Mit dem Monsanto-Schutzgesetz wird zukünftig kein Gericht die Aussaat unterbinden können. Nicht einmal die Bundesstaaten können auf ihrem eigenen Territorium Gesetze über die Transgene verabschieden.

Gesetz zusammen mit Monsanto verfasst

Der verabschiedete Text befindet sich in einem absichtlich komplizierten und schwer zu verstehenden Absatz, der Teil eines 90-seitigen Dokumentes über verschiedene Bundeskompetenzen (Kürzel HR 933) ist. Die Formulierung wurde klammheimlich von Senator Roy Blunt eingefügt. Blunt, der über Jahre beträchtliche Spenden von Monsanto erhielt, hat sogar zugegeben, den Text zusammen mit dem Unternehmen verfasst zu haben.

Verschiedene zivile Organisationen machten vor der Verabschiedung des Gesamtdokumentes auf die Gefahr des Beschlusses aufmerksam und brachten 250.000 Unterschriften zusammen, in denen die Ablehnung der entsprechenden Klausel gefordert wurde. Die Senatorin Bárbara Mikulski, Vorsitzende des Ausschusses, der für den Entwurf stimmte, bat nun öffentlich um Entschuldigung für diese Entscheidung.

US-Regelung mit Signalwirkung

Zwar handelt es sich um eine US-Gesetzgebung, doch die weltweite Auswirkung ist groß. Die Regelung erweitert die Möglichkeiten und die Gesetzespalette die den Genmultis gegen die öffentlichen Interessen der Länder, gegen die Umwelt, gegen die Gesundheit von Tieren und Menschen zur Verfügung stehen. In diesen Kontext sind die so genannten Monsanto-Gesetze (die ihren offiziellen Namen Biosicherheitsgesetze nicht verdienen) einzuordnen. Sie wurden überall auf dem Kontinent von Unternehmen zusammen mit unkritischen Wissenschaftler*innen verfasst. Diese wurden in der Regel mit dem Geld der Unternehmen finanziert oder erhielten auf anderen Wegen Geld.

Mexiko mit seinem Biosicherheitsgesetz, das von Anfang an „Monsanto-Gesetz“ getauft wurde, ist einer dieser Fälle. Die mexikanische Regierung hat dazu ein komplementäres Regelwerk geschaffen, damit jeder Versuch, das Gesetz im Sinne des Vorsorgeprinzips anzuwenden, scheitern muss. Die plumpeste Tat erfolgte vielleicht im November 2011. Die Regierung ließ den Artikel 88 des Biosicherheitsgesetzes wirkungslos. Dieser verbietet die Freisetzung von Genmais, weil Mexiko Ursprungsland des Mais ist.

Mexikos Regierung ändert Karte der Mais-Ursprungszentren

Die Regierung änderte die weltweit anerkannte Karte über Ursprungszentren und führte an, dass es in Mexiko Zonen gäbe, die keine Ursprungszentren sind. Dies steht im Widerspruch zur von 70 Institutionen und hunderten Wissenschaftler*innen unter Leitung der Bundeskommission für die Erforschung und Nutzung der Biodiversität Conabio (Comisión Nacional para el Conocimiento y Uso de la Biodiversidad) durchgeführten Studie. Diese bestätigte erst kürzlich, dass ganz Mexiko Ursprungszentrum ist.

Die Unternehmen brauchen solche Gesetze, die gesetzliche Aktionen der Bürger*innen und Gerichte verhindern. Denn ihre genveränderten Produkte scheitern in großem Stil und provozieren gigantische Probleme.

Super-Unkräuter und resistente Schädlinge

In den brasilianischen Bundesstaaten Paraná und Brasilia berichtete Red Globo in der vergangenen Woche über das Fiasko mit dem insektenresistenten Bt-Mais. Denn die Maiszünsler (gusanos cogolleros) zerfraßen den Genmais, nachdem sie eine Resistenz gegen das Gift entwickelt hatten, das sie töten sollte. Und aufgrund der glyphosatresistenten GMO ist über die Hälfte der US-Farmen von Super-Unkräutern befallen, die mit Herbiziden nicht vernichtet werden können. Im Bundesstaat Georgia weisen 92 Prozent der Farmen Super-Unkräuter auf, die resistent gegen ein oder mehrere Agrogifte sind (Tom Philpott, Mother Jones 6/2/13).

Um gegen diese Super-Unkräuter vorzugehen, führen die Multis GMO ein, die gegen die supergiftigen Herbizide Dicamba und 2,4 D (letzteres ist eine Komponente von Agent Orange) resistent sind. Die vermehrte Kontamination von Böden, Gewässern und beim Menschen wird unbeschreiblich sein. In den vergangenen Monaten haben wir wissenschaftliche Berichte gelesen, die zeigen, dass Genmais bei Ratten Krebs erzeugt hat und das die Mehrheit der Transgene Teile eines von den Behörden nicht entdeckten Virus enthält, der für die Konsument*innen gesundheitsschädlich sein kann. Nicht nur deswegen wollen die Unternehmen gesetzliche Straffreiheit, um Genpflanzen auf das Feld zu bringen.

Noch mehr Kontamination und Straffreiheit

Die gute Nachricht ist, dass die Anträge von Monsanto, DuPont-Pioneer und Dow auf die Genmais-Aussaat auf mehr als einer Million Hektar in den Bundesstaaten Sinaloa und Tamaulipas verfallen sind, obwohl die Regierung dies nicht öffentlich gemacht hat. Zweifellos haben die zahlreichen nationalen und internationalen Proteste gegen die Freisetzung von Genmais im Ursprungszentrum Mexiko Früchte getragen. Aber Monsanto hat bereits drei neue Anträge für den massiven kommerziellen Genmais-Anbau in den Bundesstaaten Chihuahua, Coahuila und Durango gestellt. Bis zum 29. April können sie öffentlich konsultiert werden (www.senasica.gob.mx/?id=1344).

Wie wir sehen, geht es beim Thema Transgene nicht nur um Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Es handelt sich darum, ob die transnationalen Unternehmen die grundlegenden Entscheidungen über unsere Überlebensgrundlagen treffen werden – gegen uns und mit absoluter Straffreiheit.

*Forscherin der ECT-Group

 

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