von José Elosegui
(Lima, 22. September 2011, noticias aliadas).- Uruguay ist traditionell ein Agrarland, in dem Ackerbau und Viehwirtschaft dominieren. Doch das Auftauchen großer Bergbaukonzerne im Land enthüllt sowohl die Intentionen als auch die Schwächen der Regierung auf ihrem verschlungenen Weg hin zur Schaffung eines neuen Produktionszweiges. Besiegelt wurde das Ganze mit der Reform des Bergbaugesetzes, die am vergangenen 14. September von den Abgeordneten verabschiedet worden ist.
Riesige Flächen zur Erkundung freigegeben
Allein im Jahr 2011 hat die uruguayische Regierung Prospektions- und Erkundungsgenehmigungen für eine Fläche von einer Million Hektar Land vergeben ‒ das entspricht 10.000 Quadratkilometern. Diese Zahlen übertreffen die Durchschnittswerte der Vorjahre um ein Vielfaches. Der Wille der regierenden Frente Amplio, die Volkswirtschaft auf eine breitere Basis aus mehr Produktionszweigen zu stellen, die Industrialisierung voranzutreiben und für ausländische Direktinvestitionen im Bergbau zu sorgen, tritt dabei deutlich hervor.
Erkundet wird laut Ministerium für Bergbau und Geologie derzeit das Vorhandensein abbaubarer Vorkommen von Gold, Silber, Eisen, Kupfer, Zink, Nickel, Platin, Mangan, Palladium, Kryolit, Diamanten, Zinn, Titan, Rutil, Titaneisenerz, Molybdän, Magnesium, Kadmium, Antimon, Vanadium, Lithium, Kimberlit, Zirkonium und Blei.
Mujica hofft auf Arbeitsplätze
Zahlreich sind die erforschten Mineralien, wobei diejenigen besonders wichtig sind, die für die Zementindustrie verwertbar sind. Doch auch die Konzessionen zur Erforschung von Gold, Silber, Kupfer, Zink und Eisen sind wirtschaftlich besonders interessant. Das gilt besonders für Goldvorkommen. Nach Informationen des Regierungsportals “Uruguay XXI” ist Gold das derzeit wichtigste Mineral in der Exportbilanz.
In seiner Regierungserklärung nach einem Jahr Amtszeit hatte Präsident José Mujica am 1. März dieses Jahres erklärt, dass ausländische Direktinvestitionen, vor allem in den Bergbau „andere Produktionssektoren aktivieren werden und dadurch direkt und indirekt Arbeitsplätze geschaffen werden.“
Doch ein Projekt der zum transnationalen Konzern Zamin Ferrous gehörenden Firma Aratirí führte zu starken Kontroversen. Es geht dabei um Eisenförderung im Tagebau und Investitionen von rund 2 Mrd. US-Dollar. Die Aussicht auf gigantische Krater mitten im Land waren wirkten auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene wie ein Stich ins Wespennest.
Auseinandersetzung um Eisenförderung der Firma Aratirí
Das Projekt von Aratirí führte zu entschiedenem Widerstand in der betreffenden Gegend, es gab heftige Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition in der Politik. Die Gründung der „Bewegung für ein Nachhaltiges Uruguay“ (Movimiento por un Uruguay Sustentable) geht auf diesen Konflikt zurück.
Umweltaktivistin María Selva Ortiz von der Organisation REDES-Friends of The Earth Uruguay weist im Gespräch mit Noticias Aliadas auf eine Besonderheit im Fall Uruguays hin: Während der Bergbau in anderen südamerikanischen Ländern in wenig fruchtbaren oder wüstenartigen Gegenden betrieben würde, „bedrohen großangelegte Bergbauprojekte die landwirtschaftliche Produktion.“ Denn dort würde Bergbau auf fruchtbaren Böden betrieben, so Ortiz.
Bergbau auf Ackerflächen
Im Juni hatten verschiedene technische Angestellte der Firma Aratrí zudem bestätigt, dass Viehweiden aus Sicherheitsgründen drei bis vier Kilometer von den Bergbauflächen entfernt sein müssten. „Megabergbau ist sowohl sozial als auch unter Umweltgesichtspunkten nicht nachhaltig. Außerdem verstößt er gegen das uruguayische Umweltrecht“, unterstreicht Ortiz.
Anfang August gab Aratirí bekannt, dass das Projekt in Uruguay nicht mehr ganz oben auf der Prioritätsliste stünde. Die uruguayische Regierung reagierte mit Besorgnis. Alberto Breccia, Leiter der Staatskanzlei forderte „nicht gegen die Investitionen zu wettern“ und Arbeitsminister Eduardo Brenta versicherte in der Wochenzeitung „Voces“, dass „das Eisen und eine Revolution der Produktion bescheren wird“.
Die politischen Aufgeregtheiten, die der Rückzug von Aratirí auslöste, bewirkten aber immerhin die Bildung einer Parlamentskommission. Mitglieder sind Vertreter*innen aller Parteien ebenso wie Regierungsmitglieder und Repräsentant*innen des Parlaments. Die Kommission soll nun eine Strategie für den Umgang mit dem Bergbau im Land entwickeln. Die Mitglieder kamen am vergangenen 12. August das erste Mal zusammen und setzten sich dabei eine Frist von 60 Tagen, bis zu der eine Erklärung vorliegen sollte.
Anhebung der Abgaben beschlossen
Parallel dazu und unter dem Druck das Aratirí-Projektes, befasste sich das Parlament seit bereits seit einem Jahr mit einem Vorschlag der Regierung für eine Reform des Bergbaugesetzes aus dem Jahre 1982. Die am 14. September schließlich von den Abgeordneten durchgewunkene Initiative enthält verschiedene Maßnahmen, die laut Regierung das Ziel verfolgen, eine Bergbau-Industrie zu entwickeln. Diese soll zum Verbleib der Reichtümer aus dem Bergbau im Lande beitragen und sich harmonisch in die Volkswirtschaft einordnen.
Doch der wichtigste und zugleich umstrittenste Punkt dieser Reform ist die Anhebung der Abgaben, die von den Firmen an den Staat gezahlt werden sollen. Bisher liegen diese bei fünf Prozent des Wertes, den das geförderte Mineral hat, wenn es aus dem Boden geholt worden ist. Künftig sollen fünf Prozent des Exportwertes des Produktes gezahlt werden – ein Vielfaches dessen, was bisher an Abgaben gezahlt werden muss.
Der Minister für Energie und Bergbau, Roberto Kreimerman, unterstreicht jedoch, dass die Neuerungen es jenen Unternehmen einfacher machen werden, die bisher das Risiko von Prospektion und Erkundung eingegangen sind.
Widerstand gegen den Bergbau
Die im „Movimiento por un Uruguay Sustentable“ zusammengeschlossenen Organisationen und Personen ‒ unter anderem aus bäuerliche Vereinigungen, Gewerkschaften, Forscher*innen, Wissenschaftler*innen, Nachbarschaftsvereinigungen ‒ sind der Ansicht, dass die Reform des uruguayischen Bergbaugesetzes den Weg für den Großprojekte freimachen soll. Allerdings gestehen sie zu, dass das neue Gesetz auch Klauseln zum Umweltschutz enthält und sehen die Anhebung der Abgaben durch Bergbauunternehmen positiv.
Auch wenn Teile der Gewerkschaftsbewegung, wie z. B. die Metallarbeitergewerkschaft UNTMRA (Unión Nacional de Trabajadores del Metal y Ramas Afines) sich für eine Förderung des Bergbaus in Uruguay einsetzt, so fordert sie doch strenge Umweltschutzmaßnahmen, einen größeren Nutzen der Rohstoffe für den Staat, einen Prozess der Industrialisierung, damit die natürlichen Ressourcen nicht ausschließlich exportiert werden, sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Diese Forderungen erhob der Generalsekretär der UNTMRA-Gewerkschaft, Marcelo Abdala, im Gespräch mit der Tageszeitung „la diaria“.
Raubbau zu Lasten künftiger Generationen
Gegenüber der Presseagentur Noticias Aliadas äußerte unterdessen Mónica Castro, die Präsidentin der Föderation der Funktionäre des staatlichen ANCAP-Unternehmens (Administración Nacional de Combustibles, Alcohol y Portland), dass „es unmöglich ist, sich eine Entwicklung des Megabergbaus vorzustellen, die positiv für die Bevölkerung ist“. Ihre Meinung nach sei „die Rentabilität des Kapitals das einzige, das diese Entwicklung garantiert“. Nicht zuletzt gäbe es auch „keine Steuern auf die Gewinne derjenigen, die unsere natürlichen Ressourcen rauben“.
Castro gab zu bedenken, dass Uruguay zahlreiche Abkommen zum Schutz von Investitionen mit anderen Ländern geschlossen habe, die von den großen Bergbauunternehmen gegen die Staatsinteressen gewandt werden könnten. Schließlich sagte die Gewerkschafterin, dass „die Rechte der künftigen Generationen mit bedacht werden, denen all das fehlen wird, was das Kapitel heute mit sich nimmt, und die dennoch unter den ökologischen Folgen seiner zerstörerischen Praxis leiden werden“.
Bergbaureform: Uruguay macht sich startklar für Großprojekte von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Schreibe einen Kommentar