
(San Salvador, 19. Mai 2025, Gato Encerrado/poonal).- Am 18. Mai wurde die Menschenrechtsverteidigerin Ruth López in El Salvador verhaftet. Sie arbeitet als Antikorruptionsanwältin bei der zentralamerikanischen Menschenrechtsorganisation Cristosal und hat sich auch für die aus den USA nach El Salvador deportierten Gefangenen eingesetzt. Der folgende Artikel von Ezequiel Barrera erschien zuerst bei dem salvadorianischen Medium Gato Encerrado; mit dessen Genehmigung haben wir ihn nun übersetzt.
Die Verhaftung der renommierten Rechtsanwältin Ruth Eleonora López zeigt die schamlose Offensive der Regierung von Nayib Bukele auf, die diese gegen Intellektuelle, Aktivist*innen, Medienschaffende, Führungspersonen von sozialen Bewegungen und Kooperativen und sogar von religiösen Persönlichkeiten gestartet hat, die die Entscheidungen der Regierung in Frage stellen. Im Zuge der zunehmenden Repression und politischen Verfolgung kam es zu irregulären Durchsuchungen von Wohnungen von Journalist*innen und Büros von Organisationen der Zivilgesellschaft.
Die Regierung Nayib Bukeles verkündete am Sonntag, dem 18. Mai, gegen Mitternacht, sie werde ihre Offensive gegen kritische Stimmen fortsetzen. Zuletzt wurde Ruth Eleonora López verhaftet, die sich mit ihrer Familie an ihrem Wohnort aufhielt. Als die Polizei dort eintraf, erklärte sie, López werde von der Generalstaatsanwaltschaft gesucht; sie solle wegen Veruntreuung von Geldern angeklagt werden.
Über ihre sozialen Netzwerke gab die Generalstaatsanwaltschaft bekannt, López werde wegen ihrer Tätigkeit als „Beraterin und rechte Hand von Eugenio Chicas während seiner beiden Amtszeiten im Obersten Wahlgericht“ angeklagt. „Anschließend war sie während seiner [Eugenio Chicas] Amtszeit als Leiter der Kommunikationsabteilung der Präsidentschaft der Republik (von Salvador Sánchez Cerén) weiterhin seine rechte Hand, und auch als Beraterin im salvadorianischen Sozialversicherungsinstitut tätig. In diesen Zeiträumen war Ruth López an der Entwendung von Geldern aus der Staatskasse beteiligt“, so die Generalstaatsanwaltschaft.
Eine Audioaufnahme der Verhaftung von Ruth López wurde von der Zeitung El Diario de Hoy veröffentlicht. In dieser Aufnahme ist ein Fotograf der Staatsanwaltschaft zu hören, der López anweist, sie solle sich vor ihrem Haus, in der Öffentlichkeit und vor den Agenten und Nachbarn, schnell umziehen, damit er sie zusammen mit den Polizeibeamten, die sie verhafteten, fotografieren könne. In der Aufnahme ist sogar zu hören, wie der Fotograf die Polizisten auffordert, ihr keine Handschellen anzulegen, während er die Fotos macht.
In diesem Moment fordert López die Polizisten auch auf, „Anstand zu bewahren“. Sie sollten demnach keine ungerechten Befehle des Präsidenten befolgen, wodurch Menschen wie sie festgenommen werden, die Menschenrechtsverteidiger*innen sind und in einer zivilgesellschaftlichen Organisation arbeiten, die für die Regierung Bukele unbequem ist.
Nach der Verhaftung von Ruth López haben sich verschiedene salvadorianische und internationale Organisationen zusammengeschlossen, um die sofortige Freilassung der Anwältin zu fordern. Sie sind der Meinung, dass das Bukele-Regime weder für Gerechtigkeit eintritt noch gegen die Korruption der Vergangenheit kämpft, sondern offensichtlich Personen politisch verfolgt und verhaftet, die Menschenrechtsverletzungen anprangern und die Korruption der derzeitigen Regierung aufdecken.
Wer ist Ruth López?
Ruth Eleonora López ist von Beruf Rechtsanwältin und Expertin für Wahlrecht. Aktuell ist sie die Leiterin des Referats für Korruptionsbekämpfung und Justiz bei Cristosal, einer der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen in El Salvador und im nördlichen Zentralamerika.
In ihrer Position bei Cristosal leitete sie mehr als 15 Untersuchungen und Berichte, die die Korruption der Bukele-Regierung aufdecken. Außerdem leitete sie ein Team ihrer Organisation, das bei der Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs (CSJ) Dutzende von Habeas-Corpus-Anträgen wegen willkürlicher Verhaftungen Unschuldiger unter Bedingungen des Ausnahmezustands eingereicht hat.
Sie war eine der kritischsten und unbequemsten Stimmen für den Bukelismo [red. Anm.: unter Nayib Bukele etabliertes System, das über seine Person hinausreicht]. Sie prangerte Bukeles militärische Invasion im Parlament am 9. Februar 2020 an [red. Anm: Mit Unterstützung von Soldaten erzwang Bukele vom Parlament die Zustimmung zur Finanzierung eines Kredits für seine Sicherheitsstrategie „Plana Control Territorial“] und die Enthauptung der Justiz sowie die illegale Absetzung des Generalstaatsanwalts am 1. Mai 2021 an [red. Anm.: Das Parlament stimmte für die Absetzung von Richtern des Obersten Gerichtshofs und des Generalstaatsanwalt]. Letzteres führte dazu, dass Rodolfo Delgado diesen Posten übernahm und die Staatsanwaltschaft nun so führt wie eine Dependance der Präsidentschaft, deren Interessen in Einklang mit denen der Familie Bukele stünde. Sie hat sich auch der Koalition derjenigen angeschlossen, die die Verfassungskammer auffordern, das neue Bergbaugesetz zu stoppen, da es schwerwiegende Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung El Salvadors berge.
Als Wahlexpertin kritisierte López, dass der Bukelismo eine Reihe von irregulären Reformen beschloss, die ausschließlich auf den Machterhalt Nayib Bukele zielen und dabei verfassungsmäßige Verbote umgehen, die Opposition systematisch und finanziell ausschalten und das Oberste Wahlgericht nach Belieben kontrollieren.
Ruth López‘ Einsatz für Menschenrechte und Transparenz ist international anerkannt. Im Jahr 2024 nahm die britische Zeitung BBC sie in ihre Liste der 100 einflussreichsten Frauen der Welt auf.
López wurde am 27. September 1977 in San Salvador geboren. Während des bewaffneten Konflikts in El Salvador (1980-1992) beschloss ihre Familie, nach Nicaragua zu ziehen. Dort lebte López elf Jahre lang und ging anschließend für 16 Jahre nach Kuba, studierte Jura, was sie 1999 an der Universität von Havanna mit Auszeichnung als beste ausländische Studentin abschloss. 2008 kehrte López nach El Salvador zurück, wo sie sich auf Wahlrecht, Menschenrechte und Handelsrecht spezialisierte.
Zunehmende Repression
Die Organisation Cristosal bezeichnete López‘ Verhaftung als einen „Akt der Unterdrückung kritischer Stimmen“. Außerdem warf sie den Behörden ein „kurzfristiges gewaltsames Verschwindenlassen“ in den ersten Stunden ihrer Verhaftung vor, da sie sich geweigert hätten, der Familie und dem Anwaltsteam Auskunft über ihren Verbleib zu geben.
Allein im Jahr 2025 hat die Regierung von Bukele bisher mehr als ein Dutzend irreguläre Verhaftungen gegen Aktivist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Umweltschützer*innen, Führungspersonen von sozialen Bewegungen und Wohnkooperativen und sogar einen religiösen Anführer vorgenommen. Hinzu kommen Informationen des Mediums El Faro, demzufolge die Generalstaatsanwaltschaft Haftbefehle gegen sieben seiner Journalist*innen vorbereitet hat. Darüber hinaus hat die zunehmende Repression zu Durchsuchungen in den Wohnungen von Medienschaffenden und bei Organisationen der Zivilgesellschaft geführt.
Zu den jüngsten Fällen dieser eskalierten Repression zählt die Verhaftung des Pastors der christlichen Mission Elim, José Ángel Pérez, und zweier Leiter der Genossenschaft El Bosque. Diese hatten Bewohner der Siedlung dieser Kooperative bei einer friedlichen Demonstration begleitet, mit der sie angesichts einer Räumungsklage gegen sie Bukele um Unterstützung baten. Die Militärpolizei ging gewaltsam gegen die Menge vor und nahm die Anführer*innen der Kooperative fest. Am nächsten Morgen wurde auch der Anwalt des Wasserforums, Alejandro Henríquez, wegen seiner Teilnahme an der friedlichen Demonstration verhaftet.
Mitten in dieser Eskalation der Repression und nur 40 Minuten nach der Verhaftung von Ruth López erklärte der Beauftragte des Präsidenten für Menschenrechte und Meinungsfreiheit, Andrés Guzmán Caballero, seinen Rücktritt. Der aus Kolumbien stammende Beamte war im Mai 2023 in dieses Amt berufen worden. Seitdem hatte er versucht, vor internationalen Organisationen zu vertreten, dass die Menschenrechte in El Salvador nicht verletzt werden, aber eine große Menge von Zeugenaussagen, Daten, Akten und journalistischen Untersuchungen haben ihm immer wieder widersprochen.
Die Repression fällt auch mit einem Rückgang der Popularität von Bukele zusammen, der sich stets damit brüstete, eine öffentliche Zustimmungsrate von über 90 Prozent zu haben. Die Umfrage des Centro de Opinión Pública (COP) ergab, dass im April dieses Jahres 55 Prozent der Befragten die Regierung Bukele guthießen. Dies bedeutet einen Rückgang seiner Popularität im Vergleich zu anderen Umfragen, die in den vergangenen Monaten und Jahren veröffentlicht worden waren.
Übersetzung: Ute Löhning
Wer ist Ruth López, die von Bukele verhaftete Antikorruptionsanwältin? von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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