USA schieben 238 angebliche Gangmitglieder nach El Salvador ab

Megaknast CECOT Gefangene Abschiebung Bukele Trump
Justitia schafft keine Gerechtigkeit. Gemälde über den Alltag unter dem von Bukele verhängten Ausnahmezustand in El Salvador. Foto: medico international, 2025

(18.3.2025 – RDL) – Am Wochenende lieferte die US-Regierung in einer Blitzaktion mehr als 200 vermeintliche Gangmitglieder nach El Salvador aus. Dies sei rechtswidrig, entschied ein US-Gericht. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Flugzeug schon in der Luft. Die Männer aus Venezuela und El Salvador wurden nach ihrer Ankunft in das berüchtigte CECOT-Gefängnis gesperrt. Dort sitzen bereits tausende Personen ein, die die Sicherheitskräfte in den vergangenen Jahren oft willkürlich verhaftet haben, um die Gewalt in dem Land einzudämmen.

Jana Flörchinger und Moritz Krawinkel von medico international waren vor Ort. Im Interview mit David Graaf von Radio Dreyeckland berichten sie über die Haftbedingungen, die Ohnmacht der Angehörigen und die politische Bedeutung der Kooperation zwischen Trump und Bukele.

Wir haben das Interview mit freundlicher Genehmigung von Radio Dreyeckland (RDL) transkribiert und leicht bearbeitet.

 

RDL: Das mittelamerikanische Land El Salvador wird autoritär populistisch von Nayib Bukele regiert. Er hatte den USA vor einigen Wochen angeboten, vermeintliche Straftäter aus den USA in das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis CECOT in El Salvador zu bringen. Am vergangenen Wochenende nun hat die US-Regierung erstmals 238 Menschen nach El Salvador abgeschoben. Die Männer aus Venezuela und El Salvador sollen angeblich Mitglieder bewaffneter Gangs sein. Am Telefon bin ich nun verbunden mit Jana Flörchinger und Moritz Krawinkel von medico international, einer Hilfs- und Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Frankfurt am Main. Jana und Moritz, ihr seid noch in Mittelamerika und wart bis vor wenigen Tagen in El Salvador vor Ort und habt euch dort zur Lage der Menschenrechte informiert. Bevor wir darauf kommen, könnt ihr vielleicht kurz erklären, was ist dieses Hochsicherheitsgefängnis für ein Ort?

Moritz Krawinkel
Das Gefängnis ist ein abgeschotteter Ort, in dem hinter hohen Mauern, in großen Hallen riesige Käfige stehen, in denen zehntausende Menschen – angeblich Gangmitglieder – eingesperrt sind. Das Gefängnis soll das größte in Lateinamerika sein, sagt der Populist Bukele. Fotos von diesem Megaknast zeigen die wirklich entmenschlichenden Bedingungen, unter denen die Menschen dort gehalten werden.

Jana Flörchinger
Zu den Haftbedingungen ist zu sagen, dass die Menschen, die in dem Gefängnis sitzen, keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Teilweise sitzen Menschen dort seit zwei Jahren ein und haben weder Kontakt zu Anwält*innen noch zu Familienmitgliedern. Das bedeutet, dass auch die Familien gar nichts über den Verbleib ihrer Angehörigen wissen. Es ist auch davon auszugehen, dass in dem Gefängnis Folter und massive Menschenrechtsverletzungen stattfinden.

RDL: Das Gefängnis ist vor eineinhalb Jahren eröffnet worden und steht im Kontext der repressiven Sicherheitspolitik von Bukele, der sehr beliebt ist, weil die Gewalt in dem Land enorm abgenommen hat. Aber um das zu erreichen, wurden auch zehntausende unschuldige Menschen festgenommen. Wie gehen denn die Gefangenen oder die Angehörigen damit um? Haben sie die Möglichkeit, sich irgendwie dagegen zu wehren?

Moritz Krawinkel
Nein, genau das haben sie eben nicht. Man kann sagen, dass in El Salvador der Rechtsstaat vollkommen außer Kraft gesetzt ist, weil Bukele über Judikative und Legistlative steht. Diese Leute sind zum Teil einfach willkürlich von der Straße weg verhaftet worden, und haben seitdem keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Angehörige und Anwälte versuchen verzweifelt Kontakt aufzunehmen, oder teilweise auch nur herauszufinden, ob die Gefangenen überhaupt noch leben sind. In den allermeisten Fällen bekommen keinerlei Informationen.

Jana Flörchinger
Wir haben uns letzte Woche mit einem älteren Herrn getroffen, dessen Tochter seit zwei Jahren im Sicherheitsgefängnis einsitzt. Die Eltern und die Familie hatten seit der Verhaftung keinen Kontakt zu ihr. Dass sie überhaupt noch lebt, wissen sie nur, weil jemand vom Gefängnis bei diesem Mann angerufen hat, damit er Medikamente für seine Tochter vorbeibringt. Das ist der einzige Strohhalm, an dem sie sich festhalten können. Die Angehörigen der Gefangenen müssen häufig Medikamente oder auch Lebensmittel in die Gefängnisse bringen, bekommen aber selbst keine Informationen.

Moritz Krawinkel
Bukele hat angekündigt, dass die Personen, die festgenommen werden, um die vermeintliche Sicherheit im Land zu garantieren, nie wieder dort rauskommen sollen. Wenn Gefangene doch wieder entlassen werden, was vollkommen willkürlich geschieht, dann sind sie unterernährt, krank und sie tragen Folgen von den entmenschlichenden Verhältnisse in diesem Gefängnis davon. Denn in CECOT gibt es keinerlei Gesundheitsversorgung, die sanitären Bedingungen und die Ernährung sind extrem schlecht.

Jana Flörchinger
Dadurch, dass die Verhaftungen so willkürlich stattfinden, befinden sich vor allem die Familien in einem unerträglichen Schwebezustand. Einerseits wissen sie nicht, was mit den Angehörigen passiert und was sie tun sollen. Andererseits haben sie Angst, selbst weitere Repressionen zu erfahren, oder dass den inhaftierten Familienangehörigen noch mehr Leid zugefügt werden könnte. Dieser Schwebezustand führt dazu, dass sich viele Familien juristisch nicht gegen die Verhaftungen wehren. Das bringt sie in eine Situation extremer Ohnmacht.

Moritz Krawinkel
Bukele hat El Salvador Sicherheit versprochen. Was letztlich passiert, ist dass die extreme Unsicherheit, unter der die Menschen gelitten haben, als die Gangs in vielen Stadtteilen und Armenvierteln regiert haben, jetzt eingetauscht wurde gegen die Willkürherrschaft von Polizei und Militär, der die Menschen ausgeliefert sind, insbesondere in den Armenvierteln und gegen die sie sich nicht wehren können. Die Angst hat im Grunde den Akteur gewechselt.

RDL: Die Überstellung dieser Menschen ist ja Teil einer Vereinbarung, die zwischen den USA und El Salvador getroffen wurde, dass also El Salvador internationale vermeintliche Straftäter aufnimmt und die Bukele-Regierung dafür angeblich rund 6 Millionen Dollar bekommt. Wie bewertet ihr diese transnationale Kooperation zwischen zwei autoritären Regimen?

Jana Flörchinger
Für Bukele ist das ein Ritterschlag. Es ist eine Legitimation des punitiven Populismus, also dem auf Strafe aufbauenden Systems, das er aufgebaut hat. Diese Legitimation würde er sonst auf internationaler Bühne so nicht bekommen. Außerdem hofft Bukele auf einen Platz am Tisch der globalen extremen Rechten. Für Trump kommt es natürlich auch gelegen, weil er nicht nur diese Ankündigung der massenhaften Abschiebung wahr gemacht, sondern sich auch über das Gesetz, also über das Gerichtsurteil gegen die Abschiebung gestellt hat. Denn als die Abschiebung als rechtswiedrig erklärt wurde, waren die Gefangenen bereits im Flugzeug nach El Salvador. Das war natürlich kalkuliert und damit für Trump und Bukele eine Win-Win-Situation.

Moritz Krawinkel
Außerdem geht es auch darum, ein Geschäft zu etablieren: dass mit Gefangenen gehandelt werden kann, dass sie wie Ware hin- und hergeschoben werden können. Es ist Teil dieses extrem entmenschlichenden Systems, bei Profit mit dem Elend der Menschen gemacht wird. Das öffentliche Bild, dass das alles Terroristen, Narkos und gewalttätige Gangmitglieder seien, die da abgeschoben wurden, stimmt nicht. Inzwischen melden sich Angehörige über Social Media, die ihren Bruder oder ihren Onkel wiedererkannt haben, die keine Gangmitglieder sind, sondern einfach Menschen, die in die USA migriert sind. Auch die wurden verhaftet, mit in diesen Flieger gesetzt und sind jetzt auch in diesem Hochsicherheitsgefängnis gelandet.

RDL: Du sprichst es an, die Abschiebung war mutmaßlich rechtswidrig, zumindest hat das ein US-Gericht entschieden. Würdet ihr denn davon ausgehen, dass es das erste und das einzige Mal war, dass diese Abschiebeflüge stattgefunden haben oder dass dieses Prozedere jetzt in den kommenden Wochen und Monaten weitergeht?

Moritz Krawinkel
Ich glaube, das hängt vor allen Dingen an der Frage, wie stark die Gerichte in den USA noch sind und ob sie in der Lage sein werden, der Regierung da in den Arm zu fallen, so etwas zu wiederholen. Diese Abschiebung nach El Salvador war ganz klar rechtswidrig, die juristische Ebene wurde gezielt außen vorgelassen und sogar unterlaufen, was ein absoluter Affront in einem Rechtsstaat ist. Das war ein Versuch, einen Prototyp von so einem Verfahren auszuprobieren und zu gucken, ob man das in Zukunft öfter machen kann.

RDL: Vielen Dank an Jana Flörchinger und Moritz Krawinkel von medico international.

Moritz Krawinkel, Jana Flörchinger
Danke dir für das Gespräch. Vielen Dank.

Transkription und Bearbeitung: Ute Löhning –  Diese Bearbeitung ist entstanden im Rahmen des Projekts „Linea B – Researching authoritarian politics between Latin America and Europe“ und erscheint im ReGA-Newsletter, zu abonnieren unter: http://tinyurl.com/3c6h83ny

 

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