(Genf, 3. Juni 2019, Colombia Informa/ poonal).- Am 28. Mai betraten zwei Polizeieinheiten die Mapuche-Gemeinschaft Antonio Calbún und schossen um sich. Ergebnis der Polizeiaktion sind mehrere Verwundete auf beiden Seiten. „Wir arbeiteten gerade auf den Feldern, als die Polizei die Gemeinschaft betrat. Ohne überhaupt mit uns zu sprechen, haben sie um sich geschossen und viele von uns verletzt. Zwei Lamgenes (Mapu für Brüder) wurden durch Kugeln verletzt. Einer am Auge, der andere am Kopf“, so Millayray, ein Mitglied der Autonomen Gemeinschaft Antonio Calbún. Die Gemeindemitglieder verteidigten sich mit Steinen. Vier Carabineros wurden dabei leicht verletzt.
Es war nicht der erste Angriff auf die Autonome Gemeinde Antonio Calbún, nahe der Stadt La Victoria in der Region Araucanía, etwa 600 km südlich der Hauptstadt gelegen. Bereits Anfang dieses Jahres war es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. Grund für die Repressionen sind Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und dem Großgrundbesitzer Jorge Offtester Chifferly. Er war es auch, der am 28. Mai die Polizei verständigt hatte. Für den chilenischen Staat ist er der Besitzer des Landes, auf dem sich die Mapuche-Gemeinde befindet. Seit dem 5. Januar 2019 befinden sich die Gemeindemitglieder allerdings in einem Prozess der Wiederaneignung und halten das Land besetzt.
Die Kolonialisierung findet kein Ende
Die Streitigkeiten gehen auf die militärische Besetzung der Mapuche-Region Araucanía im 19. Jahrhundert zurück, die mit Krieg, Landraub und Vertreibung einherging. Die Mapuche-Bevölkerung wurde in Reservate gedrängt, die insgesamt nur knapp sieben Prozent ihres ursprünglichen Gebiets darstellten. Der chilenische Staat deklarierte diese Reservate als Gemeindeeigentum für Indígenas und vergab sogenannte „Gnadentitel“ (titulos de merced). Noch immer befindet sich ein Großteil der 510.386 Hektar Land mit besagten Landtiteln nicht in den Händen der Mapuche. Grund hierfür sind vielfältige, illegale Mechanismen der Enteignung.
Der aktuelle Wiederaneignungsprozess beruft sich auf einen solchen Titel, welcher den Mapuche Teile des Gebiets zuspricht, das auch Offtester Chifferly seinen Besitz nennt. Sollte das aktuelle rechtliche Verfahren die Rechtmäßigkeit der Landtitel der Mapuche-Gemeinde bestätigen, wäre Jorge Offtester Chifferly gesetzlich dazu verpflichtet, sich aus dem Mapuche-Gebiet zurück zu ziehen.
Chile hat sich zum Schutz der Rechte indigener Völker verpflichtet
Die Repression gegen die Mapuche verstößt gegen die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Konvention aus dem Jahre 1989 soll die Rechte der ca. 370 Millionen Menschen aus mehr als 5.000 indigenen Völkern schützen und ist bis heute das einzige völkerrechtlich bindende Instrument zum Schutz der Rechte indigener Völker. Neben dem Grundprinzip der Nichtdiskriminierung, sichert es den Indígenas die Teilnahme an politischen Prozessen zu, welche ihre Anliegen direkt betreffen, darunter das Rechte auf freie Information und vorherige Befragungen. Mit der Unterzeichnung der Konvention durch den Nationalkongress am 15. September 2009 hat sich Chile dazu verpflichtet, diese Rechte zu respektieren.
Am 19. Juni kam es zu einem erneuten Angriff mit Eisenstangen auf einige Mitglieder der Mapuche-Gemeinde. Der 29jährige Mapuche Claudio Huenchullan Quilapan liegt schwer verletzt im Krankenhaus.
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