von Christian Kliver
(17. November 2015, fdcl-amerika21.de).- Etwa 40 Angehörige von Personen, die während der Pinochet-Diktatur in der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Südchile ermordet wurden, haben an den Toren der Kolonie für ein sofortiges Ende des Folklore-Tourismus demonstriert. Der Protest fiel zusammen mit dem Beginn des Oktoberfestes, das die heute unter dem Namen “Villa Baviera” bekannte ehemalige Sektengemeinschaft seit einigen Jahren veranstaltet. Am Wochenende kamen dazu erneut hunderte Personen in die Siedlung.
Sofortiges Ende des Tourismusbetriebes gefordert
Gabriel Rodríguez, der selbst 1975 in die Colonia Dignidad verschleppt und dort gefoltert worden war, zeigte sich erschüttert: “Dieser Tourismuskomplex an einem Ort, an dem gefoltert und gemordet wurde, ist eine Schande. Früher oder später muss hier eine Gedenkstätte, ein Park des Friedens und der Menschenrechte entstehen.” Die Protestierenden verteilten an die ankommenden Autos Flugblätter mit Bildern ihrer ermordeten Angehörigen und forderten ein sofortiges Ende des Tourismusbetriebes.
Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad, in der während der chilenischen Militärdiktatur (1973-1990) vermutlich über 100 Menschen vom chilenischen Geheimdienst DINA und deutschen Siedlern ermordet und mehrere hundert gefoltert wurden, verläuft schleppend.
Chilenisches Gericht hat Bau eines Gedenkmuseums angeordnet
Allerdings gab es in diesem Jahr zwei wichtige Urteilssprüche der chilenischen Justiz. Im Juli wurden wegen der Ermordung von Alvaro Vallejos im Jahr 1974 fünf DINA-Agenten und der Colonia-Dignidad-Funktionär Gerhard Mücke zu Haftstrafen verurteilt. Gleichzeitig ordnete das Gericht den Bau eines Gedenkmuseums an den Toren der Siedlung an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Im vergangen Oktober wurden die deutschen Kurt Schnellenkamp und wiederum Gerhard Mücke sowie ein DINA-Agent wegen 50 Entführungsfällen im Jahr 1975 zu jeweils fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die 50 Personen aus der Stadt Talca waren in die Colonia Dignidad verschleppt und dort verhört und gefoltert worden. Gabriel Rodriguez war einer von ihnen.
Entscheidung über Auslieferung von Hopp steht noch aus
Die deutsche Justiz wird demnächst entscheiden, ob sie dem Antrag Chiles stattgibt, eine fünfjährige Haftstrafe gegen den nach Deutschland geflüchteten hochrangigen Colonia-Dignidad-Funktionär Hartmut Hopp hierzulande zu vollstrecken. Über den Antrag, der bereits seit letztem Jahr vorliegt, entscheidet das Landgericht Krefeld.
Protest vor ehemaliger deutscher Sektensiedlung in Chile von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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