Poonal Nr. 623

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 18. Mai 2004

Inhalt


GUATEMALA

ZENTRALAMERIKA

HAITI

JAMAICA

VENEZUELA

KOLUMBIEN

BRASILIEN

BOLIVIEN

CHILE


GUATEMALA

Staat übernimmt Verantwortung für die Verschleppung eines Kindes

(Montevideo, 30. April 2004, comcosur-poonal).- Ende April hat sich der Staat Guatemala vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte für die Verschleppung des Jungen Marco Molina Theissen durch guatemaltekische Militärs verantwortlich gezeigt. Molina war 1981 nach seiner Entführung durch Soldaten "verschwunden".

Dazu äußerte sich Estuardo Meneses, der vor dem Gericht den Staat Guatemala repräsentierte, folgendermaßen: „Im Namen des Staates erklären wir unser tiefstes Bedauern über die Verschleppung von Marco Molina. Als Zeichen des Respekts bitten wir die Familienangehörigen um Vergebung." Neben Wiedergutmachungszahlungen an die Familie des Kindes wird auch die Untersuchung des genauen Hergangs, die Freigabe der Informationen des Militärarchivs und die Exhumierung und Rückgabe der Reste Marco Molinos gefordert. Der Fall soll nicht ungestraft bleiben.

Konflikt zwischen Landarbeitern und Regierung spitzt sich zu

(Guatemala-Stadt, 22. April 2004, cerigua-poonal).- Angesichts der Welle von Terror und Repression gegen bäuerliche Gemeinden durch die Regierung, konkret die gewaltsamen Vertreibungen durch Justizorgane und die nationale Zivilpolizei (PNC), riefen verschiedene Organisationen zu einem nationalen Aufstand auf. Es ginge um die Verteidigung des Rechts auf Leben, Nahrung, Sicherheit, Bildung und andere im Grundgesetz verankerten Rechte, erklärte Juan Tiney der Nachrichtenagentur Cerigua.

Tiney, Leiter der Nationalen Indígena- und Landarbeiterkoordinationsstelle CONIC (Coordinadora Nacional Indígena y Campesina), wies darauf hin, dass in den ersten vier Monaten der Regierungszeit der Gran Alianza Nacional Hunderte von Bauernfamilien den 20 gewaltsamen Vertreibungen durch Mitglieder der PNC zum Opfer gefallen seien. Die PNC habe Häuser und kleine Gemeindeläden geplündert, die führenden Personen geschlagen und illegal festgenommen sowie psychische Traumata bei den Kindern verursacht.

Der Aktivist behauptete, dass das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte bei der Vertreibung der Familien dazu geführt habe, dass die Landarbeiter begonnen haben sich zu verteidigen und Widerstand zu leisten. So haben sie am 10. Mai drei Mitglieder der PNC festgesetzt, nachdem diese mit einem großen Kontingent versucht hatten, drei besetzte Fincas in der Gemeinde Tucurú in Alta Verapaz zu räumen. Dabei wurden auch zwei Führungsmitglieder des Komitees für bäuerliche Einheit CUC (Comité de Unidad Campesina) festgenommen.

Aufgrund der schwierigen Situation der Landarbeiter in ganz Guatemala beantragte das Kollektiv der sozialen Organisationen COS (Colectivo de Organizaciones Sociales) den Besuch des Sonderberichterstatters für Menschenrechte der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Álvaro Girado und einer Kommission der Vereinten Nationen (UNO). Diese sollen die Verletzung des auch von Guatemala unterzeichneten Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte feststellen und verurteilen.

ZENTRALAMERIKA

Truppenrückzug aus dem Irak

(Lima, 5. Mai 2004, na).- Honduras und die Dominikanische Republik ordneten den Abzug ihrer Truppen aus dem Irak an, nachdem Spanien, welches die Leitung des Bataillon Plus Ultra innehielt, am 18. April seinen Abzug aus dem Land beschlossen hatte. Das Bataillon Plus Ultra setzte sich aus Soldaten Spaniens, Honduras, der Dominikanischen Republik, El Salvador und Nicaragua zusammen.

Der dominikanische Präsident Hipólito Mejía beschloss den Truppenrückzug, da er es nicht für angemessen hält "unnötige Risiken einzugehen". Im Abkommen mit den Vereinigten Staaten seien Soldaten für "Aufgaben des Wiederaufbaus" vorgesehen gewesen. Dieser Abmachung komme die US-amerikanische Regierung offensichtlich nicht nach und missbrauche stattdessen die Soldaten als "Kanonenfutter", so der Sekretär der dominikanischen Streitkräfte, Generalleutnant José Miguel Soto Jiménez. Der honduranische Präsident Ricardo Maduro kündigte am 20. April an, sein Kontingent „in kürzester Zeit und unter sicheren Bedingungen" abzuziehen.

Die Regierung El Salvadors gab bekannt, dass es die Entscheidungen Spaniens und der anderen Länder respektiere. Antonio Saca, der frisch gewählte Präsident des Landes, bestätigte aber, dass die Soldaten des Landes bis im August im Irak bleiben werden. Saca wird am 1. Juni im Amt vereidigt. Nikaragua hatte seine Soldaten bereits Ende Mai aus finanziellen Gründen aus dem Irak abgezogen.

HAITI

Lateinamerikaner streiten über Beteiligung an UN-Mission für Haiti

Von Andreas Behn

(Berlin, 13. Mai 2004, npl).- Während das politische wie soziale Chaos in Haiti anhält, streitet sich Lateinamerika über die Beteiligung an der UN-Friedenstruppe, die die Uno Anfang Mai beschlossen hatte. Die Truppe soll 6.700 Soldaten und über 1.600 Polizisten umfassen. Mindestens 2.200 von ihnen sollen verschiedene Länder Lateinamerikas stellen. Doch über die Mission, die am 1. Juni beginnen soll, ist Streit entbrannt.

In Brasilien, das bereits im März die Entsendung von über 1.000 Uniformierten anbot, regt sich Widerstand gegen das Vorhaben. Professoren, Gewerkschafter, soziale Bewegungen und Politiker, viele von ihnen aus der regierenden Arbeiterpartei PT, initiierten eine Kampagne, um die Entsendung unter den derzeitigen Bedingungen zu verhindern. Markus Sokol, Mitglied der PT-Führung und Sprecher der Kampagne "Nein zur Truppenentsendung", kritisiert, dass die Beteiligung an der Haiti-Mission einer "Beteiligung an der Interventionspolitik von US-Präsident Bush" gleichkomme. Das Argument, dass dieser Schritt Brasilien dem Wunsch nach einem festen Sitz im UN-Sicherheitsrat näher bringe, sei unter diesen Umständen "völlig unakzeptabel", so Sokol weiter.

Während das brasilianische Parlament noch nicht darüber entschieden hat, ob es die Truppenentsendung absegnen wird, war es in Chile – das bereits Soldaten auf die Karibikinsel entsandte – bei der Haiti-Frage bereits im Frühjahr zu einem Eklat gekommen. Die Entscheidung des sozialdemokratischen Präsidenten Ricardo Lagos, mehrere Hundert Soldaten nach Haiti zu schicken, ist nur mit hauchdünner Mehrheit vom Parlament nachträglich bestätigt worden. Lagos bezeichnete die Haltung der Kritiker als "egoistisch", während die Opposition monierte, Lagos habe das Parlament bei seinen militärischen Entscheidungen übergangen. Trotz Vorbehalten, die sich zumeist auf die Unklarheiten beim jüngsten Regierungswechsel in Haiti beziehen, wird davon ausgegangen, dass der Senat demnächst das Entsende-Gesuch absegnen wird.

Als letztes signalisierte jetzt Argentiniens Präsident Nestor Kirchner die Bereitschaft, an die 500 Militärs für die Haiti-Mission bereitzustellen. Beobachtern zufolge hat er so lange gewartet, bis die UN der Mission ausdrücklich auch ein soziales Mandat übertrug. Zugleich wird der Schritt als Zeichen des guten Willens gegenüber den USA bewertet.

Im Fall Brasiliens wird deutlich, dass die PT-Regierung unter Präsident Inacio Lula da Silva in Zugzwang geraten war. Das Land strebt die Rolle einer Regionalmacht an und kann südlich des Rio Bravo den USA das Feld nicht alleine überlassen. Schon im Fall der fragwürdigen "Gruppe der Freunde Venezuelas", die vor Jahresfrist zwischen Chávez-Regierung und Opposition in Venezuela vermitteln wollte, setzte die Lula-Regierung auf eine aktive Politik: Anstatt auf Einflussnahme zu verzichten, setzte sich Brasilien an die Spitze der Venezuela-Initiative und vereitelte den Versuch seitens der USA und Spaniens, ihre – nicht nur diplomatischen – Interessen im Alleingang durchzusetzen. Lula unterstrich seine regionale Sichtweise in der Haiti-Frage, indem er für die militärische Beteiligung die Bedingung stellte, dass die karibischen Staaten mit der Mission einverstanden seien. Diese, mit Jamaika an der Spitze, hatten die US-Intervention und die Form der Absetzung des haitianischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristides scharf kritisiert.

Bislang kontrolliert eine US-geführte Interventionstruppe, an der neben Chile auch Frankreich und Kanada beteiligt sind, die Lage in dem verarmten Karibikstaat nach dem Sturz von Präsident Aristide. Dem ehemalige Laienpriester, einst als Hoffnungsträger der Armen zum Präsidenten gekürt, war in seiner zweiten Amtszeit vorgeworfen worden, ein ebenso korruptes wie brutales Regime zu führen. Von den USA unterstützte Rebellengruppen und Mitglieder der von Aristide aufgelösten Armee nutzten im Februar die Proteststimmung im Land, um den Präsidenten aus dem Amt zu treiben. Nur kurze Zeit später übernahm der in Miami residierende, ehemalige haitianische Diplomat Gerard Latortue die Präsidentschaft in Haiti.

Aufgabe der UN-Truppe soll die Verbesserung der Sicherheitslage in Haiti und die Entwaffnung der verschiedenen Milizen sein. Bislang weigern sich jedoch die sogenannten Rebellen, die Aristide entmachteten und seitdem seine Anhänger und die Mitglieder seiner Partei "Familie Lavalas" verfolgen, ihre Waffen abzugeben. Entgegen mehrfacher Ankündigung beharren sie statt dessen darauf, für ihre Söldnertätigkeit finanziell belohnt zu werden, und fordern die Wiedergründung der Armee. So bestimmen Angst, Rachegelüste und ständige Überfalle das Klima in Haiti, dessen ohnehin ruinierte Wirtschaft auf niedrigstem Niveau stagniert. Nicht einmal internationale Hilfslieferungen kommen an, da die rund 6.000 Soldaten und Polizisten der Interventionstruppe der emotional aufgeheizten Lage nicht gewachsen sind. Schlechte Voraussetzungen für eine erneute Militärmission mit UN-Mandat, während Hilfsorganisationen zunehmend davor warnen, dass in Haiti eine Hungersnot ausbrechen könne.

JAMAICA

Amnesty International beklagt Straflosigkeit gegenüber Polizisten

(Lima, 5. Mai 2004, na).- „Den jamaikanischen Behörden fehlt nach wie vor die politische Unterstützung, um die von Polizisten begangenen Morde aufzuklären“, erklärte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), nach dem gescheiterten Urteil gegen den Polizisten Rohan Allen. Dieser war angeklagt, die 13jährige Janice Allen (keine verwandtschaftliche Beziehung) am 14. April 2000 ermordet zu haben. Das Mädchen starb in Gegenwart ihrer Schwester und anderer Zeugen, die aussagten, dass der Polizist Janice aus nächster Nähe erschoss. Trotzdem scheiterte das Gerichtsverfahren im März, da die Staatsanwaltschaft keine Beweise präsentieren konnte, dass die Pistole mit der Janice getötet wurde, dem Polizisten gehörte. Begründet wurde dies mit der Tatsache, dass die Registrierungen für die Ausgabe der Dienstwaffen verloren gegangen seien.

Die Staatsanwaltschaft zerschlug zudem die Hoffnungen der Inspektoren des Falles, da sich einer der Zeugen zur Zeit nicht im Land befindet. Dessen Aussagen wäre entscheidend gewesen, um zu beweisen, dass die Waffe dem Polizisten gehörte. Der Angeklagte geht weiterhin seiner Tätigkeit als Polizist nach. Der Prozess dauerte lediglich eine Stunde und endete damit, dass der Richter den Geschworenen ein formelles Urteil diktierte, in dem die Unschuld von Rohan Allen bestätigt wurde.

Vier Jahre nach dem Mord an dem Mädchen, erklärte AI, dass die Familie von Janice während der ganzen Zeit „an unendlich vielen vorbereitenden Untersuchungen teilgenommen hatte. Sie hatte an Verfolgungen und Einschüchterungen durch die Polizei zu leiden, während sie den Tag des Urteils erwartete. Als dieser Tag schließlich kam, mussten sie mit ansehen, wie die Staatsanwaltschaft ihren Hoffnungen, dass Geschworene die Beweise bewerten, ein Ende bereitete. Dies ist eine nicht zu akzeptierende Schande gegenüber der Gerechtigkeit.“

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation sind im Jahr 2003 durch die Hände der Polizei bereits 114 Menschen gestorben, aber kein einziger Polizist musste sich vor Gericht deshalb verantworten.

VENEZUELA

Kolumbianische Paramilitärs in Venezuela verhaftet

(Caracas, 10. Mai 2004, adital-poonal).- Am 9. Mai wurde die erste Gruppe kolumbianischer Paramilitärs auf einer Hazienda in der Nähe von Caracas festgenommen. Das Anwesen gehört laut Meldungen des venezolanischen Fernsehens dem führenden Mitglied der Oppositionsgruppe Coordinadora Democrática, Robert Alonso. In Zusammenarbeit mit den venezolanischen Sicherheitskräften „konnten über 80 kolumbianische Paramilitärs festgenommen werden, die im Begriff waren sich zu bewaffnen und sich an verschiedene Punkte des Landes zu begeben“, informierte Miguel Rodríguez, Chef der venezolanischen politischen Polizei.

Laut Rodríguez befindet sich unter den Festgenommenen auch ein bekannter paramilitärischer Kommandant aus dem venezolanischen Grenzgebiet bei Cúcuta. Einige Stunden später wurden in der Umgebung von Caracas 32 weitere Mitglieder verhaftet.

Der Journalist Darvin Romero berichtete über die Zeugenaussage einer der festgenommenen Personen, laut der 130 Paramilitärs illegal von Kolumbien nach Venezuela geschleust worden waren, um auf der genannten Hazienda über einen Monat lang ausgebildet zu werden. Am Montag, den 10. Mai sollten sie in die Nähe eines Sicherheitskommandos der Nationalpolizei gebracht werden, um diese zu stürmen und zu entwaffnen. Die gleichen Leute sollten zwei Wochen später 1.500 in Kolumbien ausgebildete Paramilitärs bewaffnen. Dies sollte zu Unruhen führen, um letztendlich die Regierung von Hugo Chávez zu stürzen.

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez bezeichnete die Operation als einen „Schlag“ gegen diejenigen, die ihn stürzen und ermorden wollten. „Wir haben einen Schlag gegen die Putschisten, Unruhestifter und Terroristen geführt, in diesem unermüdlichen Kampf gegen Terrorismus, Destabilisierung und gegen die Feinde der Demokratie und des Volkes“, bekräftigte Chávez in seiner sonntäglichen Fernsehsendung „Aló, presidente“.

Der venezolanische Botschafter in Bogotá Carlos Santiago versicherte, dass es sich bei den festgenommenen Paramilitärs um ehemalige kolumbianische Militärs handeln würde und dass außerdem eine Untersuchung stattfinden werde, um herauszufinden, ob die Putschisten Unterstützung in Kolumbien hatten. „Sie selbst behaupten, dass sie alle Ex-Reservisten der kolumbianischen Armee seien, aber irgendjemand muss ihnen bei der illegalen Einreise geholfen haben“, stellte er fest. Santiago erinnerte an Pedro Carmona, der im April 2002 eine Militärdiktatur in Venezuela errichten wollte, nachdem Chávez durch einen Putsch für 47 Stunden seines Amtes enthoben worden war.

Die kolumbianische Botschafterin in Venezuela Mariangela Holguín wies in einer Presseerklärung nachdrücklich jede Art von Spekulationen zurück, dass Kolumbien in irgendeiner Form in eine versuchte Destabilisierung Venezuelas verwickelt sei.

KOLUMBIEN

Erdölarbeiter im Streik

(Berlin, 17. Mai 2004, poonal).- Seit dem 22. April befindet sich die kolumbianische Erdölgewerkschaft USO in einem Streik, mit dem Ziel, die schrittweise Privatisierung des staatlichen Erdölunternehmen ECOPETROL aufzuhalten. Schon zu Beginn des Streiks wurde die wichtigste Erdölraffinerie des Landes in Barrancabermeja von der Armee besetzt. Auf dem Raffineriegelände kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Gewerkschaftern. Derweil wurden mindestens fünf Arbeiter von der Polizei verhaftet. Und da der Streik von Ecopetrol für illegal erklärt worden war, wurden bislang zwölf Arbeiter entlassen, mindestens vier von ihnen aus dem Vorstand der USO.

Noch im letzten Jahr erwirtschaftete ECOPETROL vier Prozent des kolumbianischen Bruttosozialproduktes und ist seit den 60er Jahren eine der wichtigsten Einnahmequellen des Staates. Doch Präsident Alvaro Uribe ist im Begriff, dies zu ändern. Bislang musste jedes in Kolumbien tätige private Ölunternehmen nicht nur Steuern und Konzessionen an den Staat zahlen, sondern dem Staatsunternehmen ECOPETROL auch 50 Prozent der geförderten Ölmenge unentgeltlich abtreten. Seit dem letzten Jahr muss ECOPETROL das Öl zu Marktpreisen beziehen, zahlbar in Dollar, als ob dieses Erdoel nicht aus kolumbianischen Boden, sondern aus dem Ausland stammte.

BRASILIEN

MST-Führer angeklagt

(Montevideo, 7. Mai 2004, comcosur).- Auf die Ankündigung der Landlosenbewegung MST (Movimiento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) die Besetzungen von Haziendas fortzusetzen, wurde deren Führer, Joao Pedro Stédile, Anstiftung zu illegalen Aktionen vorgeworfen. Staatsanwalt Camile Balzano de Mattos aus dem Bundesstaat Rio Grande do Sul erklärte, dass „der Koordinator des MST verdächtigt wird, das unter seiner Gewalt stehende „bäuerliche Heer“ zur Ausübung von illegalen Aktionen zu benutzen“. Die Anklage basierte auf einer Rede Stédiles auf einer Versammlung des MST, in der er die Mitglieder der Bewegung dazu aufrief, illegale Besetzungen von Höfen gegen die „Eigentümer des Bodens“ durchzuführen. Nun drohen ihm deshalb eine Gefängnisstrafe bis zu sechs Monate und hohe Geldstrafen für die von Aktiven des MSt verursachten Schäden am Eigentum des Bundesstaates Río Grande do Sul.

An anderen Orten Brasiliens kündigten die Bauern an, mit der Anfang März begonnenen Besetzungswelle fortzufahren. Seit der MST die Kampagne „Abril Rojo“ (Roter April) am 27 März startete, wurden ungefähr 150 Ländereien besetzt. Der MST hat erklärt, mit den Aktionen nicht eher aufzuhören bis die Regierung mit einer gewissen Ernsthaftigkeit das Thema der Agrarreform angehe. Im Bundesstaat Pará in Amazonien endete eine Landnahme Anfang Mai mit dem Tod eines Mannes bei Zusammenstössen. Es scheint, dass der Tod des Fincaarbeiters Juscelino da Silva auf Schüsse der Landarbeiter zurückzuführen ist. Daraufhin wurden sechs Mitglieder des MST festgenommen. Die Organisation fordert von der Regierung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren 400.000 Personen Landeigentum zu verschaffen

Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hat im April versprochen 585 Millionen US-Dollar für einen Sonderfond für das Agrarreformministerium bereitzustellen. Damit soll der offizielle Kauf von Land und die Unterbringung von 115.000 Familien im Jahre 2004 finanziert werden. Der Minister für Agrarentwicklung Miguel Rossetto bat darum, dass sich die Spannungen zwischen den landlosen Arbeitern und den Landbesitzern beruhigen mögen. Er sagte, dass „die Besetzungen des „Abril Rojo“ der Demokratie nicht dienlich seien“. Weiter fügte er hinzu, dass „es aus unserer Sicht keinen Grund gibt, der die Verschärfung des Landkonflikt rechtfertigen würde“. Er erinnerte daran, dass die Regierung im Laufe des Jahres bereits 11.000 Bauern zu Landeigentum verholfen hat und für weitere 26.000 Bauern Land gekauft wurde.

BOLIVIEN

Säbelrasseln im Präsidentenpalast

Von Antonio Peredo Leigue

(La Paz, 10. Mai 2004, alai).- Das Gerücht, dass die Militärs in die Kasernen gerufen wurden, verbreitete sich am Nachmittag des 7. Mai rasend schnell in ganz Bolivien. Als gegen 20 Uhr hohe Offiziere in Kampfkleidung im Präsidentenpalast erschienen, bestätigten sich die Vermutungen. Nach drei Stunden wurde der Grund der militärischen Mobilisierung klar. Die Militärs waren sauer über die Entscheidung des Verfassungsgerichts, den von einem Militärgericht gewährten Freispruch einiger Soldaten wieder aufzuheben. Nach dem neuen Schiedsspruch müssen die Militärs, die verantwortlich für den Tod von mindestens zwei Menschen bei Demonstrationen im Februar letzten Jahres waren, sich nun vor einem zivilen Gericht verantworten.

Nach dem Gespräch der Militärs mit Präsident Mesa, erklärte der Verteidigungsminister während einer monotonen Pressekonferenz, dass die Militärs sich äußern würden, wenn eine offizielle Mitteilung des Gerichts vorliegt. Am 9. Mai plädierten die Militärs in einer Annonce in der nationalen Presse dafür, dass der Fall erneut überprüft werden solle. Sie erinnerten daran, dass sie sich seit langem treu an die Verfassung hielten und dass die Demokratie durch die Aufhebung des Urteils des Militärgerichts in Gefahr gerate. Am 10. Mai wollten sich die Befehlshaber der Militäreinheiten in der großen Kaserne von Miraflores in La Paz treffen, um eine Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen zu treffen. Sie sehen in der Entscheidung des Gerichts eine Verletzung ihrer Privilegien.

Während der Proteste im September und Oktober vergangenen Jahres, die mit der Entmachtung von Präsident Sánchez de Lozada endeten, waren die Demonstranten mit den repressiven Maßnahmen der Militärs konfrontiert. Die Polizei beteiligte sich kaum an den Einsätzen, da sie von Anfang an überfordert war. Damit waren für den tragischen Saldo jener Tage – knapp 90 Tote und fast 300 Verletzten- eindeutig die Soldaten verantwortlich. Trotz öffentlicher Kritik bestätigte der neue Präsident Carlos Meza am 17. Oktober die obersten Militärbefehlshaber auf ihren Posten. Zudem ernannte er den pensionierten General Arredondo zum Verteidigungsminister.

Anfang dieses Jahres wurden die neuen militärischen Befehlshaber ernannt. Dabei blieben jedoch Strukturen, die während der vergangenen Regierung geschaffen worden waren, bestehen. Es ist bekannt, dass die militärischen Führer engen Kontakt mit den Regierungsparteien haben. Damit wird klar, warum die Militärs mit der aktuellen Situation unzufrieden sind.

Vor ungefähr zwei Wochen sollte der Verteidigungsminister zwei Anfragen in der Abgeordnetenkammer beantworten. Die erste wurde von der Fraktion der neuen Republikanischen Kraft NFR (Nueva Fuerza Repúblicana) gestellt. Danach forderten ihn die Vertreter der Bewegung für den Sozialismus MAS (Movimiento al Socialismo) auf, alle Informationen über Verschwörungspläne ehemaliger oder tätiger Militärs auf den Tisch zu legen. Er behauptete keine Informationen zu besitzen, konnte Zweifel jedoch nicht eindeutig ausräumen. Ein Misstrauensvotum gegen den Minister wurde aufgrund der Unterstützung der Regierungsmehrheit von Sánchez de Lozada nicht gestellt.

Der MAS erwähnte die Namen mehrerer ehemaliger Militärs in ihrer Anklage. Aber auch dem Verteidigungsministers Arredondo selbst werfen sie vor, den geplanten Putsch unterstützt zu haben. Trotz Beweisen unterstützten Abgeordnete, die sich selbst als Linke und Vertreter des Volkes bezeichnen, den Minister.

Der Putsch, denn man kann diese militärische Aktion nicht anders bezeichnen, kommt zu einem Zeitpunkt, in dem verschiedene Bevölkerungsgruppen für ihre Rechte kämpfen und die Nationalisierung der Erdgasindustrie fordern. Der Führer des bolivianischen Gewerkschaftsdachverbandes COB (Central Obrera Boliviana) Jaime Solares, kündigte an, mit schärferen Maßnahmen den Druck zu erhöhen, nach dem die Protestaktionen der vergangenen Tagen nur vereinzelt gewesen waren. Diese Drohungen könnten die Situation verändern. Die Arbeiterorganisationen haben immer die militärischen Bereitstellungen abgelehnt und werden jetzt sicher reagieren.

Ein Putschversuch würde von der internationalen Gemeinschaft abgelehnt und bekäme auch wenig Unterstützung in Bolivien. Nur die Anhänger von Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada, die in der politischen Sprache Boliviens als ‚gonistas’ bezeichnet werden, stehen hinter den Streitkräften. Allerdings kann man nicht ausschließen, dass die Militärs versuchen ihre Vision des Landes durchzusetzen, die dem demokratischen Prozess, den Bolivien momentan erlebt, entgegensteht.

CHILE

Kritik an Präsidentenvorschlag zur Lösung der Energiekrise

Von Evandro Bonfim*

(Santiago de Chile, 10.Mai 2004, adital).- Es hagelte Kritik an der neuen Maßnahme des chilenischen Präsidenten Ricardo Lagos, um die Energiekrise im Land einzudämmen. Sie sei teuer und würde das Land vom Ausland abhängig machen. Fast 500 Millionen US-Dollar würde es kosten um Gas, wahrscheinlich aus den asiatischen Ländern, über ein Verteilernetz, dass bis im Jahr 2007 aufgebaut sein soll, zu importieren. Auf diese Weise würde nur die Lieferquelle verändert, die bis dato Argentinien war. Das Land reduzierte die Gasimporte aufgrund interner Verknappung. Diese Lieferungen dienten Chile als Grundlage für die nationale Energieplanung.

„Die Millionenankündigung, obwohl sie die Regierung aus der Grübelei und der Anschuldigung gegen Argentinien als Schuldigen der aktuellen Krise, herausholt, ist ein armseliger und einseitiger Vorschlag. Es bedeutet das Land denselben Bedingungen auszusetzen und weder eine ganzheitliche Möglichkeit, noch eine reale Diversifikation der Energiematrize, die das Land erwartet.“ meint die Nichtregierungsorganisation „Chile Sustentable“

Die wichtigsten Kandidaten um Gas für veranschlagte Kosten von 100 Millionen US-Dollar nach Chile zu liefern, sind weit entfernt: Indonesien, Australien, Algerien, Trinidad und Tobago, Qatar, Malaysia. Näher wären Brasilien und Peru. Mit dem Nachbarstaat Bolivien zu verhandeln, von dem Chile das Gas am Einfachsten und wahrscheinlich auch am Billigsten bekommen könnte, erlaubt Präsident Lagos nicht. Mit Bolivien in Verhandlungen zu treten würde bedeuten die alte Diskussion über den Zugang zum Meer aufleben zu lassen. Verantwortlich für die Durchführung der Ausschreibung eines Zwischenhändlers von Gas ist der Nationale Ölkonzern ENAP. (Empresa Nacional del Petróleo).

Die Regierung bestreitet, dass es zu Energieengpässen in den Haushalten kommen würde, da der Staat auf Rücklagen bis 2008 zähle, um das Land im Fall einer Verschlimmerung der Krise aufzufangen. Trotzdem sind verschiedene soziale Sektoren besorgt: Allein aufgrund der Tatsache, dass Lagos sich nicht darauf beschränkt, wie seine Regierung geplant hat dieser Verknappung in kurzer Zeit zu begegnen. Zum Beispiel hat die chilenische Regierung bis heute die Projekte des Arbeitsplans der nationalen Energiekommission für die Jahre 2004-2015 nicht veröffentlicht. Deshalb rät „Chile Sustentable“ der Regierung als Sofortmaßnahme einen Energieübergangsplan auszuschreiben. „Die Regierung muss die Einwohner dazu einladen sich in einer großen nationalen Kampagne einzubringen. Wir haben das in der Vergangenheit schon bei der Wasserkrise gemacht und konnten so beinahe zehn Prozent des Verbrauchs einsparen. Das würde das elektrische System in der aktuellen Konjunktur enorm erleichtern“, glaubt die Organisation.

Aber der Schlüssel zum Ende dieser Krise, der energetischen Abhängigkeit und sogar der Verbesserung der Umweltbedingungen liegt in der Promotion von sauberer und erneuerbarer Energie. Die Diversifikation der Energiematrize des südamerikanischen Landes hat laut Umweltschützern das Potential um geothermische Quellen auszubeuten und in kleine hydroelektrische Fabriken zu investieren, sowie Windkraftanlagen zu nutzen.

„Die Regierung kann nicht Millionen von Chilenen einer energetischen Zukunft auf der Basis von importierten Brennstoffen aussetzen. Dies bedeutet den nationalen energetischen Fortschritt und die Nutzung eigener Energiequellen zu verhindern, sowie fantastische Alternativen zu schließen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Entwicklung der Regionen voranzutreiben.“ meinte die Organisation abschließend.

*Evandro Bonfim ist Journalist von Adital

Diskussion um die "Pille danach"

(Montevideo, 7. Mai 2004, comcosur).- Die sogenannte “Pille danach” löste in Chile eine heftige Diskussion aus, in die sich selbst Präsident Ricardo Lagos einschaltete. Diese Pille ist eines der effektivsten Verhütungsmittel, die im Falle einer nicht ausreichenden Vorsorge auch noch nach dem Geschlechtsakt genommen werden kann. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkungsweise dieser Pille, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden, kommen zu dem Ergebnis, dass die Pille zwar die Befruchtung des Eis verhindert, nicht jedoch dessen Einnistung. Daran stört sich die katholische Kirche.

Der chilenische Präsident Lagos sagte, dass keine Frau dazu gezwungen werden könne, die “Pille danach” zu nehmen, jedoch die Möglichkeit haben sollte, sich aus freien Stücken dafür zu entscheiden. Er wies die Bürgermeister aller Stadtteile an, die Pillen für alle Frauen, die sie wollen, in den Notpraxen bereit zu halten. Im Falle einer Vergewaltigung soll die Abgabe auch an Minderjährige möglich sein. Diese Entscheidung rief die katholische Kirche auf den Plan, die die Bürgermeister dazu aufrief, die Pillen nicht zur Verfügung zu stellen. Der Kardinal von Santiago sagte dazu, dass „zuallererst Gott gehorcht werden sollte und erst dann anderen Autoritäten” und er alle diejenigen, die wegen ihrer Weigerungshaltung vom Staat bestraft würden, unterstützen werde. Für die Regierung geht es jedoch darum, jeder Frau den Zugang zur Pille unabhängig von ihrem Einkommen zu gewährleisten. Die “Pille danach” wird in Chile seit drei Jahren verkauft und wird vor allem in den Apotheken der reicheren Viertel von Santiago de Chile in großer Anzahl verkauft. Jährlich werden 13.000 Packungen umgesetzt.

 

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