(Mexiko-Stadt, 28. Juni 2019, La Jornada).- Am 18. Juni sprach Präsident López Obrador über die Unterstützung seiner Regierung für die Kultur. Kultur definiert er in seiner reduzierten Sichtweise als das, was mit der einfachen Bevölkerung zu tun hat. Er versicherte: „Nie zuvor haben die autochthonen Völker, die Mitglieder unserer Kulturen, soviel Aufmerksamkeit wie jetzt erfahren.“ Die vorrangige Zielgruppe der Sozialprogramme seien die indigenen Völker.
Genau dieses Konzept wiesen im Mai die Vertreter*innen der 20 Völker der Maya, Chuj, Yaqui, Zapoteco, Ñuu savi, Tseltal, Ch’ol, Mam, Rarámuri, Ikoot, Ikojt, Ñahñu, Ñuhú, Nahua, Chatino, Ayuuk, Totonaco, Lacandón, Me`phaa und Zoque zurück. Sie trafen sich in Mexiko-Stadt, um den Schutz ihrer Territorien im Kontext der neuen Regierung zu analysieren. Stolz bezogen sie sich darauf, autochthone Völker, kollektive Subjekte mit eigener Kultur und Identität zu sein und wehrten sich dagegen, vom Präsidentenamt aus als arme und hilfsbedürftige Individuen behandelt zu werden. Sie hinterfragten, warum die Wohlfahrtsprogramme der Regierung sich ausschließlich an Individuen richteten. Denn es gibt keine Leistungen für Agrargemeinden oder indigene Gemeinden, die den kollektiven Grundbesitz der Ejidos oder ähnliche Organisationsformen stärken. Diese bildeten jedoch die landwirtschaftliche Grundlage, auf der die autochthone Bevölkerung ihre Identitäten, normativen Systeme, Einrichtungen, kurz, ihre Kultur, aufrecht erhalten konnte.
Keine Verbesserung beim Schutz der Territorien
Die indigenen Vertreter*innen kamen zu dem Schluss, dass sich das Kräfteverhältnis hinsichtlich des Schutzes der Territorien mit der Regierung der „Vierten Transformation“ (4T) nicht verbessert hat. Das Hauptproblem, dem sich die indigenen Völker in der Aktualität gegenüber sehen, ist der Disput um ihren Lebensraum. Sowohl die Unternehmen und die Regierung als auch das organisierte Verbrechen oder alle zusammen wollen sich diesen aneignen. Für die indigene Bevölkerung ist das Territorium eine Überlebensvoraussetzung. Das Territorium ermöglicht ihnen, ihre freie Selbstbestimmung auszuüben, davon hängt ihr Leben ab.
Doch die Infrastrukturprojekte im Bergbau und Verkehrswesen, die Wasser- und Wärmekraftwerken, Windparks, die Ausbeutung der fossilen Brennstoffen und die Gaspipelines bedrohen die Existenz der indigenen Gemeinden. Daran ändert auch die Politik unter der 4T nichts, mit Ausnahme des Fracking-Verbots durch den Präsidenten. Die indigenen Vertreter*innen überprüften die Erklärungen des Präsidenten López Obrador zu Energie- und Extraktivismusvorhaben. Demnach werden zwar keine neuen Konzessionen vergeben, aber die alten bleiben bestehen. Diese betreffen nach Angaben des Präsidenten 30 Prozent des nationalen Territoriums. Staudämme für neue Wasserkraftwerke sind laut dem Regierungschef nicht geplant. Dafür sollen die 60 existierenden, die weit unter ihren Kapazitäten arbeiten, modernisiert werden. In einigen Fällen, wie dem umstrittenen Stauwerk El Zapotillo im Bundesstaat Jalisco, sind die Bauarbeiten wieder aufgenommen worden.
Verbindliche Befragung der indigenen Gemeinden wird zur Farce
Das Vorhaben des Wärmekraftwerkes von Huexca spiegelt das Verhältnis zwischen Regierung und den Verteidiger*innen des Territoriums wider: Im Namen der Energiesouveränität und der Rettung des staatlichen Ölkonzern Pemex und der Stromgesellschaft CFE setzte sich die Regierung über die Territorialrechte der Indígenas hinweg. Die Gemeinden, die den Bau von Gaspipelines auf ihren Territorien verhindert haben, sehen sich unter Druck. Die Energie- und Extraktivismusgesetze, die während der neoliberalen Regierungsperioden den Raub von Land und Naturvorkommen der indigenen und kleinbäuerlichen Bevölkerung legalisierten, werden nicht außer Kraft gesetzt und den Gemeinden ihre Ressourcen nicht zurückerstattet werden. Zu diesen Projekten kommen neue Bundesvorhaben, die den Süden und Südosten des Landes modernisieren sollen. Beispiele sind der sogenannte Maya-Zug (Tren Maya), der Ausbau der Verkehrswege über den Isthmus von Tehuantepec und die Raffinerie Dos Bocas im Bundesstaat Tabasco. Die Umsetzung dieser Projekte würde die Lebensformen, die Zukunft und die angestammten Territorien tausender Gemeinden beeinträchtigen. Darum wäre es unbedingt nötig, deren Zustimmung zu bekommen oder ihre Ablehnung zu respektieren. Doch diese Regierung hat das Recht der indigenen Völker auf Befragung ad absurdum geführt: Vermeintliche Ergebnisse wurden auf Versammlungen, in Abwesenheit von Repräsentant*innen betroffener Gemeinden, ohne Informationsaustausch und Analyse der Vorhaben und per Handzeichen abgestimmt. „Sie nehmen uns die Möglichkeit, unsere freie Selbstbestimmung auszuüben“, kommentierten die Ñu savi.
Indigene leisten weiterhin Widerstand
Die Gewalt in den Gemeinden geht unverändert weiter. Der Mord an den Verteidiger*innen des Territoriums bleibt eine Konstante, trotz des Versprechens der Regierung, die politische Verfolgung von Gegner*innen zu beenden. Die Straffreiheit der Verbrechen an indigenen Umweltschützer*innen lädt zu weiteren Gewalttaten ein. Die Narco-Paramilitärs erledigen weiterhin die schmutzige Arbeit für die Invasoren und eliminieren all jene, die den Projekten im Weg stehen. Hinsichtlich dieser Zustände bekräftigten die Vertreter*innen der indigenen Völker auf dem Treffen in Mexiko-Stadt, dass sie bereits seit hunderten Jahren Widerstand leisten und wachsam bleiben werden. Sie werden sich weiterhin organisieren, um ihre natürlichen Vorkommen und das Leben in ihren Territorien zu schützen.
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