von Andreas Behn, Rio de Janeiro
(Berlin, 15. April 2014, npl).- Noch hat die Fußball-WM in Brasilien nicht einmal begonnen, da gibt’s schon Ärger wegen der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Internationale Sportverbände machen sich Sorgen um Rennbahnen und Stadien. Die Bauarbeiten seien in Verzug, einige noch nicht einmal begonnen. Ende vergangener Woche schlug das Internationale Olympische Komitee (IOC) nun Alarm und beschloss, selbst die Regie zu übernehmen.
„Leitung liegt selbstverständlich in den Händen des IOC“
Wie IOC-Exekutivdirektor Gilbert Felli betonte, handele es sich weder um eine gelbe noch eine rote Karte. Doch auf Nachfrage von Journalist*innen, ob das IOC bereits einen Plan B erwäge, gab er sich nur mit Mühe diplomatisch: „Wir sind immer noch der Meinung, dass diese Spiele ein voller Erfolg werden. Wir werden alles dafür tun,“ so Felli.
Für die Organisator*innen in Brasilien, die stets sehr empfindlich auf Kritik von außen reagieren, ist der internationale Rüffel eine peinliche Angelegenheit. IOC-Präsident Thomas Bach kündigte an, eine Kommission zu gründen, um die Bauarbeiten voranzutreiben. Eine „gemeinsame Initiative, doch die Leitung liegt selbstverständlich in den Händen des IOC“, so der deutsche Olympia-Chef. Zudem würden die Arbeiten ab sofort Schritt für Schritt kontrolliert, so Bach während eines IOC-Treffens in der Türkei.
Geplante Tennis-Arena noch eine Sandwüste
Vor viereinhalb Jahren bekam Rio den Zuschlag für die Spiele. Gut zwei Jahre vor Beginn des größten Sportfestes stehen die Arbeiten noch ganz am Anfang. Lediglich das Leichtathletik-Stadion steht. Das Engenhão war bereits für die Panamerikanischen Spiele 2007 errichtet worden. Doch seit einem Jahr ist es geschlossen, nachdem Schäden an der Dachkonstruktion festgestellt wurden. Die Träger müssen erneuert und die Tribüne um ein Viertel erweitert werden, damit das Stadion 60.000 Zuschauer*innen fasst.
Dramatisch sieht die Lage in den beiden Olympiaparks in den Stadtteilen Barra und Deodoro aus. Das Gelände im edlen Strandviertel Barra, wo 2016 unter anderen Tennis gespielt und Rad gefahren werden soll, gleicht einer Sandwüste. Gebäude sind noch nicht zu sehen, und die Arbeiter*innen befinden sich seit Tagen im Streik. Zudem plant die Stadtverwaltung nach wie vor, das direkt anliegende Armenviertel Vila Autódromo zu räumen. Kein einfaches Unterfangen, da die Favela zum Symbol des Widerstands gegen verfehlte Stadtplanung und soziale Säuberungen geworden ist.
Unter Naturschutz stehendes Gelände für Hockey und Fünfkampf vorgesehen
In Deodoro, im dicht besiedelten Norden der Stadt, sind die Bauarbeiten noch nicht einmal ausgeschrieben. Hier sollen Sportstädten für Hockey und Modernen Fünfkampf entstehen sowie die Reitwettbewerbe stattfinden. Zeitdruck besteht auch beim Golfplatz am Barra-Strand, zumal Umweltschützer*innen dort protestieren, da das Gelände unter Naturschutz steht.
Eine Herausforderung der besonderen Art steht Segler*innen und Ruder*innen bevor. Die Bahia de Guanaraba, eines der Wahrzeichen Rio de Janeiros, gleicht einer Kloake. Die Säuberung von Abwässern kommt nur schleppend voran. In vielen anliegenden Stadtteilen stinkt es Tag und Nacht, die Besucher*innen werden dies bereits auf dem Weg vom Flughafen zum Stadtzentrum zu spüren bekommen. Rund zwei Drittel der Abwässer der Stadt werden ungeklärt in die Bahia oder das Meer geleitet.
Bahia de Guanaraba: Segeln zwischen Müll und Unrat?
Bürgermeister Eduardo Paes, der die Ohrfeige des IOCs als „übertrieben“ bezeichnete, betonte mehrfach, dass vom Wasser in der Bucht keine Gesundheitsgefährdung der Segler*innen ausgehe. Da auch Müll und allerlei Unrat in der Bucht schwimmen, machen die Sportler*innen sich allerdings Sorgen um Kollisionen und riskante Ausweichmanöver. Weniger dramatisch, aber alles andere als zufriedenstellend, so die Sportverbände, sei der Zustand in der Lagoa de Freitag im Edelstadtteil Ipanema, wo die Ruder*innen antreten werden.
Die Sorge des IOC um den Zeitverzug gleicht dem Gezeter der Fifa wegen der WM-Stadien, die kurz vor Anpfiff noch nicht fertig sind. Immer wieder kommt es zu teils tödlichen Arbeitsunfällen und spontanen Streiks wegen unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Auch einige Flughäfen, die schon seit langem eine Zumutung für die Reisenden sind, sowie jede Menge Verkehrsprojekte sind Dauerbaustellen, die kaum rechtzeitig abgeschlossen sein werden.
Korruption und Misswirtschaft
Das Problem ist allerdings weniger die mangelnde Planung sondern Korruption und Misswirtschaft. Die meisten Bauten verschlingen das Doppelte der veranschlagten Kosten, viele Politiker*innen und Staatsangestellte verdienen mit. Und nahezu alle Baumaßnahmen werden von gerade einmal vier großen Bauunternehmen ausgeführt. Kritiker*innen sprechen von einem Oligopol, das Preisabsprachen möglich macht und die öffentliche Hand erpresst.
Da fast alle Baumaßnahmen für die Großveranstaltungen mit staatlichen Geldern finanziert werden, gingen bereits im vergangenen Juni Hunderttausende auf die Straßen. Die Demonstrant*innen forderten mehr Geld für Gesundheit und Bildung, sowie öffentliche Verkehrsmittel statt neuer Straßen für die Reichen und die Tourist*innen. Eine explosive Mischung, die das wirtschaftlich aufstrebende Brasilien nicht vorhergesehen hat.
Chaos und Korruption bei Olympiabauten – IOC übernimmt Regie in Rio von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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