Poonal Nr. 528

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 25. Juni 2002

Inhalt


MEXIKO

KOLUMBIEN

PERU

BRASILIEN

BOLIVIEN

BOLIVIEN/PERU

GUATEMALA

HAITI/DOMINIKANISCHE REPUBLIK

GUYANA


MEXIKO

US-Sicherheitspolitik blockiert Migrationsabkommen

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 20. Juni 2002).- Als im Mai 2001 in der Wüste Yuma im US- Bundesstaat Arizona die Leichen von 14 verdursteten Mexikanern gefunden werden, löste das auf beiden Seiten der Grenze Bestürzung und eine breite Diskussion aus. Ein bilaterales Migrationsabkommen zwischen den USA und Mexiko, das den so genannten Illegalen unter anderem die elementaren Menschenrechte garantieren sollte, schien greifbar nahe.

Gut ein Jahr später, Anfang Juni 2002, stößt die US-Grenzpolizei auf 15 Mexikaner, die ihren Versuch, die Grenze heimlich zu überschreiten, mit dem Leben bezahlten. Mehr als 100 weitere Personen, die verdurstend in der Wüste nördlich der Grenze umher irren, werden im gleichen Zeitraum aufgegriffen. Diesmal allerdings ist der Vorfall nur Gegenstand von Agenturmeldungen, größere Aufmerksamkeit findet er nicht.

Das Beispiel ist kein Einzelfall. Die Debatte über Migration, vor Monaten noch von US-Präsident George W. Bush und seinem mexikanischen Kollegen Vicente Fox gefördert und mit Bezug auf eine „Humanisierung der Grenze“ geführt, ist auf der bilateralen Regierungsebene seit den Terroranschlägen vom 11. September praktisch beendet oder wird unter ganz anderen Vorzeichen betrachtet.

Hintergrund ist offenbar der „Krieg gegen den Terrorismus“, dem die USA seit den Anschlägen alles andere untergeordnet. Das bedeutet auch: Es werden nicht mehr Probleme und die Ursachen von Migrationsströmen betrachtet. Statt dessen rückt eine noch schärfere Kontrolle und Abschottung der Südgrenze der USA ins Zentrum. Setzt sich George W. Bush mit seinem Vorschlag durch, ein „Superministerium für die Sicherheit des Vaterlandes“ zu gründen, wird nicht nur die Terrorismusbekämpfung, sondern ebenfalls die Migrationspolitik in dessen Zuständigkeitsbereich fallen.

Angesichts dieser Prioritätensetzung verhallen warnende Appelle ungehört. So auch die Worte der UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte von Migranten, Gabriela Rodriguez, die im Februar während eines Mexiko-Besuches erklärte, dass Terrorismus nicht mit Migration verwechselt werden dürfe.

Unterdessen nimmt die Gefahr für Hunderttausende Mexikaner und andere Lateinamerikaner, die jährlich versuchen, die Grenze ungesehen zu überqueren, stetig zu. Angesichts zunehmender Kontrollen suchen sie immer gefährlichere und abgelegenere Orte für ihre risikoreiche Reise gen Norden aus. Im entscheidenden Moment werden sie dabei oft von den „Coyotes“, den Schleppern, im Stich gelassen. Neben dem Ertrinken im Rio Bravo ist das buchstäbliche Austrocknen in Wüstenregionen die häufigste Todesursache.

Obwohl die Schätzungen verschiedener Organisationen im Vergleich zum Vorjahr mit einem Rückgang der illegalen Grenzgänger rechnen, wird befürchtet, dass sich die Anzahl der Toten nicht verringert. Neue Zahlen bestätigen diese Befürchtung. So kamen beim versuchten Grenzübertritt im letzten Jahr allein 350 bis 400 Mexikaner um. Die meisten starben im zweiten und dritten Jahresdrittel – in diese Zeit fallen die heißen Sommermonate mit Temperaturen von über 50 Grad in Trockenzonen wie der Wüste Yuma. Bis Mitte April wurden im Jahr 2002 offiziell schon 70 tote mexikanische Migranten im Grenzgebiet gezählt.

Die mexikanische Regierung scheint durchaus gewillt, sich für eine Verbesserung der Lage der Migranten einzusetzen. So entließ sie in den vergangenen 18 Monaten mehr als 900 korrupte Funktionäre der Migrationsbehörde, die zum Teil skrupellos die Lage der „Illegalen“ ausnutzten. Doch die Einflussmöglichkeiten auf die Politik der US-Regierung sind gering. Neben der Sicherheits- und Terrorismusthematik überlagert zudem der Streit um die Aufteilung der Wasservorkommen des Rio Bravo und des Rio Colorado zwischen den USA und Mexiko eine konstruktive Diskussion. Das umfassende bilaterale Abkommen mit den USA, das Präsident Vicente Fox vor Jahresfrist verkündete, ist momentan nichts als ein Trugbild. Bestand hat dagegen eine traurige Faustregel: Durchschnittlich stirbt pro Tag ein Migrant im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko.

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KOLUMBIEN

Neue Friedenschancen unter der Präsidentschaft von Uribe?

(Bogotá, 12. Juni 2002, ac-Poonal).- Der neue Präsdent Alvaro Uribe hat begonnen, Aktionslinien in Bezug auf den bewaffneten Konflikt zu entwerfen. Es zeichnet sich ab, dass der Einsatz der Waffen des Staates mehr in der Funktion einer Sicherheitsstrategie als in der des Krieges stehen wird.

Die FARC-Guerilla scheint noch keine einheitliche Strategie entwickelt zu haben. Es scheint eher, dass sie ihren Einheiten die Freiheit gegeben hat, nach ihren Möglichkeiten eigene Strategien zu entwickeln, sei dies Rückzugsgebiete zu sichern, die paramilitärischen AUC anzugreifen oder Personen zu entführen. Diese Aktionsfreiheit erlaubt es ihnen, die interne Umstrukturierung voran zu treiben. Als Grundlage zählt jedoch die Effizienz bei Gefechten, nachdem die Verhandlungen, welche vom Südblock der FARC geführt worden waren, gescheitert sind.

Der abrupte Abbruch der Verhandlungen zwischen der alten Regierung und der zweitgrößten Guerillabewegung, dem ELN, verstärkt die internen Verbindungen des ELN mit der FARC. Der ELN fühlt sich durch die Form des Abbruchs bedrängt und kann für das Ende der Verhandlungen ausschließlich den noch regierenden Präsident Andrés Pastrana verantwortlich machen.

Das Fehlen von Erklärungen von Seiten der FARC in Bezug auf die Wahl des neuen Präsidenten lässt den Schluss zu, dass Uribe bei der Guerilla-Gruppe im Moment keine Verhandlungspartner finden wird. Die FARC-Vorschläge für Verhandlungen – die Entmilitarisierung der Provinzen Caquetá und Putumayo, die Auflösung des Paramilitarismus und die Forderung, nicht als Terrororganisation bezeichnet zu werden – scheinen eher einer internen Ausrichtung geschuldet als tatsächlich Verhandlungsgrundlage zu sein. Ein möglicher Prozess wird sich deshalb aus den Ergebnissen der militärischen Aktionen und der Dynamik der Umstrukturierung der FARC ergeben.

Das gute Klima innerhalb des ELN könnte erlauben, dass der ELN eine harmonische und rasche Antwort auf die Vorschläge Uribes geben könnte. Eine wesentliche Zunahme der militärischen Aktionen des ELN ist unter den jetzigen Umständen nicht wahrscheinlich. Die Aussichten auf Verhandlungen mit der neuen Regierung könnten beim ELN – im Gegensatz zur FARC – aussichtsreicher sein.

Eine Vermittlung der UNO und ein paralleler Prozess der Regierung mit den paramilitärischen Verbänden der AUC könnten ein günstigeres Klima schaffen. Dies umso mehr, da in groben Zügen die Strategie von Uribe ist, dass Vorabkommen mit den illegalen Gruppen im Rahmen der UNO-Vermittlung in geheimen oder zumindest äußerst diskreten Verhandlungen getroffen werden sollen. Diese Vorabkommen sollen dazu dienen, einen eventuellen Waffenstillstand und die Einstellung der Feindseligkeiten wie auch eine Verhandlungsagenda und das entsprechende Vorgehen abzustimmen.

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Gewerkschafter weiterhin im Visier von Rechtsextremen

(Bogotá, 12. Juni 2002, ac-Poonal).- In den ersten Tagen dieses Monats wurden fünf Gewerkschafter in verschiedenen Regionen des Landes ermordet: Jhon Alvarez in Medellin, Provinz Antioquia von der Textilarbeitergewerkschaft Sintratextil; Eduardo Vásquez Jiménez in Santa Marta, Provinz Magdalena, er war Buchhalter der Gewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter Sintraelecol; Isaias Gómez Jaramillo in Medellin, er war Mitglied der Lehrergewerkschaft Antioquias Adida; Jairo Ramos in der Gemeinde Túquerres, Provinz Nariño, ebenfalls Mitglied von Sintraelecol; und Alberto Tukamoto, ein weiterer Gewerkschafter von Sintraelecol in Villavicencio in der Provinz Meta.

Seit der Gründung der Einheitsgewerkschaft CUT als Dachverband der kolumbianischen Gewerkschaften im Jahr 1987 sind 3.800 ihrer Mitglieder ermordet worden. Die erschütternden Zahlen allein in diesem Jahr sind: 85 ermordete Gewerkschafter, elf Attentate gegen Gewerkschaftsführer, sieben zum Verschwinden gebrachte und neun entführte Gewerkschafter. Diese Politik der systematischen Eliminierung wurde von Gruppen der extremen Rechten durchgeführt und richtet sich gegen die Gewerkschafter im ganzen Land.

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PERU

Klares Nein zu Erzabbau

(Lima, 17. Juni 2002, na-poonal).- In einem Referendum lehnten die Bewohner von Tambo Grande mit überwältigender Mehrheit ein Übertage-Bergbau-Projekt in ihrer Region ab. Tampo Grande liegt in der nordperuanischen, an Ecuador grenzenden, Region Piura. Es grenzt an das fruchtbare San Lorenzo-Tal, dessen Exporte von landwirtschaftlichen Produkten jährlich mehr als 50 Millionen US-Dollar einbringen.

In der Befragung, die am 2 Juni stattfand, konnte die Bevölkerung von Tampo Grande ihre Meinung über die Ausbeutung von Erzvorkommen durch die kanadische Firma Manhattan Minerals äußern. An der Abstimmung nahmen 27000 Menschen teil, was 74 Prozent der Bevölkerung entspricht. Von ihnen sprachen sich 98 Prozent gegen das Bergbauprojekt aus, für das Tausende Bewohner umgesiedelt werden müssten.

Die potenzielle Ausbeute der betreffenden Vorkommen wird auf 25 Tonnen Gold, 300 Tonnen Silber und 4500 Tonnen Kupfer geschätzt. Die „Front zur Verteidigung von Tampo Grande“, die die Volksabstimmung organisiert hatte, erklärte, dass ein Übertage-Projekt die Anbauflächen zerstören, das Wasser verseuchen und die Lebensbedingungen in dieser ruhigen gemütlichen Gegend radikal verändern wird.

Manhattan erkennt die Ergebnisse der Befragung nicht an. Nach Meinung des Unternehmens könne man keine Entscheidungen über das Projekt fällen, bevor nicht die Umweltverträglichkeitsstudie Ende Juni abgeschlossen sei.

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BRASILIEN

Der tödliche Kreislauf der Schulden

(Rio de Janeiro, 18. Juni 2002, oficina das informacoes-poonal).- In einem Interview mit der Zeitschrift „Globo“ vom 16. Juni wies der Antropologe Roberto Kant darauf hin, dass die Favelas von Rio de Janeiro bereits nicht nur mehr Rückzugsgebiete von Drogenhändlern, sondern Staaten im Staat mit ihren eigenen Gesetzen geworden seien.

Professor Kant sagte außerdem, dass es Drogenabhängige gebe, weil es Händler gebe. Er zeigte auf, dass ein anderes Problem, das zur anwachsenden Gewalt beitrage, die ökonomische und juristische Ungleichheit sei. Ausgehend von diesen Beobachtungen des Professors aus Rio, lässt sich sich ein weiterer Teufelskreis ausmachen, der auf die aktuellen sozialen Kämpfe in Brasilien zurückwirkt: die politische Entwicklung und das entsprechende Wirtschaftssystem des Landes schaffen entfremdete Menschen, die sich in Drogen flüchten.

So entsteht ein großer Absatzmarkt, der von Händlerringen versorgt wird, die um die Umschlagplätze konkurrieren, und die hauptsächlich Jugendliche einstellen, die nicht vom Arbeitsmarkt absorbiert werden können. Denn der ist aufgrund der Wirtschaftskrise stark geschädigt. Dieses wiederum ist selbst ein Ergebnis der jahrzehntelangen, die Entfremdung vorantreibenden Fehlentwicklung des Landes. Eine solche Situation kann nicht bloß durch Druck der Polizei gelöst werden, etwa durch die Verhaftung der Händler – besonders, da Teile der Polizei mit den Händlern Geschäfte treiben – oder der Festnahme Verkäufer oder der Konsumenten.

Selbst Aufklärungskampagnen zum Thema Drogen, meist an die Mittelschicht gerichtet, können nicht viel ausrichten. Die Lösung -das ist offensichtlich- liegt in einer Änderung der Art der Entwicklung des Landes, des aktuellen gewinnorientierten Modells der finanziellen Abhängigkeit vom Ausland, die eine eigenständige Entwicklung verhindert, und die die große Masse von den wenigen Gewinnen ausschließt, die sie produziert.

Der Ausweg liegt demnach in der Änderung der Art der politischen Entwicklung des Landes, denn die heutige Situation trägt Züge Frankreichs vor der Revolution, welche die u.a. Gleichheit vor dem Gesetz zum Ziel hatte, so Kant. Die Frage, die im aktuellem Wahlkampf zentral sein sollte, ist genau diese: wie man dieses Entwicklungsmodell, das offenbar versagt hat, ändert.

Bekanntlich produziert die Wirtschaft des Landes ein finanzielles Karussell. Sowohl der Staat als auch private Unternehmen haben hohe Auslandsschulden und enorme Negativbilanzen im Außenhandel. Der Strohhalm, an dem sie sich festklammern, ist der Kapitalzufluss von jährlich etwa 20 Milliarden Dollar, die als sogenannte Direktinvestitionen durch den Verkauf brasilianischer Unternehmen an ausländische Konzerne ins Land kommen, sowie Bankmanöver zur Verschiebung der Summe von an die 30 Milliarden Dollar Auslandsschulden jährlich.

Auch die Binnenwirtschaft ist mit ungefähr 700 Milliarden Dollar verschuldet. Der Gewinn, den bessergestellte Unternehmen machen, hängt mit staatlichen Hilfen und Vergünstigungen zusammen, die ihnen die kurzfristige Tilgung weltweit mit der höchsten Zinsen erlauben.

Bemerkenswerterweise zeichnet sich auch hier ein Teufelskreis ab, ähnlich dem der Drogen: Das Land zahlt extrem hohe Zinsen, um für den Binnenmarkt Dollar aus dem Ausland zu bekommen. Weil das Wirtschaftswachstum zu gering ist, verfügen Wirtschaft und Regierung nicht über genügend Mittel, um diese hohen Zinsen zu bezahlen, geschweige denn, die Schulden selbst zu verringern. So wachsen diese immer weiter an und vernichten damit jede Hoffnung der Gläubiger auf ihre Rückzahlung, was diese wiederum dazu führt, Darlehen höchstens zu gleichen oder noch höheren Zinssätzen zu vergeben. Die Folge sind wachsende Verschuldung und daher steigendes Investitionsrisiko, also höchste Zinssätze… und so weiter.

In einer kürzlich in den USA von der Bank Goldman Sachs veranstalteten Fernsehkonferenz, bei der die führenden Größen der brasilianischen Geldpolitik und ca. 800 Investoren brasilianischer Wertpapiere zusammenkamen, wurde deutlich, wie dieser Kreislauf funktioniert. Die brasilianischen Finanzbehörden kündigten dort an, sie würden den Anlegern die von ihnen eingeforderten Schuldentitel kurzfristig und an den Dollar angeglichen anbieten.

Auf diese Ankündigung hin ließ noch am selben Tag der Druck auf den Real nach, wodurch Fábio Giambini, der Ökonom der Brasilianischen Entwicklungsbank (BNDES), zunächst bestätigt wurde mit seiner Behauptung, was das Kapital brauche, sei eine Verwöhnungskur. Einen Tag später hatte sich die Krise jedoch bereits wieder zugespitzt, weil das Angebot der Finanzbehörden nur einen Tag lang hielt. Wie die Zeitungen berichteten, ist der Geldmarkt stark verunsichert, was die Angleichung der Wertpapiere an den Dollar, den die Zentralbank anbietet, angeht.

Aus diesem Grund wirft nun die Regierung noch mehr Dollar auf den Markt, damit sich die Lage beruhigt. Die Folge all dessen, oder, überspitzt ausgedrückt: die Folge der Ünersättlichkeit des Zinsmarktes – ist das unglaublich langsame Wachstum der brasilianischen Wirtschaft. Das wiederum zieht Elend und eine rapide Zunahme der Arbeitslosigkeit nach sich, die einen Großteil gerade der jungen Leute dazu zwingt, sich alternative Einkommensquellen zu verschaffen, um zu überleben. Zum Beispiel im Drogengeschäft.

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Kirchen verurteilen Mord an Journalisten

(Rio de Janeiro, 17. Juni 2002 alc-poonal). Die nationale Bischofskonferenz Brasiliens (CNBB), der Ökumenische Rat CESE, die evangelisch-lutherische Kirche Brasiliens sowie deren Synode Südosten verurteilten die Ermordung des Journalisten Tim Lopes, der bei dem Sender „Red Globo“ gearbeitet hatte. Die Polizei verhaftete Fernando Satiro da Silva und Reinaldo do Amaral de Jesús, die zwar ihre Beteiligung an der Tat abstreiten, den Tathergang jedoch schildern konnten. Die beiden 25-jährigen sind Mitglieder der Bande „Comando Vermelho“ (CV).

Der 51-jährige Tim Lopes verschwand am Sonntag (2. 6.) im Armenviertel von Vila Cruzeiro, wo er an einer Reportage über Funk-Tanzveranstaltungen arbeitete, die nach Aussagen der Anwohner von Drogendealern organisiert wurden, und bei denen sowohl Drogen konsumiert als auch minderjährige Mädchen missbraucht würden.

Nach Aussagen der Festgenommenen „schlitzte Elias Maluco den Bauch Lopes' mit eine Stosswaffe auf. Danach legten sie ihn zwischen Autoreifen und verbrannten ihn.“ Der Journalist wurde demnach auf einem unbekannten Friedhof begraben. Bis heute konnte seine Leiche nicht gefunden werden. Lopes, der diverse journalistische Nachforschungen unternommen hatte, veröffentlichte u.a. eine Reportage über den Rauschgifthandel in Rio de Janeiro, die unter dem Titel „Jahrmarkt der Drogen“ erschien und für die der Sender „Red Globo“ im Jahr 2001 den Esso-Preis für Fernsehjournalismus erhielt.

Die CNBB beklagt „die herrschende Gewalt und die Straffreiheit, die den demokratischen Staat und die Freiheit der Meinungsäußerung bedroht“. CESE erklärte: „Die Logik des Minimalstaates, die von den neoliberalen Verwaltungsangestellten des internationalen Großkapitals stammt, hat sowohl den sozialen Ausschluss als auch die Zerstörung der notwendigen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, der Erziehung und der Sicherheit und Ordnung zu verantworten. Sie überlässt damit einen immer größer werdenden Teil der verarmten Stadt- und Landbevölkerung am Rande der Sozialgesellschaft ihrem eigenen Schicksal.“

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BOLIVIEN

Große Auswahl bei der Präsidentenwahl Rolle des Staates in der Wirtschaft ist zentrales Thema

José Antonio Aruquipa Z.

(La Paz, 17. Juni 2002, na-poonal).- Am 30. Juni wird in Bolivien ein neuer Präsidenten gewählt. Über zehn Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge von Jorge Quiroga, der den an Krebs verstorbenen Hugo Banzer vor knapp einem Jahr abgelöst hatte. Die Parteien betreiben mit harten Bandagen und viel Aufwand Wahlkampf, doch die Wähler zeigen sich von dem Rummel kaum beeindruckt.

Die dürftigen Leistungen der Präsidenten und Parteien in den vergangenen Jahren haben das Vertrauen der Bolivianer in ihre Politiker nicht gerade gesteigert. Zumal die drei großen Parteien des Andenlandes sich reihum gegenseitig unterstützen, so dass ihnen jegliches politisches Profil verloren ging. Der Unmut der Wähler wurde durch diverse Korruptionsskandale und Vetternwirtschaft der Regierenden weiter forciert.

Da dies den Parteien durchaus bewusst ist, haben sie schon lange vor dem Urnengang damit begonnen, hinter verschlossenen Türen eventuelle Allianzen zu sondieren und personelle Absprachen zu treffen. Politik, so wirkt es, steht in Bolivien nicht mehr im Vordergrund. Da wundert es kaum, dass einige Parteien auf Stimmen hoffen, indem sie berühmte Schriftsteller, Sänger oder auch Fußballhelden als Kandidaten nominieren. „Die aufgeregte Sorge um das Image zeigt, dass es für viele der Parteien ums Überleben geht. Dabei wird allerdings die Stabilität der Demokratie aufs Spiel gesetzt,“ warnt die Politologin Jimena Costa. Der diesjährige Urnengang ist die fünfte demokratische Wahl seitdem die Militärs 1982 nach einer Vielzahl aufeinander folgender Diktaturen die Macht an zivile Regierungen abgaben.

Zum zentralen Wahlkampfthema hat die Mehrzahl der Kandidaten das Wirtschaftsmodell Boliviens gemacht. Der südamerikanische Binnenstaat gilt als das Land mit der liberalsten Wirtschaftspolitik der Region, seit es sich 1985 der neoliberalen Doktrin verschrieben hatte. Die ausgebliebenen Erfolge dieser Politik haben jetzt dazu geführt, dass fast alle Kandidaten für eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft plädieren.

Zu den Reformern gehört der Ex-Bürgermeister von Cochabamba, Manfred Reyes Villa, der in den Umfragen vorne liegt. Reyes plädiert dafür, dass der Staat eine aktive Rolle in der Wirtschaft einnimmt. Eine ähnliche Position vertritt der in Umfragen Drittplazierte Sozialdemokrat Jaime Paz Zamora, der bereits von 1989 bis 1993 das höchste Staatsamt inne hatte. Ein weiterer Reformer ist der populistische Jonny Fernandez, der bereits die letzten beiden Regierungen im Parlament unterstützte und zuletzt Bürgermeister von Santa Cruz war.

Lediglich die beiden konservative Kandidaten, der in Umfragen zweitplazierte Ex-Präsident Gonzalo Sanchez de Lozada (1993-1997) und der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt La Paz, Ronald McLean, treten für eine Fortsetzung des liberalen Modells ein. Doch auch sie wollen dem Staat mehr Verantwortung zuweisen, insbesondere um soziale Belange wie das Gesundheitswesen und Bildung zu gewährleisten.

Neben den Kandidaten der traditionellen Parteien treten auch Politiker zur Wahl an, die mehr oder minder radikale Veränderungen in ihr Wahlprogramm geschrieben haben. Unter ihnen findet sich der ehemalige Richter Alberto Costa und mit René Blattmann ein früherer Justizminister. Ebenso wird der Sozialist Rolando Morales zu den gemäßigt Linken gerechnet, die nicht nur eine Reform der Wirtschaftssystems fordern, sondern einen Wechsel hin zu einer sozialen Marktwirtschaft.

Radikale Positionen vertreten lediglich die zwei indigenen Kandidaten Felipe Quispe Huanca und Evo Morales. Beide vertreten die in Bolivien starke ländliche Bewegung, die der Regierung in den vergangenen Jahren mehrmals die Stirn bot, als diese versuchte, Sparmaßnahmen durchzusetzen. Morales tritt auch für die Interessen der Kokabauern ein, was ihn zu Beginn dieses Jahres seinen Sitz im Kongress kostete, ihm aber auch viel Sympathie in der Bevölkerung brachte.

So groß die Auswahl an Kandidaten und Programmen ist, so gering ist das Vertrauen der Bolivianer in deren Wahlversprechen. Die rapide steigende Arbeitslosigkeit, immer mehr Unternehmenspleiten und die Tatsache, dass inzwischen 59 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut lebt, hat zur Folge, dass immer weniger Menschen mit einer Wahl die Hoffnung auf Verbesserung verbinden. Zumal die Politiker, die jetzt plötzlich für eine Stärkung des Staates eintreten, teilweise genau die selben sind, die in der Vergangenheit fast die gesamte Wirtschaft privatisiert oder an ausländische Konzerne zu Niedrigpreisen verkauft haben.

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BOLIVIEN/PERU

Bi-nationaler Naturpark eröffnet

(Lima, 17. Juni 2002, na-poonal). -Mit dem Ziel, eine der artenreichsten Regionen des Planeten unter Schutz zu stellen, wurde das Naturschutzgebiet Vilcabamba-Amboró zwischen Bolivien und Peru eingerichtet. Am 22. Mai, dem Internationalen Tag der Biodiversität, wurde das 30 Millionen Hektar große Naturschutzgebiet eingeweiht. Es befindet sich zwischen dem Naturreservat Apurímac im peruanischen Zentralgebirge und dem Nationalpark Amboró im bolivianischen Amazonasgebiet. Es umfasst viele bereits bestehende Naturreservate beider Länder.

Nach Aussage der Internationalen Naturschutzorganisation CI verbindet der neue Korridor „Gebiete mit großer Artenvielfalt. Gleichzeitig gibt er der Bevölkerung vor Ort die Möglichkeit, neue Einnahmequellen zu erschließen – unter Rücksichtnahme auf das ökologische Gleichgewicht, die Biodiversität und des ökologischen Kreislaufs.“

CI zielt in dem neuen Park auf die Entwicklung der geschützten Gebiete durch die Einbeziehung der Bevölkerung vor Ort, die Stärkung lokaler Organisationen, die Entwicklung von Kleinunternehmen und die Förderung von Land- und Forstwirtschaft. „Der Lebensstandard der örtlichen Bevölkerung soll angehoben werden – sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht.“

Das neu geschützte Gebiet beherbergt etwa 50 000 Pflanzen – 15 Prozent des Weltbestandes, und 20 000 Pflanzenarten, die sonst nirgendwo auf der Welt zu finden sind. Ausserdem leben 1,666 Vogelarten, 830 Amphibien-, 470 Reptilien- und 414 Säugetierarten in Vilcabamba-Amboró.

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GUATEMALA

Proteste von Ex-Zivilpatrouillen – eine Strategie der FRG?

(Guatemala, 19.Juni 2002, cerigua-poonal)- Die Proteste der ehemaligen Zivilpatrouillen könnten eine Strategie der Regierungspartei Frente Republicano Guatemalteco (FRG) sein, um die Kontrollmacht dieser Gruppen aufrechtzuerhalten und sie für die kommenden Wahlen zu nutzen, erklärt Fernando Solís, Politikwissenschaftler am Zentralamerika-Institut.

Letzte Woche blockierten Tausende von ehemaligen Mitgliedern der Patrullas de Autodefensa Civil (PAC) mehrere Zufahrtsstraßen in den Petén, zum Flughafen von Santa Elena und zur Raffinerie de la Libertad. Sie forderten vom Staat eine Entschädigung über 20 000 Quetzales, weil sie auf der Seite der Regierung an einer kriegerischen Auseinandersetzung mit bewaffneten Truppen beteiligt gewesen seien.

Laut Solís errichteten diese Gruppen in der Vergangenheit einen für die Armee wichtigen, contra-aufständischen Mechanismus und sind aktuell nützlich für die FRG, und zwar ebenso für die Kontrolle der Bevölkerung wie auch als Basis oder Quelle von Wählerstimmen. Der Analytiker bezweifelt, dass die Regierung die finanziellen Möglichkeiten hat, die Forderungen der Ex-Patrouillen zu erfüllen, dennoch könnte sie sich langfristig zu einigen der Programme verpflichten.

Das würde die Gefahr der politischen Manipulation mit sich bringen, mit dem Ergebnis, dass die FRG bei den nächsten Wahlen wieder auf die Gruppen bauen können. Während der letzten Wahlen hatten sich die nun nicht mehr existenten Patrouillen und Vertreter des Militärs in einem Bündnis zusammengefunden, das seine Wahlstimmen für die FRG abgab.

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Untersuchung über Prostitution veröffentlicht

(Guatemala-Stadt, 18 Juni, cerigua-poonal).- Schätzungen der Polizei gehen davon aus, dass in der Hauptstadt Guatemalas mehr als 2.000 Minderjährige in über 600 Bordellen sexuell ausgebeutet werden. In Tecún Umán, San Marcos, sind die missbrauchten Kinder den „Rekrutierungen“ für die Prostitution ausgeliefert. Mittlerweile hat sich der Menschenhandel in Guatemala zu einer attraktiven Geldquelle entwickelt, wie ein Experte zum Thema mitteilte.

Die „Regionale Untersuchung über Verkehr, Prostitution, Kinder-Pornographie in Mexiko und Zentralamerika“, die vom Casa Alianza durchgeführt wurde, stellt einen alarmierenden Anstieg der Kinder-Prostitution fest. In diesen sind Jurist*innen, Beamt*innen und Politiker*innen verwickelt. Zudem wird aufgedeckt, dass Ehefrauen von Armeeangehörigen in illegale Adoptionsfälle verwickelt sind.

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HAITI/DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Freihandelszone: Segen oder Bedrohung?

Von Charles Arthur

(Port-au-Prince, 17. Juni 2002, na-poonal).- Die haitianische und die dominikanische Regierung fördern eine neue, gemeinsame Freihandelszone, um die Schuldenprobleme ihrer Länder zu lösen. Die Freihandelszone in Llanura Maribaroux im Nordosten von Haiti, an der Grenze zur Dominikanischen Republik, ist eines der ersten Projekte des „Fondo Hispaniola“.

Unterstützt von den Vereinigten Staaten bezahlen sowohl die Dominikanische Republik als auch Haiti einen Teil ihrer Auslandschulden bei bilateralen und internationalen Institutionen, vor allem aber bei den USA und der Interamerikanischen Entwicklungsbank, in diesen Fonds ein. Die vom dominikanischen Rechtsanwalt Luis Heredia Bonetti geleitete Institution will mit diesen Geldern Entwicklungsprojekte an der haitianischen Grenze finanzieren. Geplant ist, sowohl Infrastrukturprojekte, als auch Wiederaufforstung, Wasserschutz, den Bau von Talsperren zur Stromproduktion, kleinere und mittlere Unternehmen, Straßenbau und Freihandelszonen zu unterstützen.

Zwar verkünden die Initiatoren des gemeinsamen Entwicklungstopfes, dass alle gesellschaftlichen Sektoren von der Initiative begünstigt werden. Dass aber ausgerechnet eine Freihandelszone erster Nutznießer des Fonds sein wird, hat bei vielen die Alarmglocken schlagen lassen.

Am 8. April machten der haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide und sein dominikanischer Amtskollege Hipólito Mejía den ersten Spatenstich. Haitianer, die gegen die Freihandelszone Position bezogen haben, vermuten dahinter lediglich einen Schachzug dominikanischer Fabrikanten, um die internationalen Exportquoten zu umgehen. Faktisch würden keine Arbeitsplätze für Haitianer geschaffen, behaupten sie.

Nach Informationen der dominikanischen Presse ist die „Grupo M“, eine Textilfabrik mit Sitz in Santiago, der zweitgrößten Stadt des Landes, in dem Projekt federführend. Mit 26 Fabriken und 13.000 Beschäftigten in der Dominikanischen Republik ist „Grupo M“ einer der größten Arbeitgeber des Landes. Ihren Jahresumsatz von 208 Millionen Euro macht sie mit so bekannten Markennamen wie „The GAP“, „Hugo Boss“, „Tommy Hilfiger“, „Banana Republic“ und „Abercrombie & Fitch“. Die Wachstumsrate der „Grupo M“ beträgt jährlich zwischen zehn und 20 Prozent.

Auf den ersten Blick ist es kaum verständlich, warum diese Firma bereit ist, 7,3 Millionen Euro für eine neue Fabrikanlage auszugeben. Eine der Gründe dürfte allerdings sein, dass die dominikanische Textil verarbeitende Industrie Opfer ihres eigenen Erfolges geworden ist. Die 200.000 Beschäftigten in 52 Freihandelszonen machen eine Warenumsatz von 4,9 Milliarden Euro – vor allem mit Textilien für den US- amerikanischen Markt. Damit haben die dominikanischen Firmen ihre Quote ausgeschöpft, die die Vereinigten Staaten zum Schutz ihrer eigenen Bekleidungsindustrie für die Textileinfuhr festgelegt haben.

Dieses Problem kann dadurch gelöst werden, dass die Endverarbeitung der dominikanischen Bekleidung in Haiti vorgenommen wird, auf der anderen Seite der Grenze. Die Produkte trügen dann das Herstellungszeichen „Made in Haiti“ und könnten ohne Schwierigkeiten in die USA exportiert werden. Denn Haiti ist weit davon entfernt, seine Exportquote auszuschöpfen.

Ab Jahre 2007 muss sich die Dominikanischen Republik zudem dem Beschluss der Welthandelsorganisation unterwerfen, der die Bezuschussung und Steuerbefreiungen für Firmen und Investoren in den Freihandelszonen des Landes untersagt. Als wesentlich ärmeres Land könnte Haiti dagegen weiterhin Steuerfreiheit sowie die Befreiung von Im- und Exportzöllen, Preisabschlägen und die steuerfreie Rückführung von Waren anbieten.

Nach Worten haitianischer Aktivisten werde Haiti von den Zonen nicht oder kaum profitieren. Auch wenn sie die Verwandlung der Zahlungen zur Schuldentilgung in Investitionen zur sozialen und ökonomischen Entwicklung akzeptieren, haben Nichtregierungsorganisationen, Bauernverbände und Gewerkschaften in Haiti die Zielrichtung des „Fondo Hispaniola“ in Frage gestellt. „Alle Freihandelszonen zeichnen sich durch eine Überausbeutung der Arbeitskraft aus. Und mit Ausnahme von einigen isolierten Fällen, tragen die Freihandelszonen nicht zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bei“, sagte der Direktor der Plattform für die Förderung der Alternativentwicklung (PAPDA), Camille Chalmers. „Es ist ein von Dominikanern und für sie erstellter Plan. Lediglich ein winziger Teil der Arbeit wird in Haiti vorgenommen. Sie benutzen die Nähe von Haiti dazu, ihre Waren in die USA zu verschicken“, ergänzte Chalmers.

Auch die Löhne sind Gegenstand der Kontroverse. In der Dominikanischen Republik bezahlt „Grupo M“ ihren Näher*innen umgerechnet rund 13,50 Euro pro Arbeitstag, fast doppelt so viel wie der Minimumlohn pro Tag im Land, der 7,50 Euro beträgt. In Haiti liegt er 1,50 Euro. Auch wenn „Grupo M“ einen doppelten Mindestlohn bezahlen wird, sparen sie noch immer pro Beschäftigten mehr als zehn Euro.

Nach Angaben eines Sprechers der „Grupo M.“ werden die ersten beiden der 26 anvisierten Fabriken zu Beginn des kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen. Innerhalb von drei Jahren sollen dann ungefähr 1.500 Haitianer angestellt werden. Dessen ungeachtet sagte Huguette Charles von der Nichtregierungsorganisation „Solidaridad Fronteriza““, dass die Arbeitsplätze den Verlust von Anbauflächen nicht kompensieren werden.“ Auch wenn die Freihandelszonen 10. 000 Arbeitsplätze schafft, genügt das nicht“, sagte er. „Wir wollen unser Land behalten. Und wenn wir für dessen Erhalt unser Blut geben müssen, dann werden wir es tun.“

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GUYANA

Politischer Dialog kollabiert nach der Flucht von Gefangenen

Von Mike James

(Georgetown, 17. Juni 2002, na-Poonal).- Nach der Flucht einer fünfköpfigen Gruppe von Gefangenen aus dem Gefängnis im Februar und einer Reihe von Überfällen und Morden verschärfen sich die politisch und ethnisch bedingten Spannungen in Guyana. Seit ihrer Flucht werden der selbst ernannten Gruppe der „Fünf für die Freiheit“, die von Andrew Douglas angeführt wird, Autodiebstähle, bewaffnete Raubüberfälle und Morde zur Last gelegt. Auch den Mord an Leon Frase, dem Chef einer Spezialeinheit der guyanischen Polizei, soll die Gruppe zu verantworten haben.

Die Flucht und die Morde der Bande trugen inzwischen dazu bei, dass die Gespräche zwischen der regierenden People's Progressive Party (PPP) von Präsident Bharrat Jagdeo und der oppositionellen People's National Congress (PNC) scheiterten. Die PPP, die seit 1992 an der Macht ist, wird traditionell mit der weißen Bevölkerungsmehrheit identifiziert, während die PNC für die afroguyanische Bevölkerung steht. Jagdeo ist seit 1999 Präsident des Landes.

Obwohl die Mehrzahl der Toten Weiße waren, wurden mit einem Video, das von drei Fernsehsendern ausgestrahlt wurde, der Rassismus ins Bewußtsein der Bevölkerung gebracht, der den Hintergrund der Taten der Gruppe um Douglas darstellt. Auch eine Reihe von Flugblättern, die die „Fünf für die Freiheit“ und ihr Anhang in Umlauf gebracht haben, weisen darauf hin.

Das Video zeigt Douglas mit einer Militäruniform und einer Waffe, die einem AK-47 ähnlich sieht, und versucht deutlich, den Stil der Videos von Osama bin Laden zu imitieren. Douglas fordert darin, die Rechte der unterdrückten schwarzen Bevölkerung zu verteidigen und erklärt, dass er unschuldig und ohne Prozess zwei Jahre im Gefängnis gesessen habe, weswegen er nun geflohen sei. Mit dem Video reagierte die Gruppe auf die Ermordung des PNC-Mitglieds Shaka Blair durch die Polizei wenige Tage nach dem Tod Frasers.

Während des Begräbnisses von Blair wurden Flugblätter verteilt, in denen die „Fünf für die Freiheit“ die Ermordung von 140 Afroguyanern durch die Polizei in dem Zeitraum seit der Regierungsübernahme durch die PPP beklagten. Sie stellten weiterhin fest, daß sie nicht nachgeben würden, für eine „afroguyanische Nation“ zu kämpfen.

Der unabhängigen Tageszeitung „Starbroek News“ zufolge verteilt die Gruppe auch unter Soldaten und Offizieren Flugblätter, in denen diese aufgefordert werden, sich nicht im Kampf der PPP „gegen die schwarze Bevölkerung“ missbrauchen zu lassen und „gegen die Regierung aufzustehen, sowie gegen höhere Offiziere“.

Die Regierung hat die Ausstrahlung des Videos aufs Schärfste verurteilt und darauf hingewiesen, dass es dazu beitrage „die Unsicherheit und die Angst, die heutzutage die guyanische Gesellschaft im Griff haben, weiter zu verstärken“ und „Öl ins Feuer der sektiererischen Gewalt und des Hasses zwischen den Ethnien zu gießen“. Allerdings veröffentlichte ein vor kurzem eingesetztes Komitee, das über den Zustand von Fernsehen und Rundfunk berichten sollte, eine Erklärung, in der die Reaktion der Regierung mißbilligt wurde. Vielmehr habe „die Mehrzahl der TV-Sendungen einen beleidigenden, anklagenden, tendenziösen und aufhetzenden“ Charakter.

Die bewaffnete Bande um Douglas hat ihre Angriffe inzwischen ausgeweitet. Ihre letzten großen Aktionen waren ein Angriff auf eine Polizeistation und ein Überfall auf ein Geschäft mitten im Zentrum der Hauptstadt Georgetown mit insgesamt zwei Toten und vielen Verletzten. Gleichzeitig eskalieren die politischen Probleme zwischen der PPP und der PNC, den zwei erbitterten Kontrahenten seit der Zeit, als Guyana vor 36 Jahren die Unabhängigkeit erlangte.

Die oppositionelle PNC von Desmond Hoyte hat nun erneut einen Boykott des Parlaments aufgenommen. Sie wirft dem Parlament vor, Handlanger der Regierungsmehrheit zu sein. Verschiedene Sektoren der Zivilgesellschaft haben an die politischen Führer und Führerinnen des Landes appelliert, den Dialog wieder aufzunehmen und eine gemeinsame Strategie zum Thema der Gewalt und der Unsicherheit zu erarbeiten. Die Tageszeitung „Starbroek News“ sagte dazu, dass „der Fall aufgehört habe, ein einfaches kriminaltechnisches Problem zu sein. Er sei „vielmehr zu einer Gefahr für den zerbrechlichen Pakt geworden, der die Gesellschaft zusammenhält.“

  

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