Poonal Nr. 484

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 484 vom 29. Juni 2001

Inhalt


 

NICARAGUA

HAITI

PANAMA

KOLUMBIEN

PERU

URUGUAY

LATEINAMERIKA


 

INHALT

NICARAGUA- Indigene Gemeinschaften klagen Raub von Edelhölzern an

HAITI – Der Fall Jean Dominique: Scheideweg für die haitianische Justiz

PANAMA – Streit um Friedhof

KOLUMBIEN – Kommentar: Der Gefangenen-Austausch ein wichtiger Schritt – aber im Friedensprozess viele offene Fragen

PERU – Katholische Würdenträger weisen das Gesetz über die neuen Scheidungsgründe zurück – Vertreter*innen von lokalen Radiostationen treffen sich

URUGUAY – Bevölkerung in Armutsvierteln wuchs in vier Jahren um 2000 Prozent – Trockengefrierfabriken senken ihre Produktion – Ein Fünftel aller Bürger*innen lebt im Ausland

LATEINAMERIKA – Kindersoldaten – Experten fordern angesichts verheerender Überschwemmungen und Erdbeben ein Umdenken in der Entwicklungspolitik

 

NICARAGUA

Indigene Gemeinschaften klagen Raub von Edelhölzern an

Von Trinidad Vásquez

(Managua, 20. Juni 2001, alc-Poonal).- Indigene Gemeinschaften zeigen sich besorgt über den größer werdenden Schmuggel von Edelhölzern in der nordatlantischen Region von Nicaragua. Aufgrund des Fehlens eines Forstgesetzes und einer Abgrenzung der Gebiete der verschiedenen Ethnien breitet sich der illegale Handel mit den Hölzern aus.

Der indigenastämmige, karibische Abgeordnete Stedman Fagoth verglich das Ausmaß der Abholzung mit dem Wirken eines permanenten Hurrikans. Er machte dafür eine Edelholzmafia verantwortlich, die im Naturschutzgebiet von Bosawás operiere. Fagoth bestätigte, dass es eine organisierte Mafia gebe und er bezog darin auch die Regierung mit ein, da niemand ohne Wissen des Staates Mahagoni-Holz exportieren könne. Er versicherte, dass die Zollbehörde bestens darüber informiert sei, wohin diese Edelhölzer gebracht werden, die über Puerto Cabezas oder Managua ins Ausland verschifft würden.

Andere Quellen bestätigten, dass der Umweltschutzminister (MARENA) Roberto Stadthagen und die Direktorin des Forstinstituts Sandra Tijerino im vergangenen Jahr einem Unternehmen ohne Gesetzesgrundlage erlaubt hätten, Mahagoni- und Zedernholz auszuführen.

Norman Bent, Pastor von der Morava-Kirche und spezieller Beauftragter für die indigenen Gemeinschaften, wies darauf hin, dass das Problem auch deswegen so besorgniserregend sei, weil sehr viele Gruppen Edelhölzer auf Land der indigenen Gemeinschaften fällen würden. In manchen Fällen sähen sich diese sogar selbst gezwungen, die Hölzer zu verkaufen, um überleben zu können.

Der Vorsitzende der Umweltkommission der Nationalversammlung bestritt, von illegalem Handel mit Edelhölzern Kenntnis zu haben, versprach jedoch, die Situation vor Ort zu untersuchen. Der Ältestenrat der Indigenen Völker drohte unterdessen mit Wahlenthaltung, falls die Regierung weiterhin diese Probleme ignoriere und nicht an einer Neufassung des Gesetzes über die Autonomie der Atlantischen Küstenregion arbeite.

 

HAITI

Der Fall Jean Dominique: Scheideweg für die haitianische Justiz

(Port-au-Prince, Juni 2001, Poonal) Die Affäre des Untersuchungsberichts über den Mord an Jean Dominique, Direktor des haitianischen Radios ‘Radio Haiti Inter’, und an Jean-Claude Louissaint, Sicherheitsbediensteter des Radiogebäudes, schlägt immer höhere Wellen. Der mit der Sache betraute Untersuchungsrichter Claudy Gassant hat sich am 16 Juni in die USA abgesetzt, nachdem er drei Tage zuvor dem Justizminister Garry Lissade seinen Rücktritt angekündigt hatte.

Kurz bevor Gassant das Flugzeug bestieg, erklärte er der Presse, dass er seine Entscheidung aus familiären Gründen sowie aus Sicherheitserwägungen getroffen habe, obwohl er von verschiedenen nationalen wie auch internationalen Menschenrechtsorganisationen dazu ermutigt worden war, die Untersuchung weiterzuführen.

Zuvor hatte Claudy Gassant die Fortsetzung seiner Arbeit an zwei Bedingungen geknüpft: erstens die Amtsenthebung des Friedensrichters Gabriel Ambroise, der parallel zur Untersuchung des Falles Jean Dominique eine Untersuchung zugunsten des in den Fall verwickelten und in Untersuchungshaft sitzenden Senators Dany Toussaint angestrengt hatte, sowie zweitens gerichtliche Maßnahmen gegen den den Kommissar und Verkehrsdirektor Evens Saintuné zu ergreifen, mit dem es zu heftigen Auseinandersetzungen in dieser Angelegenheit gekommen war.

Auf einer Pressekonferenz am 18 Juni gab nun der Justizminister bekannt, dass seine Behörde bereit sei, Claudy Gassant zur Seite zu stehen und versprach ebenso, dass gerichtliche Massnahmen gegen den Friedensrichter Gabriel Ambroise eingeleitet werden würden. Was den Kommissar Evens Saintuné betreffe, so würden die gegen ihn erhobenen Vorwürfe von den Polizeibehörden überprüft werden, versicherte der Minister.

Kurz vor der dieser letzten Stellungsnahme des Justizministers hatten mehrere nationale sowie auch internationale Menschenrechtsorganisationen beklagt, dass dem Untersuchungsrichter Claudy Gassant jegliche Rückendeckung von seiten der haitianischen Behörden verwehrt würde (darunter Reporter ohne Grenzen, Amnesty International, die Nationale Vereinigung für die Verteidigung der Menschenrechte Haitis und Écho Voix Jean Dominique). Écho Voix Jean Dominique hatte den Justizminister darauf hingewiesen, die haitianische Öffentlichkeit erwarte von ihm die Erfüllung seiner Pflichten und Aufgaben.

222 Persönlichkeiten des internationalen öffentlichen Lebens, die sich um die Internationale Vereinigung der Gerechtigkeit für Jean Dominique gruppieren, eine Initiative des amerikanischen Schauspielers Jonathan Demme, verurteilten jüngst das Vorgehen des Senators Toussaint, der als Verdächtiger in der Mordsache Jean Dominique angesehen wird. In ihrem öffentlichen Brief an Präsident Aristide vom 15 Juni fordern sie außerdem, dass alle notwendigen Massnahmen ergriffen werden sollen, die die Ergebnisse und Erkenntnisse des Untersuchungsberichtes von Richter Gassant in die Tat umsetzen.

Der Justizminister ließ daraufhin verlautbaren, dass die Anklageschrift des Regierungskommissars Josué Pierre-Louis am 19 Juni das gerichtliche Verfahren in Gang setzen werde.

Im Zusammenhang mit der Untersuchung des Mordes an Jean Dominique sitzen derzeit sechs Tatverdächtige hinter Gittern – auch sind zwei Haftbefehle gegen diejenigen Personen ausgestellt worden, die sich den Befragungen durch den Richter Gassant entzogen haben. In Sachen dieser beiden Haftbefehle wurde bisher von Behördenseite noch nichts unternommen. Sie betreffen einen ehemaligen Militär, Richard Salomon, sowie einen Arzt, Alix Charles, der den verschwundenen Körper des Verdächtigen Jean Wilner Lalane medizingerichtlich untersuchte. Doktor Charles hat sich ins Ausland abgesetzt.

 

PANAMA

Streit um Friedhof

(Panama-Stadt, 25. Juni 2001, na-Poonal).- Es ist schon über ein Jahr her, dass Panama die Herrschaft über den Kanal übernommen hat. Wer über den Friedhof Corozal herrschen soll ist jedoch nach wie vor umstritten. Noch befindet sich dieser in der Hand der USA –zum großen Ärger vieler Panameños.

Nun sind zwei Rechtsanwälte von Gerichten gezogen, um die Regierung dazu zu zwingen, einen Vertrag rückgängig zu machen, der den umstrittenen Friedhof den USA überlässt. Am 11. Juni 1999 unterzeichnete der damalige Präsident Ernesto Pérez Balladares einen Vertrag, der den USA weiterhin die Oberherrschaft über den Friedhof zugestand. Die Begründung: die große Zahl an US-Bürger*innen, die dort begraben liegen. Die Gegner dieses Abkommens argumentieren, dass der Vertrag die nationalen Hoheitsrechte verletze, zumal die Mehrzahl der dort Begrabenen längst in die USA zurückgeführt worden sind. Rechtsanwalt Diógenes Arosemena glaubt, dass der Friedhof der US-Regierung als Basis für geheimdienstliche Operationen diene. Die Zeitschrift El Siglo zitierte am 20. Februar unveröffentlichte Regierungsquellen, die die Vermutung nahelegen, dass dort panamenische Opfer der US-Invasion von 1980 in Massengräbern verscharrt worden seien.

 

KOLUMBIEN

Kommentar: Der Gefangenen-Austausch ein wichtiger Schritt – aber im Friedensprozess viele offene Fragen

(Bogota, Juni 2001, ac-Poonal).- Am 2. Juni wurde schlussendlich ein Abkommen über einen humanitären Austausch geschlossen, das die Freilassung von mindestens 42 Polizisten und Soldaten mit Gesundheitsproblemen und 15 Guerilleros, die ebenfalls gesundheitliche Probleme haben, vorsieht. Das Abkommen wurde vom Friedensbeauftragten Camilo Gómez für die Regierung und von Jorge Briceño und Joaquín Gómez für die FARC unterzeichnet.

Das Dokument erwähnt den ausschließlich humanitären Charakter des Abkommens. Es stützt sich auf den Artikel 3 der Genfer Konvention und das 2. Zusatzprotokoll, wie auch auf die kolumbianischen Gesetze 418 und 548, die den allgemeinen rechtlichen Rahmen für die Friedensverhandlungen regelt und die Regierung autorisiert, Abkommen mit jenen aufständischen Gruppen zu schließen, deren politischer Charakter anerkannt worden ist.

Das Abkommen trug praktisch sofort Früchte: Nur drei Tage später wurde der Polizeioberst Alvaro León Acosta und die drei uniformierten Begleiter an der Grenze zwischen den Provinzen Tolima und Valle von der FARC freigelassen. Zur Übergabe reiste eine Delegation an, die von Camilo Gómez selber angeführt wurde und der Funktionäre des IKRK und der nationalen Ombudsstelle angehörten.

Für die Guerilleros hält das Abkommen fest, dass sie aufgrund ihrer Krankheiten nicht mehr an Kämpfen teilnehmen werden. Sie kommen nicht in den Genuss einer Amnestie oder eines Straferlasses. Die Strafuntersuchungen gegen sie werden weiter geführt und mit einem Urteil enden. Dies wirft einige Fragen auf: Werden diese Guerilleros erneut verhaftet werden, wenn die Urteile einmal gefällt sind? Hätte nicht ein anderes rechtliches Vorgehen versucht werden müssen, um in Zukunft diese Schwierigkeiten zu vermeiden oder aus welchem Grund werden die Strafuntersuchungen gegen diese freigelassenen Guerilleros weiter geführt? Dies weist auf ernsthafte Widersprüche innerhalb der staatlichen Behörden hin.

Andererseits wird der humanitäre Austausch als der größte Erfolg des vor fast drei Jahren aufgenommenen Friedensprozesses dargestellt. Das Paradoxe daran ist, dass der humanitäre Austausch im strikten Sinne nicht Teil des Friedensprozesses ist. Er ist das Resultat eines parallelen Prozesses, in den die FARC ihre größten Bemühungen steckte. Guerillachef Manuel Marulanda nahm sich mehr als einmal selber des Themas an und die Absicht war nicht ein einfacher humanitärer Austausch, sondern ein permanentes Gesetz über Gefangenenaustausch. Dem widersetzten sich die Regierung und vor allem die Armeeführung mit aller Kraft. Auch das jetzt geschlossene Abkommen beunruhigt die Armeespitze.

Doch welche Meinungen man auch immer über diesen Austausch haben mag, gewiss ist, dass wenigstens inmitten unserer jetzigen Gewalt ein Austausch aus humanitären Gründen ausgehandelt und auch wirklich durchgeführt wird. Dies ist trotz allem ein wichtiges Zeichen.

Wenn die Dinge mit der FARC wieder in Bewegung scheinen, so kommt die Annäherung mit der ELN, der zweitgrößten Aufstandsbewegung im Land, nicht voran. Die Aufnahme von Friedensverhandlungen rückt in immer weitere Ferne. Über die Begegnungszone im Süden der Provinz Bolivar wird gar nicht mehr gesprochen und die Region ist in diesen Tagen Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen zwischen kombinierten Einheiten von FARC und ELN mit den Paramilitärs.

Ein weiteres Ereignis in Bezug auf den bewaffneten Konflikt, das in den letzten Tagen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen hat, ist die scheinbare Krise innerhalb der paramilitärischen Gruppen, ausgelöst durch den Rücktritt von Carlos Castaño. Anscheinend haben Meinungsverschiedenheiten über die Art der Reaktion auf die Angriffe des Staates zum Rücktritt von Castaño geführt. Letzterer sprach sich gegen Widerstand gegen den Staat aus und erklärte sich im Gegenteil zu dessen vehementen Verteidiger. Dadurch geriet in Widerspruch zu anderen, von Salvatore Mancuso angeführten paramilitärischen Führern. Nach deren Meinung muss auf die Angriffe des Staates reagiert werden, denn die Paramilitärs hätten bereits die militärische Kapazität, um diese Angriffe abzuwehren.

Gewiss ist, dass die Krise durch einige Aktionen der Staatsanwaltschaft in der Stadt Monteria beschleunigt wurde. Die Hausdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft brachten Beweise für die engen Beziehungen zwischen Viehzüchtern, Großgrundbesitzern und wohlhabenden Kreisen wie auch bekannten traditionellen Politikern mit den kriminellen Aktivitäten der paramilitärischen Gruppen an den Tag. Mehr als 300 Unternehmen in den Provinzen Cordoba und Antioquia finanzieren die Paramilitärs. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft war ein erstmaliger ernsthafter Versuch, die wirtschaftlichen und politischen Strukturen der paramilitärischen Gruppen aufzudecken.

Eigenartig ist, dass Carlos Castaño, der unzählige Massaker angeordnet hat und der Schöpfer der Kategorie „Guerilleros in Zivil“ ist, nun Abscheu gegen die Exzesse seiner Leute empfindet und jetzt für eine sich als politisch gemäßigte ausgebende Linie spricht, welche im ganzen Land Terror gesät und die Barbarei der Gewalt gegen die Kolumbianer*innen auf die Spitze getrieben hat. Wovon tritt Carlos Castaño zurück? Gibt er das Monopol über den Tod ab, das er fortan mit den acht anderen bekannten Führern teilen will?

 

PERU

Vertreter*innen von lokalen Radiostationen treffen sich

(Lima, Juni 2001, alc-Poonal).- Vom 25. bis zum 29. Juni treffen sich in Piura, 1000 Kilometer nördlich von Lima, Vertreter*innen von lokalen Radios. In Peru heißen diese städtische Radios, in anderen Ländern sind sie als gemeinschaftliche oder Basisradios bekannt. Die Nationale Radiokoordination, ein Netzwerk, das mehrere Radiostationen in Peru betreibt, organisiert das sogenannte Erste Festival Städtischer Radios.

Die Organisator*innen betonen, dass im letzten Jahrzehnt unter der Regierung Alberto Fujimoris ein unerträglicher Druck auf die Medien ausgeübt wurde. Dieser Druck zielt darauf ab, dass die Medien nicht wirklich informieren, nicht die Wahrheit über das, was im Lande geschah., berichteten. „Wir mussten von einem Tag auf den anderen leben, ohne zu wissen, ob wir nach Hause zurückkehren würden“, so die Organisator*innen. „Deshalb wollen wir einen Ort der Zusammenkunft und des Nachdenkens schaffen, um dadurch die Arbeit der Radiostationen zu stärken,“ so sagen sie, und weiter: „Wir wollen Strategien entwickeln, um Öffentlichkeit, öffentliche Diskussion herzustellen, und um eine Bewegung zu organisieren, die über die Aufgaben der Kommunikationsmedien, über deren Verpflichtung zur Wahrheit und über die Entwicklung Perus debattiert.“

Bei der Eröffnungsveranstaltung spricht der Justizminister Diego García Sayán über den „Beitrag der städtischen Radios zur demokratischen Festigung des Landes.“ An den folgenden Tagen sprechen u.a.: Luis Dávila Loor, Ekuador, von ALER; Fernando López, Kolumbien, von AMARC; Guido Lombardi, Peru, vom Institut für Presse und Gesellschaft; Walter Albán Peralta, Peru, Ombudsmann und Ricardo Verástegui von der Internationalen Bewegung der Rentner. Der Journalist Gustavo Gorriti hält einen Vortrag mit dem Thema: „Das Jahrzehnt Fujimoris“. Zum Thema „Radio und Umwelt: Nachhaltige Entwicklung“ sprechen die ekuadorianische Ex-Präsidentin Rosalía Arteaga und der Rektor der Nationalen Universität von Piura, Edwin Vásquez.

 

Katholische Würdenträger weisen das Gesetz über die neuen Scheidungsgründe zurück

(Lima, 11. Juni 2001, alc-Poonal).- Sowohl der Vorsitzende der peruanischen Bischofskonferenz (CEP), Luis Bambarén, wie der Cardinal und Erzbischof von Lima, Juan Luis Cipriani, haben sich gegen ein Anfang Juni vom Kongress gebilligtes Gesetz ausgesprochen. Das Gesetz berücksichtigt die Tatsache der Trennung als neuen Scheidungsgrund.

Beide katholische Würdenträger gehen davon aus, dass dieses Gesetz zur Schwächung der Institution Familie im Lande beitragen wird. Sie forderten den Präsident Valentin Paniagua auf, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen, um das Gesetz nicht in Kraft treten zu lassen.

Das neue Gesetz bestimmt, dass beide Ehepartner bei einer faktischen Trennung nach zwei Jahren einzeln die Scheidung beantragen können. Der Zeitraum verlängert sich auf 4 Jahre, wenn das Paar minderjährige Kinder hat. Bambarén erklärte, das Problem der Scheidung in Peru sei nicht, das Paare nicht zusammenpassen, sondern die fehlende Vorbereitung der Paare. „Viele Paare gingen in die Ehe und dachten dabei mehr an das Bett, als daran, eine Familie zu gründen“ stellte er fest.

Cipriani merkte an: „Wir sprechen von Moral und zur selben Zeit verabschieden wir Gesetze, die es jedes Mal leichter machen, die Struktur der Ehe zu zerstören. Jemand nähert sich dem Altar und weiß, dass er zehn Türen zum gehen hat“. Der Kardinal appellierte an die Regierung sich in eine Befürworterin und Verteidigerin der Familie zu wandeln, und nicht Gesetze zu erlassen, die die Auflösung der Ehe erlauben.

Im Gegensatz dazu stellte Esther Mogollón, von der Breiten Frauenbewegung die positiven Aspekte für jene Personen heraus, die ein bisexuelles Leben führen und für jene Paare, die ihre zivile Situation regeln wollen. Sie hob hervor, dass die Frauen in Peru die gleichen Bedingungen wie die Männer haben werden. sie würden auch besser über ihre Zukunft und ihre Stellung in der Gesellschschaft entscheiden können. In Bezug auf die Position der katholischen Kirche meinte sie, dass es immer eine Gruppe von konservativen Personen geben werd, die gegen die Ehetrennung sei. Aber jeder habe das Recht sich zu irren und einen Fehler zu korrigieren.

 

URUGUAY

Bevölkerung in Armutsvierteln wuchs in vier Jahren um 2000 Prozent

(Montevideo, 23. Juni 2001, comcosur-Poonal).- In den Armutsvierteln Montevideos wuchs die Anzahl der dort lebenden Menschen um 2000 Prozent. Mitarbeiter*innen der Städtischen Verwaltung Montevideos (Intendencia Municipal de Montevideo – IMM) bekannten öffentlich, dass es keinerlei freie städtische Grundstücke mehr in der Stadt gäbe und gaben ihrer Sorge Ausdruck, Montevideo könnte sich in ein „Caracas“ mit ähnlichem Missbrauch des Baulandes wie er in der venezuelanischen Hauptstadt vorkommt, verwandeln.

Die Sorge gilt nach den Worten von Rosario Fossati, Direktorin der Abteilung Öffentliche Räume und Gebäude der IMM den illegalen Grundstücksbesetzungen, deren Probleme in Lateinamerika seit über 40 Jahren ungelöst geblieben sind. In Uruguay habe man immer gedacht, dieser „Krug würde vorüber gehen.“

Doch nach den letzten Berichten der Ende des Jahres 2000 ausgearbeiteten Volksumfrage des Nationalen Statistischen Amtes existieren in der uruguayischen Hauptstadt 307 Armenviertel (sog. Cantegriles oder Asentamientos), in denen 130 000 Familien leben. Das sind 123 000 mehr als im Jahr 1996.

 

Trockengefrierfabriken senken ihre Produktion

(Montevideo, 23. Juni 2001, comcosur-Poonal).- Die Massenschlachtungen wegen der Maul- und Klauenseuche haben dazu geführt, dass die Gefrierfleischindustrie ihre Produktion auf 25 Prozent dessen, was vor der Seuche produziert wurde, senken mußte. Wenn im kommenden Monat die Exporte nach Europa wie angekündigt wieder aufgenommen werden, könnte Rindfleisch auch wieder verstärkt verarbeitet werden.

 

Ein Fünftel aller Bürger*innen lebt im Ausland

(Montevideo, 23. Juni 2001, comcosur-Poonal).- Einer demografischen Untersuchung zu Folge, die diesen Monat im Parlament vorgestellt wurde, leben etwas 800.000 Uruguayer*innen und ihre Anverwandten im Ausland. Dies trage, so der Bericht, zur Vergreisung der uruguayischen Bevölkerung bei, da die emigrierenden Menschen meist jüngeren Alters seien.

 

LATEINAMERIKA

Kindersoldaten

(Lima, 25. Juni 2001, na-Poonal).- Obwohl die Zahl der Kindersoldaten in Lateinamerika seit dem Ende der Kriege in Mittelamerika abgenommen hat, kämpfen immer noch Tausende von Kindern und Jugendlichen in den Staatsarmeen und anderen bewaffneten Gruppen. Dies geht aus dem soeben veröffentlichten Bericht der Koalition gegen die Verwendung von Kindersoldaten (Coalición para Detener el Uso de Niños Soldados) mit Sitz in London hervor.

Die kolumbianische Guerilla Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) behauptet, dass das Mindestalter ihrer rekrutierten Soldaten bei 15 Jahren liegt. Auch das Ejército de Liberación Nacional (ELN) rekrutiert erst ab 16 Jahren. Trotzdem ist bekannt, dass in beiden Organisationen Minderjährige eingezogen werden. Außerdem sind in einigen paramilitärischen Einheiten über die Hälfte der Mitglieder unter 18 Jahren alt.

Die Mehrzahl der Regierungen hat 18 Jahre als gesetzliches Mindestalter für den Eintritt in die Streitkräfte festgelegt. Trotzdem sind die Rekruten in Cuba jünger und auch in vielen anderen Ländern dürfen sich Freiwillige ab 16 Jahren melden. Auch in Paraguay und Peru werden Minderjährige zum Militärdienst eingezogen.

Dem Bericht zufolge kann „der Militärdienst die Gesundheit und Sicherheit der Kinder ernsthaft gefährden. Einige Aspekte der Ausbildung von Rekruten, besonders Übungen mit scharfer Munition und das Krafttraining können Tod, Verletzungen oder psychische Traumata zur Folge haben. Außerdem führen die Machtverhältnisse in militärischen Institutionen oft dazu, dass die jugendlichen Rekruten Spott, Belästigungen, Missbrauch oder gar Vergewaltigungen hilflos ausgesetzt sind.“

Das wachsende Bewusstsein über die Grausamkeit, der jugendliche Soldaten ausgesetzt sind, führte dazu, dass in Argentinien der obligatorische Militärdienst abgeschafft wurde. In Bolivien, Chile, Cuba, Paraguay und Venezuela werden nun regelmäßig Untersuchungen durchgeführt und veröffentlicht.

Im Abkommen über die Rechte von Kindern werden alle Menschen unter 18 Jahren als Kinder definiert. 79 Länder haben das Zusatzprotokoll unterzeichnet, welches das Mindestalter für Soldaten auf 18 Jahre festlegt. Bislang ist dieses Protokoll aber erst von vier Ländern verabschiedet worden –keines davon aus Lateinamerika oder der Karibik.

(Mehr infos unter (www.child-soldiers.org).

 

Experten fordern angesichts verheerender Überschwemmungen und Erdbeben ein Umdenken in der Entwicklungspolitik

Von Barbara J. Fraser

(Lima, 26. Juni 2001, npl).- Frustriert schaut Simona Chico auf die kleinen, knolligen Kartoffeln, die sie mühsam aus der trockenen Erde schaufelt. „Wir hatten dieses Stückchen Land extra aufgeschüttet, um es vor Überschwemmungen zu schützen,“ berichtet sie. Doch es war umsonst: „Schaut, es sind nur wenige, armselige Kartoffeln, und viele haben auch noch Würmer,“ klagt Simona. Vor zwei Monaten stand das Feld einen halben Meter unter Wasser, Folge der sintflutartigen Regenfälle, die Anfang März das peruanische Hochland heimsuchten. Viele Flüsse traten über die Ufer und der Wasserspiegel des Titicacasees stieg unerbittlich.

Simona und ihre Familie leben am dichtbesiedelten Südufer des riesigen Titicacasees auf 3800 Meter Höhe. Nur die inzwischen verdörrten und teilweise verlassenen Parzellen zeugen heute davon, dass hier vor kurzem der Notstand herrschte und die Regierung Perus fast zwei Millionen US-Dollar als Soforthilfe zusagte. Die sengende Sonne ermüdet und lässt die Zinkdächer auf den Lehmhütten glänzen – wo die Lehmblöcke den Fluten nicht standhielten, liegen die Dächer wie kleine Mahnmale in der Landschaft verstreut.

Das Medieninteresse an der Katastrophe ist genauso verschwunden wie die hellroten Zelte, die die Regierung für die Obdachlosen aufbauen ließ. Doch das wirkliche Ausmaß des Desasters, sagen Experten voraus, werde erst in einigen Monaten bekannt. Dann werde den Bauern Saatgut fehlen und wenn die bescheidenen Vorräte aufgebraucht seien, käme der Hunger.

„Im Bezirk Puno haben wir fast jedes Jahr Notstand, Mal wegen Regen, mal wegen Trockenheit,“ sagt Nicalos Zapana, Koordinator des Notstandkomitees der katholischen Kirche vor Ort. „Wir brauchen einen langfristigen Entwicklungsplan,“ erläutert Zapana. Es bringe nichts, immer nur auf Katastrophen zu reagieren: Wenn wir auf Naturphänomene vorbereitet wären, dann wüchsen sie sich auch nicht zu Desastern aus.

Die Meinung von Zapana teilen inzwischen Experten in ganz Lateinamerika. In nur vier Jahren hat der Subkontinent eine ganze Serie fataler Katastrophen erlebt: Das Phänomen „El Nino“ 1997 an der südamerikanischen Pazifikküste, den Hurrikan Mitch Ende 1998 in Mittelamerika, das schwere Erdbeben Anfang dieses Jahres in El Salvador und wenig später die Überschwemmungen in den Anden. In der Zwischenzeit suchen kleinere Beben, Erdrutsche oder Trockenperioden die Menschen heim, so wie zuletzt Ende Juni das Erdbeben bei Arequipa, ebenfalls in den peruanischen Anden. Diese Ereignisse sind zu unscheinbar, um internationale Aufmerksamkeit zu bekommen, was freilich für die Betroffenen, die Wohnung, Nahrungsquellen oder gar liebgewonnenen Menschen verlieren, keinen Unterschied macht.

Fast immer sind, wie im Fall von Simona, diejenigen am schlimmsten betroffen, die wenig haben und Verluste nicht ersetzen können. „Als erste verlieren die Armen ihr Einkommen,“ erklärt Eduardo Franco, Direktor des Technischen Entwicklungsinstituts (ITDG) in Lima. Bauern beispielsweise verlören bei Überschwemmungen alles auf einen Schlag. Danach die ambulanten Händler, denen der Markt abhanden komme, beschreibt Franco den Teufelskreis: „Die schlimmste Folge der Desaster ist der Verlust der Einkommensgrundlage.“

Das Erdbeben, das 1999 die kolumbianische Stadt Armenia zerstörte, machte die soziale Komponente der Katastrophe augenscheinlich. Am Tag danach war die Stadt zweigeteilt: Die dicht bevölkerten, ärmeren Viertel waren Trümmerhaufen, während fast alle Häuser in den besseren Stadtteilen noch standen.

Die vielen Katastrophen und ihre verheerenden Auswirkungen in Lateinamerika haben mehrere Gründe: Zum einen die vulkanische und seismische Aktivität an der gesamten Pazifikküste. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Menschen in der Region in Armut lebt, also weder Geld zur Vorsorge hat und auch oft gezwungen ist, gefährdete Gebiete zu bewohnen und zu bebauen. Doch das Hauptproblem, beharrt Eduardo Franco, bestehe darin, wie die Regierungen mit den Desastern umgehen. „Naturphänomene werden mit Katastrophen verwechselt. Zum Beispiel hat der gleiche Regen an einem gerodeten Berghang ganz andere Folgen als in einem intakten Wald,“ erklärt Franco.

Desaster seien keine isolierten Ausnahmefälle, an denen nur die Natur Schuld hat, so Franco weiter. Man müsse sie in erster Linie als Folge sozialer Prozesse verstehen, da zumeist die Menschen für das Ausmaß der Folgen verantwortlich sind. Das Erdbeben in El Salvador Anfang dieses Jahres belegt diese Meinung auf tragische Weise. Hier kamen Hunderte Menschen ums Leben, als ein gerodeter und bebauter Abhang abrutschte. Zwar hatten Umweltschützer und auch die Behörden schon Jahre zuvor davor gewarnt, hier zu bauen. Doch Alternativen konnten sie den verarmten Bauern nicht bieten. „Es gab hier keinen anderen Platz zum Leben. Freiwillig habe ich doch nicht das Leben meiner Familie aufs Spiel gesetzt,“ sagte ein verzweifelter Überlebender den angereisten Journalisten.

Inzwischen bleiben die sozialen Folgen nicht auf die Region beschränkt. Nach Mitch und dem Erdbeben in El Salvador versuchen immer mehr Betroffene, in Richtung USA auszuwandern. Ein weiteres unfreiwilliges Risiko, dass viele mit dem Tod bezahlen. Deswegen fordert Eduardo Franko dringend ein Umdenken in der Entwicklungspolitik: Statt immer wieder Notfallhilfen zu organisieren, müssten die Regierungen den sozialen Ursachen von Katastrophen vorbeugen und in die Menschen vor Ort investieren. Dabei müssten allerdings lokale Besonderheiten und kulturelle Gegebenheiten berücksichtigt werden. „Erst wenn die Menschen wirklich von der Entwicklung profitieren, kann Vorbeugung erfolgreich sein,“ ist Franco überzeugt.

 

 

 

   

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