Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 344 vom 10. Juli 1998
Inhalt
KUBA
HAITI
GUATEMALA
EL SALVADOR
KOLUMBIEN
ECUADOR
BRASILIEN
LATEINAMERIKA
KUBA
Städtepartnerschaft Vallegrande – Santa Clara geplant
(La Paz, Bolivien, 6. Juli 1998, pl-Poonal).- Der bolivianische Ort Vallegrande und die kubanische Stadt Santa Clara haben eine Städtepartnerschaft angekündigt. Ausgangspunkt ist das historische Vermächtnis von Che Guevara, das die beiden Kommunen verbindet. Unter der alten Flugpiste von Vallegrande befanden sich bis zum 5. Juli 1997 in einem geheimen Grab die sterblichen Überreste des kubanisch- argentinischen Revolutionärs, der im Oktober 1967 dort nach seiner Gefangennahme durch bolivianische Militärs ermordet wurde. Nach der Entdeckung des Grabes durch ein kubanisches Expertenteam wurden die Gebeine Che Guevaras im vergangenen Jahr nach Santa Clara überführt. In dieser Stadt gelang Guevara und den von ihm angeführten Truppen während der kubanischen Revolution ein entscheidender Schlag gegen die Batista-Diktatur. Carlos Cortez, Bürgermeister von Vallegrande, kündigte eine baldige Reise nach Kuba an, um Einzelheiten der Städtepartnerschaft zu klären und auf eine Einladung aus Santa Clara zu antworten. Er drückte auch die Hoffnung aus, die Zusammenarbeit könne wissenschaftlich-technische Hilfe von kubanischer Seite ermöglichen, um Vallegrande zu entwickeln.
Offizielle Unternehmermission aus den USA
(Havanna, 6. Juli 1998, pl-Poonal).- Der Wirtschaftshandelsrat USA-Kuba hat nach Angaben der Zeitschrift „Negocios en Cuba“ darüber informiert, daß er mit einem der größten nordamerikanischen Reiseunternehmen die Schirmherrschaft über eine US-Delegation nach Kuba übernehmen will. Dabei wollen die an der Mission interessierten Geschäftsleute aus den USA offenbar offiziell eine Reiseerlaubnis bei der US-Regierung beantragen. Es sollen nur Vertreter*innen aus Branchen zugelassen werden, für die eine Zusage von seiten der US-Behörden wahrscheinlich ist. Dabei wird es sich nach den gültigen Regelungen vor allem um Firmen handeln, die im medizinisch-pharmazeutischen, publizistischen und touristischen Bereich tätig sind. Trotz dieser Einschränkungen würde die Delegation einen Präzedenzfall für die angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern darstellen.
Wieder hoher katholischer Würdenträger im Land
(Havanna, 29. Juni 1998, alc-Poonal). Der Kardinal Pio Laghi, im Vatikan im Rang eines Ministers unter anderem für katholische Erziehungs- und Bildungsfragen zuständig, kam zu einem mehrtägigen Besuch nach Kuba. Er bereiste die vier Diözesen der Insel, sprach mit dem Kardinal und Erzbischof von Havanna, Jaime Ortega Alamino und mit dem päpstlichen Nuntius Beniamino Stella. Auf staatlicher Seite traf er sich mit Erziehungsminister Luis Gomez und mit Mitgliedern des Büros für Religionsangelegenheiten der Kommunistischen Partei Kubas.
HAITI
Die „Freunde Haitis“ und die Krise
Kommentar von Carole Sambale-Tannert
(Port-au-Prince/Wiesbaden, Juni 1998, haiti info-Poonal).- Melden sich die „Freunde Haitis“ wieder? Das waren die Länder, die sich innerhalb der UNO besonders für die Lösung der Krise einsetzten, die nach dem Putsch gegen Präsident Jean Bertrand Arisitde während der dreijährigen Militärdiktatur von 1991 bis 1994 herrschte. Angesichts der nicht endenden politischen Schwierigkeiten in Haiti scheint dieses Modell wieder aktuell zu werden. Zumindest könnte diesen Eindruck gewinnen, wer wird das Editorial der in den USA erscheinenden haitianischen Zeitung „Haiti en Marche“ vom 31. Mai gelesen hat: Da heißt es, daß der UNO-Generalsekretär Kofi Annan mit Journalisten über die geheimen Aufträge des US-Delegierten Anthony Lake gesprochen habe. Der Abgesandte von Bill Clinton sei nicht nur in Haiti, um die Parlamentswahlen im kommenden Herbst vorzubereiten, sondern auch um möglichst viele politische Akteure für diese Wahlen zu mobilisieren.
Unter breiter Beteiligung aller politischen Parteien und eine möglichst vieler Haitianer soll ein Parlament gewählt werden, daß die Bevölkerung wirklich repräsentieren kann. Das Spiel der Demokratie also! Der UNO-Generalsekretär hatte sich zuvor in seinen Bericht an den Sicherheitsrat über die Abwesenheit einer funktionierenden Regierung in Haiti konsterniert gezeigt. Die Krise verursache schwere Schäden in der Wirtschaft und gefährde die internationale Hilfe. Außerdem bereiteten ihm Menschenrechtsverletzungen, Korruption und anderen Mißstände Sorgen, sagte Annan. Auch die Europäische Union hat durch den deutschen Botschafter ihre Sorge angesichts der Krise zum Ausdruck gebracht und nachdrückliches Interesse an breiten, repräsentativen Wahlen erklärt. Alle sorgen sich, nur nicht die beteiligten haitianischen Politiker, wie es scheint.
Breite Wahlen, die ersehnte Lösung für alle? Auf dem ersten Blick ohne Zweifel, da keine andere Lösung für den Flügelkampf innerhalb der Lavalas-Koalition in Sicht ist. Solange die OPL die Wahlen vom April 1997 nicht anerkennt, solange die Partei deswegen jede Nominierung eines Premierministers boykottiert und solange die anderen Fraktionen im Parlament keine Kompromisse machen, bleibt die Situation festgefahren.
Nun arbeitet das „Institut für Demokratie“, eine mit den US-Republikanern verbundene Stiftung schon seit längerer Zeit in Haiti und fördert sowohl an der Basis als auch für politische Kader Seminare in Demokratieführung und politischer Partizipation. Das Gegenstück der Demokratischen Partei in den USA ist ebenfalls in Haiti anwesend und bietet seinerseits politische Nachhilfe an. Seminare im Land und Besuche im Ausland häufen sich. Alle nehmen daran teil bzw. werden eingeladen daran teilzunehmen. Das betrifft auch die Neo-Duvalieristen – einer ihrer Führer, Hubert Deronceray, ist nach mehreren Jahren Exil wieder im Lande. Auch Mitglieder anderer Parteien, die mit den Putschisten sympathisiert haben, sollen geschult werden. Ebenso werden die Sympathisanten der neuen Bewegung „Lavalasfamilie“ von Jean Bertrand Aristide von den US-Stiftungen eingeladen, ihre Kenntnisse in Sache Demokratie zu erweitern. Alle machen also munter mit.
Nun stellt sich die Frage, ob die Bürgerbeteiligung an den Wahlen so hoch sein wird, wie die US-Demokraten und Republikaner es wünschen. Die Wahl von Präsident René Préval und die Parlamentswahlen haben es gezeigt: Wenn die Bevölkerung keine Hoffnung in die zu wählenden Kandidaten investieren kann, wird sie den Weg zu den Urnen gar nicht erst antreten. Wozu auch? Zu tief ist die Enttäuschung über den Jahrhunderte währenden Mißbrauch der politischen Macht. Auch die Institution Parlament hat die Prüfung im lezten Jahr nicht bestanden. Hinzu kommt: Auch wenn in der Mittelschicht einige Stimmen für einen Neo-Duvalierismus laut werden, die Mehrheit im Land wird weder den aufgewärmten und aufpolierten Slogans der Neo-Duvalieristen glauben, noch den Putschisten oder ihren Sympathisanten verzeihen. Selbst wenn sich Parteien wie die MIDH oder die PANPRA den Anschein geben, an ihrem demokratischen Image zu arbeiten.
Was bleibt übrig? Bündnisse wie die KONAKOM, das KID oder die neue Lavalasfamilie? Ihre Mobilisierungskraft bleibt noch zu beweisen. Und wer wird garantieren, daß die Verlierer bei Wahlen nicht zum Betrugsvorwurf greifen? Ein bewährtes Mittel in der gesamten Geschichte Haitis. Ein professionell arbeitender und seriöser Wahlrat soll für Objektivität sorgen, meint Kofi Annan. Wünschenswert wäre es ja, wenn die haitianischen Wähler ein Fünkchen Vertrauen in das demokratische Instrumentarium „Wahl“ setzen würden. Bleiben sie dennoch den Urnen fern, kann niemand es ihnen wirklich übel nehmen. Also zurück zu einer Regierung der Eliten, wie in den vorigen 200 Jahren? Wir drehen uns wohl im Kreise.
Dominikanischer Präsident zu Besuch
(Port-au-Prince/Wiesbaden, Juni 1998, haiti info-Poonal).- Léonel Ferandéz, Präsident der Dominikanischen Republik, kam im Juni für zwei Tage nach Haiti. Es ist der erste Besuch eines Staatschefs aus dem Nachbarland seit 62 Jahren. Damals kam der dominikanische Diktator Trujillo, der ein Jahr später 40.000 Haitianer an der gemeinsamen Grenze ermorden ließ. Seitdem sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern immer belastet geblieben. Eine leichte Entspannung deutete sich erst in den vergangenen Jahren an. So sagte Fernández denn auch, er wolle in seinen Gesprächen die nachbarschaftlichenBeziehungen festigen. Er traf mit Haitis Präsident René Préval und weiteren hochrangigen Politikern zusammen. Außerdem diskutierte er mit Geschäftsleuten und Intellektuellen.
Die haitianisch-dominikanische technische Kommission, die seit einigen Monaten zusammen arbeitet, legte den beiden Präsidenten zehn Projekte zur Unterschrift vor. Den Angaben von Außenminister Longchamp zufolge betreffen die Abkommen Bereiche wie Handel, Investitionen, Migration, Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt und natürliche Ressourcen. Außerdem wurden Projekte zu Jugend und Sport, Kultur, Bildung und Tourismus beschlossen. Einmal mehr wurden die schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der haitianischen Zuckerrohrarbeiter in der Dominikanischen Republik zum wichtigen Thema. Eines der wichtigsten Ergebnisse dürfte die Regelung des gesetzlichen Status der „Braceros“ sein. Die haitianischen Gastarbeiter auf den dominikanischen Zuckerrohrplantagen leben zum Teil rechtlich auf Niemandsland, sie sind Machtmißbräuchen der Arbeitgeber oder Gesetzeshüter ausliefert. Jetzt werden die Braceros einen Ausweis von der haitianischen Regierung erhalten.
GUATEMALA
US-Anwältin beschuldigt Militärs des Bischofsmordes
(Guatemala-Stadt, 27. Juni 1998, cerigua-Poonal).- Inmitten der mit Schneckentempo durchgeführten Untersuchungen über den Mord an Bischof Juan José Gerardi hat sich die US-amerikanische Anwältin Jennifer Harbury zu Wort gemeldet. Die Witwe des von der Armee 1992 verhafteten und vermutlich später ermordeten Guerillakommandanten Efraín Bamaca erklärte auf einer Pressekonferenz in Washington, sie habe Informationen über die Mörder des Bischofs. Sie beschuldigte 23 Angehörige der Streitkräfte, die ihr zufolge der berüchtigten Todesschwadron „Jaguar Justiciero“ angehören. Ein Zeuge, den sie aus Sicherheitsgründen nicht nennen wollte, habe ihr die Namen auf einer Liste genannt. Die Todesschwadron hatte vor kurzem im Zusammenhang mit einer Morddrohung gegen einen Bürgermeisterkandidaten auch das Verbrechen gegen Gerardi eingeräumt.
Der ermittelnde Staatsanwalt Otto Ardon sagte, er werde jede Person auf der Liste überprüfen und von der Armee Dienstpläne verlangen. Die Streitkräfte haben die Namensliste als wertlos bezeichnet. So sei einer der erwähnten Offiziere bereits vor vier Jahren gestorben. Zu den anderen benannten Personen äußerten sie sich allerdings kaum. Guatemalas Präsident Alvaro Arzú versuchte die Äußerungen von Harbury herunterzuspielen. „Leider ist die Demokratie nun einmal so. Jeder kann sagen, was er denkt, egal ob er recht hat oder nicht“, sagte er.
Einige Namen auf der Liste sind der guatemaltekischen Öffentlichkeit nicht unbekannt. So wurden Oberst Edgar Ricardo Bustamonte und Oberstleutnant Guillermo Oliva Carrera – der wegen des Mordes an der Anthropologin Myrna Mack im Jahr 1990 angeklagt ist – bereits vor zwei Jahren von dem Nachrichtenmagazin „Crónica“ als langjährige Mitarbeiter des Geheimdienstes G2 geoutet. Bustamonte war sogar zeitweise für das Archiv der Präsidentengarde verantwortlich. Diese Abteilung ist nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen das Herzstück des staatlichen Unterdrückungsapparates in der Hauptstadt während des internen Krieges gewesen.
Verkehrsreform in der Hauptstadt
(Guatemala-Stadt, 2. Juli 1998, cerigua-Poonal).- In einem Versuch, das schreckliche Verkehrschaos in Guatemala-Stadt zu lindern, gab Bürgermeister Oscar Berger 800 neue Busse frei. Außerdem verbannte er die ältesten Dreckschleudern von den Straßen – insgesamt mehr als 700. Damit finden die Lungen der BewohnerInnnen vielleicht endlich etwas Erleichterung und die Fahrten von und zur Arbeit werden etwas weniger gefährlich. Die Reformen, mit einem Bankkredit von 60 Millionen Dollar finanziert, schließen weitere Änderungen ein. Mehrere Fahrtrouten wurden geändert, um das Stadtzentrum zu entlasten. Strafen für Fahrer und Busgesellschaften, die die Verkehrsordnung mißachten, sind jetzt gesetzlich geregelt.
Die privaten Busgesellschaften, die für den Personentransport in der Hauptstadt zuständig sind, haben ihre Fahrzeuge in der Vergangenheit in den seltensten Fällen gewartet oder ausreichend repariert. Einige Busse waren mehr als 40 Jahre im Einsatz. Luftverschmutzung und die ständige Gefährdung der Passagiere waren die Folge. Viele Busse fahren ihre Routen hoffnungslos überladen ab, die Fahrer veranstalten untereinander Wettrennen, ohne dabei besonders auf Fußgänger und andere Fahrzeuge zu achten. In den zurückliegenden Jahren führte dies immer wieder zu schweren Unfällen.
Frühere Reformversuche sind stets gescheitert. Die 20 Busgesellschaften, die Regierungssubventionen erhalten, bilden eine mächtige Lobby. Selbst die mit klarer Mehrheit regierende PAN reißt sich nicht darum sie herauszufordern. Angesichts der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr hat Bürgermeister Berger – aussichtsreicher Kandidat im parteiinternen Rennen der PAN – es jedoch versucht, um sich zu profilieren. Aber nicht alle Fahrgäste sind mit den Veränderungen einverstanden. Die Fahrpreise der neuen Busse sind um zehn bis 35 Centavos gestiegen. Und: Viele Betreiber der alten Busse verlangen nun auch mehr Geld. Für die größtenteils arme Bevölkerung haben bereits Erhöhungen um wenige Centavos eine verheerende Wirkung. Außerdem sind viele Fahrtrouten gekürzt worden, so daß Fahrgäste aus den Randgebieten nun oft gezwungen sind, zwei Busse zu nehmen und damit zwei Fahrkarten zu bezahlen. Dennoch sind die bei früheren Preisanstiegen üblichen heftigen Straßenproteste bisher weitgehend ausgeblieben.
EL SALVADOR
Wenig Vertrauen in den neuen Menschenrechtsbeauftragten
(San Salvador, 8. Juli 1998, pulsar-Poonal).- Die Ernennung des Richters Eduardo Antonio Peñate Polanco zum neuen salvadoreanischen Menschenrechtsbeauftragten hat zahlreiche Kritiker*innen gefunden. Grund sind seine als schlecht eingestufte Arbeit als Richter und mehrere offene Streitfälle mit dem Obersten Gerichtshof des Landes. Während sich der Erzbischof von San Salvador, Fernando Saenz Lacalle, sich dafür ausspricht, Polanco bei seinem neuen Job gut zu beobachten, spricht ihm der lutherische Bischof Medardo Gómez die notwendigen Voraussetzungen ab. Er bezeichnet es als besorgniserregend, daß der Richter keinen Namen im Menschenrechtsbereich habe. Gómez zeigt sich von einer Ernennung aus politischen Gesichtspunkten überzeugt. Es handele sich um einen politischen Kompromiß zwischen den Parteien. Benjamín Cuéllar, Leiter des Menschenrechtsinstitutes der Zentralamerikanischen Universität nannte die Bestätigung Polancos durch das Parlament eine Unverantwortlichkeit der Abgeordneten.
KOLUMBIEN
Hoffnung auf Fortschritte im kolumbianischen Friedensprozeß –
Vermittler kamen mit Guerillavertretern in Mainz zusammen
Von Luis Martinez
(Bogotá/Mainz, 2. Juli 1998, npl).- Das Erstaunen in Kolumbien ist groß. Gerade mal eine Woche nach der Wahl des konservativen Andrés Pastrana zum Präsidenten konnte mit der Guerilla eine erste Vereinbarung geschlossen werden. In der deutschen Stadt Mainz waren am Sonntag überraschend Vertreter der Guerillagruppe ELN und des Nationalen Friedensrates CNP zusammengekommen. Im Gegensatz zu bisherigen Anläufen signalisierten beide Seiten ernsthaftes Interesse an Verhandlungen.
Das von der Vermittlungskommission initiierte Treffen fand unter großer Geheimhaltung statt, auch wenn sowohl die kolumbianische wie auch die deutsche Regierung unterrichtet waren. Ein Pressesprecher der beteiligten deutschen Bischofskonferenz erklärte auf Anfrage, daß seine Stelle zum Ablauf des Treffens „Öffentlichkeitsverhinderungsarbeit“ leisten werde. Gegenüber der kolumbianischen Presse erklärte ELN-Vertreter Pablo Beltran, für den 12. Juli sei ein offizieller Gesprächstermin vereinbart. Es werde vor allem um konkrete Maßnahmen zur Humanisierung des Konflikts gehen.
Das kurze Dokument, auf das sich beide Seiten in Mainz einigten, verspricht einen „sozialen, auf Ethik, Respekt und friedlichem Zusammenleben zwischen den Kolumbianern basierenden Dialog“. Eine kryptische Formulierung, die Neues birgt: Mit keinem Wort wird – wie früher – die Demobilisierung der Guerilla oder auch nur ein Waffenstillstand angesprochen. Statt dessen stehen gesellschaftliche Fragen auf der Tagesordnung.
Auch Alejo Vargas, Vizerektor der Universität von Bogotá, äußerte sich optimistisch. „Der geplante Dialog unterscheidet sich deutlich von den bisherigen Gesprächsversuchen.“ Die Initiative liege in den Händen des Nationalen Friedensrats und nicht der Regierung. Außerdem garantiere die internationale Vermittlung eine Kontrolle der Gespräche, wobei die Teilnahme der Europäischen Union ein Gegengewicht zum Einfluß der USA darstelle.
Der Beginn von Verhandlung ist ein Achtungserfolg für die Guerilla, die seit Ende der 80er Jahre politisch isoliert ist. Die beiden wichtigsten bewaffneten Organisationen, FARC und ELN, sind zwar seit 1990 quantitativ gewachsen, aber der schmutzige Krieg gegen Oppositionelle im ganzen Land hat den Konflikt auf eine militärische Konfrontation reduziert. Dennoch ist von der neuen Regierung nur wenig Entgegenkommen zu erwarten. Er werde „der Guerilla weder Territorium noch Staatsmacht zugestehen,“ erklärte Pastrana, der am 7. August das Präsidentenamt antritt, in der Tageszeitung „El Espectador“.
Andrés Pastrana konnte sich bei der Stichwahl am 21. Juni gegen den liberalen Ex-Innenminister Horacio Serpa vor allem wegen seiner Verhandlungsbereitschaft durchsetzen. Unter anderem hatte er direkte Gespräche mit der Guerilla im Dschungel vorgeschlagen. Bereits kurz vor den Wahlen traf sich Pastrana-Berater Victor Ricardo mit Kommandant Marulanda im Lager der Guerillaorganisation FARC.
Beobachter gehen davon aus, daß internationaler Druck entscheidend für den raschen Beginn der Gespräch ist. Unmittelbar nach der Wahl Pastranas bekundeten die Präsidenten Clinton, Chirac und Blair ihre Unterstützung für einen Friedensprozeß. Das strategisch wichtige Kolumbien ist reich an Bodenschätzen und erfreut sich trotz des Bürgerkrieges eines stabilen Wirtschaftswachstums. Doch erst nach dem Ende der Gewalt wäre das südamerikanische Land für Investoren attraktiv. Ein besonderes Interesse haben die Briten: Im Osten Kolumbiens wird eines der größten Erdölvorkommen des amerikanischen Kontinents von British Petroleum (BP) gefördert. Die häufigen Anschläge der ELN auf die Pipelines in dieser Region führten mehrfach zu Produktionsausfällen.
Die Guerilla ihrerseits wird sehr vorsichtig verhandeln. Alle drei großen Demobilisierungswellen in den vergangenen 40 Jahren endeten damit, daß keine politischen und sozialen Veränderungen zustande kamen und viele in die Legalität zurückgekehrte Rebellen ermordet wurden. Allein im vergangenen Jahr fielen dem internen Konflikt 6.000 Menschen zum Opfer. Universitäts-Rektors Vargas spricht die Angst der Kolumbianer offen aus: „Wenn der Friedensprozeß in den ersten sechs Monaten der Pastrana-Regierung nicht entscheidend vorankommt, werden wir wahrscheinlich mit vier Jahren verschärften Krieges zu rechnen haben“.
Demokratie findet nicht statt – Ein Blick auf die Medien
(Bogotá, Juni 1998, colombia popular-Poonal).- „Jede Person hat das Anrecht auf freie Meinungsäußerung, auf die Veröffentlichung ihrer Gedanken und Meinungen. Sie hat das Recht auf ehrliche und unparteiische Informationen und darf eigene unabhängige Medien gründen. Das Recht auf unzensierte, ausgeglichene Information ist jeder Person garantiert.“
So steht es in Artikel 20 der kolumbianischen Verfassung von 1991. Zweifellos ist die Pressefreiheit einer der Grundpfeiler der Demokratie. Die Medienlandschaft Kolumbiens führt dieses Prinzips jedoch völlig ad absurdum. In Kolumbien dienen Massenmedien fast ausschließlich dazu, die Machtpositionen des Establishments zu stärken oder politische, wirtschaftliche und Klasseninteressen zu verteidigen. Ein wesentliches Instrument hierzu ist die direkte Vergabe von Fernsehfrequenzen durch den kolumbianischen Staat. Dies geschieht in einer Weise, die einigen wenigen hilft, ihre privilegierten Positionen zu festigen und die Frequenzen unter denen aufzuteilen, die mit der aktuellen Regierung eng verbunden sind.
Obgleich sich bislang jede Regierung, ob liberal oder konservativ, dieses Privilegs bedient hat, sticht die noch amtierende Regierung unter Ernesto Samper Pizano durch einen übermäßig hohen Anteil von Bevorzugungen von Seilschaften hervor. Angesichts der Verbindungen von Präsident Samper mit dem Drogenhandel – das heißt der nachgewiesenen Finanzierung durch das Cali-Kartell – konzentrierten sich Samper und seine Leute auf die Modifizierung des Fernsehrechtes, um die ärgsten Kritiker zum Schweigen zu bringen.
Mit Unterstützung von Parteigenossen in Judikative und Legislative gelang es ihm – ähnlich wie seinen Vorgängern -, die Fernsehlizenzen so zu verteilen, daß eine informative Berichterstattung beinahe unmöglich gemacht wurde. Die nationale Fernsehkommission, sie ist ein Regierungsorgan, beurteilte in den letzten Monaten die Sender nach vollkommen subjektiven Maßstäben. Das führte dazu, daß kritische Nachrichtenprogramme wie das im Besitz von Gabriel García Márquez und der Familie Marías befindliche QAP sanktioniert wurden. Der Nachrichtensender, der als einer der wenigen über Korruption und staatliche Menschenrechtsverletzungen berichtete, nahm aus Protest gegen die staatliche Vorgehensweise gar nicht mehr an der Neuausschreibung der Frequenzen teil.
AM PM hingegen, ein Programm und Kanal der sozialdemokratischen Partei M-19, wurde trotz Professionalität und unabhängiger Berichterstattung einfach von der Ausschreibung ausgeschlossen. So haben denn bei der Neuvergabe der Frequenzen diejenigen das Rennen gemacht, die von Anfang an als Favoriten galten – Die beiden stärksten wirtschaftlichen Gruppen des Landes, beziehungsweise ihre Sender: RCN, im Besitz des Unternehmers Ardila Lule und CARACOL von der Wirtschaftsgruppe Santo Domingo.
Auch bei der Vergabe der Radiofrequenzen wurden unverfroren die Freunde und Komplizen der Samper-Administration gefördert. Dabei gibt es im Augenblick interessanterweise eine Polarisierung innerhalb des Establishments. Auf der einen Seite befinden sich die Anhänger Sampers und Serpas. Auf der anderen Seite diejenigen, die sich einen Regierungswechsel wünschen. Neben dem in der Stichwahl zum kommenden Präsidenten gewählten Andrés Pastrana von der Konservativen Partei sind das der liberale Politiker Valdivieso, sowie die Präsidentschaftskandidat*innen Noemi Sanín und General Haroldo Bedoya und schließlich der „unabhängige“ Politiker Mockus, der es schaffte, in der Hauptstadt Bogotá zum Bürgermeister gewählt zu werden.
Die jeweiligen Besitzer von Frequenzen lassen im allgemeinen gut auf die politischen Absichten eines Nachrichtensenders schließen: „Hora Cero“ gehört direkt zu Sampers Gruppe D'ARTAGNAN. Die alteingesessene Oligarchenfamilie López stützt sich auf den „NOTICIERO DE LA 7“, die „NOTICIAS DE LA NOCHE“ sind eine Art Entschädigung für Diego Betancourt, den Sohn des Expräsidenten Belisario Betancourt. „24 HORAS“ repräsentiert immer noch den rechtskonservativen Flügel des vor zwei Jahren unter ungeklärten Umständen ermordeten Politikers Alvaro Gómez Hurtado. „TV HOY“ gehört der Familie Pastrana, die 1970-74 bereits den Präsidenten stellte und nun mit Andrés Pastrana erneut die Wahlen gewonnen hat.
Der Journalist Yamid Amad ist Besitzer von „CM“, während die Nachrichtensendung „EL NOTICIERO NACIONAL“ genauso wie „7:00 AM CARACOL“ die Interessen des größten Getränkekonzerns BAVARIA vertritt. „RCN AL DIA“ gehört zum Firmenagglomerat Ardila Lule, „UNINOTICIAS“ gilt als das Steckenpferd von Expräsident Turbay Ayala und „EN VIVO 9:30“ gehört den Journalisten Javier Ayala und Darío Restrepo, die ebenfalls eng mit dem liberalen Parteiapparat verwoben sind.
Doch damit nicht genug. Auch sämtliche Tages- und Wochenzeitungen sind Sprachrohre des politischen Establishments: Die Tagszeitung „EL TIEMPO“ ist Eigentum der Familie Santos, aus deren Reihen bereits zwei Präsidenten kamen. Die Tageszeitung „EL ESPECTADOR“ gehörte bis vor kurzem den Canos, wurde mittlerweile jedoch von Bavaria geschluckt, deren Projekt es offensichtlich ist, ein Informationsmonopol aufzubauen. „EL NUEVO SIGLO“ repräsentiert wie der Fernsehsender „24 HORAS“ den Clan der Gómez Hurtados, die Tageszeitung „LA REPÚBLICA“ ist, obgleich ein Wirtschaftsblatt, das Ziehkind der Familie Ospina, aus deren Reihen einer der bisher rechtesten Präsidenten Kolumbiens, Ospina Pérez, kam. „EL PAíS“ aus Cali wird von den Lloredas angeführt, das Blatt „EL COLOMBIANO“ aus Medellín von Gómez Martínez, die „VANGUARDIA LIBERAL“ aus Bucaramanga und die Zeitung „EL NUEVO DIA“ aus Ibagué sind die Standarten des Politikers Galvis Galvis.
„EL ESPACIO“ gehört der Politikerfamilie Ardila Casamijana. Die wichtigste Wochenzeitung „SEMANA“ ist Eigentum von Felipe López, dem Sohn des Expräsidenten Lopez Michelse. „CROMOS“ ist ein weiteres Sprachrohr der Santo Domingo- Unternehmensgruppe, die in diesem Fall mit Bavaria zusammenarbeitet. „CAMBIO 16“ ist ein Ableger des spanischen Namensvetters, hat aber kolumbianische Gesellschafter und „AL+“gehört wiederum zum Konsortium „El Tiempo“.
So bleiben als einzige Ausnahmen in dieser hochmonopolisierten Medienlandschaft die Zeitschrift „ALTERNATIVA NUEVA ÉPOCA“, die als Versuch der linksliberalen Soziologen und Publizisten Alfredo Molano, Gloria Triana und Orlando Fals Borda gegründet wurde, sowie die Dreimonatspublikation des jesuitennahen Bildungsinstituts CINEP „CIEN DIAS“. Den beiden Projekten gebührt schon allein deswegen Respekt, weil sie sich mit sozialen und Menschenrechtsthemen auseinandersetzen, die ansonsten völlig totgeschwiegen werden.
Daß letzteres in Kolumbien lebensgefährlich ist, zeigt die Geschichte der linken Wochenzeitung „LA VOZ“, auf die mehrere Bombenanschläge verübt wurden. Einige Straßenverkäufer wurden allein deswegen erschossen, weil sie „LA VOZ“ vertrieben. Auch die „CIEN DIAS“ gerät zunehmend unter Druck. Letztes Jahr wurden zwei Mitarbeiter des Bildungsinstituts CINEP, die auch für die Publikation der Stiftung schrieben, in Bogotá ermordet – nach Angaben der „Washington Post“ standen Geheimdienstagenten der XX. Heeresbrigade hinter dem Anschlag. Und jetzt müssen die Herausgeber der „ALTERNATIVA“ verstärkt um ihr Leben fürchten. Anfang Mai veröffentlichte die in solchen Fällen gutinformierte Tageszeitung „El Tiempo“ eine Todesliste der Paramilitärs, auf der der Bogotaner Soziologe und Mitbegründer der „ALTERNATIVA“, Alfredo Molano, ganz oben auftauchte.
ECUADOR
Ein Konservativer und ein Populist stellen sich Stichwahl
Von Blanca Diego
(Quito, 5. Juli 1998, npl).- Ein populistischer Multimillionär und ein neoliberaler Konservativer stehen sich am 12. Juli in der Stichwahl um die Präsidentschaft Ecuadors gegenüber. Im dem Wahlkampfduell der vergangenen Wochen ist vieles versprochen und viel schmutzige Wäsche gewaschen geworden. Zur Lösung der akuten Probleme des kleinen südamerikanischen Landes haben beide jedoch kaum Konkretes zu bieten. Das Klimaphämonen „El Niño“ hat Schäden in Höhe von drei Milliarden Dollar angerichtet, sintflutartige Regenfälle haben Straßen und Wohngebiete zerstört. Der Wiederaufbau wird durch die Wirtschaftskrise im andinen Ecuador erschwert. Das durchschnittliche Einkommen pro Kopf und Jahr liegt heute um 23 Prozent unter dem Stand von 1986.
Jamil Mahuad, Kandidat der konservativen „Democracia Popular“ (DP), war aus dem ersten Wahlgang vor gut einem Monat mit 35 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgegangen. Knapp 27 Prozent konnte Alvaro Noboa von der „Roldonistischen Partei Ecuadors“ (PRE) auf sich vereinen. Mit jeweils rund 15 Prozent mußten sich die beiden Kandidaten der Linken zufrieden geben. Der sozialdemokratische Ex-Präsident Rodrigo Borja und der Journalist Freddy Ehlers, dessen „Neue Partei“ von den einflußreichen Indigena-Organisationen unterstützt wurde, hatten sich im Vorfeld nicht auf eine gemeinsame Liste einigen können.
Hoffnungslosigkeit und Apathie
Ecuador durchlebt eine politische Krise, Hoffnungslosigkeit bis hin zu Apathie prägt das öffentliche Leben. Die für das Land ungewöhnlich hohe Wahlenthaltung von über 30 Prozent am 31. Mai belegt dies. „Alle nationalen Institutionen haben das Vertrauen der Menschen verspielt: Gewerkschaften, Unternehmer, Universitäten und die politischen Parteien,“ meint Gewerkschaftssprecher Paul Mancero. Jahrelange Vetternwirtschaft und Korruption seien der Grund für das allgemeine Mißtrauen.
Dramatische Ausmaße nahm die Korruption in den sechs Monaten Präsidentschaft von Abdala Bucaram an. Nach seinem Wahlsieg Mitte 1996 teilte der Populist Bucaram die Posten und Pfründe des Staates unter seinen Günstlingen auf. Statt der versprochenen Wohltaten für das Volk stiegen Preise und Arbeitslosenrate. Nach wochenlangen Straßenprotesten erklärte das Parlament den Präsidenten für „geistig unzurechnungsfähig“ und setzte ihn Anfang 1997 ab. Die folgende Übergangsregierung erfüllte die Hoffnungen auf eine Besserung der Lage ebenfalls nicht.
Heute fragen sich viele, was die erfolgreichen Proteste gegen Bucaram gebracht haben. Wie konnte es kommen, daß so viele für Alvaro Noboa stimmten, der für die Bucaram-Partei PRE kandidiert? „Nur die Wohlhabenden fürchten den unberechenbaren Noboa, die Armen haben mit ihm nichts zu verlieren,“ glaubt Paul Mancero. Es sei ein „Votum aus Wut und aus Hoffnungslosigkeit“ gewesen. Es zeigt sich, daß das Fehlen traditioneller Parteien mit klaren politischen Konzepten erneut dazu verleitet, populistischen aber gehaltlosen Parolen zu folgen.
Dennoch hat Jamil Mahuad am kommenden Sonntag die besseren Chancen, in den Umfragen führt er mit acht Prozent Vorsprung. Trotz erheblicher Differenzen unterstützen die beiden Mitte-Links-Parteien wie auch die rechte „Sozialchristliche Partei“ (PSC) Mahuads Kandidatur. Die PSC war ohne eigenen Kandidaten angetreten und stellt im ebenfalls neu gewählten Parlament die größte Fraktion. „Mahuad ist kein Günstling der Bucaram-Clique,“ begründet Ex-Präsident Rodrigo Borja die Schützenhilfe für den Konservativen. Alvaro Noboa, Erbe eines Imperiums von 105 Unternehmen im Wert von geschätzten 2,5 Milliarden US-Dollar, ficht dies nicht an. Mit seinem Leitspruch „Ich bin so reich, daß ich es nicht nötig habe, korrupt zu sein,“ versucht er, die Wähler von seiner Rechtschaffenheit zu überzeugen.
BRASILIEN
Diskussionen um Versetzung eines schwarzen Bischofs
(Salvador, 6. Juli 1998, alc-Poonal).- Monseñor Gilio Felicio hatte sein Amt als Hilfsbischof in der Erzdiözese von Salvador da Bahia kaum angetreten, da wurde er von der Millionenstadt in die Provinz des Bundesstaates Bahia versetzt. Grund dafür dürfte seine Auffassung gewesen sein, daß die afrobrasilianischen Religionen toleriert werden müßten. Der 48jährige, selbst schwarzer Hautfarbe, hatte sich seit längerem speziell der Pastoralarbeit für die Schwarzen angenommen. Er war der erste Schwarze Geistliche, der in der Kirchenhierachie von Salvador eine wichtige Position innehatte. Doch das von ihm gezeigte Verständnis für die afrobrasilianischen Religionen stieß bei seinem direkten Vorgesetzen, dem Kardinal und Erzbischof Lucas Moreira Neves auf wenig Gegenliebe. Dieser schickte ihn flugs nach Cruz das Almas, 160 Kilometer von der Hauptstadt des Bundesstaates entfernt. Innerhalb der katholischen Kirche hat der Fall die Diskussion über den Synkretismus, die Vermischung verschiedener Religionen, neu belebt.
Bischof Felicio sieht eine tiefgehende Verbindung zwischen dem katholischen Glauben und dem Candomble, der Religion der Nachfahren afrikanischer Sklaven in Brasilien. Dieser religiöse Synkretismus muß seiner Meinung nach von der katholischen Kirche studiert und toleriert werden. Kardinal Moreira sieht das anders. Er werde weiterhin den Synkretismus bekämpfen, so seine Äußerung im Interview. Als die afrobrasilianischen Religionen verfolgt und verboten wurden, habe es berechtigte Unterstützung für sie gegeben. Jetzt, mit völliger Glaubensfreiheit in Brasilien müsse jeder seinem Glauben ohne Vermischungen folgen, erklärte der Kirchenhierarch.
Den katholischen Heiligen entsprechen im Candomble beispielsweise die Orixas, die ebenso verehrt werden. Erstaunlicherweise leugnen viele Menschen in Bahia in den Zeiten der völligen Religionsfreiheit offiziell, der afrobrasilianischen Religion anzuhängen.
Mahagonibäume nach wie vor gefährdet
(Brasilia, 26. Juni 1998, alc-Poonal). Greenpeace Brasilien hat eine Kampagne begonnen, damit der Handel mit Mahagoniholz, dem Hauptexportprodukt der Holzindustrie, kontrolliert und das Fällen der Bäume für mindestens weitere zwei Jahre verboten wird. Am 26. Juli 1998 läuft ein Regierungsdekret aus, das die Lizenzerteilung für die Ausbeutung des Edelholzes in der Amazonasregion untersagte. Nach Greenpeace-Angaben sind die Mahagonibäume bereits aus weiten Teilen des Amazonas verschwunden.
Nicht-Regierungsorganisationen und verschiedene Regierungen wollen erreichen, daß das Mahagoniholz in der Internationalen Konvention über den Handel mit Flora und Fauna aufgeführt wird. Handelskontrollen sollen so die Vernichtung von Baumsorten verhindern. Greenpeace sieht das Umwelterbe des Amazonasgebietes und der dort lebenden Gemeinden gefährdet, wenn nicht konkrete Maßnahmen zum Schutz der Mahagonihölzer ergriffen werden.
LATEINAMERIKA
Machismo in Politik und Rechtsprechung auf dem Rückzug –
Frauen könnten im Jahr 2000 drei Länder regieren
Von Victor Sukup
(Buenos Aires, Juni 1998, npl).- Wird von lateinamerikanischen Männern geredet, ist der Begriff „Machismo“ schnell zur Hand. Er hat inzwischen Einzug in andere europäische Sprachen gehalten. Das kommt nicht von ungefähr, auch wenn es sich um ein recht oberflächliches Klischee handelt. Doch während in Europa weibliche Staatsoberhäupter noch heute eine Ausnahme sind, haben in Südamerika gleich drei Frauen gute Chancen, zur Jahrtausendwende das höchste politische Amt zu bekleiden.
Eine dieser Frauen ist bereits seit Ende vorigen Jahres Regierungschefin im kleinen Guyana, der ehemaligen britischen Kolonie östlich von Venezuela. Janet Jagan wurde gewählt, nachdem ihr Ehemann Cheddi Anfang 1997 gestorben war. Als indischstämmiger Staatschef vertrat er die Mehrheit der Guyanesen, seine Witwe hingegen ist eine aus den USA stammende Weiße, die Cheddi als Student der Zahnheilkunde in den USA kennenlernte. Die ethnische Frage ist die größte Herausforderung der Regierung Janet Jagan: Die indischstämmige Mehrheit, stets in Rivalität mit der schwarzen Minderheit im Lande, bangt um ihre Privilegien. Jetzt versucht die größte Oppositionspartei, die Wahl der ersten Premierministerin wegen ihrer früheren US-Staatsbürgerschaft nachträglich anzufechten.
Im Nachbarland Venezuela gehört Irene Saez zu den großen Favoriten für die Präsidentschaftswahl im Dezember. Die 37jährige Bürgermeisterin von Chacao, dem Nobelviertel der Hauptstadt Caracas, war vor 17 Jahren Miß Universum, was ihr später den Einstieg in die Politik erleichterte. Saez kann aus dem allgemeinen Unmut über die traditionellen Parteien, die das Land im Lauf der Jahrzehnte ruiniert haben, Kapital schlagen. Monatelang führte die Politikerin die Umfragen mit großem Abstand an. Seitdem Saez jedoch von der christdemokratischen Partei COPEI unterstützt wird, verliert die vormals Unabhängige an Popularität. Ihr schärfster Konkurrent, Ex-Putschist Hugo Chávez, hat sie derzeit in den Umfragen vom ersten Platz verdrängt. Schwer zu sagen, welchen Kurs Irene Saez im Falle eines Wahlsieges einschlagen wird. Eine konservative Politik, freies Unternehmertum und konsequentes Vorgehen gegen die ausufernde Kriminalität verspricht ihr Wahlprogramm. Und Hilfe für die Armen und Benachteiligten, wie sie stets betont.
Brisanter ist da schon ist die Frage der Nachfolge von Präsident Carlos Menem in Argentinien. Bereits zwei Frauen haben dort umstrittene Rollen an der politischen Spitze gespielt: Eva Duarte de Perón, eine in den 50er Jahren wenig erfolgreiche Schauspielerin, die später als Ehefrau des Caudillos Juan Perón um so mehr als Idol der Massen umjubelt wurde. Mehr noch als der Präsident begründete die junge Frau den Mythos des Peronismus. Ein Vierteljahrhundert später kam die ehemalige Kabarett-Tänzerin María Estela an die Macht, nachdem ihr Gatte Perón während seiner zweiten Machtperiode im Juli 1974 verstarb. Auch bekannt als Isabel, führte sie im Alter von 44 Jahren mit einer äußerst korrupten Regierung das Land ist eine Krise, die 1976 zum Putsch der Militärs führte.
Die heutige Anwärterin auf das höchste Amt unterscheidet sich nicht nur im Alter grundlegend von beiden. Die 67jährige Graciela Fernandez Meijide, eine Frau der gebildeten Mittelschicht, ist allein durch eigene Verdienste – und ursprünglich durch einen schweren Schicksalsschlag – zur Spitzenpolitikerin geworden. Als Mutter eines „Verschwundenen“ der Diktatur war sie in der Menschenrechtsbewegung aktiv und wurde in den letzten Jahren zu einer überaus populären Persönlichkeit. Die tiefen Falten unter ihren Augen wurden zu einem Symbol für das Trauma der Militärdiktatur, der bis 1983 Tausende von Menschen zum Opfer fielen. Meijide gilt als Verkörperung von Ehrlichkeit, Verantwortung und demokratischer Gesinnung – in diametralem Gegensatz zum heutigen Staatschef.
Die Abgeordnete im argentinischen Parlament, die in Umfragen Spitzenwerte erreicht, muß sich noch innerhalb der Oppositionskoalition durchsetzen, in der sie den gemäßigt linken Flügel gegen den eher konservativeren Bürgermeister von Buenos Aires, Fernando de la Rua, vertritt. Seit ihrem Sieg bei den Regionalwahlen in der traditionell peronistischen Provinz Buenos Aires ist es wahrscheinlich, daß sie die Opposition in die Wahl Ende 1999 zu führen.
Nur vier Frauen hatten bislang das höchste Staatsamt in lateinamerikanischen Ländern inne. Als einzige konnte Violeta Chamorro ihre Amtszeit zu Ende führen. 1990 wurde die konservative Politikerin für sechs Jahre gewählt und löste den Sandinisten Daniel Ortega an der Spitze Nicaraguas ab. Lydia Gueiler regierte Bolivien gerade mal sieben Monate, bis sie – wie Isabel in Argentinien – einem General weichen mußte. Nur zwei Tage lang amtierte Rosalia Atreaga in Ecuador. In Zuge der Verfassungskrise im Februar 1997 hatte sich die Vizepräsidentin zur Nachfolgerin des durch Massenproteste abgesetzten Abdala Bucarams erklärt. Gleiches tat Parlamentspräsident Fabian Alarcón, der sich schließlich durchsetzte.
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