von Andreas Behn, Rio de Janeiro
(Berlin, 17. Februar 2015, npl).- Schlechte Aussichten für Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff: Nicht einmal zwei Monate nach Beginn ihrer zweiten Amtszeit steht ihre Regierung vor einem Scherbenhaufen. Auslöser dieser Krise ist ein Korruptionsskandal beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. Die monatelangen Ermittlungen hatten sie im Oktober bereits fast den Wahlsieg gekostet. Jetzt sinken Rousseffs Beliebtheitswerte rapide, die Koalition bröckelt und die Opposition erwägt sogar einen Prozess zur Amtsenthebung.
Zögerliche Reaktion von Rousseff
Erst Anfang Februar rang sich die Präsidentin durch, ihre enge Freundin und Petrobras-Direktorin Maria das Graças Foster sowie den gesamten Vorstand des Konzerns zu entlassen. Da war die Krise des einstigen Prestige-Unternehmens und wichtigsten Energiekonzerns Lateinamerikas schon zu einem Staatsskandal geworden, der zunehmend auch die regierende Arbeiterpartei PT in Mitleidenschaft zieht. Vor gut einer Woche wurde PT-Schatzmeister João Vaccari Neto aufs Präsidium zitiert, um zu seiner Verwicklung in Schmiergeldzahlungen Stellung zu nehmen. Zuvor war die Aussage eines ehemaligen Petrobras-Managers bekannt geworden, der als Kronzeuge die Regierungspartei beschuldigte, seit 2003 bis zu 200 Millionen US-Dollar illegaler Spenden von Petrobras erhalten zu haben.
Ermittlungsrichter Sergio Moro schreckt weder vor hohen Politiker*innen noch vor steinreichen Unternehmer*innen zurück. Im Rahmen der “Autowäsche“ getauften Ermittlungen sind bereits zahlreiche ranghohe Petrobras-Manager festgenommen worden, die Bestechungsgelder erhalten haben sollen. Vor drei Monaten traf es leitende Angestellte großer brasilianischer Bauunternehmen, einige von ihnen sitzen seitdem hinter Gittern. Ihnen wird aktive Bestechung vorgeworfen.
Namentliche Nennung der Beteiligten noch im Februar erwartet
Noch im Februar wird erwartet, dass auch die Nutznießer*innen der illegalen Geschäfte namentlich genannt und dann auch vor Gericht gestellt werden. Dabei dürfte es sich vor allem um Politiker*innen der Regierungskoalition von Rousseff und ihres Vorgängers Luis Inácio Lula da Silva handeln. In den Kronzeugenaussagen war zumeist die Rede von Politiker*innen der PT, des wichtigsten Koalitionspartners PMDB und des konservativen Partners PP.
Immer wieder sickern Teile der Ermittlungen an die Presse durch, die die Informationen mit gutem Timing – vor der letzten Präsidentschaftswahl aber letztlich ohne Erfolg – gegen die Mitte-Links-Regierung von Rousseff einsetzt. Offenbar gehen die Ermittler*innen von einem Kartell großer Bauunternehmen aus, die sich durch Bestechung zahlreiche lukrative Aufträge von Petrobras sicherten. Der Erdölkonzern wiederum soll einen Extraprofit erwirtschaftet haben, indem überhöhte Preise an die Unternehmen gezahlt wurden. Dieses Geld floss schließlich in Form von illegalen Parteispenden an die Politik.
Stoßrichtung der Anklage noch unklar
Bereits vor gut zwei Jahren erschütterte ein anderer Korruptionsskandal, der Mensalão, die PT-Regierung. Nach Ermittlungen zur Veruntreuung öffentlicher Gelder und illegaler Parteienfinanzierung wurden Ende 2013 über 20 Politiker*innen und Unternehmer*innen verurteilt, darunter einige einst machtvolle PT-Größen. Auch diesmal scheint die Justiz, die in der Vergangenheit nie Interesse an Korruptionsermittlungen gegen die damals rechte Regierung zeigte, nicht locker zu lassen.
Unklar ist allerdings die Stoßrichtung der Anklage im Petrolão-Skandal. Opposition und Medien setzen darauf, dass wie beim Mensalão die PT und ihre eventuelle Parteienfinanzierung ins Zentrum des Skandals gerückt werden. Diese Linie verfolgen auch die Anwälte der inhaftierten BauunternehmerInnen: Sie sehen ihre Mandanten als Opfer von Politiker*innen, die sie geradezu zur Korruption gedrängt hätten. Im Gegensatz dazu scheint Richter Moro eher die Unternehmer*innen selbst im Blick zu haben. Die Ermittler*innen interessieren sich für den Weg des Geldes zwischen Bestechenden und Bestechlichen. Ein solches Ermittlungsergebnis dürfte in der Wirtschaft noch weit mehr Unruhe auslösen als unter den Politiker*innen, die hinter vorgehaltener Hand gerne zugeben, dass in Brasilien alle Strömungen immer schon illegale Parteienfinanzierung betrieben haben.
Beliebtheit der Präsidentin in den Keller gesackt
Dilma Rousseff ist aufgrund des Skandals in die Defensive geraten. Ihre Beliebtheit sank vergangene Woche von 42 auf 23 Prozent. Im Parlament, in dem die Rechte bei den letzten Wahlen eindeutig die Oberhand gewonnen hat, steckt ihre Regierung eine Niederlage nach der anderen ein. Und die wichtigste Oppositionspartei PSDB, deren Kandidat Aécio Neves Rousseff im Oktober nur knapp unterlag, hofft aus dem Petrolão Profit zu schlagen. Sie denkt immer lauter darüber nach, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff einzuleiten. Jüngst kam ein von der PSDB in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten zu dem Schluss, dass dieser Weg durchaus Erfolg hätte. Der Grund: Rousseff war von 2003 bis 2010 Vorsitzende des Verwaltungsrats von Petrobras. Damals hätte sie das korrupte Netzwerk auffliegen lassen können.
Korruptionsskandal beim Erdölkonzern Petrobras bringt Präsidentin in Bedrängnis von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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