Bedrohung und Gewalt: Alltag für Aktivist*innen in Veracruz

(Berlin, 04. August 2015, desinformemonos).- “Das hätten wir nie erwartet. Die beiden hätten sicher sein sollen. Wir sind wütend und entrüstet“, so Julián Ramírez, Student und Menschenrechtsaktivist in Veracruz, bei einem Telefongespräch über den Mord an dem Fotoreporter Rubén Espinosa, der Aktivistin Nadia Vera sowie drei weiteren Personen.

 

Kampf um Gerechtigkeit für JournalistInnen

Für Ramírez sind die Morde, die am 1. August im Wohnbezirk Colonia Navarte in Mexiko Stadt begannen wurden, ein schwerer Schlag gegen das Kollektiv von Studierenden und Journalist*innen in Veracruz, vor allem in Jalapa, wo Vera und Espinosa lebten.

Ramírez, ein enger Freund von Rubén und Nadia erklärt, die Morde seien aufgrund der Arbeit und des Aktivismus der beiden, stark politisch aufgeladen. Neben der Berichterstattung über die sozialen Bewegungen in Veracruz, wurde Espinosa zu einer unerlässlichen Figur bei der Verurteilung krimineller Handlungen gegen Journalist*innen im Bundesstaat. Die Bedrängnis und der Druck gegen Espinosa nahmen zu, als er gemeinsam mit anderen Kolleg*innen eine Tafel in Gedenken an die in Jalapa ermordete Reporterin Regina Martínez anbrachte. „Wenn die Forderung nach Gerechtigkeit für ermordete Journalisten nachließ, brachte er wieder Schwung in die Sache“, erinnert sich Ramírez.

Ein weiterer Wendepunkt war der Angriff gegen Student*innen aus Veracruz am 25. Juni, unter denen sich auch Ramírez selbst befand. Seiner Aussage nach „begann die Hexenjagd“ in diesem Moment.

Engagierter Journalismus und soziale Bewegungen

Auch Nadia Vera war in Mexiko-Stadt, um der Kontrolle und Verfolgung zu entgehen, die sie in den letzten Monaten erlitten hatte und die sie psychologisch stark mitgenommen hatte. „Schläge, Festnahmen, auch Festnahmen unter Zwang, das Eindringen in die Wohnung, die Tötung von Haustieren, direkte Bedrohungen auf Straßen sowie Angriffe“ zählt Ramírez auf, als er den Alltag von Aktivist*innen in Veracruz beschreibt, wo mitunter die Kommunikationsmedien mit Anschuldigungen und Verleumdungen mitmischen.

“Wir trennen die Medien von den Journalist*innen. Es gibt großartige Fachleute in schlechten Medienorganen. So war Rubén; er war sehr nah dran an den sozialen Bewegungen und berichtete über sie, mit all ihren Erfolgen und Fehltritten“. Der Menschenrechtsaktivist erklärt, die Rolle der engagierten Journalist*innen sei enorm wichtig für die sozialen Bewegungen des Bundestaates, um deren Kampf, zum Beispiel gegen Projekte der Rohstoffförderung, sichtbar zu machen.

Auch Mexiko Stadt bietet keine Sicherheit

Ramírez bittet die Welt darum, den Blick auf Veracruz zu richten, “den Staat, wo nichts und alles geschieht“. Vor allem wenn es um Wahlverfahren geht, wo die Interessen von Großgrundbesitzer*innen und Politiker*innen in Konflikt geraten und das Risiko für die Bürger*innen und Aktivist*innen am größten ist. „Wenn wir Warnungen oder Meldungen bekanntgeben, machen wir keine Scherze“.

Der Fall der fünf Todesopfer in der Colonia Navarte, markiert ein Davor und Danach: Es ist nicht nur das erste Mal, dass ein Journalist in Mexiko, nachdem er seinen Aufenthaltsort im Land geändert hat, ermordet wird, sondern auch, dass der Mord im Hauptstadtbezirk passierte, wo doch viele die Stadt für einen sicheren Ort gehalten hatten. Dieser Mythos wurde nun zunichte gemacht. Es scheint, es gäbe im ganzen Land keinen Ort mehr, an dem sich jemand, der Bedrohungen erhält, verstecken kann.

Auf die Frage, ob er Angst hat, gibt Ramírez eine gut bedachte Antwort: „Angst um mein Leben: ja, aber noch mehr Angst habe ich davor, dass wir gar nichts tun“.

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