Tamaulipas: Plage Genmais

von Luis Hernández Navarro

(Berlin, 21. März 2011, npl).- In den vergangenen Jahren hat die Plage Drogenhandel die ländlichen Regionen im Bundesstaat Tamaulipas heimgesucht. Seit einigen Jahren müssen die Landwirt*innen den Drogenkartellen Schutzgelder zahlen, um arbeiten zu können oder nicht belästigt zu werden. Verweigern sie die Zahlung, werden ihre Höfe von Auftragsmörder*innen besetzt, ihre Ernten und ihr Vieh werden geraubt. Nun werden sie zusätzlich unter der Plage Genmais zu leiden haben.

Am 8. März dieses Jahres erteilte das Landwirtschaftsministerium SAGARPA dem multinationalen Unternehmen Monsanto erstmals die Erlaubnis für die Versuchsaussaat des gelben herbizidresistenten Genmais MON 603 auf einer Fläche von weniger als einem Hektar. Der Anbau wird auf Böden kooperierender Landwirt*innen in den Landkreisen Valle Hermoso, Río Bravo und Reynosa im nördlichen Bundesstaat Tamaulipas sowie auf einem Grundstück der Autonomen Universität von Nuevo León, im Landkreis Marín stattfinden. Die Genehmigung ist ein Schritt, der der Erlaubnis des kommerziellen Anbaus der Feldfrucht voraus geht.

Entscheidung mit fadenscheiniger Begründung

Die Genehmigung wurde entgegen der Empfehlung der Kommission für Umweltzusammenarbeit in Nordamerika erteilt. Diese im Kontext des Nordamerikanischen Freihandelsvertrages (NAFTA) entstandene Einrichtung sah es in 2004 als notwendig an, Studien über die Auswirkungen des menschlichen Verzehrs von Genmais durchzuführen, bevor die Aussaat erlaubt würde. Mexiko ist eines der Länder mit dem höchsten menschlichen Maiskonsum. Obwohl es nie eine entsprechende Studie gegeben hat, genehmigte das Gesundheitsministerium MON 603.

Das Landwirtschaftsministerium erklärte, es habe den Antrag auf die Versuchsaussaat bewilligt, weil die Nutzung dieser Technologie in einem Augenblick der Nahrungsmittelkrise notwendig sei, um die Produktion zu erhöhen und die Importe zu reduzieren. Das Argument ist absolut falsch. Wie mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, wurden die gentechnisch veränderten Organismen nicht entwickelt um die Erträge zu steigern. Oft bleibt nicht nur die Ertragssteigerung aus, sondern die Erträge sind sogar häufig niedriger.

Laxere Kontrollen und größere Flächen

Die Zustimmung der mexikanischen Regierung für den erwähnten Anbau ist Teil eines ambitiösen Plans der Unternehmen, die genverändertes Saatgut produzieren, um das mexikanische Territorium und seinen Markt zu besetzen. In 2010 beantragten Monsanto und Pioneer-Dupont 11 Genehmigungen für die Versuchsaussaat von Genmais in den Bundesstaaten Sinaloa, Coahuila und Durango (Region La Laguna), Tamaulipas und Chihuahua. Die Versuchsaussaat ist der zweite Schritt, um am Ende bei der kommerziellen Aussaat anzukommen. Sie sieht größere Flächen und laxere Maßnahmen zur Biosicherheit vor.

Anfang 2011 versagte das Landwirtschaftsministerium drei Genehmigungen für die Versuchsaussaat von Monsanto-Genmais im Bundesstaat Sinaloa. Das Ministerium argumentierte, es werde mehr Information benötigt und laut einer neuen Untersuchung der Bundeskommission für die Erforschung und Nutzung der Biodiversität CONABIO (Comisión nacional para el conocimiento y uso de la biodiversidad) würden mehr einheimische Maissorten im Landesnorden existieren als bisher anerkannt [dies erschwert Genehmigungen; d. Ü.].

Für die oben erwähnten Landkreise befindet sich ein weiterer Antrag auf Versuchsaussaat in der Prüfung. Dabei handelt es sich um einen weiteren Genmais von Monsanto, der die Sorten MON 89034 und MON 88017 kombiniert.

Mexiko erlaubt, was Frankreich und Deutschland verbieten

Der Monsanto-Mais MON 603 ist resistent gegen das Glyphosat-Herbizid, das vom multinationalen Unternehmen selbst produziert wird. In Mexiko wird es unter dem Markennamen Faena gehandelt. Das Herbizid ist unter den Gegner*innen der Gentechnik bekannt, weil seine Bewertung zusammen mit der Beurteilung der Genmaissorten MON 863 und MON 810 die Grundlage dafür war, in Frankreich und Deutschland in 2009 ein Moratorium der Aussaat zu erreichen.

Der Professor für Molekularbiologie, Gilles Eric Seralini, Experte der französischen Regierung für gentechnisch modifizierte Organismen und Berater der Europäischen Union in Fragen der Biotechnologie, analysierte die Untersuchungsergebnisse bei Ratten, die mit den drei von Monsanto produzierten Genmaissorten MON 863, MON 810 und NK 603 gefüttert worden waren. Seralini stellte bei den mit Genmais gefütterten Ratten Giftstoffe in Leber und Niere, Wachstumsunterschiede, erhöhte Triclycerid-Werte sowie Fruchtbarkeitsprobleme und veränderte Fötengrößen fest. Er kam zu dem Schluss, dass der Genmais kein für die Gesundheit unbedenkliches Produkt ist.

Experimentelle Aussaat ist „erster Schritt“

Die Untersuchung Seralinis widersprach den Ergebnissen einer vorherigen Studie, die das multinationale Unternehmen finanziert hatte. Darin wurde versichert, es seien keine Unterschiede bei mit Genmais und mit konventioneller Nahrung gefütterten Ratten aufgetreten. Monsanto organisierte mit Hilfe anderer Wissenschaftler*innen eine Kampagne gegen Seralini. Dieser klagte vor Gericht wegen Diffamierung und gewann den Prozess.

Laut dem [mexikanischen] Gesetz zu Biosicherheit und Gentechnisch Veränderten Organismen ist die experimentelle Aussaat der erste Schritt, um über die folgende Versuchsaussaat schließlich zur kommerziellen Aussaat zu gelangen. Die entsprechende Gesetzgebung wurde 2005 vom Kongress mit den Stimmen mehrerer [oppositioneller] PRD-Abgeordneter und der Enthaltung weiterer PRD-Parlamentarier, die angaben, gegen das Gesetz zu sein, verabschiedet.

Moratorium gekippt – 67 Anträge bewilligt

Das Gesetz war das Instrument, das dazu benutzt wurde, das seit 1998 bestehende Moratorium abzuschaffen. Am 9. März 2009 setzte ein Präsidentendekret das de facto-Moratorium außer Kraft, das die experimentelle oder kommerzielle Aussaat von Genmais in Mexiko auf der Grundlage verbot, dass Mexiko das Ursprungsland des Mais ist.

Von 2009 bis 2011 beantragten Monsanto, Dow AgroScience, Pioneer Hi Breed und Syngenta 110 Genehmigungen für die experimentelle Aussaat von Genmais in Sonora, Sinaloa, Chihuahua, Tamaulipas, Coahuila, Durango, Nuevo León und sogar Jalisco. Es wurden bereits 67 Anträge für eine Gesamtfläche von fast 70 Hektar bewilligt. Die übrigen Anträge befinden sich in Prüfung.

Absurde Medienkampagne gegen einheimische Maisarten

Nachdem sie die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen begrüßten, haben einige Medien die Version verbreitet, dass die endemischen Maisarten nur Hunger produzieren. Diese Behauptung ist absoluter Blödsinn und eine Unverschämtheit.

Die Plage Genmais hat zusammen mit dem Drogenhandel den Landbau in Tamaulipas erreicht. Damit ist ein Brückenkopf für die Expansion im ganzen Land geschaffen worden. Diese muss dringend gestoppt werden, jetzt. Morgen wird es zu spät sein.

(Artikel aus der mexikanischen Tageszeitung “La Jornada” vom 15.03.2011)

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