(Juchitán, 20. Oktober 2019, poonal). – Soziale Aktivist*innen im mexikanischen Isthmus von Tehuantepec werden bedroht, verfolgt und arbeiten unter Lebensgefahr. Das hat eine Menschenrechtsmission bestätigt, die in der dritten Oktoberwoche im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca stattfand. Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen, Journalisten sowie sowie Vertreter*innen der deutschen, britischen, kanadischen und schweizer Botschaft beteiligten sich an der Mission. Diese fand zunächst in der Landeshauptstadt Oaxaca de Juárez und dann in mehreren vor allem indigenen Gemeinden in der Landesenge von Tehuantepec statt.
„Das Ziel der Mission war es, die Situation von kriminalisierten Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in Oaxaca kennenzulernen“, erklärte Jessica Sánchez von der feministischen Organisation Consorcio, die die Reise ausgerichtet hat. Zugleich sollten gemeinsame Maßnahmen ausgelotet werden, um die Betroffenen in der Region zu schützen. Allein in diesem Jahr seien dort schon drei Aktivisten aus indigenen Gemeinden ermordet worden, informiert Consorcio. Einen Schwerpunkt legten die Organisatorinnen auf die Lage von Frauen.
Windparks und Sonderwirtschaftszonen
Die Region ist in besonderem Maße von infrastrukturellen Großprojekten betroffen. So haben Energieunternehmen im Isthmus von Tehuantepec in den letzten 18 Jahren großflächig Windparks errichtet, ohne die ansässigen indigenen Gemeinden zu konsultieren. Der seit Dezember 2018 amtierende Präsident Andrés Manuel López Obrador hat zudem angekündigt, zwischen Atlantik und Pazifik einen „Transisthmus-Korredor“, eine Schnellbahntrasse für Container, zu bauen. Entlang der Strecke sollen „Wirtschaftliche Spezialzonen“ entstehen, in denen Unternehmen zu günstigen Bedingungen produzieren können. So will López Obrador Arbeitsplätze schaffen.
Viele Gemeinden kritisieren diese Pläne. „Sie werden unser Dorf zerstören“, befürchtet Sandra Velasquez López aus Playa Brazil. Ihr Dorf liegt nahe der Hafenstadt Salina Cruz. Keine Behörde habe die Gemeinde darüber informiert, dass der Hafen für den „Trasistmico“ enorm ausgebaut werden soll, kritisiert die 33jährige gegenüber Poonal. Nur durch Zufall habe sie von den Plänen erfahren: „Uns wurden per WhatsApp Pläne zugeschickt, die zeigen, dass Playa Brazil im Ausbaugebiet liegt.“ Die lokale Regierung dagegen negiere, dass das Dorf von der Hafenerweiterung betroffen sei.
Lärm, Drohungen und leere Versprechungen
Seit 2011 in Unión Hidalgo die erste Windräder erstellt wurden, ist das zapotekische Dorf gespalten. Die Gegner*innen der Anlage berichten, sie würden von den Befürworter*innen bedroht. Manche gehen abends nicht mehr aus dem Haus. Zudem sei der Krach unerträglich. „Wenn der Wind entsprechend steht, hört man den Lärm Tag und Nacht“, erklärt der Viehzüchter Pedro Ruiz. Während in Europa die Zahl der Windräder begrenzt würde, stelle man hier ohne Skrupel Hunderte von Türmen auf, kritisiert er. „Und das direkt am Ortsrand.“ Zudem habe es vorab keine Befragung auf der Grundlage ausführlicher Information gegeben, wie es internationales Recht vorsieht. Ruiz verweist darauf, dass das deutsche Unternehmen Siemens nahe Unión Hidalgo eine Anlage plane.
Aus den Versprechungen, man werde Krankenhäuser, Schulen, eine Universität und günstigen Strom im Isthmus bekommen, ist bislang nichts geworden. Im Gegenteil: Bis heute warten viele auf Hilfsgelder für die Zerstörungen, die Erdbeben im September 2017 angerichtet haben. Schulen sind deshalb geschlossen, der Markt in der Provinzhauptstadt Juchitán steht noch immer leer. Zudem seien die Stromrechnungen aus nicht nachvollziehbaren Gründen enorm angestiegen, obwohl in der Region permanent riesige Mengen Strom produziert werden, berichten die Betroffenen. Viele sind deshalb in den „Stromstreik“ gegangen und zahlen die teuren Rechnungen des staatlichen Energieversorgers (CFE) nicht mehr. So etwa das Dorf Cerro Grande, dessen Bewohner*innen unter prekären Bedingungen vom Fischfang in der nahegelegenen Lagune leben.
Während Unión Hidalgo bereits mit den Konsequenzen der Windparks zu kämpfen hat, wehrt sich die von indigenen Ikoots bewohnte Gemeinde San Mateo del Mar bislang erfolgreich gegen eine geplante Anlage. Nicht zuletzt deshalb liegen die Einwohner*innen im Streit mit dem Nachbardorf, das das Vorhaben mehrheitlich unterstützt. Die indigene Aktivistin Bettina Cruz aus Juchitán resümiert aufgrund solcher Erfahrungen: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen diese Technologie, aber bisher hat sie unseren Völkern nur Schaden gebracht.“
Die „Internationale Mission zur Beobachtung und Dokumentation der Lage von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern“ fand vom 15. bis 19. Oktober statt. Neben Consorcio, das die Reise ausgerichtet hat, unterstützten viele renommierte Menschenrechtsorganisationen wie Serapaz, Tlachinollan, Aluna, CMDPDH, Fray Bartolomé de las Casas, Sipaz und das Fraueninformationszentrum CIMAC die Reise.
Menschenrechtsmission reist in den Isthmus von Tehuantepec von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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