Von Andreas Behn
(Rio de Janeiro, 21. Juni 2016, taz).- Ein kleiner Lichtblick inmitten des Rollbacks in der brasilianischen Landwirtschaft: Soja, das auf illegal abgeholzten Gebieten in der Amazonas-Region angebaut wurde, darf weiterhin nicht kommerzialisiert werden. Das Soja-Moratorium, auf das sich Umweltorganisationen, Agrarverbände und die Bundesregierung 2006 einigten, ist im Mai auf unbestimmte Zeit verlängert worden.
Nach Angaben von Greenpeace hat das Moratorium dazu beigetragen, die Abholzung in den betroffenen Regionen seit 2006 um 86 Prozent zu mindern. Dieser Zahl steht eine Steigerung der Sojaproduktion in den 76 vom Moratorium erfassten Bezirken um 200 Prozent gegenüber. „Dies zeigt, dass es durchaus möglich ist, mehr zu produzieren, ohne zugleich abzuholzen“, erklärt Paulo Adario von Greenpeace Brasilien.
Der Anteil der Sojabohnen, die auf illegal gerodeten Gebieten angebaut wurden, liegt offiziellen Angaben zufolge heute bei unter einem Prozent. 2004, zwei Jahre vor Unterzeichnung der Initiative, lag dieser Wert noch bei rund 30 Prozent. Eine Studie der Zeitschrift Science aus dem Jahr 2015 zeigt, dass das Moratorium die Abholzung fünfmal effektiver einschränkt als alle brasilianischen Umweltgesetze zusammen.
Soja und seine Nebenprodukte sind das wichtigste Agrarexportgut Brasiliens. Der südamerikanische Flächenstaat führte 2015 Soja im Wert von über 30 Milliarden US-Dollar aus. Für Greenpeace und andere Umweltgruppen ist das Moratorium ein richtungsweisender Bestandteil der Kampagne „Null Abholzung“, mit der 1,4 Millionen Unterzeichner*innen versuchen, die illegale Rodung im riesigen Amazonasgebiet zu beenden.
Allerorten wird abgeholzt
Ein hochgestecktes Ziel, da trotz einiger Erfolge im vergangenen Jahrzehnt noch immer allerorten abgeholzt wird. Grund dafür sind die rechtlich zweifelhafte Ausweitung von Landwirtschaft und Holzindustrie sowie große Infrastrukturprojekte wie das Wasserkraftwerk Belo Monte, mit denen die Regierung die Region ökonomisch erschließen will.
Der Konsens über das Soja-Moratorium ist allerdings eine Ausnahme in der brasilianischen Landwirtschaft. Die konservative Agrarlobby verfügt über großen Einfluss im Kongress und blockiert Umweltvorhaben und Maßnahmen, die Kleinbauern oder Indigene gegen Großgrundbesitzer*innen und das Agrobusiness schützen könnten.
Seit der vorläufigen Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff im Mai wittert die Lobby Morgenluft und setzt auf schnelle Umsetzung ihrer Agrarpolitik. So will sie zunächst die Zuteilung von Land an Gemeinden von Indigenen und ehemaligen Sklav*innen, die Rousseff kurz vor ihrer Absetzung unterzeichnete, rückgängig machen. In einem zweiten Schritt soll die Macht der Agrarier zementiert werden: Per Verfassungszusatz soll die Landzuteilung in Zukunft der Regierung entzogen und dem Kongress unterstellt werden.
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