Widerstand gegen geplante Saatgut-Aufbereitungsanlage von Monsanto

von Leonardo Rossi

(Lima, 07. März 2013, noticias aliadas-poonal).- „Das hat unser Leben verändert“, sagen die Einwohner*innen des Ortes Malvinas Argentinas in der zentralargentinischen Provinz Córdoba über die Ankunft des transnationalen Agrochemie-Unternehmens Monsanto. Das Unternehmen kündigte an, in weniger als einem Kilometer Entfernung vom Ort die „weltweit größte“ Saatgutanlage bauen zu wollen.

Die Angst vor Umweltschäden bei den Bewohner*innen ist allgegenwärtig und die Gemeinde versucht über die Bürgervereinigung Malvinas im Kampf für das Leben (Asamblea Malvinas en Lucha por la Vida) den Fortgang des Baus der Anlage zu verhindern.

Weltweit größter Saatgutkonzern

Monsanto ist seit 1956 in Argentinien angesiedelt. Im Jahr 1980 begann die Firma in Zárate in der Provinz Buenos Aires das auf Glyphosat basierende Pflanzenvernichtungsmittel Roundup abzufüllen. Im Jahr 1996 erreichte Monsanto, dass die Nationalregierung die Genehmigung für die Sojapflanze RR erteilte, die gegen Roundup resistent ist. Im Juni vergangenen Jahres, kündigte das transnationale Unternehmen den Bau seiner neuen Produktionsstätte für transgene Maissamen in Córdoba an.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO produziert Argentinien derzeit 20 Prozent des weltweit erzeugten Sojas. Dies spiegelt die Expansion des multinationalen Unternehmens Monsanto auf globaler Ebene wider. Das im Jahr 1901 gegründete US-Unternehmen besitzt derzeit mehr als 400 Niederlassungen in 66 Ländern.

Monsanto ist mit einem Marktanteil von 27 Prozent weltweit führend im Vertrieb von Saatgut und der viertgrößte Vertreiber von agrochemischen Produkten. Wie aus dem Bericht “La lucha contra Monsanto” (“Der Kampf gegen Monsanto”) hervorgeht, kontrolliert Monsanto 90 Prozent des Absatzmarktes von Sojasamen. Der Bericht wurde im März 2012 von La Vía Campesina, der internationalen Koordinationsstelle für Kleinbauernorganisationen, veröffentlicht.

Ein Dorf wird verkauft

Monsanto gelangte im Rahmen der Erweiterung der agrarindustriell bewirtschafteten Flächen des Landes nach Córdoba. Diese Erweiterung wurde von der Regierung der Präsidentin Cristina Fernández veranlasst und im Strategischen Plan für Agrarindustrie und Ernährung PEA 2020 (Plan Estratégico Agroalimentario y Agroindustrial 2020) verankert. Der PEA 2020 sieht vor, die 33 Millionen Hektar Land, die im Jahr 2010 für die Getreideproduktion bestimmt waren, bis 2020 auf eine Fläche von 42 Millionen Hektar zu erhöhen.

Am 15. Juni 2012 kündigte war es die Präsidentin selbst, die ankündigte, dass Monsanto sich in Malvinas Argentinas niederlassen würde. „Ich bin sehr stolz“, so Fernández nach einem Treffen mit den Führungskräften des Unternehmens in New York, das während einer Tagung des Rates der Amerikas (Consejo de las Américas/The Americas Council) stattfand. Der Rat wurde 1965 von David Rockefeller gegründet und besteht aus multinationalen Unternehmen, die auf dem amerikanischen Kontinent tätig sind.

Im äußersten Süden des Kontinentes dagegen wussten die Bewohner*innen des Ortes Malvinas Argentinas, der sich neun Kilometer nordöstlich von der Provinzhauptstadt Córdoba befindet, nichts von dem Projekt mit Monsanto und sahen sich erst kürzlich mit der Nachricht konfrontiert.

“Ich habe es über die Medien erfahren”, erinnert sich Lucas Vaca, Lehramtsstudent des Faches Geographie, während Ester Quispe, Angestellte in einer Schule, hinzufügt, „als ich das Video sah, in dem die Präsidentin die Neuigkeit verkündete, hatte ich das Gefühl, die Präsidentin verkaufe ein Dorf „.

Bürgermeister unterstützt den Bau der Saatgutanlage

Der Bürgermeister von Malvinas Argentinas, Daniel Arzani, von der Oppositionspartei Unión Cívica Radical, hatte jedoch bereits drei Monate zuvor die Vorstudie zur Durchführbarkeit bewilligt, um mit den Bauarbeiten zu beginnen. Dies geht aus der Projektvorlage hervor, den das Unternehmen dem Umweltministerium der Provinz vorlegte. Das Ministerium ist dem Gouverneur von Córdoba, José Manuel De la Sota von der Peronistischen Partei PJ (Partido Justicialista), unterstellt, dessen Beziehung zur Präsidentin angespannt ist. Auch De la Sota sprach sich in der Öffentlichkeit für die Investition aus.

In der Projektvorlage vom 2. Juli 2012 gab Monsanto bekannt, in einer ersten Phase 40 Silos zur Lagerung von Saatgut mit einem Fassungsvermögen von jeweils 137 Tonnen bauen zu wollen. Anschließend kämen “noch 176 weitere Silos während der folgenden Phasen der Betriebserweiterung hinzu”, die im Jahr 2017 abgeschlossen sein werde. Das Unternehmen erklärt, in der Phase des Vollbetriebes der Anlage 215 Arbeiter*innen und 19 Leiharbeiter*innen beschäftigen zu wollen.

In den Meldungen auf der Website des Unternehmens, die auch von den Regierungen des Landes und der Provinz zitiert wurden, versichert Monsanto, dass die Initiative “400 neue Arbeitsplätze” schaffen werde. Ebenso versprechen die Kurznachrichten des Unternehmens eine Investition von 300 Millionen US-Dollar, während die Projektvorlage eine Investition von insgesamt 186 Millionen US-Dollar vorsieht.

Obwohl die Gemeinde von Soja umgeben ist, profitiert Malvinas Argentinas nicht von dem Reichtum, den die Ölpflanze hervorbringt. Laut Volkszählung der Provinz vom Jahr 2008, weist Malvinas Argentinas unter den Orten mit mehr als 10.000 Einwohner*innen – momentan wird die EinwohnerInnenzahl auf 14.000 geschätzt – die größte strukturbedingte Armut Córdobas auf.

Atemwegserkrankungen und Fehlgeburten

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von vier Lehrstühlen der Fakultät für Medizinische Wissenschaften der Nationalen Universität von Córdoba (dem Lehrstuhl für Psychosoziale Medizin, dem Lehrstuhl für Allergologie und Immunologie, dem Lehrstuhl für Medizin I und der Kinderklinik) gab Auskunft über die gesundheitlichen Probleme der Einwohner*innen, die den Agrochemikalien ausgesetzt sind, die auf die Sojafelder gesprüht werden.

Unter 3563 Befragten, „sind 551 von Atemwegserkrankungen betroffen, mit einer Krankheitshäufigkeit von 15,46 Prozent in allen Altersstufen“, so der Bericht. „Diese Zahl ist 50 Prozent höher als die in den USA geschätzte Krankheitshäufigkeit (bis 10 Prozent)“.

Ein Bericht, mit dessen Erstellung das Zentrum für Studien über Staat und Gesellschaft CEDES (Centro de Estudios de Estado y Sociedad) und das Zentrum für Bevölkerungsstudien CENEP (Centro de Estudios de Población) durch das Gesundheitsministerium beauftragt wurden, schätzt, dass auf nationaler Ebene die Fehlgeburten unter allen Frauen im gebärfähigen Alter im Jahr 2004 und 2005 bei 0,6 Prozent lagen.

In Malvinas Argentinas dagegen ergab die Befragung von 805 Frauen im gebärfähigen Alter, dass eine von sechs Frauen eine Fehlgeburt hatte. Im Ortsteil Nicola Bari, der am stärksten von den Besprühungen betroffen ist, erlitt eine von fünf Frauen eine Fehlgeburt.

Malvinas Argentinas zeige „ein Krankheitsbild, das sich unter der Bevölkerung, die den Pestiziden in der Luft ausgesetzt ist, wiederholt“, heißt es in dem Bericht. Das Vorhaben „die Bevölkerung erneut einem Angriff auf die Gesundheit zu unterziehen“, wie es durch Monsanto geschehen wird, “ist aus medizinischer Sicht nicht zu empfehlen und aus sozialer Sicht unzumutbar”, heißt es weiter. „In der Nähe von Saatgutlagerungen zu leben birgt ein hohes Risiko für Atemwegserkrankungen“, angesichts des Staubs aus Schalen von Maiskörnern, die mit Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden worden sind. Die Anlage von Monsanto soll nur 700 Meter von einer Grundschule und einem Kindergarten entfernt errichtet werden.

Der Kampf der Bürger*innen geht weiter

Die Bürgervereinigung von Malvinas Argentinas versucht den Vorstoß des transnationalen Unternehmens auf gerichtlichem Wege und durch gesetzliche Maßnahmen aufzuhalten.

Unter anderem fordern sie die Anwendung des Artikels 4 des nationalen Umweltgesetzes Nr. 25.675, in dem das Vorsichtsprinzip festgeschrieben ist. Dort heißt es, „das Fehlen von Informationen oder wissenschaftlicher Gewissheit“ darf nicht als Entschuldigung dafür dienen, keine wirksamen „Maßnahmen, die im Verhältnis zu den Kosten stehen“, zu ergreifen, „um Umweltschäden zu vermeiden“.

Am 22. Februar, ordnete die zweite Arbeitskammer von Córdoba die Suspendierung der Verordnung 821/2013 der Gemeinde Malvinas Argentinas an, mit der die Firma Monsanto Argentina SAIC die Genehmigung erhalten hatte, die erste Projektphase für den Bau der Saatguttrocknungsanlage umzusetzen“. Auch wenn das Projekt dadurch für den Moment gestoppt ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Gemeindeverwaltung von Malvinas Einspruch einlegen wird. Die Einwohner*innen wissen jedoch, dass wenn im Jahr 2014 die Saatgutanlage ihren Betrieb aufnimmt, nichts mehr so sein wird, wie zuvor.

“Wir werden nicht selbst über die Zukunft von Malvinas entscheiden. Das wird Monsanto tun”, glaubt Vaca. “So lange wir körperlich durchhalten, werden wir für den Schutz der Umwelt und für meine Familie, den Ort Malvinas Argentinas, kämpfen”.

 

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