(Mexiko-Stadt, 11. April 2020, La Jornada).- Am 24. März, schon inmitten der Krise wegen Covid-19, verabschiedete der mexikanische Senat einstimmig das sogenannte Gesetz zur Förderung und zum Schutz des Einheimischen Mais. Der Titel wird viele zu der Annahme verleiten, es handele sich um ein Regelwerk, dass die Attacke der Gentechnikmultis auf das Saatgut sowie die indigenen und kleinbäuerlichen Gemeinden bremsen soll. Leider ist dem nicht so. Von der Absicht der Initiator*innen des Gesetzes einmal abgesehen, begünstigt es de facto Schlüsselinteressen der Unternehmen, die seit zwei Jahrzehnten den Vormarsch ihres Gen-Saatgutes und anderer Mais-Hochtechnologien verfolgen.
Darum veröffentliche die Mexikanische Vereinigung der Saatguthersteller (AMSAC), deren Vorstand von Syngenta, Bayer (nun Eigentümer von Monsanto), Corteva (Fusion aus Dow und DuPont-PHI Mexico) und weiteren globalen Saatgutmultis gestellt wird, noch am selben Tag ein Bulletin, in dem sie die Abgeordneten zu dem Gesetz beglückwünscht. Die AMSAC spricht von „einem wichtigen Schritt, (…) denn es wird den Maisproduzenten im gesamten Land Sicherheit geben“. Die Vereinigung betont, sie werde „weiterhin daran arbeiten, das Ziel dieses Gesetzes [zu] fördern (…) und dabei die technologischen Entwicklungen wie das Zuchtsaatgut nutzen“.
Wer sind die Akteure hinter AMSAC?
Die AMSAC ist Leitungsmitglied im Nationalen Landwirtschaftsrat (CNA), der seinerseits Gründungsmitglied der Unternehmerdachorganisation CCE ist. Dort sind mehrheitlich die unternehmerischen Gruppen vertreten, die das kleinbäuerliche Leben, die nachhaltige Produktion und die gesunde Ernährung zerstört haben. Die sechs globalen Multis, die mehr als 70 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes (und 100 Prozent des Gensaatgutes) sowie der Agrargrifte kontrollieren, sind seit Jahren im Vorstand der AMSAC bestimmend. Diese ist das wichtigste Lobbygremium der Saatgutindustrie, in enger Zusammenarbeit mit dem CNA. Sie haben sich bei allen bestehenden Gesetzen zu Saatgut und Patenten für die Privilegien der Multis eingesetzt und diese auch durchgesetzt.
Vor der Schlussabstimmung im Senat, wo die Initiative entstand, war das Gesetz am 18. März mit einigen Änderungen mit 270 Stimmen in der Abgeordnetenkammer verabschiedet worden. Widerstand gab es nicht. Haben PRI, PAN, PRD, Morena und alle anderen Parteien plötzlich gemerkt, wie wichtig es ist, die Bevölkerungsteile, für die der Mais lebensnotwendig ist, ihr Saatgut und ihre Kulturen gegen die gentechnische Invasion zu schützen? Natürlich nicht. Das Gesetz sieht das auch nicht vor. Ebensowenig verhindert es die Patentierung kleinbäuerlichen Saatgutes. Stattdessen trennt es Mais und Menschen. Der komplexe Prozess, in dem viele indigene Völker über Jahrtausende ihre Milpas, Wälder, Versammlungen und eigenen Regierungsformen entwickelt haben, wird reduziert auf die Förderung gemeindebasierter Saatgutbanken. Eine Idee, die die Mehrheit der indigenen Bevölkerung ablehnt, weil sie eine Idee des Finanzsystems ist und ihrer Auffassung vom Saatgut als Teil eines politischen, ökonomischen und weltanschaulichen Ganzen fremd. Das Gesetz definiert zudem einheimischen Mais nur als nur den, der von der Nationalkommission für Biodiversität anerkannt ist, nicht von indigenen Völkern und Gemeinden selbst. Es zwingt einen Nationalen Maisrat auf, der einerseits rein beratend ist, andererseits unter seinen 16 Mitgliedern nur sechs aus indigenen Gemeinden und Agrarsiedlungen (ejidos) zählt.
Geografische Zonen sollen für die Aussaat unterschiedlicher Saatgüter abgesteckt werden
Doch der Hauptgrund, weswegen die multinationalen Unternehmen dem Gesetz applaudieren, ist die Abgrenzung geografischer Zonen, in denen die Behörden die Produktionssysteme des einheimischen Mais anerkennen werden. Das bedeutet, dass der Rest des Landes für die Aussaat jedes anderen Saatgutes geöffnet wird. Sei es Hybrid- oder Gensaatgut oder sei es neues biotechnologisches Saatgut, bei dem die Unternehmen von genetischer Edition sprechen.
Monsanto, Syngenta und die übrigen Konzerne haben auf diesem Punkt seit Jahrzehnten bestanden: Es müssen Zonen festgelegt werden, wo es Kleinbäuer*innen gibt. Dort sind sie nicht wirklich daran interessiert, selber auszusäen – nur im Rest des Landes. Gegen diese verlogene und extrem risikobehaftete Position, die mit der Zeit zu einer transgenen Maiskontaminierung im ganzen Land führen würde, haben wir insistiert: Mexiko – und ganz Mesoamerika – ist Ursprungszentrum des Mais. Darum muss dort die Aussaat jedes gentechnisch veränderten Saatgutes verboten werden.
Diese Position gegenüber dem sogenannten Schutzgesetz ist zusammen mit dem Hinweis auf weitere schwerwiegende Mängel im nun verabschiedeten Gesetzentwurf bereits im Oktober 2019 vom Netzwerk deutlich gemacht worden, als die Initiative sich in den Parlamentskommissionen befand.
Politik schließt sich der Position der Saatgutindustrie an
Unterdessen bleibt das konsequenterweise als Monsanto-Gesetz bezeichnete und 2005 verabschiedete Gesetz über Biosicherheit in Kraft. Es bleibt von all den heutigen Abgeordneten und Beamt*innen, die sich im Wahlkampf für seine Abschaffung aussprachen, unangetastet. Mehr noch, das Umweltministerium Semarnat nahm 2020 an einem Online-Forum über die Biosicherheit in der Biodiversitätskonvention teil. Die Semarnat-Vertretung schloss sich dabei der Position der Saatgutindustrie an, dass es nicht notwendig sei, eine neuen Rahmen für Biosicherheit zu setzen. Nicht einmal für die „Gene Drives“ (Genantriebe), die mit dem extrem gefährlichen sogenannten Terminator-Gen arbeiten.
Warum verrichten Beamt*innen und Abgeordnete nicht ihre Arbeit, um die Biosicherheit wirklich zu garantieren? Warum lassen sie keine Realität werden, was der gewählte Präsident Andrés Manuel López Obrador versprach: Genmais im Land wird verboten.
Silvia Ribeiro, die Autorin des Textes, ist Forscherin der ETC Group.
Übersetzung: Gerold Schmidt
Bayer-Monsanto feiert das Gesetz zum Schutz des Einheimischen Mais von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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