Das Thema Genmais ist noch nicht endgültig vom Tisch

(Mexiko-Stadt, 8. Mai 2020, npla).- Die Wiege des Mais liegt in Mesoamerika und damit auch im heutigen Mexiko. Nach wie vor ist der Mais das Grundnahrungsmittel Nummer 1 der mexikanischen Bevölkerung. Die Bewahrung und Weiterentwicklung der einheimischen Maissorten über Tausende von Jahren ist vor allem das Verdienst der indigenen und kleinbäuerlichen Gemeinden. Der Aufschrei war deswegen groß, als vor knapp 20 Jahren der mexikanische Wissenschaftler Ignacio Chapela die Verunreinigung einheimischer Maissorten mit Genmais in entlegenen indigenen Landgemeinden des Bundesstaates Oaxaca nachwies. In den Folgejahren wurden die Kontaminierungen auch in anderen Bundesstaaten nachgewiesen. Abgesehen von möglichen gesundheitlichen Schäden hat der Genmais das Potential, über die – vorsätzliche oder unabsichtliche – Kreuzung und eine flächendeckende Ausbreitung, die 64 nativen Maissorten mit ihren fast unzählbaren Varietäten zu verdrängen. Noch mehr Bäuer*innen würden in die Abhängigkeit der multinationalen Saatgutunternehmen getrieben.

Es regt sich Widerstand gegen die kommerzielle Aussaat von Genmais, aber die Lobby ist stark

Gegen die teilweisen Regierungsversuche, der kommerziellen Aussaat von Genmais im Ursprungsland des Mais den Weg zu ebnen, hat es in den letzten zwei Jahrzehnten vielfältigen Widerstand gegeben. Dabei setzt das Netzwerk zur Verteidigung des Mais (Red En Defensa del Maíz) vor allem auf die indigenen Gemeinden. Die mehr NGO-lastige Kampagne „Ohne Mais Kein Land“ (Sin Maíz No Hay País) setzte den Schwerpunkt eher auf juristische und gesetzgeberische Maßnahmen. Die Position der aktuellen Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) lautet offiziell: In Mexiko wird der Anbau von Genmais nicht erlaubt. Doch eine wirkliche Sicherheit bedeutet das bisher aus mehreren Gründen nicht.

Innerhalb der Regierungspartei Morena hat die Agrarindustrie durchaus eine starke Lobby, auch im Senat und Abgeordnetenhaus. Dem Ministerium für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung (SADER) steht mit Víctor Villalobos ein ausgewiesener Befürworter der Gentechnik vor. Das Gleiche gilt für den Agrarindustriellen Alfonso Romo. Als Chef des Präsidentenbüros ist er die rechte Hand AMLOs und dessen wichtigste Schnittstelle mit der Unternehmerschaft. Beide stehen zudem der relativ neuen CRISPR/Cas-Technologie (Stichwort Genome Editing) positiv gegenüber. Diese ist im Grunde nicht anderes als Gentechnik, wird aber wegen eines anderen Verfahrens rechtlich nicht unbedingt als solche bewertet und bezeichnet. Insofern legen Villalobos Aussagen, gentechnisch veränderter Mais sei überholt, eine völlig falsche Fährte.

Keine rechtliche Sicherheit

Über die im Juli 2013 eingereichte Kollektivklage von über 50 Organisationen und Einzelpersonen gegen den Anbau von Genmais in Mexiko ist immer noch nicht abschließend entschieden worden. Damit ist zwar jeder kommerzielle Anbau ausgesetzt, doch es fehlt an endgültiger rechtlicher Sicherheit. Dies gewinnt unter anderem an Bedeutung, weil das mexikanische Verfassungsgericht im August 2019 ein Dekret der Regierung von Yucatán aus dem Jahr 2016 außer Kraft setzte, das den Bundesstaat zur gentechnikfreien Zone erklärte. Der damalige Präsident Enrique Peña Nieto (2012-2018) hatte die Verfassungsbeschwerde eingereicht. Ohne eine inhaltliche Bewertung vorzunehmen, erklärten die Richter*innen, diese Zuständigkeit obliege ausschließlich dem Landwirtschaftsministerium der Bundesregierung.

Im März verabschiedete das mexikanische Parlament im März 2020 das Gesetz zur Förderung und zum Schutz des einheimischen Mais. Das Gesetz hat als Vorläufer und weitgehende Kopiervorlage eine vor Jahren eingebrachte Initiative im Bundesstaat Tlaxcala. Es soll den einheimischen Mais als Nahrungsmittel und Teil der mexikanischen Kultur ganz offiziell zum „nationalen Erbe“ erheben. Vorgesehen ist die zudem die Einrichtung eines Nationalen Maisrates, in dem auch Kleinbäuer*innen und die Zivilgesellschaft eine Stimme haben sollen. Allerdings gehen die Meinungen über den Sinn des Gesetzes weit auseinander (zu Details siehe die Kritik in den noch folgenden poonal-Texten von Ana de Ita und Silvia Ribeiro).

Internationale Normen schwächen die Rechte der Kleinbäuer*innen

Die von Mexiko mit den USA und Kanada (T-MEC) sowie im Rahmen der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) abgeschlossenen Freihandelsverträge verpflichten das Land dazu, innerhalb der kommenden Jahre die 1991 überarbeiten Normen des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV 91) zu akzeptieren. Die reformierten Normen schwächen gegenüber der noch in Mexiko gültigen Version von 1978 die Saatgutrechte der Kleinbäuer*innen. Angesichts dieser Situation dürften sich alle diejenigen, die sich in Mexiko gegen Genmais und für den einheimischen traditionellen Mais einsetzen, trotz unterschiedlicher Ansätze bei der Schlussfolgerung des Netzwerkes Zur Verteidigung des Mais einig sein: „Wir wissen, dass diese Auseinandersetzung nicht beendet ist.“

*Der Text ist die leicht gekürzte Fassung eines Artikels, der in der April-Ausgabe (Nr. 434) der Zeitschrift ila erschien.

 

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