Zunehmende Repression in Costa Rica

von Markus Plate

(San José, 28. Januar 2013, poonal-Redmica).- In Costa Rica wird das Klima für soziale Bewegungen zunehmend rauher. Nachdem die Polizei Mitte November vergangenen Jahres eine Demonstration für den Erhalt und die Stärkung der costa-ricanischen Sozialversicherung niederknüppelte und Präsidentin Laura Chinchilla diesen Einsatz öffentlich guthieß, machen im Januar gewaltsame Räumungen von Landbesetzungen Schlagzeilen. Soziale Bewegungen sehen angesichts der für dieses Jahr erwarteten Proteste gegen Entlassungen und Steuererhöhungen die Ankündigungen der Präsidentin mit Sorge, hart gegen diejenigen vorzugehen, „die öffentliche Wege blockieren und die öffentliche Ordnung stören“.

Die Firma Matas de Costa Rica, ein Unternehmen in der Karibikprovinz Limón, dass sich auf den Export von Zierpflanzen spezialisiert hat, hatte in den letzten Jahren hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter ohne triftigen Grund fristlos gekündigt, ohne ihnen ausstehende Urlaubs- und Weihnachtsgelder sowie die in diesem Fall laut Arbeitsrecht vorgeschriebenen Abfindungen zu bezahlen. Die Forderungen belaufen sich nach Pressemeldungen auf mehrere Millionen Dollar. Rund vierhundert Familien beschlossen daraufhin, aus Protest gegen die Verletzung ihrer Rechte die Plantage zu besetzen. Am 5. Januar räumte die costa-ricanische Polizei die Plantage. Bei der gewaltsamen Vertreibung der Campesino-Familien wurden Dutzende Personen verletzt, 97 Menschen in Untersuchungshaft gesteckt. Bei einem weiteren Versuch der Arbeiter*innen, ihre Abfindungen einzufordern, eröffneten vier Tage später die privaten Sicherheitskräfte der Firma das Feuer, sechs Arbeiter*innen wurden durch Schüsse zum Teil schwer verwundet.

Polizeieinsatz statt politische Vermittlung

Dennoch setzten die Arbeiterfamilien ihren Kampf um die Achtung ihrer Arbeitnehmerrechte fort und besetzten am 22. Januar zum zweiten Mal in diesem Jahr die Nationalstraße 32, eine der wichtigsten Verkehrsadern des Landes, die Costa Ricas Hauptstadt San José mit der Hafenstadt Limón verbindet. Mit der Besetzung protestierten sie vor allem gegen die Untätigkeit des Staates, sich um eine Lösung des Arbeitskonfliktes zu bemühen. Untätig blieb der Staat freilich nicht: Die Regierung entsandte eine Aufstandsbekämpfungseinheit, um die Blockade zu räumen. Parallel verhaftete die Polizei den Aktivisten Luís Gómez, vom Comité Luchando por Nuestros Derechos, als sich dieser auf dem Weg zu einem Interview befand, um die Situation der Öffentlichkeit zu erklären. Vor kurzem kam ans Licht, dass Matas de Costa Rica auch der costa-ricanischen Sozialversicherung und dem Fiskus rund eine Million Dollar schuldet.

Dessen ungeachtet zielten die Aktionen der costa-ricanischen Polizei vor allem auf die protestierenden Arbeiter*innen, gegen das Unternehmen und die Geschäftsführung wurden bislang nur Untersuchungen angekündigt. Mittlerweile steht die Regierung mehr und mehr in der Kritik. Neben der sozialen Bewegung protestierte auch der costa-ricanische JournalistInnenverband scharf dagegen, dass sich ein Mitglied der Spezialeinheit DIS (Dirección de Inteligencia y Seguridad Nacional) als Medienvertreter ausgegeben hatte, um die Protestbewegung auszuspionieren und dessen „Arbeit“ offensichtlich die Verhaftung des genannten Aktivisten zur Folge hatte.

Proteste auch in Guanacaste

Auch in der Provinz Guanacaste, im Nordwesten Costa Ricas, haben sich die Landkonflikte im Januar zugespitzt. Im Distrikt Curubandé, in der Nähe der Provinzhauptstadt Liberia, halten 300 Kleinbauernfamilien seit vielen Monaten eine seit Jahrzehnten brachliegende Finca besetzt, mittlerweile betreiben sie dort Subsistenzlandwirtschaft und haben sich Behausungen gebaut. Seither sind sie regelmäßigen Übergriffen durch private Sicherheitskräfte ausgesetzt, die von den offiziellen Landeigentümern bezahlt werden. Auch dieser Besetzung rückte Anfang Januar (8. Januar) die costa-ricanische Polizei zu Leibe, acht Aktivist*innen der Bewegung für eine Agrarreform MRA (Movimiento de la Reforma Agraria) wurden verhaftet.

Die Besetzung der Finca wie deren Besitzverhältnisse sind in Costa Rica zu einem Politikum geworden. Der offizielle Landeigner, Baltodano Estrada, ist ein Nachbar und Vertrauter der Familie Árias, einer der politisch und wirtschaftlich mächtigsten Familien des Landes. Oscar Árias war zweimal Präsident des Landes, zuletzt bis 2010. Die aktuelle Regierung Laura Chinchilla gilt als Fortsetzung der Präsidentschaft Árias, der Bruder des Ex-Präsidenten hatte bis vor kurzem Ambitionen auf die Nachfolge Chinchillas. Die Familie Árias besitzt in Guanacaste ausgedehnte Ländereien.

Regierung kündigt hartes Vorgehen an

Bei dem von den Bauernfamilien besetzten Land handelt es sich um eine 800 Hektar große Finca, deren Besitzstruktur Fragen aufwirft. Denn nur für ein Zehntel des Landes besteht ein eingetragener Landtitel, auf das dementsprechend Grundsteuer zu bezahlen ist. Dieser „Steuerspartrick“ costa-ricanischer Großgrundbesitzer ist nicht unüblich. Da die Kleinbauern Land besetzen, für das kein Landtitel besteht, machen sie sich nach geltendem Recht eigentlich keiner widerrechtlichen Aneignung schuldig. Ein entsprechender Antrag der Kleinbauern wird vom zuständigen Gericht jedoch seit Monaten nicht behandelt, dem Antrag des Großgrundbesitzers auf unverzügliche Räumung wurde hingegen offenbar sehr zeitnah stattgegeben.

Angesichts angekündigter Entlassungen in verschiedenen Unternehmen, Schließungen von Gesundheitsposten, der zunehmenden Korruptionsskandale und steigender Lebenshaltungskosten scheint eine Intensivierung der Proteste vorprogrammiert. Gewerkschaften und soziale Bewegungen sorgen sich angesichts der jüngsten Aggressionen durch die costa-ricanische Polizei und der Ankündigungen aus der Politik, dass die Regierung in diesem Jahr zunehmend hart gegen soziale Proteste vorgehen wird.

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