(Berlin, 14. November 2024).- Die Mapuche-Community Lof Pailako in der Provinz Chubut ist von der Räumung bedroht, nachdem der Richter Guido Otranto diese angeordnet hat. Otranto ist kein Unbekannter: Im Fall Santiago Maldonado wurden Otranto Parteinahme und Ermittlungsfehler vorgeworfen. Maldonado verschwand 2017 beim Verteidigen des Lof Pu, anschließend wurde er tot aufgefunden. Der Fall wurde nie ausreichend aufgeklärt. Weggefährt*innen des Aktivisten gehen von einer Beteiligung der Sicherheitskräfte aus. Die Asamblea en Solidaridad con Argentina – Berlin berichtet.
Proteste vor argentinischen Konsulaten
Die Räumung des Lof Pailako wurde vom Leiter der Nationalparkverwaltung Cristian Larsen und vom Gouverneur von Chubut, Ignacio Torres, vorangetrieben. Den Grund dafür sehen die Mapuche darin, dass „die Idee einer Privatisierung der Nationalparks im Raum steht, weil es Bodenschätze in dem Territorium gibt, die für die Waffenindustrie und Technologien zur Gewinnung regenerativer Energien von Nutzen sind“. Die gewaltvolle Situation in Patagonien hat eine Welle der internationalen Solidarität ausgelöst. Organisationen wie das international agierende Netzwerk „Argentina No Se Vende“ (Argentinien wird nicht verkauft) demonstrierten vor den argentinischen Konsulaten in Berlin, Barcelona, Paris, Lissabon und London. Zwischen dem 19. und 30. August sandten Aktivist*innen den argentinischen Botschafter*innen in den jeweiligen Städten, dem Präsidenten Javier Milei und der Nationalparkverwaltung einen Brief, in dem sie ein Ende der Vertreibung und der Schikanen gegenüber den indigenen Communitys fordern. Der Brief prangert auch die Komplizenschaft des Staats beim Vormarsch des Bergbaus und der Unterdrückung an und verweist auf jüngste Fälle wie die Ermordung von Juan Carlos Villa in Mallín Ahogado und andere Gewalttaten gegen Mapuche wie Lucinda Quintupuray, und die Tötung von Elias Cayicol Garay und Rafael Nahuel.
Juristische Verfolgung spitzt sich zu
Diese Vorfälle stehen im Kontext einer zunehmenden juristischen Verfolgung indigener Völker durch die (Provinz-)Regierungen, die Justiz und Landbesitzer, die eine Vertreibung der einheimischen Bevölkerung vorantreiben. Fälle wie die von Facundo Jones Huala und Matías Santana zeigen, dass die Politik staatlicher Organe auf die Kriminalisierung von Protest und territorialer Verteidigung abzielt. Auf gleiche Weise werden seit wenigen Monaten ebenso Angehörige der Quechua-Gemeinschaften Lof Winkul Lafken Mapu und Lof Quemquemtrew strafrechtlich verfolgt, weil sie vom Recht, auf dem Land ihrer Vorfahren zu leben, Gebrauch machten. Durch die Militarisierung Patagoniens und die Verabschiedung von Gesetzen wie dem „Gesetz der Grundlagen und Ausgangspunkte für die Freiheit der Argentinier“ (kurz „Ley Bases“) und dem RIGI (Anreizsystem für Großinvestitionen), die der Ausbeutung und Zerstörung der Gebiete und ihrer Bevölkerung Tür und Tor öffnen, verschlechtert sich die Situation täglich.
Vertreibung durch global player
Die Regierung Milei und die kollaborierende Rechte in Kongress und Senat machen den Weg frei, damit ausländische Kapitalgesellschaften über Konzessionen noch intensiver nationales Territorium ausbeuten können, und legen dadurch das Land den imperialistischen Kräften zu Füßen. Frühere Regierung haben diese Ausbeutung nationaler Bodenschätze auch schon gefördert, nun wird sie weiter vorangetrieben und intensiviert. Daran bereichern sich in Patagonien schon seit Längerem hauptsächlich global player wie Levis oder Benetton. Bis heute hat der Ausverkauf des Bodens in Argentinien ein solches Ausmaß erreicht, dass einige Akteur*innen von einer Beeinträchtigung der nationalen Souveränität sprechen. Einem Bericht der Gewerkschaft ATE zufolge sind mehr als 12,5 Millionen Hektar in den Händen von Ausländer*innen, von denen fast zwei Millionen Firmen zugerechnet werden, die ihren Sitz in Steueroasen haben. Allein das zum Benetton-Konzern gehörende Unternehmen „Tierras Sud Argentino“ besitzt 900.000 Hektar Land. Für die indigenen Communitys, deren Territorium verteilt wird, die unterdrückt, vertrieben und inhaftiert werden, bedeutet das die historische Fortsetzung eines Prozesses, der mit der Eroberung durch die Kolonialherrscher begann. In Argentinien selbst wird dieser gewaltvolle Konflikt durch andere politische und wirtschaftliche Skandale überdeckt und kaum wahrgenommen.
Provinzrichter können Räumungen anordnen
Im Oktober dieses Jahres wurde auch das Nationale Register für indigene Gemeinschaften des Nationalen Instituts für indigene Angelegenheiten abgeschafft. In einer 1994 eingegangenen verfassungsrechtlichen Verpflichtung wurde die ethnische Identität dieser Völker als wesentlicher Bestandteil des Staates anerkannt. Die Aufhebung des Registers überlässt die Angelegenheiten der indigenen Gemeinschaften der Gnade der Provinzen, ohne den sichereren Rechtsrahmen, den der nationale Status ihnen verlieh. Im Fall der Lof Pailako-Gemeinschaft, über den wir anfangs berichteten, ordnete ein Richter des Bundesgerichts von Comodoro Rivadavia am 18. Oktober nun die Zwangsräumung und die daraus folgende Vertreibung von dem von ihnen bewohnten Land an. Dadurch wurden in internationalen Abkommen festgelegte Rechte indigener Gemeinschaften missachtet und die international gewährte Unterstützung ignoriert. Im Rahmen des Räumungsprozesses wurden mithilfe von Drohnen und Waffen Überprüfungsmaßnahmen durchgeführt. Dabei drang das Personal des Nationalparks, der Justizbehörde und der Bundespolizei auch gewaltsam in die Behausungen der Menschen ein. Menschenrechtsorganisationen prangern an, dass dabei die gesetzlichen Fristen um Berufung einzulegen nicht eingehalten wurden und der Schutz der Kinder missachtet wurde. Angesichts dieser allgemeinen Situation appellieren die indigenen Völker an die internationale Gemeinschaft, da sie wissen, dass internationaler Einfluss auf die Regierung von Javier Milei haben kann
Die Forderungen sind klar: Ablehnung der Genehmigung des RIGI und das „Ley Bases“. Die Verfolgung des Volkes der Mapuche muss ein Ende haben. Schluss mit den Vertreibungen der indigenen Communitys von deren Land. Internationale Solidarität mit den Familien und Organisationen.
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