Todesdrohungen gegen Künstlergruppen aus Bogotá

von Darius Ossami

(Berlin, 31. August 2011, npl).- Am Morgen des 23. August 2011 fand das KünstlerInnenkollektiv „Bogotá Dual“ einen Zettel unter seiner Tür. „Heute beginnen wir eine Säuberungsaktion von den ganzen Drecksorganisationen, die sich uns in den Weg stellen“, heißt es da. Unterzeichnet ist der äußerst aggressiv formulierte Brief von den paramilitärischen „Schwarzen Adlern“ (Aguilas Negras). Dem KünstlerInnenkollektiv und weiteren zwölf Theatergruppen aus den ärmeren Teilen Bogotás werden acht Tage Zeit gegeben, um aus der kolumbianischen Hauptstadt zu verschwinden.

 

Anderenfalls, so der Drohbrief, würden sie „einer nach dem anderen fertig gemacht“.Solche Drohungen paramilitärischer Gruppen gehören in Kolumbien zum Alltag und oft genug werden sie auch wahr gemacht. Trotz des Regierungsdiskurses von Versöhnung und Demobilisierung sind in den vergangenen Jahren tausende Menschen von den Paramilitärs ermordet oder außer Landes gezwungen worden.

Öffentliche Solidarität statt Flucht

Doch anstatt Hals über Kopf aus der Stadt zu fliehen, gingen die Kollektive in die Offensive: In einer gemeinsame Erklärung aller zwölf Künstlergruppen werteten sie die Drohungen als „größte Verletzung unseres legitimen Rechts zu Leben (…) ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen.“ Gerade in den ärmeren Vierteln Bogotás wie Bosa oder Ciudad Bolívar sind diese links geprägten KünstlerInnen- und Theatergruppen oftmals die einzigen, die Jugendarbeit leisten und ihnen eine Alternative zu Wehrpflicht und staatlich gelenkten Massenmedien, zu Krieg und Gewalt zeigen. Mit ihrer Ablehnung von Gewalt stehen sie im Gegensatz zur Regierungspolitik, welche die Anwendung von Gewalt im Krieg gegen die Guerillaorganisationen propagiert.

Gegen diesen „Angriff auf alle Künstler*innen der Welt“ setzten die bedrohten Theatergruppen die Solidarität und riefen für Freitag, den 26. August zu einer Kundgebung auf. In einer Pressekonferenz informierten sie die Öffentlichkeit über die Drohungen. Die offiziellen Reaktionen darauf fielen jedoch mager aus: Das Kultusministerium von Mariana Garcés Córdoba veröffentlichte am selben Tag eine wolkige Erklärung, in die die „verantwortlichen Behörden“ aufgerufen wurden, das „Grundrecht der Theatergruppen auf Leben“ zu schützen.

Polizei verteilt Notrufnummern

Auch der Bürgermeister Bogotás zeigte sich solidarisch, doch bisher gab es von Seiten der Polizei keinerlei Schutz. Der Geheimdienstchef der Polizei von Bogotá, Leonardo Mejía, erklärte gegenüber der Wochenzeitung Semana, seine Beobachtungen hätten ergeben, dass die Drohung zwar eine kriminelle Äußerung sei, aber nicht von ‚kriminellen Banden‘ kommen könne. Auch die verwendeten Zeichnungen seien untypisch. Der Drohbrief wird unter Anderem von einem schwarzen Adler mit zwei gekreuzten Maschinengewehren geziert. Mejía erklärte, die Polizei habe sich mit den bedrohten Gruppen in Kontakt gesetzt und eine Broschüre mit Schutzmaßnahmen übergeben, in denen sich auch die Telefonnummern der nächstgelegenen Polizeistationen befänden.

Eine Broschüre ist den Theaterleuten jedoch nicht genug. Sie kritisieren, dass die Polizei die Bedrohungen nicht ernst genug nehme. Denn wie sollten sie effektiv geschützt werden, wenn die Polizei die Täter nicht kenne? Hinter den Paramilitärs steckten reale Personen, die auch reale Menschen töteten, beklagte sich ein Künstler am Rande einer Demonstration am Dienstag, den 30. August. Hunderte Menschen waren zum Ablauf des Ultimatums auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität mit den bedrohten Theatergruppen zu bekunden. Was danach passiert, weiß keiner. Nur eines: „Unter diesen Bedingungen glücklich zu sein“, schreiben die Theaterleute, „ist keine Alternative, sondern eine Entscheidung.“

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