(Oaxaca, 16. Februar 2022, amerika21).- Im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca haben Unbekannte ein Attentat auf einen renommierten Menschenrechtsverteidiger der Gemeinde Unión Hidalgo verübt. Der bewaffnete Angriff auf Edgar Martín Regalado fand am Abend des 10. Februar statt, als dieser sich auf dem Heimweg von einer Pressekonferenz über ein umstrittenes Windkraftprojekt befand. Regalado konnte den Angreifern, die mehrere Schüsse abfeuerten, unverletzt entkommen. Nach dem Anschlag auf den Aktivisten starteten Menschenrechtsgruppen eine Eilaktion zu seinem Schutz und dem anderer Aktivist*innen.
Regalado ist ein bekannter Aktivist, der die Praktiken des französichen Konzerns Électricité de France (EDF) kritisiert. EDF ist der zweitgrößte Stromerzeuger weltweit, der französische Staat hält 84,8 Prozent der Aktien. Das Unternehmen plant in Unión Hidalgo im Isthmus von Tehuantepec den Bau des Windparks Gunaa Sicarú („Schöne Frau“ auf zapotekisch), doch die im „Kollektiv zur Verteidigung der Menschenrechte und der Gemeindeländer von Unión Hidalgo“ organisierten Anwohner*innen wehren sich seit 2014 gegen das Projekt.
„EDF ist verantwortlich für die Schaffung eines Umfelds der Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger in der Region sowie für die Verletzung ihrer Menschen-, Sozial- und Umweltrechte“, kritisiert die Organisation Prodesc (Proyecto de Derechos Económicos, Sociales y Culturales), die die Gemeinde in der Verteidigung ihrer Rechte begleitet.
Klage gegen EDF in Frankreich
Mit ihrer Hilfe und rechtlicher Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin haben die Anwohner*innen von Unión Hidalgo die Firma auch in Frankreich wegen Verletzung der Rechte der zapotekischen Gemeinschaft von Unión Hidalgo, einschließlich des Rechts auf freie, vorherige und informierte Befragung verklagt, was einen Präzedenzfall für die französische Justiz darstellt.
Über diese Klage, die in erster Instanz abgewiesen wurde, berichteten Regalado und Prodesc bei der Pressekonferenz, Stunden vor dem Attentat. Sie kündigten an, dass sie Berufung gegen die Entscheidung des Pariser Gerichtshofes einlegen werden, mit der die Aussetzung des Baus des Windkraftprojekts Gunaa Sicarú aus formalen und verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt wurde.
Recht auf freie, vorherige und informierte Befragung wird immer wieder verletzt
Die Situation in Unión Hidalgo hat sich seit dem Amtsantritt des neuen Gemeindepräsidenten Anfang Januar zugespitzt. Juan Jesús Martínez Rasgado von der Partei Morena veranstaltete am 29. Januar eine Versammlung, die er als Teil und Abschluss der Indigenen-Befragung deklarierte, um den Windpark Gunaa Sicarú durchzuwinken. Damit verletzte er jedoch nicht nur fundamentale Verfahrensfragen der Befragung, die von den Windkraftgegner*innen vor Jahren gerichtlich erkämpft wurde, sondern gefährdete auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle auch die Gesundheit der Bevölkerung, so die Gegner*innen des Großprojekts.
In Unión Hidalgo baute die spanische Firma Renovalia Energy mit 134 Turbinen von Gamesa (heute Siemens) den Windpark Piedra Larga ‒ ohne die den indigenen Einwohner*innen zustehende vorherige, freie und informierte Befragung und gegen den Widerstand eines Teils der Bevölkerung. Bei den Auseinandersetzungen um den Bau dieses 2012 eingeweihten Windparks wurden mehrere Personen verletzt, eine getötet. Neben Gunaa Sicarú von EDF sind noch zwei weitere Windkraftprojekte mit den Namen Palmitas 1 und 2 von Siemens Gamesa in Planung, wobei das deutsch-spanische Unternehmen Ende Januar bekanntgab, dass eines der beiden Projekte gestoppt werde.
Momentan erfahren die privaten Investor*innen im mexikanischen Energiesektor einen starken Gegenwind von der Regierung unter Andrés Manuel López Obrador, die im Zuge einer geplanten Energiereform die exorbitanten Gewinne der multinationalen Unternehmen kritisiert und den staatlichen Unternehmen wieder verstärkte Bedeutung zukommen lassen will.
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