Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 7. Mai 2002

Inhalt


VENEZUELA

GUATEMALA

ECUADOR

CHILE

URUGUAY

BRASILIEN

BRASILIEN-USA

KUBA

BOLIVIEN

PARAGUAY


VENEZUELA

Auf den Spuren des Putsches: Beweise für us-amerikanische Einmischung

Von Fabiana Arencibia und Walter Alegre

(Montevideo, 28. April 2002, comcosur-poonal). Die Zeitschrift Newsweek hob heute hervor, dass die Protagonisten des Staatsstreichs „weitreichende Verbindungen zum politischen und wirtschaftlichen System der USA“ hatten. Gustavo Cisneros, ein Fersehmagnat, der an der Entführung von Chávez beteiligt war, ist persönlich mit George W. Bush befreundet. Laut Newsweek hat Otto Reich, Staatssekretär für die westliche Hemisphäre (= Lateinamerika; die Red.) im US-State-Department, Pedro Carmona persönlich per Telefon instruiert, nachdem dieser sich selbst zum Interims-Präsidenten erklärt hatte. Reich telefonierte demnach während des Aufstands auch mehrfach mit Cisneros, in dessen Büro von Venevisión der Putsch geschmiedet wurde.

Die venezolanische Tageszeitung „Ultimas Noticias“ veröffentlichte am Sonntag einen Brief, den der Wirtschaftsbeauftragte der venezolanischen Botschaft in Washington Luis Herrera an den Konteradmiral Carlos Molina schickte. Das Schreiben enthielt Anweisungen von Phillip Chicolla vom State-Department, nach denen versucht werden solle, dass das Parlament den vorausgesetzten Rücktritt Chávez bestätigt und der Oberste Gerichtshof diesen akzeptiert. Er hob hervor, dass es wichtig sei, die formalen Kriterien einzuhalten und sich schnellstmöglich mit der Regierung der Vereinigten Staaten in Verbindung zu setzen. Weiterhin wurde die Entsendung von Beobachtern der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) für die folgenden Wahlen empfohlen.

Der Oberstleutnant der US-Streitkräfte James Rodgers befand sich laut laufender Untersuchungen während der Auseinandersetzungen unter den Putschisten. Sowohl die US-Botschaft als auch das State-Department dementierten diese Information „vollkommen“. Doch neue Erkenntnisse der Ermittlungen belegen, dass Rodgers, der Assistent des Militärattachés, in den Putsch verwickelt war. „Während der laufenden Untersuchungen haben mehrere beteiligte venezolanische Amtsträger bestätigt, den US-amerikanischen Militär bei den Ereignissen gesehen zu haben. Die Bewegung hatte die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten, sie seien selbst Teil von ihr gewesen“, wurde berichtet. Zuvor war der selben Quelle zu entnehmen, dass es der US-amerikanische Attaché selbst war, der sich „während der Vorbereitung und im Verlauf des Staatsstreiches“ im fünften Stock der Festung „Tiuna“ aufhielt. Jetzt konnte festgestellt werden, dass es sich um dessen Assistenten Rodgers handelte.

Laut der Web-Seite von „Noticias Rebelión“ haben die Nachforschungen ergeben, dass es sich in Wirklichkeit um drei Putsche gehandelt hat. Der „erste“ fand in der Nacht vom 11. auf den 12. April statt und wurde als „Rebellion der Generäle“ gegen Präsident Chávez aufgefasst, als dieser verhaftet und noch vor 4 Uhr am Morgen des 12.Aprils durch den Unternehmer Pedro Carmona ersetzt worden war.

Der „zweite Putsch im Putsch“ fand am 12. April gegen 17:15 Uhr statt. Eine zivil-militärische Junta, geführt vom Vorsitzenden des Unternehmerverbandes Fedecámaras, kündigte mit einem Dekret zur Auflösung des Parlaments eine „Diktatur“ an, womit sich der selbsternannte Präsident aller öffentlicher Entscheidungsbefugnisse bemächtigte.

Der „dritte Putsch“ fand gegen Carmona statt und wurde von den Selben durchgeführt, die auch für den ersten Putsches verantwortlich waren: General Efraín Vásquez Velasco, ehemaliger Oberbefehlshaber der Armee. Er sei „den Ratschlägen der Vereinigten Staaten“ gefolgt. Laut dieser Veröffentlichung waren sich die USA „des Extremismus dieser Aufständischen bewusst und drängten den General dazu, Carmona zu stürzen und einen anderen Übergangspräsidenten zu finden“. Dies solle jedoch nicht zur Wiedereinsetzung Chávez' führen.

Der Oberste Gerichtshof Venezuelas wird über die Einleitung eines Verfahren gegen sechs Offiziere der Streitkräfte entscheiden, die in den Putsch verwickelt waren. Die Militärs befinden sich derzeit in Hausarrest, der vom Kriegsgericht der Armee erlassen wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft will Beweise vorlegen, die eine Untersuchung der Anschuldigungen „Beteiligung an einem Aufstand, unbefugtes Tragen von Uniformen und Amtsanmaßung“ ermöglichen.

Carmona, der ebenfalls auf den Beginn seines Prozesses wartet, wird die „illegitime Bemächtigung von Staatsämtern, Verstöße gegen die Verfassung und Verschwörung“ vorgeworfen. Die Voruntersuchungen seien notwendig um die Rechte der Angeklagten zu wahren.

 

GUATEMALA

Ineffizienz, Korruption, Morde Portillos Regierung unter internationaler Kritik

Von Ileana Alamilla

(Guatemala, 30. April 2002, alai-amlatina-cerigua-poonal).- Erneut wurde in Guatemala ein Menschenrechtler ermordet. Guillermo Ovalle de León, Mitglieder „Fundación Rigoberto Menchú“ wurde am 29. April in einem Café in der Nähe des Sitzes der Stiftung erschossen. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen forderten die guatemaltekische Regierung auf, für die Aufklärung des Verbrechens zu sorgen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Amnesty International bekräftigte in ihrem neuesten Papier, das der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vorgelegt wurde, ihre Kritik an den gewalttätigen und unsicheren Verhältnissen in dem zentralamerikanischen Staat.

Der Mord an Ovalle de Léon fällt in eine Zeit, in der die internationale und nationale Kritik gegen die guatemaltekische Regierung der ultrarechten Republikanischen Front Guatemala (FRG) immer lauter wird. Der FRG und ihrem Präsident Alfonso Portillo werden Ineffizienz und mangelnden politischen Glaubwürdigkeit in allen öffentlichen und sozialen Bereichen vorgeworfen.

Kaum mehr zählbar sind die Skandale der FRG- Administration, die zielstrebig daran arbeitet, ihren Funktionären sowie deren Familien und Freunden Vergünstigungen zu verschaffen. Ebenso sorgt die Regierung zunehmend dafür, dass die Friedensverträge vom Dezember 1996 begraben werden.

Zu den Straftaten der mit der Regierung und den staatlichen Institutionen verwobenen Mafia gehören wiederholt die Vorwürfe der irregulären – um nicht zu sagen illegalen – Aneignung von Mitteln: Verwendung oder Raub staatlicher Gelder für private Interessen, Fälschung von Rechnungen und Konten, Gebrauch des Flugzeuges des Präsidenten als Taxi für dessen Freunde. Zudem soll sie Konten bei ausländischen Banken auf den Namen des guatemaltekischen Staatsoberhauptes, des Vizepräsidenten Francisco Reyes Lopez oder verschiedener FRG-Abgeordnete eröffnet haben, um öffentliche Gelder abfließen zu lassen, die zuvor in Guatemala veruntreut worden waren.

In diesem Zusammenhang wird inzwischen unter anderem gegen Portillo wegen so genannten Panama-Affäre ermittelt, die seit Monaten die Öffentlichkeit des Landes beschäftigt. Noch bis vor kurzem hielt sich die durch die Botschaften und die Menschenrechtsmission der Vereinten Nationen für Guatemala (Minugua) vertretene internationale Gemeinschaft mit kritischen Stellungnahmen zur Portillo-Regierung weitgehend zurück. Inzwischen haben jedoch das Ausmaß der Korruption und die Auflösungserscheinungen in allen in den Friedensverträgen vorgesehenen Kommissionen und Einrichtungen derart bizarre Formen angenommen, dass der Vertreter für die Europäische Union in Guatemala, Philippe Combescort kürzlich öffentlich Kritik äußerte. „Falls die EU-Institutionen und die öffentliche Meinung in Europa in nächster Zeit keine Fortschritte bei der Umsetzung der Friedensabkommen wahrnehmen könnten“, so Combescort, werde es schwierig, „die politischen Verantwortlichen davon zu überzeugen, weiterhin im bisherigen Ausmaß Entwicklungshilfegelder für Guatemala bereit zu stellen.“

Die schwedische Botschafterin in Guatemala, Maria Leissner, forderte Präsident Portillo jüngst dazu auf, diejenigen Versprechen einzulösen, die er anlässlich der Versammlung der „Grupo Consultivo“ der Geberländer im Februar in Washington als Bedingung für weitere Entwicklungshilfegelder gegeben hatte. „Sollten die von ihm und seiner Regierung eingegangenen Verpflichtungen nicht umgesetzt werden“, so Leissner weiter, „sieht sich die internationale Gemeinschaft gezwungen, die für die Umsetzung der Friedensverträge vorgesehene finanzielle Unterstützung zu kürzen.“

Portillo hatte sich unter anderem dazu verpflichtet, den öffentlichen Haushalt gerechter zu planen und zu verteilen, die Korruption und die fortgesetzte Straflosigkeit der Militärs zu bekämpfen, die Transparenz der staatlichen Institutionen zu stärken, ein staatliches Programm gegen die Armut zu verabschieden, eine nachhaltige ländliche Entwicklung in Gang zu setzen und die Friedensverträge wieder zu beleben, die von der FRG- Regierung niemals ernsthaft anerkannt wurden.

Entgegen der in Washington vorgetragenen Versprechen des Präsidenten versucht Portillo jedoch seither die politischen Defizite seiner Regierung herunterzuspielen. Er verweist darauf, dass „wir Guatemalteken unsere Probleme am besten selbst zu lösen wissen.“ Im Gegensatz zu diesen Aussagen leidet die guatemaltekische Bevölkerung allerdings unter den Auswirkungen des Mangels jedweder sozialpolitischer Maßnahmen, die, wenn auch nicht eine nationale Entwicklung befördern, so doch zumindest den negativen Auswirkungen der zyklisch wiederkehrenden Wirtschaftskrisen entgegen treten sollten. So etwa derzeit der Verfall des Kaffeepreises auf dem Weltmarkt in Verbindung mit der Dürre im vergangenen Jahr, die sich gravierend in den familialen Ökonomien niederschlagen. Das gleiche gilt in Bezug auf das Friedensabkommen, das einzige in Guatemala vorhandene politische Konzept, das eine Lösung für die grundlegendend Schwierigkeiten des Landes anbietet.

Die Arbeitslosigkeit, der Hunger und die soziale Unsicherheit sind die drei großen Probleme, mit denen die Bevölkerung konfrontiert ist, die von der Regierung sofortige Maßnahmen und Programme zur Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse fordert. Die im Osten des Landes festgestellten Hungersnöte sind im Westen bereits zu einer Epidemie geworden. Dort ist die Mehrheit der Bevölkerung indigen und vom Zugang zu sozialen Basisdienstleistungen, die ein Leben in Würde ermöglichen würden, ausgeschlossen.

Die Arbeitslosigkeit hat für massive Migrationsbewegungen in die wohlhabenderen Regionen auf guatemaltekischem Staatsgebiet, nach Mexiko und vor allem in die USA geführt. Vor allem die Arbeitsmigration Richtung USA ist mit großen Gefahren verbunden, denn die Mehrheit der migrationswilligen Guatemaltek*innen ist aufgrund des Ausbaus der Grenzregime gezwungen, illegal in die Vereinigten Staaten einzureisen. Stark zugenommen haben auch die Phänomene der Subbeschäftigung sowie der informellen Ökonomie. Alltags- und Kleinkriminalität haben unerträgliche Formen angenommen.

Das Sicherheitsproblem hat dazu geführt, dass die Regierung entschied, eine neue Eliteeinheit einzurichten, die ausschließlich für den Schutz der physischen Integrität der Minister und Regierungsfunktionäre zuständig ist. Die Folge ist eine weitere Schwächung der gegenüber dem Militär ohnehin schwachen Struktur der zivilen Nationalpolizei (PNC). Solche Maßnahmen lassen den Großteil der Bevölkerung, der sich keinen privaten Sicherheitsdienst leisten kann, noch schutzloser zurück. Denn die Mitglieder der neuen Eliteeinheit werden aus den Einheiten der PNC abgezogen.

Wenn die guatemaltekischen Regierenden ihre Aufgaben weiterhin nicht mit Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit wahrnehmen, droht nicht nur die teilweise oder völlige Streichung internationaler Entwicklungshilfegelder. Große Teile der Bevölkerung werden angesichts der sich ausbreitenden Hungersnöte und der sozialen Unsicherheit im Land nach eigenen Auswegen suchen müssen. Ein Ausdruck dieses Zwangs, individuell das Überleben und die physische Integrität sichern zu müssen, sind die erwähnten drastisch ansteigenden Migrationsbewegungen nach Mexiko und in die USA sowie das Phänomen der Selbst- und Lynchjustiz.

Eine kollektivere Alternative zeigt sich in der wachsenden Landbesetzungsbewegung der Kleinbauernorganisationen, die mit der Forderung nach einer Landreform in den vergangenen Wochen mehr als 50 Ländereien besetzt haben, von denen sich die Mehrheit in staatlicher Hand befindet – eine Tatsache, die für große Unruhe unter den Regierenden und den Unternehmern im Agrarsektor sorgt.

 

Straßenblockaden zur Unterstützung der Bauern

(Montevideo, 26. April 2002, comcosur-poonal).- Mitglieder mehrerer Gewerkschaftsorganisationen haben Straßen in der Hauptstadt und im Landesinneren blockiert. Sie wollten damit die Indígenas und Campesinos unterstützen, die in den vergangenen Wochen Ländereien besetzt haben. Der Dachverband der Indígenas und Campesinos hatte diese Landnahmen aufgrund der kritischen von Arbeitslosigkeit und Hunger geprägten Lage gestartet.

Seit März haben 3 746 indigene Familien rund fünfzig Großgrundbesitze besetzt. Diese Woche stürmten etwa fünfhundert Campesinos Büros des Landfonds (Fondo de Tierras). Die Gewerkschaften schließen landesweite Streiks nicht aus, falls die Regierung Alfonso Portillo keine Reaktion zeigen sollte.

 

Konfrontation zwischen Verkäufer*innen und Polizei

Von Mariana Enriquez

(Suchitepéquez, 27. April 2002, cerigua-poonal).- Spezialeinheiten der Zivilpolizei setzten Tränengas ein, um in Mazatenango eine Protestaktion von rund 125 Verkäufer*innen zu beenden. Ein Teil der Händler*innen haben im größten Markt der Stadt einen gemieteten Stand, andere bieten dort ohne Genehmigung ihre Waren an. Die Verkäufer*innen wehren sich gegen die Umleitung des Busverkehrs zum neuen Busterminal für den regionalen Verkehr, da sich dadurch der Umsatz verschlechtert hatte. Ihre Einnahmen seien deutlich gesunken, erklärten die Protestierenden, die nun am Stadteingang den Verkehr behindern.

Als die Sicherheitskräfte eintrafen, um die Zufahrt wieder zu ermöglichen, kam es zu einer Konfrontation, bei der die Polizei nach Angaben des Menschenrechtsbüros des Landkreises mit übertriebener Härte vorging. Zwölf Personen wurden verhaftet. Deshalb kehrten die Verkäufer*innen zum Markt zurück, zerstörten dort einige Lager und kündigten weitere Aktionen an.

 

ECUADOR

Kinderausbeutung auf Bananenplantagen

(Quito, 26. April 2002, comcosur-poonal).- Die Arbeiter*innen auf den Bananenplantagen Ecuadors sind Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen, klagt Human Rights Watch an. Die Organisation erwähnt, dass zum Teil achtjährige Kinder unter gefährlichen Bedingungen auf den Pflanzungen arbeiten, während die Erwachsenen ausgebeutet werden und dies hinnehmen, da sie Angst haben, bei Ausübung ihrer gewerkschaftlichen Rechte entlassen zu werden.

Ecuador ist der wichtigste Bananenexporteur weltweit und produziert fast ein Viertel der Bananen, die in den USA und Europa konsumiert werden. Die Exportunternehmen der Branche – Chiquita, Del Monte und Dole sowie die einheimischen Konzerne Noboa und Favorita – fördern den Respekt vor den Rechten der Arbeiter*innen nicht. An der Spitze der multinationalen ausländischen Konzerne steht Dole. Knapp ein Drittel der von dem Unternehmen exportierten Bananen kommt aus Ecuador.

„Die ecuadorianischen Bananen, die Sie zu Hause verzehren, sind vielleicht unter beklagenswerten Arbeitsbedingungen produziert worden“, erklärt José Miguel Vivanco, Direktor von Human Rights Watch für den Kontinent Amerika. Die gefährliche Kinderarbeit ist weit verbreitet auf den Bananenplantagen.

Die Untersucher*innen der Menschenrechtsorganisation sprachen mit 45 Kindern, die auf den Pflanzungen arbeiteten. 41 von ihnen begannen ihren Job im Alter zwischen acht und 13 Jahren, die Mehrheit mit zehn oder elf Jahren. Die Arbeitstage dauern zwölf Stunden. Weniger als 40 Prozent der Kinder, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, gehen noch zur Schule.

Bei der Arbeit sind sie giftigen Pestiziden ausgesetzt, tragen schwere Bananenstauden, müssen unreines Wasser trinken und erleiden teilweise sexuelle Belästigung. Fast alle Kinder arbeiten auch dann weiter, wenn die Flugzeuge die Pestizide über ihren Köpfen versprühen. Trotz dieser Bedingungen beträgt der durchschnittliche Lohn nur 60 Prozent des Mindestentgeltes für die Erwachsenen. Die Kinder werden so zur billigen Arbeitskraft.

Chiquita, Del Monte, Dole, Favorita und Noboa, alle profitieren von der Kinderarbeit. Human Rights Watch schildert in seinem Bericht den Fall der zwölfjährigen Fabiola Cardozo, die bereits zweimal nach den Sprühungen aus der Luft erkrankte. „Ich hatte Fieber… ich sagte dem Chef, ich würde mich krank fühlen… Er schickte mich nach Hause…“. Beim zweiten Mal, so Fabiola „bekam ich überall rote Flecken, die juckten. Ich hatte Husten. Mir taten die Knochen weh. Ich sagte das dem Chef. Er schickte mich nach Hause.“

Die Fälle spielen sich immer nach dem gleichen Muster ab. Um sich vor der versprühten giftigen Flüssigkeit zu schützen, suchen die Kinder Schutz unter den Bananenblättern. Sie ziehen den Kopf ein, bedecken sich das Gesicht mit ihrem Hemd, schützen Mund und Nase mit den Händen oder stülpen sich die Bananenkartons über den Kopf. Die Mädchen sind noch ganz anderen Gefahren ausgesetzt. Zwei zwölfjährige und ein elfjähriges Mädchen berichteten von den sexuellen Nachstellungen des Chefs der Verpackungsanlagen von San Fernando und San Alejandro, zwei Plantagen der Unternehmensgruppe Las Fincas.

 

CHILE

Neues „Scheidungsrecht“ Eiertanz um die Nichtigkeit von Ehen

Von Andrea González

(Santiago, 23. April 2002, sem-poonal).- Das von 1884 datierende Gesetz über die bürgerliche Ehe wird innerhalb der kommenden zwei Monate im chilenischen Kongress reformiert werden. Neue Gründe, eine Ehe für nichtig erklären zu lassen, werden aufgenommen, einige alte werden wegfallen.

Das Gesetz über die bürgerliche Ehe ist in Chile bekannt als das „Scheidungsgesetz“. Da die Scheidung in dem südamerikanischen Land offiziell jedoch verboten ist, wurde in der gängigen Praxis zu anderen Lösungen gegriffen. So führten diejenigen, die ihren Bund fürs Leben auflösen wollten, in der Vergangenheit oft die Inkompetenz des Eherichters an oder präsentierten falsche Zeugen. Nach den neuen Regeln, die Mitglieder der Verfassungskommission des chilenischen Senats diskutiert haben, soll so etwas zukünftig nicht mehr geduldet werden.

Dagegen wird voraussichtlich als Grund für eine Nichtigkeitserklärung aufgenommen, wenn die alte Ehe einer neuen Partnerschaft im Wege steht. Minderjährige, die jünger als 16 Jahre alt sind, sowie Personen, die mit Partnern verheiratet sind, deren Geistesgestörtheit ein Eheleben unmöglich macht, sollen ebenfalls die Nichtigkeit der Ehe beantragen können.

Die Senatskommission kam überein, Personen mit „fehlender Urteilskraft“ bezüglich der Rechten und Pflichten in einer Ehe als nicht ehefähig einzustufen. So charakterisiert werden ebenfalls Personen, die weder in verbaler, schriftlicher oder Zeichenform ihren Willen ausdrücken können. Die Kommission hat noch nicht darüber entschieden, ob in der Reforminitiative auch die Fälle von „permanenter und unheilbarer Impotenz“ als Grund für Ehenichtigkeit erwähnt werden.

In dem Reformwerk wird die Verfassungsformulierung wiederholt, in der unter anderem die Familie als „Grundlage der chilenischen Gesellschaft“ und die Ehe als „wichtigste Grundlage“ der Familie bezeichnet wird. Der Kommissionsvorsitzende, Senator Andrés Chadwick – dem Opus Dei und der politischen Rechten des Landes verbunden – hat zugegeben, dass es keine einheitliche Auffassung gibt. Zweifellos gebe es Parlamentarier, „die für ein Scheidungsgesetz sind, sowie andere, die diese Meinung nicht teilen“.

Der zentrale Diskussionspunkt ist eindeutig, ob das neugefasste Gesetz tatsächlich die Scheidung aufgrund einer neuen Partnerbeziehung erlauben wird. In Chile gibt es einen bedeutsamen Prozentsatz von Familien, die ihr Leben nicht haben regeln können, weil sie durch vorherige Ehen gebunden sind.

 

URUGUAY

15,1 Prozent weniger Exporte im Februar

(Montevideo, 30. April 2002, comcosur-poonal).- Nach Informationen der Zentralbank von Uruguay war der Rückgang der Exporte mit 15,1 Prozent im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres im Februar nicht mehr so stark wie im Januar. Damals war mit 28,7 Prozent der größte Exporteinbruch seit Juli vergangenen Jahres zu verzeichnen. In den zwölf Vormonaten ging der Verkauf von Waren an das Ausland im Vergleich zum selben Zeitraum vor einem Jahr um 14 Prozent zurück.

Die Abwertung des argentinischen Peso wirkt sich weiterhin negativ auf den Export Uruguays aus. Der Export nach Argentinien betrug nur ein Viertel der Menge des Vorjahres. Der Verkauf von Waren an Brasilien ist um 23,17 Prozent zurückgegangen, an Chile um 55,77 Prozent. Der Export in die USA beträgt 35,35 Prozent weniger als im Vorjahr, nach Kanada ist er um 70 Prozent gesunken. Exportzuwächse sind dagegen zu verzeichnen mit Mexiko (5,36 Prozent), der EU (11,76 Prozent), der Volksrepublik China (17,14 Prozent) und dem Mittleren Osten (50 Prozent).

 

Die soziale Ver(un)sicherung in Uruguay

(Montevideo, 27 April 2002, comcosur-poonal).- Die Kommission der Arbeitnehmer*innen bei der Sozialen Fürsorge Bank (BPS) hat jetzt einen ausführlichen Bericht über die Situation sozialen Versicherung veröffentlicht. Aus diesem geht hervor, dass die BPS im Jahr 2001 13 000 Ruhestandsgelder weniger zahlte als 1998 und damit 54 Prozent weniger Rentenzahlungen bewilligte als 1997. Die durchschnittliche Menge der bewilligten Renten und Pensionen ging ebenfalls substanziell zurück.

2000 erhielt man durchschnittlich 700 Pesos weniger im Monat als zuvor. Zum ersten mal in der modernen Geschichte der Sozialversicherung kommen die Einzahlungen nicht von den Arbeiter*innen und den Unternehmen, sondern – über staatliche Zuschüsse – von den Konsumsteuern wie der Mehrwertsteuer. Diese Abgaben werden von allen bezahlt, auch von der immer größer werdenden Zahl von Menschen, die von den Sozialversicherungsystemen ausgeschlossen sind. 1990 kamen 18 Prozent aus staatlichen Kassen und 82 Prozent aus echten Einlagen. 2001 überstiegen die Einlagen der staatlichen Gelder 50 Prozent.

Die Kommission analysierte auch die Situation der an den verwalteten Vorsorge-Fonds (AFAP) angeschlossenen Arbeiter*innen. Dabei stellte sie fest, dass diese Arbeiter*innen nach ihren Abrechnungen weniger Geld besitzen, als sie während der sechs Jahre, seit denen das System der privaten Altersvorsorge existiert, eingezahlt haben. Im Monat Dezember erreichten die Einlagen die Summe von 1,045 Millionen US-Dollar, aber im Moment sind nur 986 Millionen vorhanden. In nur zwei Monaten diesen Jahres haben die Arbeiter*innen 90 Millionen US-Dollar verloren.

 

Uruguayer brechen ihre Beziehungen zu Kuba nicht ab

(Montevideo, 27 April 2002, comcosur-poonal).- Auch wenn die Regierung Jorge Battles es tat, ist die öffentliche Meinung Uruguays eine Andere. Nach einer von der Tageszeitung „El diario“ veröffentlichen Umfrage sind 40 Prozent der Uruguayer nicht mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Kuba einverstanden. 35 Prozent würden eine weniger drastische Maßnahme bevorzugen. Lediglich 8 Prozent der Befragten unterstützten die Haltung der Regierung.

Bereits vorher hatte eine andere Umfrage gezeigt, dass 65 Prozent der Bevölkerung das Votum Uruguays gegen Kuba in der UNO ablehnt, mit dem Vertreter des Staates bei der Genfer Menschenrechtskommission im April gegen die Karibikinsel Front gemacht haben. Nach Angaben des Unternehmens People´s Tendencies „teilt die Mehrheit der Uruguayer die Entscheidung für einen Bruch mit Kuba nicht“. People´s Tendencies differenziert weiter, dass die Befragten der betreffenden Gruppen kritische Ansichten gegen die Entscheidung der Regierung äußerten.

Nach Angaben der Interviewer hatten die Kommentare einen eindeutig emotionalen Beiklang. Ideologisierung spielte in den Ansichten der Befragten keine Rolle, vielmehr eine Identifikation, eine Art Mitgefühl. „Die Uruguayer identifizieren sich zunehmend mit einem Land, das ihnen klein und arm wie das Ihrige erscheint und halten den Weg des Streits und Bruchs für unangemessen.“ Die Studie ergänzt, dass die Entscheidung der Regierung schwer auf das Mitgefühl der Uruguayer schlug, die nicht zu radikalem Verhalten neigen.

 

BRASILIEN

Da Silva schlägt progressives Besteuerungssystem vor

(Rio de Janeiro, 29.April 2002, oficina de informacoes-poonal).- Mit seinem Vorschlag für eine stärkere Abstufung der Steuerklassen bei der Einkommenssteuer stieß Luis Inácio Lula da Silva, Präsidentschaftskandidat der Arbeiterpartei PT, vergangene Woche in Salvador in ein Wespennest. Nach seinem Vorschlag soll das Besteuerungssystem von fünf Prozent für die niedrigsten Einkommenschichten und bis zu 50 Prozent für Einkommen in Millionenhöhe erweitert werden.

Bisher gibt es nur drei Steuerklassen: Steuerbefreiung für Einkommen bis 1058 Reais monatlich, 15 Prozent für Einkommen von 1058 bis 2115 Reais und 27,5 Prozent für die darüber liegenden Einkommensschichten. Lulas Vorschlag sieht vor, die Beiträge der mittleren Einkommensschicht (zwischen 1058 bis 2115 Reais) zugunsten einer stärkeren Abstufung der Steuerklassen und der Erhöhung des Höchstsatzes zu verringern. Das könnte bedeuten, dass die Einkommensgruppe von über 300 000 Reais monatlich mit 50 Prozent besteuert würde.

Bekanntlich sind es in Brasilien die Lohnarbeiter*innen, die wegen direkter Steuerabzüge den Topf füllen. Besserverdienende, Selbstständige mit höheren Einkommen und die Unternehmen finden immer einen Weg, sich der Steuer zu entziehen, indem sie ihre Gehälter als indirekte Einkünfte wie Fahrtkosten, Wohnung und Nahrungsmittel angeben. Die Reichen mit Auslandskonten machen häufig Geschäfte durch Geldtransfers zwischen ihren Konten, oder sie umgehen den Fiskus beispielsweise durch Immobilienkäufe. Der noch nicht weiter ausgeführte Vorschlag Lulas löst nicht das Problem, wie man solche Betrüger zur Kasse bitten kann, aber dem Vorschlag nach sollen alle grundsätzlich zu höheren Beitragszahlungen verpflichtet werden.

Insgesamt wird der Wahlkampf für die brasilianische Präsidentschaftswahl überwiegend mit konservativen Inhalten geführt. Die Bevölkerung scheint nur sanfte Veränderungen ohne einen wirklichen politischen und gesellschaftlichen Wandel zu wollen, und die Kandidaten unternehmen auch nicht den Versuch, diesem Klima etwas entgegenzusetzen. Deshalb wurde Lula praktisch von allen Seiten kritisiert. Selbst aus den Reihen seiner eigenen Partei. Lulas Wirtschaftsberater vom Bürgerrechtsinstitut, Guido Mantega, war schnell dabei, die 50 Prozent als „übertrieben“ abzutun.

Der Abgeordnete und Wirtschaftswissenschaftler Aloysio Mercadante erklärte indessen, Lula setze sich nur für eine fortschrittlichere Einkommenssteuer ein, da „die Mittelklasse mehr bezahlt als sie sollte, während diejenigen, die am meisten verdienen, Schlupflöcher finden, um die Steuer zu umgehen. 49 Prozent der Banken bezahlten zum Beispiel im Jahr 2000 keinen einzigen Centavo.“ Anthony Garotinho, ehemaliger Gouverneur von Rio und Präsidentschaftskandidat der sozialistischen Partei PSB nannte Lula gar einen „unverantwortlichen Blutsauger“, der unfähig sei, eine Vision zu entwickeln, „ohne die Steuern zu erhöhen und das Volk noch mehr auszubluten“.

PSBD-Kandidat José Serra äußerte, der Vorschlag sei nichts weiter als „Wahlkampfgeschwätz“. Er stelle „eine Einladung zur Steuerhinterziehung“ dar und trüge nicht zur Lösung des Steuerproblems bei. In diesen Reigen stimmten auch der Steuerspezialist und Anwalt der großen Beitragszahler Ives Granda Martins, der neoliberale Wirtschaftswissenschaftler Eduardo Gianetti da Fonseca und der ehemalige Finanzminister Maílson da Nóbrega ein. Der Gedankengang ist bei allen dreien derselbe: Zum einen fördere die Erhöhung der Steuern die Hinterziehung. Zum anderen würde sich die Besteuerung der Spitzeneinkommen, die eine extrem kleine Minderheit beträfe, in der Steuerkasse gar nicht bemerkbar machen.

Diese Überlegung ist allerdings zu kurz gegriffen. Nimmt man als Ausgangspunkt die Einkommenssteuerzahlungen von 1999 – vor der inflationsbedingten Korrektur der Einkommensklassen, die damals bei 900 Reais Monatseinkommen begannen – so wird deutlich, dass schon geringfügige Korrekturen zur Verringerung der Steuerbelastung der mittleren Einkommensschichten führen. 1999 zahlten 7,4 Millionen Beitragszahler*innen und damit 87 Prozent all derjenigen, die ihre Einkommensteuererklärung abgaben, 800 Millionen Reais. Etwa 100 000 Beitragszahler*innen mit über 10 000 Reais Monatseinkommen zahlten 4,3 Milliarden Reais.

Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Erhöhung der Steuerbeiträge für diejenigen, die mehr als 10 000 Reais verdienen, eine Steuersenkung oder sogar eine Steuerbefreiung für jene ermöglicht, die weniger als 1 500 Reais im Monat verdienen. Heute zahlen die Reichsten praktisch gar nichts, indem sie illegale Tricks zur Steuerhinterziehung oder auch legale wie Steuerumgehung anwenden. Wie sollte also eine besondere Steuerklasse für die ganz Reichen, die deren Steuerfreiheit endlich beenden würde, noch mehr Steuerhinterziehung nach sich bringen?

Auch im internationalen Vergleich kann man positive Beispiele für ein derart abgestuftes Steuersystem finden. Der Wirtschaftswissenschaftler Márcio Pochmann, dessen Doktorarbeit den Vergleich der Steuersysteme Englands, Frankreichs, Italiens und Brasiliens zum Thema hatte, befand den Vorschlag für tauglich. Der Ökonom wies darauf hin, dass in den skandinavischen Ländern, wo die Höhe der Einkommen nicht so stark variiert wie in Brasilien, die Steuerklassen nach den Einkommensgruppen ausgerichtet sind. Dies diene einer gerechteren Einkommensverteilung.

Nimmt man in einem internationalen Vergleich die Steuersysteme genau unter die Lupe, wird deutlich, dass die vehemente Kritik eher aus einer anderen Ecke rührt, als dass sie tatsächlichen Erfahrungswerten folgt. Eine am 28. April in der Tageszeitung „O Globo“ veröffentlichte Übersicht zeigt, dass die Länder der Ersten Welt die Bürger*innen mit den höchsten Einkommen auch entsprechend hoch besteuern: Österreich verlangt von ihnen 47 Prozent, Frankreich 54, Kanada 54,1, Die Bundesrepublik Deutschland 55,9, Spanien 56, Schweden 59,6, Holland 60, Belgien und Japan 61 Prozent Einkommenssteuer.

 

Wird der vierte Anlauf Da Silvas wieder eine Niederlage?

(Brasilia, 28 April 2002, comcosur-poonal).- Obwohl der Kandidat der Linken, Ignacio da Silva, nach den letzten öffentlichen Meinungsumfragen seinen Vorsprung auf ungefähr 40 Prozent ausbaute, ist noch nicht alles gelaufen. Es ist der vierte Versuch des Führers der Arbeiterpartei (PT), der „Lula“ genannt wird, das Präsidentenamt zu übernehmen. Nach Informationen, die im „Jornal do Brasil“ veröffentlicht wurden, verlor der Kandidat der Sozialdemokratischen Partei, José Serra, vier Prozentpunkte und kommt nun auf 19 Prozent. Er ist damit bis jetzt der stärkste Mitbewerber.

In seinen vorherigen Bewerbungen fing Lula ebenfalls mit Vorsprüngen gegenüber seinen Gegner*innen an. Doch immer kam ein Kandidat, der es letztlich schaffte, ihn auf die Plätze zu verweisen. Heute wollen 60 Prozent der Wähler*innen einen Regierungswechsel, aber 56 Prozent geben an, dass sie ihre/n bevorzugte/n Kandidatin/en noch vor dem endgültigen Wahlmonat austauschen könnten. Die konservativen Schichten der Gesellschaft, Wirtschafts- und Finanzsektoren, nutzen schon ihren Einfluss, um den Aufstieg des Linkskandidaten aufzuhalten. Sie drücken ihre Furcht vor einer Destabilisierung Brasiliens aus. Lula verspricht unterdessen, jede der Richtlinien der jetzigen Regierung von Fernando Henrique Cardoso zu respektieren.

 

BRASILIEN-USA

USA legen Veto gegen Brasilianer ein

(Montevideo, 26.April 2002, comcosur).- Auf Druck von Washington wurde José Bustani, der Leiter der OPWC (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons), unter Protest der Regierung Fernando Henrique Cardosos abgesetzt. Der Brasilianer hatte sich für die Aufnahme Iraks in die OPWC ausgesprochen, um so die Waffenvorkommen im Irak überprüfen zu können. Dennoch wiedersprachen diese Absichten denen der USA, die eine militärische Intervention auf das Territorium Sadam Husseins planen. Brasilien erklärte, die Vereinigten Staaten hätten ohne jegliche Vorkommnisse eine Absetzung des Brasilianers angeregt, obwohl Bustani einstimmig gewählt worden war. Während seiner Amtszeit wurden weltweit mehr als 15% aller chemischen Waffen vernichtet.

 

KUBA

Immer mehr Kubanerinnen arbeiten als bezahlte Haushaltshilfen

Von Dixie Edith

(Havanna, 24. April 2002, sem-poonal). Wegen des materiellen Mangels und auch sozioökonomischer Veränderungen wird die Hausarbeit ganz allmählich wieder eine Option für kubanische Frauen, die Arbeit suchen. Dabei geht es nicht um Haushaltsarbeiten im eigenen Zuhause, die in offiziellen Dokumenten „Hausarbeit“ genannt werden, sondern um die „entlohnte Beschäftigung im Haushalt“, wie die Definition einiger Fachleute lautet.

Tamara Valdés, die einen Universitätsabschluss hat, erzählte sem, wie sie in den schwierigsten Jahren der 1990 beginnenden Wirtschaftskrise ihre Arbeit aufgab, um als Angestellte in einem Haushalt zu arbeiten, in dem sie in nordamerikanischen Devisen bezahlt wurde.

Heute ist sie wieder in ihrem Beruf beschäftigt, aber ihr Fall ist eher die Ausnahme. Man schätzt, dass in Folge der Wirtschaftskrise die Zahl dieser Hausarbeiterinnen im Land wächst. So begann die 18jährige Amarilis Labrada, die über einen mittleren Abschluss in Kühltechnik verfügt, erst im neuen Jahrtausend, gegen Bezahlung im Haushalt zu arbeiten. „Ich habe studiert, weil meine Eltern mich gezwungen haben, aber es gefällt mir nicht. Ich putze lieber, weil ich so meine Unkosten bezahlen kann, ohne von jemandem abhängig zu sein. Stell dir vor, ich verdiene in den zwei Häusern, in denen ich arbeite, mehr als meine Mutter und mein Vater zusammen“, sagte Amarilis zu sem.

In jedem der besser gestellten Haushalte, in denen sie arbeitet, bezahlt man ihr zehn Dollar monatlich. Zusätzlich kann sie noch etwas verdienen, indem sie Wäsche mit nach Hause nimmt und dort wäscht. Hier hat sie ein garantiertes Monatseinkommen von 520 Pesos (20 US-Dollar). In ihrem Beruf würde sie 245 Pesos verdienen; das Durchschnittseinkommen in Kuba beträgt etwa 307 Pesos.

Es gibt keine Statistiken und keine veröffentlichten Daten über die bezahlte Hausarbeit. Sie zählt auch nicht zu den Tätigkeiten und Berufen, die mit Erlaubnis der Regierung auf eigene Rechnung betrieben werden können. Aber eine noch laufende Untersuchung der Soziologie-Fakultät der Universität Havanna, die die Lebensgeschichten von 15 jungen Frauen zwischen 18 und 30 Jahren aufgenommen hat, zeigt, dass sie ein wichtiger Teil des Arbeitsmarkts in Kuba ist.

Die Hausangestellten finden ihre Arbeit normalerweise in der nahen Umgebung ihres Wohnortes, durch Empfehlungen, bei gut bekannten Nachbarn und manchmal bei Angehörigen mit höherem Einkommen. Während einige Frauen nur am Wochenende putzen und sonst studieren, beziehen andere ihr ganzes Einkommen aus dieser Arbeit. Die Bezahlung variiert von einem Minimum von 100 kubanischen Pesos für ein oder zwei Mal pro Woche putzen bis zu einem Maximum von 15 oder 20 Dollar, wenn die Frauen während der Woche mehrere Aufgaben erledigen.

In den kubanischen Familien waren die Frauen ohne Zweifel am meisten von der Krise betroffen und fanden die kreativsten Lösungen. Viele entschlossen sich, kleine Geschäfte zu eröffnen. Die Jüngeren erlernten Berufe, die Geld bringen oder die Arbeit im Ausland möglich machen, wie EDV oder Sprachen sowie einige traditionelle Berufe. Andere Frauen kehrten wegen des Abbaus staatlicher Arbeitsplätze in den Haushalt zurück und suchten andere Formen, ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Nach Forschungen der Abteilung für Familie des Zentrums für psychologische und soziologische Studien (CIPS), einer Forschungseinrichtung der Regierung, kehrten in den Neunzigerjahren und auch heute viele ältere Frauen – auch über 80jährige – in die traditionellen Berufe ihrer Jugend oder ihrer Vorfahren zurück. Die meisten von ihnen putzen, bügeln, waschen und – seltener – kochen gegen Bezahlung in fremden Haushalten.

Nach dem Zensus von 1953 waren 63,5 Prozent aller für Lohn arbeitenden Frauen privat angestellte Arbeiterinnen – in ihrer Mehrzahl Hausangestellte. Aber erst jetzt hört man wieder in Alltagsgesprächen den Bezug auf die „Person, die mir im Haushalt hilft“ oder die „Frau, die für mich putzt“.

 

BOLIVIEN

Kardinal fordert EU-Kontrolle über Steuergelder

(La Paz, 26. April 2002, comcosur-poonal).- Der Vorsitzende der Bolivianischen Bischofskonferenz, Kardinal Julio Terrazas, hat in Deutschland darum gebeten, dass die Europäische Union überwacht, wie die bolivianische Regierung mit öffentlichen Geldern umgeht. Eine Abordnung von Bischöfen sprach unter anderem mit dem Vorsitzenden des deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse. Das Andenland hatte 4,5 Milliarden Dollar Auslandsschulden. Mehrere Länder, darunter die Bundesrepublik Deutschland, haben insgesamt 2,5 Milliarden erlassen. Den Bischöfen ist nun Transparenz von Seiten der bolivianischen Regierung beim Umgang mit den öffentlichen Geldern ein Anliegen.

Der Erlass eines Teils der Auslandsschulden hat zu keiner Veränderung der extremen Armut des Landes und seiner Bevölkerung geführt. „Die Korruption ist in der Gesellschaft so weit verbreitet, dass die geforderte Transparenz oft nicht gegeben und eine soziale Kontrolle dringend notwendig ist“, erklärt der Erzbischof der Hauptstadt, Edmund Astoflor. Die Kirchenmänner bestehen darauf, dass die Gelder vor allem denen zugute kommen müssen, die es am meisten brauchen.

 

PARAGUAY

Extreme Armut

(Asunción, 26. April 2002, comcosur-poonal).- Nach Angaben der Weltbank überlebt über die Hälfte der Bevölkerung Paraguays mit weniger als zwei Dollar am Tag. 19,5 Prozent haben weniger als einen Dollar am Tag. Weltweit betrachtet leben von den 6,1 Milliarden Bewohner*innen unseres Planeten 50 Prozent mit einem Einkommen von beschämenden zwei US-Dollars am Tag.

 

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