(São Paulo, 11. August 2022, la diaria).- An mehreren brasilianischen Universitäten haben sich am 11. August Menschenmengen versammelt, um gemeinsam ein Schreiben zugunsten der Demokratie und des Wahlsystems in Brasilien zu verlesen. In knapp zwei Monaten, am 2. Oktober, finden im Land Präsidentschaftswahlen statt. Der aktuelle Präsident Jair Bolsonaro hatte zuvor das elektronische Wahlsystem, das seit 1996 in Brasilien verwendet wird, permanent angegriffen und im Falle einer Wahlniederlage mit antidemokratischen Mitteln gedroht.
Der „Brief an die Brasilianer zur Verteidigung des demokratischen Rechtsstaates“, der von der juristischen Fakultät der Universität von São Paulo (USP) unterstützt wird, hatte innerhalb eines Monats mehr als 956.000 Unterschriften gesammelt. Nach Angaben der Zeitung Folha de São Paulo bezieht sich die Initiative auf einen historischen „Brief an die Brasilianer“ vom August 1977. Er war an der gleichen Fakultät entstanden und gilt als Symbol des Kampfes für die Demokratie in der Diktatur.
„Wir wollen freie und friedliche Wahlen, einen Prozess ohne Fake News und Einschüchterung“
Ohne Bolsonaro auch mit nur einem Wort zu erwähnen, weist der Text die „unbegründeten Angriffe“ zurück, die „die Sauberkeit des Wahlprozesses und den von der brasilianischen Gesellschaft so hart erkämpften demokratischen Staat“ in Frage stellen. In dem Schreiben heißt es, „die Bedrohung der anderen Gewalten und Bereiche der Gesellschaft, die Aufstachelung zur Gewalt und der Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung“ könnten nicht hingenommen werden.
Aus diesem Anlass fanden mehrere Vorträge statt: „Wir wollen freie und friedliche Wahlen, einen Prozess ohne Fake News und Einschüchterung“, sagte der Rektor der Universität von São Paulo, Carlos Gilberto Carlotti, bei der Eröffnung der Veranstaltung. „Wir haben es hier mit einem Treffen von Gewerkschaftern, Unternehmern und zivilgesellschaftlichen Bewegungen zu tun“, betonte Celso Fernandes Campilongo, Direktor der juristischen Fakultät der USP. „Das zeigt, dass es jetzt schon einen Wahlsieger gibt. Dieser Gewinner ist das brasilianische Wahlsystem. Dieser Gewinner ist die Rechtmäßigkeit des demokratischen Staates und der Rechtsstaatlichkeit. In erster Linie und vor allem ist der Gewinner der Wahlen das brasilianische Volk“, fügte er hinzu. „Dieser Akt ist ein Akt der Ruhe, der Gelassenheit und gleichzeitig ein Fest der Demokratie“, sagte Fernandes Campilongo, wie das Online-Medium Brasil 247 berichtete.
Universitäten, Industrieverbände und Gewerkschaften zusammen gegen Bolsonaro
Auch in den Reden an der USP wurde Bolsonaro nicht erwähnt. Doch laut Folha wurden vor der Universität, wo das Publikum trotz Kälte und Nieselregen die Veranstaltung verfolgte, Parolen gegen den Präsidenten und für den anderen Präsidentschaftskandidaten, den ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio (Lula) da Silva, laut. Neben Slogans wie „Raus, Bolsonaro“ und Sprechchören wie „Olé, olé, olá, Lula, Lula“ waren auch Schilder mit dem Namen des Vorsitzenden der Arbeiterpartei zu sehen. Andere Transparente forderten: „Respektiert die Wahl, respektiert das Volk“.
Bevor der Brief verlesen wurde, wurde ein weiteres Manifest mit dem Titel „Zur Verteidigung der Demokratie und des Rechts“ vorgetragen. Darin wird dazu aufgerufen, das Wahlrecht zu respektieren, die Verfassung zu achten, die Justiz anzuerkennen und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Das Dokument wurde von mehr als 100 Institutionen unterzeichnet, die ein breites Spektrum von Interessen vertreten – von Arbeitgeberverbänden wie dem mächtigen Industrieverband des Bundesstaates São Paulo (Fiesp) und dem brasilianischen Bankenverband bis hin zu Gewerkschaften wie der CUT, der Fuerza Sindical und der UGT sowie der Akademie der Wissenschaften und der Nationalen Studierendenunion.
„Ohne Demokratie gibt es keine Regierung, und die sozialen Probleme können nicht gelöst werden“
Der Präsident der Fuerza Sindical, Miguel Torres, erklärte, dass der Zusammenschluss von Gewerkschaftsdachverbänden und Arbeitgeberorganisationen in diesem Manifest ein ganz natürlicher Vorgang sei, da die Demokratie über allem stehe. „Es handelt sich um eine sehr gut ausgearbeitete Charta, die die Gesellschaft über ihre Unterschiede stellt. Ohne Demokratie gibt es keine Regierung, und die sozialen Probleme können nicht gelöst werden“, so der Gewerkschafter gegenüber Folha. […]
Präsident Bolsonaro bezeichnete sowohl das Manifest als auch den Brief als „kleine Briefe“ mit „politischem“ Einschlag und sagte, er habe das demokratische System nie in Frage gestellt. Der ehemalige Präsident und Präsidentschaftskandidat Lula wiederum verkündete am Donnerstag über seine sozialen Netzwerke: „Die Demokratie zu verteidigen bedeutet, das Recht auf hochwertige Lebensmittel, auf einen guten Arbeitsplatz, ein faires Gehalt, Zugang zu Gesundheit und Bildung zu verteidigen. Das sind die Dinge, die das brasilianische Volk haben sollte“.
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