CPAC Argentina 2024 – Gott, Vaterland und sozialer Kahlschlag

CPAC Argentina 2024
Die rechten Gastgeber*innen Matt und Mercedes Schlapp begrüßen die Teilnehmenden der CPAC-Konferenz in Buenos Aires. Foto: Ute Löhning

(Buenos Aires, 6. Dezember 2024, nd-aktuell).- Am 5. Dezember 2024 traf sich der rechts-libertäre argentinische Präsident Javier Milei mit Anhänger*innen von Donald Trump und anderen Größen der extremen Rechten bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) in Buenos Aires. Fast genau ein Jahr nach der Amtseinführung Mileis feierten sie radikale Sozialkürzungen und autoritäre Sicherheitsdekrete der argentinischen Regierung, beschworen den Kulturkampf von rechts und stärken ihre internationalen Allianzen – auch gegen die UNO.

Das Treffen fand statt, kurz bevor Argentinien den Vorsitz des südamerikanischen Wirtschaftsbundes Mercosur übernahm und dieser sich mit der EU-Kommission auf ein Freihandelsabkommen einigte. Es ist das erste Treffen der CPAC in Argentinien.

Rund tausend Gäste sind ins Hilton-Hotel im Nobelbezirk Puerto Madero der argentinischen Hauptstadt gekommen. Zuerst wird die argentinische, dann die US-amerikanische Nationalhymne gespielt. Mit „Viva Argentina! Viva USA! Viva Israel! Viva Lateinamerika!”, begrüßt die Gastgeberin Mercedes Schlapp dann die Gäste. „Wer ist zum ersten Mal bei einer CPAC?“, fragt ihr Mann Matt Schlapp, der Präsident der konservativen Konferenz in den Saal. Die meisten Hände recken sich nach oben. Kein Wunder, denn im Publikum sitzen viele sehr junge Argentinier und – etwas weniger – Argentinierinnen. Die Männer etwas gleichförmig aussehend mit Anzügen und Kurzhaarschnitt, die Frauen meist sehr schick gekleidet. Sie sind stramm auf Mileis rechts-libertärem Kurs, aber noch frisch in der Politik, beginnen sich auch international zu vernetzen, bei dieser Konferenz, der ersten CPAC, die in Argentinien stattfindet.

Gegründet wurde die CPAC 1973 von Gruppierungen wie der American Conservative Union und den Young Americans for Freedom in den USA als Ort für Begegnung und Austausch gleichgesinnter Konservativer. Seit 1974 traf sich die politische Konferenz einmal jährlich in den USA, der Ex-US-Präsident Ronald Reagan gehörte zu den häufigsten Rednern. Seit 2017 finden die Zusammenkünfte auch außerhalb der USA statt, in Australien, Japan, Ungarn, zuletzt mehrmals pro Jahr. 2024 tagte die CPAC bereits fünf Mal: im Februar in Washington, im April in Ungarn, im Juli in Brasilien, im August in Mexiko – und nun zum ersten Mal auch in Argentinien.

Verbündete in einem Kulturkampf von rechts

„Der Wert der CPAC besteht darin, unsere Ideen, unseren Geist, unsere Orientierung, und unsere Visionen zu bewahren“, sagt der argentinische Präsident Javier Milei während seiner einstündigen Rede vor vollem Saal. Er, der sich selbst als Anarchokapitalist und „Maulwurf“ bezeichnet, der den Staat von innen zerstören und die „politische Kaste“ mit der Kettensäge zerlegen will, und der frühere und zukünftige US-Präsident Donald Trump mit seiner Anti-Establishment-Rhetorik sehen sich als Alliierte auf dem Weg in eine neue Zeit, als Verbündete in einem Kulturkampf von rechts und im Kampf um Abbau staatlicher Strukturen. „Wir sind die Avantgarde“, sagt Milei, er spricht von einem historischen Moment und beschwört eine „Rechte Internationale“ der gegenseitigen Unterstützung.

Auch der mexikanische Rechtsaußen-Politiker Eduardo Verástegui, der chilenische Abgeordnete Fernando Sanchez Ossa und andere lateinamerikanische Vertreter*innen aus Peru, Bolivien und Venezuela sind geladen, ebenso wie Santiago Abascal von der rechten spanischen VOX-Partei, und einige ungarische Funktionär*innen. Am stärksten repräsentiert sind allerdings Mitglieder der aktuellen argentinischen Regierung; jung, dynamisch, politisch straight auf rechts-libertärem Wirtschaftskurs. Der Brasilianer Eduardo Bolsonaro, Sohn des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, rückt Brasilien in die Nähe Venezuelas, bezeichnet es unverhohlen als „einer Diktatur immer ähnlicher“, und startet quasi eine eigene Kampagne indem er fordert, Argentinien sollte denjenigen Brasilianer*innen Asyl gewähren, gegen die in Brasilien wegen der Verfahren zur Erstürmung des Regierungspalastes im Januar 2023 ermittelt wird.

Donald Trump selbst ist nicht zur CPAC nach Argentinien angereist, aber seine Schwiegertochter und Wahlkampfmanagerin Lara Trump, die Co-Vorsitzende des Republican National Committee. „Wir stehen an einem Wendepunkt“, sagt sie. Argentinien und die USA seien bereit, „in den nächsten Jahrzehnten in ihrem Kampf für Freiheit zusammen zu stehen und gemeinsame Politik zu machen“, und wenn „Argentinien wächst, werden auch die USA wachsen“. Sie zitiert Donald Trump, der ein „Goldenes Zeitalter“ für die USA anbrechen sehe und ergänzt „von den Rocky Mountains zu den Anden werden wir unsere Nationen wieder groß machen“.

Abbau staatlicher Strukturen

Auf diesem Weg gibt es zwei große Ziele: einerseits den wirtschaftlichen Umbau, die Stärkung des freien Marktes bzw. das Zusammenschrumpfen des Staates und andererseits den Kulturkampf mit Gott, Vaterland, und ökonomischer Freiheit – gegen demokratische, feministische, inklusive Ideen und Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit.

Längst hat Argentinien die Ministerien für Soziales, Frauen, Umwelt, Bildung aufgelöst und die Finanzierung von Sozialprogrammen eingestellt. Der argentinische Wirtschaftsminister Luis Caputo spricht auf der CPAC über makroökonomische Erfolge, über den ausgeglichenen Staatshaushalt, die im Vergleich zu den Vorjahren abgeschwächte Inflation – und erntet tosenden Applaus. Von der stagnierenden Wirtschaft, den Reallohnverlusten und der zunehmenden Verarmung der Bevölkerung spricht er nicht. In den USA steht ein Umbau staatlicher Strukturen nach den Richtlinien des von der Heritage Foundation für Trump entworfenen Projects 2025 noch bevor. In Lara Trumps Rede bei der CPAC ist Elon Musk, der Twitter aufgekauft und nach ihren Worten zu einer „Plattform für freie Rede“ gemacht habe und nun Berater der Trump-Regierung für Regierungseffizienz werden soll, das Maß der Dinge und trotz physischer Abwesenheit bei der Konferenz scheinbar omnipräsent.

Kulturkampf gegen demokratische Ideen und soziale Gerechtigkeit

Den Kampf der Kulturen habe die Rechte in den vergangenen Jahrzehnten verloren, sagt Milei, sie müsse diesen nun wieder aufnehmen – denn ohne kulturellen Konsens, kein Erfolg. „Wir sind nicht radikal, wir sind Patrioten, die unsere Nationen retten“, so Lara Trump.

Wovor? Vor Kommunismus, Sozialismus, Globalismus, Wokismus, Feminismus – gemeint ist links-progressive, demokratische, menschenrechtsorientierte Politik. Im Publikum erntet Lara Trump damit Zustimmung. Besonders aufbrausend scheint der Applaus zu sein, wenn es um ein Verbot von Abtreibung, Einschränkungen von LGBTIQ-Rechten und Sexualkunde in der Schule geht.

Fortschrittliche Liberale?

Im Foyer des Hilton werden derweil Flugblätter gegen das Recht auf Abtreibung von der rechten Kampagnenplattform CitizenGo verteilt, die Gelder über den russischen Oligarchen Malofejew bezogen hat. Der einzige Bücherstand bei der Konferenz ist organisiert von der Fundación Faro, der „Stiftung Leuchtturm“, die Milei und dessen Partei La Libertad Avanza nahesteht. Dort werden Bücher das Verlags Hojas del Sur verkauft. Im Sortiment finden sich Bücher des fundamental christlichen Pablo Muñoz Iturrieta, der im Sommer 2024 beim Berliner „Marsch für das Leben“ gegen das Recht auf Abtreibung mobilisierte und Wahlwerbung für Trump und die AfD macht. Am selben Büchertisch der Fundación Faro ist auch ein Buch von Alberto Benegas Lynch, dem intellektuellen Vorbild Mileis, käuflich zu erwerben: „Wir Liberale sind fortschrittlich“, herausgegeben von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung zusammen mit dem rechts-libertären argentinischen Thinktank Federalismo y Libertad.

Das Direktoriumsmitglied der Fundación Faro, Agustin Laje, macht zusammen mit dem argentinischen Sekretär für Glauben und Zivilisation, Nahuel Sotelo, und Javier Milei Front gegen internationale Institutionen und Abkommen. Vor allem positionieren sie sich gegen die Agenda 2030 der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Umweltzerstörung, den UN-Zukunftspakt und andere internationale Abkommen sowie gegen die UNO als solche. Hinter nachhaltigen Entwicklungszielen stünden teilweise verkappte Maßnahmen im Kulturkampf von links-feministischer Seite, – und sie seien daher abzulehnen. So die Argumentation der argentinischen Regierungsvertreter bei der CPAC am 4. Dezember, fast wortgleich auch bei der Tagung des extrem rechten Political Network for Values am 2. Dezember 2024 in Madrid und bei diversen anderen Anlässen. In diesem Sinne hatte Argentinien im November als einziges Land bei UNO und G20 Gipfel gegen eine Erklärung zur Geschlechtergleichstellung gestimmt. Bei einem Besuch Giorgia Melonis Anfang November in Argentinien hatten sie und auch Javier Milei bereits erklärt, eine Liga konservativer Nationen gegen Tyrannei und Elend aufbauen zu wollen – als eine Art Gegengewicht oder Parallelstruktur gegen die Agenda 2030 und die UNO.

Dieser Artikel wurde im Dezember bei nd-aktuell erstveröffentlicht.

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