Mord an Camilo Catrillanca auch nach zwei Jahren unaufgeklärt

(Santiago de Chile, 13. November 2020, Medio a Medio/poonal).- Am 14. November 2018 veränderte sich das Leben der Famlie Catrillanca Marín für immer. An diesem Tag starb Camilo Catrillanca durch einen Schuss des Polizisten Carlos Alarcón. Der Tod des jungen Mapuche aus der Gemeinde Ercilla im Süden Chiles war eine Zäsur für das Land. Denn er legte offen, was die Mapuche seit Jahrzehnten anprangerten: illegale Praktiken der chilenischen Polizei Carabineros.

Zunächst hieß es, es gebe keine Videoaufzeichnungen von Catrillancas Tod. Es sei zu Konfrontationen gekommen, Catrillanca habe in Verbindung mit einem Überfall gestanden – Behauptungen, die nach und nach wieder verworfen wurden. Sie zeigten jedoch, wie die Carabineros versuchten, eine Tat zu vertuschen, der wohl keine Provokation vorausgegangen war: Auf Videoaufnahmen, die später bekannt wurden, ist zu sehen, wie der unbewaffnete Catrillanca von hinten erschossen wird.

Heute, mehr als zwei Jahre nach seinem Tod, ist die Gerichtsverhandlung noch immer nicht abgeschlossen. Dennoch hatte der Fall eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung, wie Verónica Figueroa Huencho vom Institut für öffentliche Angelegenheiten der Universidad de Chile betonte. Obwohl Vorwürfe des exzessiven Einsatzes von Gewalt, der Militarisierung der Region Araucanía und permanenter Razzien in deren Gemeinden bereits seit Jahrzehnten bekannt seien, habe der Fall Catrillanca letztlich bewiesen, „dass diese Brutalität existierte“. Eine Veränderung im politischen Umgang mit den Mapuche habe dies aber nicht bewirkt, sagte Figueroa Huencho weiter. Zwar sei der damalige Innenminister Chadwick in Folge einer Verfassungsklage zurückgetreten, „doch es scheint, als blieben die Entscheidungen symbolischer Natur“.

Camilo Catrillanca als „Symbol der Revolte“

„Der Mord an Camilo Catrillanca durch Akteure des chilenischen Staates geht über die politische und rechtliche Ebene hinaus“, sagte der Anwalt Nelson Miranda, der die Familie vor Gericht vertritt. Catrillancas Bild, das im Zuge der sozialen Proteste nach dem 18. Oktober 2019 auf zahlreichen Plakaten und Graffitis zu sehen war, sei zu einem „Symbol der Revolte“ geworden. „Er war der Tropfen, der das Fass im kollektiven Unterbewusstsein zum Überlaufen brachte“, so Miranda. In der Bevölkerung herrsche heute ein größeres Verständnis für die Unterdrückung der Mapuche von Seiten der staatlichen Institutionen. Die Gewalt, mit der der chilenische Staat auf Forderungen der Mapuche antworte, sei dieselbe, durch die im vergangenen Jahr bei den Straßenprotesten zahlreiche Menschen starben und Augenverletzungen erlitten.

Gerichtsverhandlungen Ende Oktober wieder aufgenommen

Die Gerichtsverhandlung im Fall Catrillanca begann nach einigen Verspätungen am 27. Oktober – aufgrund der Pandemie jedoch nur in Teilanwesenheit. Seitdem läuft der Prozess hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Presse. Die Familie Catrillanca habe geringe Erwartungen an den Prozess, sagte Anwalt Miranda, denn es sei „absolut offensichtlich, dass es in Chile eine Ungleichheit vor dem Gesetz“ gebe. Selbst wenn belastende Details über den genauen Tathergang ans Licht kämen, richteten sich diese nur gegen deren Ausführer, sagt er. Man dürfe nicht vergessen, dass das sogenannte „Dschungelkommando“, das Catrillanca tötete, von Präsident Sebastián Piñera und den ehemaligen Innenminister Chadwick vorgestellt worden war.

Neben Chadwick müssen weitere damalige Amtsträger vor Gericht noch darüber aussagen, was sich unmittelbar nach Catrillancas Tod ereignete. „Wir hoffen, naiverweise vielleicht, dass einer von ihnen die Wahrheit darüber sagt, was in diesen ersten Stunden passiert ist“, sagte Miranda.

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