von Silvia Ribeiro
(Berlin, 08. April 2011, npl/la jornada).- Anfang März erlaubte die Regierung zum ersten Mal die Aussaat von Mais in der so genannten Pilotphase. Genehmigt wurde damit ein Antrag des multinationalen Konzerns Monsanto für die Aussaat im nordmexikanischen Bundesstaat Tamaulipas. Nach Angaben des Landwirtschafts- und Ernährungsministeriums SAGARPA (Secretaría de Agricultura, Ganadería, Desarrollo Rural, Pesca y Alimentación) handelt es sich dabei um eine Fläche von einem Viertel Hektar, womit das Ministerium bezeuge, wie vorsichtig es doch sei.
In Wirklichkeit bezeugt es genau das Gegenteil: Die Prüfungen sind eine Farce. Sie sollen lediglich den Weg ebnen, damit transnationale Unternehmen, die weltweit die Landwirtschaft dominieren, in Mexiko kommerziell Genmais aussäen und ungestraft das ganze Land kontaminieren können.
Prüfung selbst gemacht – Kriterien unbekannt
Um eine Genehmigung zur kommerziellen Aussaat zu erhalten, müssen zuvor mehrere Phasen erfolgreich durchlaufen werden. Am Anfang steht die stark beschränkte experimentelle Phase der Aussaat. Die Ernte dieser Phase muss vernichtet werden. Darauf folgt die Pilotphase bei der geprüft wird, ob sich die Sorte auf einer größeren Fläche und unter normalen Umweltbedingungen noch ebenso verhält wie in der experimentellen Phase. Die Ernte der Pilotphase darf auf dem freien Markt verkauft werden. Zwischen jeder Phase muss eine Auswertung erfolgen. Auf deren Basis erfolgt die Entscheidung, ob das Verfahren fortgesetzt wird. Die Auswertung führen die Anbieter der Sorten selbst durch – oder besser gesagt: die multinationalen Unternehmen!
Die Regierungsvertreter*innen hielten geheim, nach welchen Kriterien sie Auswertungen und Experimente beurteilen. Es gibt keine Indikatoren um sich zu orientieren wie verhindert werden könnte, dass die Genmaissaat auf den Feldern nicht doch – früher oder später – andere Sorten kontaminiert. Selbst wenn die Experimente hinter verschlossenen Türen stattfänden – was nicht der Fall ist, denn sie finden in der offenen Landschaft statt – bliebe das Ganze ein perverses Theater. Die wirklichen Produzent*innen werden später bei der kommerziellen Aussaat aus wirtschaftlichen Gründen, aus Trägheit oder mangels gesetzlicher Auflagen niemals den Anforderungen zur Biosicherheit gerecht werden.
Zulassungen nur nach agrarwirtschaftlichen Gesichtspunkten
Diese Richtung wurde mit dem Gesetz über Biosicherheit und gentechnisch veränderte Organismen LBOGM (Ley de Bioseguridad y Organismos Genéticamente Modificados), dem so genannten Monsanto-Gesetz (Ley Monsanto) eingeschlagen, dessen Beiname von Tag zu Tag treffender erscheint.
Bei den 67 bereits zugunsten von vier multinationalen Konzernen genehmigten experimentellen Aussaaten von Genmais werden einzig agrarwirtschaftliche Faktoren für wichtig erachtet: etwa, ob die Pflanzen resistent gegen Schädlingsbekämpfungsmittel sind oder ob sie Würmer töten. Nicht aber, ob die genveränderten Pflanzen die Umwelt kontaminieren und in andere Maissorten auskreuzen – das eigentlich zentrale Thema in Mexiko, dem Ursprungsland des Maises.
Die Biosicherheit um diese Experimente herum beschränkt sich auf wenige Meter ungenutzten Terrains, umgeben von Stacheldrahtzäunen, Polizist*innen und Hunden die wiederum nicht dazu taugen, den Pollen transgener Pflanzen aufzuhalten. Wohl aber Bauern und Bäuerinnen, Indigene, Umweltschützer*innen und alle anderen Bürger*innen, die sich dem Feld annähern um die Interessen der Multis in Frage zu stellen.
Verstümmeltes Biodiversitätsgesetz
Die Pilotphase in Tamaulipas genügt nicht einmal den armseligen Bestimmungen, die es dazu überhaupt gibt. Es steht außer Zweifel, dass die Beamt*innen dieses Problem auf dieselbe Weise lösen werden, wie es mit der Verpflichtung geschah, ein spezielles Monitoring für den Mais der LBOGM zu etablieren: Die Verpflichtung wurde pulverisiert, bis innerhalb der gesetzlichen Regelung nur noch einige nutzlose Paragraphen übrig geblieben waren.
Schlimmer noch ist, dass die Pilotphase mit einem herbizidresistenten Genmais durchgeführt wird, der Glyphosat-resistent ist. Dessen Bewertung führte in Frankreich und Deutschland letztlich mit dazu, dass die Aussaat von Genmais aus Umweltschutzgründen gleich ganz verboten wurde. Nach Angaben von Agrar- und Umweltbehörden sei das jedoch in Mexiko kein Problem – ungeachtet dessen, dass Mexiko die Wiege des Maises ist und die Artenvielfalt um ein Vielfaches größer.
Die Gesetze von Tlaxcala und Michoacán
Hier wird um das Werk und das kollektive Erbe von Millionen Kleinbauern, Kleinbäuerinnen und Indigenen gespielt – und um den genetischen Reichtum der Nahrungsmittel dieses Landes. Für die Beamt*innen scheint sich alles jedoch nur um ein paar farbenfrohe Tupfer für den Tourismus zu drehen.
Das Netzwerk zum Schutz des Maises (Red en Defensa del Maíz), ein Zusammenschluss von mehr als 350 indigenen und bäuerlichen Gemeinden sowie Organisationen der Zivilgesellschaft aus ganz Mexiko, kritisierte auf seinem Treffen Mitte März staatliche Gesetze, die vorgeben einheimische Maissorten zu schützen, Genmais jedoch weder verbieten noch die Verunreinigung mit Genmais verhindern, wie einige Nichtregierungsorganisation und Politiker*innen in ihren Kampagnen die Leute glauben machen möchten.
Dies ist etwa bei den vor kurzem verabschiedeten Gesetzen in Tlaxcala und Michoacán der Fall. Diese Gesetze bestärken das Monsanto-Gesetz: Sie verbieten nichts und führen stattdessen Regelungen für die Lizenzvergabe der Markteinführung ein, regeln die Lagerung, Verteilung und den Handel mit Genmais.
Kleinbauern und Indigene kriminalisiert
Gleichzeitig wird der freie Tausch von einheimischen Sorten der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen kriminalisiert, indem Listen erstellt werden aus denen hervor geht, welche Samen schützenswert sind und welche nicht. Um die eigenen Samen zu schützen, müssten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie Indigene erstmal nachweisen, dass sie „einheimisch“ sind. Ein rassistischer Traum, mit dem schon viele Regierungen versuchten, Völker zu spalten. Ein ähnlicher Geist wohnt dem neuen Staatlichen Rat für Mais, einem Beratungsgremium des Ministeriums für Agrarentwicklung SEFOA (Secretaría de Fomento Agrícola), inne.
Der Bock wird Gärtner
Dieser Rat wird sich aus drei Akademiker*innen, zwei Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen, dem Chef von SEFOA und dem Gouverneur zusammensetzen, der Präsident des Rates ist. Damit es hübsch aussieht, sitzen auch ein Kleinbauer/eine Kleinbäuerin und ein Indigener/eine Indigene mit im Rat. Die Entscheidungen werden jedoch von der SEFOA getroffen. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, ist der Chef von SEFOA im Bundesstaat Tlaxcala ein ehemaliger Monsanto-Mitarbeiter, der bereits seine Zufriedenheit über das neue Gesetz geäußert hat.
Den einheimischen Mais der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen zu schützen impliziert notwendigerweise den Respekt und die Anerkennung – in deren eigenen Begriffen – der Gesamtheit der Rechte der indigenen Völker und der Bauern, die 10.000 Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet haben. Um die Verunreinigung mit transgenem Mais zu verhindern wäre es ein guter Anfang, ihn einfach im ganzen Land zu verbieten.
* Die Autorin ist Forscherin der ETC-Group
(Der spanische Originalartikel erschien am 26. März 2011 in der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada„)
Genmais: Der Bock als Gärtner – Taumalipas, Tlaxcala und Michoacán von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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