von Víctor Liza Jaramillo
(Lima, 23. Januar 2014, noticias aliadas).- In Peru besitzt derzeit eine einzige Mediengruppe rund 80 Prozent aller herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften. Der Konzern El Comercio hat am 23. August 2013 die Gruppe Epensa (Empresa Periodística Nacional) aufgekauft, indem er 54 Prozent ihrer Aktien erwarb. Bis dahin war Epensa Besitzerin der 14 Regionalausgaben der Tageszeitung Correo sowie weiterer landesweit erscheinender Publikationen.
Das Verlagsunternehmen El Comercio gehört der Familie Miró Quesada und bezeichnet sich selbst als “wichtigste multimediale Gruppe Perus”. Bis zum vergangenen August gab der Konzern neben der Zeitung El Comercio – die erstmals im Jahr 1839 erschien – sechs Tageszeitungen und sechs Zeitschriften heraus und besaß zwei Fernsehkanäle. Nun sind mit dem Kauf der Aktien drei weitere Tageszeitungen hinzugekommen, fünf Zeitschriften und zahlreiche Wochenausgaben sowie Sonderbeilagen von nationaler Reichweite, die zuvor Epensa gehörten.
Seit Anfang 2013 hatte sich die Gruppe La República ebenfalls für den Kauf der Epensa-Aktienmehrheit interessiert, verlor aber. El Comercio und La República sind die beiden auflagenstärksten Zeitungsverlage Perus, wobei letzterer einen kleineren Marktanteil von knapp 20 Prozent inne hat. So konnte El Comercio seine Vormachtstellung von 50 auf 80 Prozent ausbauen.
Das Ausmaß des medialen Ungleichgewichts
Die Übernahme hat eine öffentliche Debatte ausgelöst, die vor allem von der konkurrierenden Mediengruppe La República lanciert wurde; Deren Vorstandsvorsitzender, Gustavo Mohme Seminario, war der erste der darauf hinwies, dass die Übernahme von El Comercio “eine Medienkonzentration” bedeute, was wiederum “eine Bedrohung der Meinungsfreiheit” darstelle.
Ende November 2013 klagten acht Journalist*innen der Zeitungsgruppe La República, unter ihnen auch deren Inhaber, Gustavo Mohme Seminario, beim Verfassungsgericht gegen das Aktiengeschäft von El Comercio mit der Begründung, es widerspreche der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit. In ihrer Klage fordern sie außerdem, das Geschäft für nichtig zu erklären.
Wann hat ein Medium ein Meinungsmonopol?
Die peruanische Verfassung verbietet die monopolhafte Konzentration von Presse- und Kommunikationsunternehmen. Wann genau ein Einzelunternehmen eine Monopolstellung einnimmt und den Markt bestimmen kann ist jedoch nicht genauer ausgeführt.
In einem Interview von Infoperu erklärt der Medienwissenschaftler Jorge Acevedo, das Gesetz sehe nicht vor, dass ein Eigentümer mehrere Mediensparten besitze, wie es bei der Comercio-Gruppe der Fall sei, die auch die Mehrheit an einem Fernsehsender besitzt.
Die Presseunternehmen in Peru befinden sich in einer größeren Abhängigkeit von Wirtschaft und Anzeigenverkauf, denn dort werden Medien als privatwirtschaftliche Unternehmen geführt. Anders als in Europa hat es dort nie öffentlich-rechtlich finanzierten Rundfunk und Fernsehen gegeben.
Konzern hat nicht nur mediale Interessen
Auch Glatzer Tuesta sieht in der Nähe der Medien zur Wirtschaft eine zusätzliche Gefahr. Der Journalist moderiert das Rundfunkprogramm „Es gibt kein Recht“ (no hay derecho) von Radio San Borja in Lima, produziert wird es vom Institut der Rechtlichen Verteidigung IDL, welches regierungsunabhängig ist. Auch er findet, dass der Aktienkauf von El Comercio die Meinungsfreiheit gefährde und lokale Tageszeitungen benachteilige. Der Konzern habe nicht nur mediale Interessen: „Die Geschäftspartner von El Comercio haben Aktien im Wohnungs- und Bauwesen. Was würde passieren, wenn diese Firmengruppen Schwierigkeiten hätten? Würden diese von den Journalist*innen des Konzerns verschleiert werden, obwohl es Themen von öffentlichem Interesse wären?“
Tuesta erinnert daran, dass El Comercio während der Präsidentschaftswahlen 2011 die Kandidatur von Keiko Fujimori politisch unterstützt habe. Sie ist die Tochter des Ex-Diktators Alberto Fujimori (1990-2000), der derzeit eine Gefängnisstrafe von 25 Jahren absitzt, zu der er wegen Korruption und Menschenrechtsverbrechen während seiner Amtszeit verurteilt wurde. Tuesta erklärt: „Wenn ein Firmenkonzern viele Kommunikationsmedien besitzt, ist die Möglichkeit größer, störende Stimmen zum Schweigen zu bringen. Denn schließlich kann er, je nach seinen Präferenzen, abweichende Punkte beiseitelassen, vor Allem in Wahlkämpfen. Angenommen, El Comercio unterstützt einen bestimmten Kandidaten. Was passiert mit den anderen Kandidaten? Über sie wird auch berichtet werden, aber der eigene Kandidat wird bevorzugt und die anderen benachteiligt“.
Erhitzte öffentliche Debatte um Meinungsfreiheit
Die Meinung von El Comercio findet sich in dessen Leitartikeln und den Kolumnen seiner Journalist*innen wieder. Laut diesen sei das Medienunternehmen beim Aufkauf von Epensa gesetzesgemäß vorgegangen, und schließlich habe die Öffentlichkeit „die Freiheit, zu wählen“. Gleichzeitig habe jede Person im Land die Möglichkeit, Zeitungen herauszugeben, denn die Regeln würden dies nicht verbieten.
Kritischer äußerte sich hingegen der peruanische Präsident Ollanta Humala. In einem Fernsehinterview vom 29. Dezember 2013 nannte Humala das Aktiengeschäft von El Comercio eine „Bedrohung der Meinungsfreiheit“. Gleichzeitig wies er aber auch darauf hin, dass es dennoch nicht illegal sei. Er schlug vor, dieses Thema im Kongress zu besprechen. Tags darauf reagierte die Tageszeitung El Comercio mit der polemischen Schlagzeile: “Humala richtet verdeckte Drohungen gegen die Meinungsfreiheit”.
Die Debatte erhitzte sich daraufhin soweit, dass sich sogar der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Literaturnobelpreisträger von 2010, Mario Vargas Llosa, zu Wort meldete und eine klare Stellung gegen den Medienkonzern bezog. Er betont, dass es in einem demokratischen Staat keine derartige Konzentration der Medien geben dürfe. In seiner Kolumne in der spanischen Tageszeitung El País schrieb er, er lehne es zwar ab, dass der Staat sich einmische und ein Mediengesetz verabschiede, wie es in Argentinien und Ecuador der Fall sei. Dennoch meint er, die Justiz solle sich mit der Anzeige der acht Journalist*innen befassen; es wäre auch gut, wenn der Fall bis vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte käme.
Der anerkannte Journalist César Hildebrandt hungegen wiegelt ab. In einem Interview im venezolanischen Fernsehkanal Telesur sagte er: „El Comercio hat schlecht daran getan, Epensa zu kaufen, aber er hat innerhalb des derzeitigen Gesetzesrahmens gehandelt, der dies zulässt.“ Er kritisierte die Medien von einem anderen Punkt aus: „Von 13 Millionen Wähler*innen lesen eine Million Zeitung, während zwölf Millionen fernsehen, welches vollständig von den konservativen Gruppen kontrolliert wird. Das wahre Problem ist das Monopol, das die konservativen Gruppen auf die politische Themensetzung der Kommunikationsmedien in Peru ausüben und nicht, ob El Comercio Epenas aufgekauft hat.“
Fortsetzung der Debatte auf mehreren Ebenen
Laut dem Nachrichtenportal Amerika21 will der Kongressabgeordnete Manuel Dammert im Mai eine Gesetzesinitiative zur Medienkonzentration präsentieren, wofür er vier öffentliche Diskussionen zwischen Presse, Spezialist*innen und Zivilgesellschaft anberaumt hat.
Ein durch die Regierung auferlegtes Mediengesetz sehen Nobelpreisträger Vargas Llosa und der Journalist Tuesta nicht als Lösung der Streitfrage. Ob El Comercio nun ein Meinungsmonopol einnimmt oder nicht, darüber habe die Justiz zu entscheiden. Zu Beginn des Jahres hat das Verfassungsgericht die Klage zugelassen, die die acht Journalist*innen von La República gegen den Kauf von Epensa durch El Comercio eingereicht hatten. Die Entscheidung darüber steht noch aus.
Davon abgesehen könnte das unabhängige Interamerikanische System der Menschenrechte (SIDH) im Falle eines Machtmissbrauchs helfen. Am 24. März wird sich dessen Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) mit der Meinungsfreiheit und Medienkonzentration in Peru befassen.
Gefährliche Medienkonzentration von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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