„Wir werden noch erfrieren, ich habe Angst um meine Kinder“, sagte Omeira aus Venezuela, während sie ihr Zelt im Camp der Geflüchteten abbaute. Das Lager befindet sich am Ufer des Flusses Rio Bravo in der Grenzstadt Matamoros im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas. Auf der anderen Seite des Flusses liegt der Ort Brownsville im US-Bundesstaat Texas. Weiter westlich, ebenfalls in Texas, liegt die Stadt El Paso. Hier erlaubte die United States Border Patrol (USBP) 300 Migrant*innen den Grenzübertritt ohne gültige Papiere, damit sie bei den kalten Temperaturen von bis zu minus acht Grad Celsius nicht erfrieren. Zuvor hatten sie auf der anderen Seite des Rio Bravo in der Stadt Ciudad Juárez im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua campiert. Hier hat die Polizei 57 Menschen in die Herberge Kiki Romero gebracht, die von der Stadt Juárez verwaltet wird. Der Großteil davon seien Venezolaner*innen, die die Grenze in die USA überqueren und dort politisches Asyl beantragen wollen, so das städtische Amt für Menschenrechte. Auch in Matamoros suchten Hunderte Migrant*innen Schutz in einer von den Behörden eingerichteten Unterkunft, nachdem am Morgen des 23. Dezember die Temperatur auf minus zwei Grad Celsius (gefühlte minus neun Grad) gefallen war. Mit mehreren Transportern wurden sie zur Unterkunft gefahren. Ein Mann aus Venezuela musste von Rettungssanitätern des Roten Kreuzes in ein Krankenhaus gebracht werden, nachdem er im Freien übernachtet und wegen starker Unterkühlung das Bewusstsein verloren hatte. Gladys Cañas von der Organisation Ayudándolos a Triunfar aus Matamoros erklärte, dass mittlerweile tausend Menschen das Camp verlassen und sich in einer im Konzertsaal Mundo Nuevo eingerichteten Notunterkunft eingefunden hätten. „Ich wünschte, alle würden in die Notunterkunft gehen, aber einige lassen sich nicht überzeugen. Gestern musste ich sieben Migrant*innen überreden, sich nicht in den Fluss zu stürzen, um auf die andere Seite zu gelangen! Ihre Verzweiflung ist unbeschreiblich groß. Ihr Leben ist jetzt in Gefahr, der erste ist bereits zusammengebrochen und wir wissen nicht, wie viele es noch sein werden. Das Wetter ist sehr schlecht und die Temperaturen werden noch weiter sinken.“
Dayana de la O Rivadeneira hat den Río Bravo am 22. Dezember schwimmend überquert. Allerdings war sie nur für ein paar Stunden in Brownsville bevor sie wieder deportiert wurde. „Ich habe mich den Behörden in den USA gestellt und wurde in ein Zentrum gebracht, wo man mir etwas zu Essen gab und ich mich etwas ausruhen konnte. Dann nahmen sie meine Fingerabdrücke und brachten mich über die Brücke zurück“, berichtete sie. Während sie auf einen Lastwagen wartete, der sie zur Notunterkunft in Matamoros bringen sollte, erzählte die Trans-Frau, dass sie zusammen mit vierzehn weiteren LGBTI+-Personen über den Fluss geschwommen sei. Wo die anderen jetzt sind, wisse sie jedoch nicht. „Da ich Mexikanerin bin, haben sie mich wieder hierhergebracht, aber ich weiß nicht, was mit den anderen passiert ist.“
Eindringliche Warnung, durch den Fluss zu schwimmen
Auch Dayana warnt die Migrant*innen davor, den Fluss zu überqueren und dabei ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Die Gefahr einer Unterkühlung ist bei der eisigen Wassertemperatur zu hoch. Auch Hugo Carmona, stellvertretender Einsatzleiter der USBP in El Paso, hat dazu aufgerufen „nicht das eigene Leben zu riskieren beim Versuch, den Rio Bravo oder die Wüste zu durchqueren. Es besteht die Gefahr, zu erfrieren.“
Nach eigenen Angaben unterstützt Ayudándolos a Triunfar derzeit in und um Matamoros ca. 10.000 Personen aus Venezuela, Haiti und El Salvador. Der Bürgermeister von Ciudad Juárez, Cruz Pérez Cuéllar, sagt, derzeit hielten sich um die 20.000 Migrant*innen aus Mittel- und Südamerika in der Stadt auf. Trotz des Sturms und der widrigen Bedingungen kommen weiterhin Hunderte von Flüchtlingen in Ciudad Juárez an in dem Glauben, dass die Regierung von Joe Biden ihnen Asyl gewährt. Jedoch geschieht das Gegenteil: Die Behörden in den USA nehmen sie fest, nehmen ihre Personalien auf und deportieren sie aufgrund des illegalen Grenzübertritts. Das Recht auf politisches Asyl zu einem späteren Zeitpunkt bleibt ihnen dadurch verwehrt.
Kälte wird zur Gefahr für Migrant*innen am Grenzfluss Rio Bravo von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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