(Mexiko-Stadt, 7. März 2020, amerika21/poonal).- Gerade einen Monat ist es her, dass die brutalen Feminizide an Ingrid Escamilla und der 7-jährigen Fátima in Mexiko-Stadt das ganze Land in Aufruhr versetzt haben. Die feministische Bewegung erlebt mehr Zulauf denn je, gerade von jungen Frauen. Für den 8. März werden massive Demonstrationen erwartet, mehrere Millionen könnten am Frauenstreik am 9. März teilnehmen.
Am 8. März wird sich nicht nur die berühmte Avenida Reforma in Mexiko-Stadt in lila und grün färben, den Farben für die Frauenbewegung und für das Recht auf Abtreibung und körperliche Selbstbestimmung. Auch in den Bundesstaaten werden die Frauen auf die Straße gehen- gegen Diskriminierung und Gewalt an Frauen, die viele Kommentator*innen in Mexiko längst als Pandemie bezeichnen.
Im Jahr 2018 wurden nach Angaben des Nationalen Statistikinstituts Inegi 3.752 Frauen ermordet, das entsprach im Durchschnitt zehn Ermordeten pro Tag. Nur der kleinere Teil dieser Fälle wird als Feminizid, also als Mord aus Frauenhass, eingestuft, entweder weil die Behörden überlastet oder nicht genügend ausgebildet sind, oder weil die jeweiligen Bundesstaaten ein Interesse daran haben, die offizielle Zahl der Feminizide klein zu halten. Einer gerade erst erschienenen Recherche der Organisation “Mexicanos contra la Corrupción” zufolge wurden zwischen 2012 und 2018 3.056 Feminizide erfasst, aber nur 634 Täter zu Strafen verurteilt, das entspricht einem Fünftel der Fälle.
Die Frauen sind auf Vieles sauer
Doch die Frauenmorde sind nur die Spitze des Eisbergs, die überwiegend jungen Frauen, die seit August 2019 immer wieder auf die Straße gehen und dabei auch Denkmäler und Wände besprühen und schon eine Polizeistation anzündeten, sind auf viele Dinge sauer: Die Medien, die entwürdigende Bilder der Opfer veröffentlichen, ein Justizsystem, in dem die meisten Delikte straflos bleiben, eine machistische Gesellschaft, in der masturbierende Männer in der U-Bahn oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und in der Universität an der Tagesordnung sind, aber nicht geahndet werden.
Und nicht zuletzt einen Präsidenten, der die Sorgen eines großen Teils der Bevölkerung über Gewalt gegen Frauen nicht anerkennen will. Seit Februar war die Debatte darüber, dass Andrés Manuel López Obrador (Amlo) in seinen morgendlichen Pressekonferenzen das Thema lieber kleinredete oder davon ablenkte, groß. Bei direkten Fragen stach er eher mit Platitüden wie “man muss Frauen respektieren” hervor, als durchgreifende Pläne zu präsentieren.
Präsident redet das Problem klein
Den Aufruf von Feministinnen zum Frauenstreik- in Mexiko am Montag, den 9. März- qualifizierte Amlo als Versuch von Rechten, seiner Regierung zu schaden. Einige Politikerinnen seiner Morena-Partei riefen dazu auf, am 9. März nicht zu streiken und “an der Seite von Amlo zu stehen”. Außerdem setzte der Präsident den ersten Teil der von ihm verfügten Versteigerung des Präsidentenflugzeugs genau für diesen Tag an.
Doch mit diesen Versuchen scheint Amlo sich einen Bärendienst erwiesen zu haben. Im Monat Februar sank seine Zustimmung in der mexikanischen Bevölkerung um acht Prozentpunkte auf 63 Prozent. Dem Streikaufruf schlossen sich hingegen immer mehr Frauen an. Inzwischen haben hunderte Unternehmen und selbst staatliche Stellen bekannt gegeben, dass ihre Mitarbeiterinnen keinen Lohnabzug zu befürchten haben, wenn sie die Arbeit ruhen lassen. Und die Flugzeugversteigerung wurde nach Protesten hastig auf den 10. März verlegt- Regierungssprecher Cuevas verkündete auf Twitter: “Die Regierung respektiert die Forderungen der Frauen und arbeitet wie nie zuvor daran, ihre Rechte durchzusetzen.”
Frauentag: Massive Demonstrationen und ein Streik erwartet von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
In Puebla waren gestern 10000 Frauen auf der Straße in zwei Demozügen zum Zocalo. Heute blieben viele Betriebe geschlossen, darunter auch die Werke von VW und Audi ! Fotos demnächst bei Umbruch !