(Buenos Aires, 06.09.2020, ANRed).- Nicht weniger als sechs Wörterbücher liegen auf dem Tisch, wenn Rita Segato sich an die Arbeit macht. Schreiben ist für sie Beruf und Berufung zugleich. Bei der Suche nach einem passenden Begriff entscheidet sie sich für das Wort in der Sprache, die dem, was sie sagen will, am nächsten kommt. Beim Sprechen verfährt sie ähnlich: Sie komponiert, evoziert, betont. „Ich bin immer dem treu geblieben, was mir gefällt, was mir Vergnügen bereitet, und das ist das Denken. Mein Weg ist der des Studiums. Ich betrachte mich als Akademikerin, die sich dem revolutionären Denken verschrieben hat.“ Von Solana Camaño und Agustina Lanza
– Du hast schon immer kritisiert, dass unsere Feminismen sich zu stark an Europa orientieren. Welche Fragen, die das Thema Identität betreffen, haben wir in Lateinamerika übersprungen? Wo haben wir nicht sorgfältig aufgepasst?
– Die Situation in Bolivien und Ecuador im vergangenen Jahr verdeutlicht die Beziehung zwischen Feminismus und Staat, und daran zeigt sich auch, warum wir unsere Kämpfe immer verlieren. Ständig geht es einen Schritt vorwärts und zwei zurück, denn unser Glaube an den Staat sagt uns, dass wir uns Macht im Staat aneignen müssen, und dann sei das Problem gelöst. Doch wenn der Kampf nicht gesamtgesellschaftlich, Seite an Seite, mit dem Volk und gemeinsam mit der Basis in den Landgemeinden und auf breiter Linie geführt wird, gehen alle Errungenschaften früher oder später wieder verloren. Es ist ein Teufelskreis. Es ist in Bolivien und Ecuador passiert, und es kann sich jederzeit in Argentinien wiederholen. Bei den Wahlen haben wir einen Sieg errungen, aber wenn wir es nicht schaffen, den Menschen, den Landgemeinden, der Gesellschaft, der lokalen, der regionalen Wirtschaft diese Errungenschaften nahezubringen, werden sie bald wieder verloren sein. In letzter Zeit habe ich viel über das Jahr 2001 nachgedacht, an die Rekollektivierungen und die Veränderungen überhaupt. Aber aus dieser Situation wurde viel zu wenig gemacht, denn wieder einmal übernahm der Staat die Kontrolle über die Wirtschaft, über die Geschichte, und das ganze Neue, das im Zusammenhang mit der Krise entstanden war, ging verloren. Das nenne ich Entwurzelung: Das Land entwurzelt sich selbst. Und die Lösung entspricht wieder einmal dem eurozentrischen institutionellen Konzept. Eine gewandelte Gesellschaft jedoch wäre in der Lage, einen anderen Staat zu kreieren.
-Welche politischen und historischen Faktoren erklären diese Entwurzelung im Fall Argentinien, und welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten beobachtest du bei anderen Prozessen in der Region?
-Ich war im November 2001 hier in Argentinien, kurz vor dem Volksaufstand. Wenn die Wucht der Volksbewegung Gewerkschaften, politische Parteien und militante Gruppen über den Haufen rennt, wenn es die Menschen sind, die- wie in Chile geschehen – auf die Straße gehen, dann kommt das quasi einer Bewegung der tektonischen Platten gleich. Die Kritik an Chile lautet zum Beispiel, dass es keine Wegbereiter*innen, keine Organisation gibt. Hier liegt ein Irrtum vor. Es ist nämlich genau andersherum: Die Chance für eine Wende der Geschichte bietet sich dann, wenn Menschen auf die Straße gehen, die nicht organisiert sind. Und genau das geschah 2001. Ohne eine politische Führung, rein aus Verzweiflung angesichts der wirtschaftlichen Unterdrückung und der Unzuverlässigkeit der Politik drängten Menschen auf die Straße: Es gab Nachbarschaftsversammlungen, Küfas, Tauschhandel, vielfältige Reaktionen auf die Situation der Verknappung. Und dann kommt die Regierung und beginnt, die Dinge in Ordnung zu bringen. Die Kirchners: die besten, die wir hatten, allen voran Cristina. Aber es gab auch einen großen Verlust. Es wurde nicht der amphibische Weg gewählt, der darin bestanden hätte, auf den globalen Markt zu setzen, damit sich die Wirtschaft erholt, um gesellschaftlichen Wohlstand zu erzielen. Trotzdem: Als jemand, der die Ereignisse über einen langen Zeitraum praktisch aus dem Blickwinkel einer Ausländerin betrachtet hat, stelle ich fest, dass es 2001 eine Veränderung gab: Die Gesellschaft wurde kollektivistischer. Das Land, das ich verließ, war ein Land von Individuen, eine homogene Staatsbürgerschaft, hervorgegangen aus einem kulturell autoritären Staat, der die Nation verflachte und schon in der Schule Klone erzeugte. Aber als ich zurückkam, traf ich Leute an, die dem Hausmeister oder dem Parkplatzwächter die Hand schüttelten. Dies sind kleine Gesten, in denen sich die Dauerhaftigkeit kollektiver Bindungen zeigt.
-Welche Herausforderungen ergeben sich, wenn das Gegenteil geschieht? Zum Beispiel im Kampf für einen legalen Schwangerschaftsabbruch in Argentinien, wo die Gesellschaft diese Diskussion bereits geführt hat und es einen Fortschritt im Verständnis dieser Praxis als Recht der Frau gegeben hat. Der Staat will ihnen dieses Recht jedoch nicht zugestehen.
-Worum es bei dieser Weigerung durch den Staat geht, ist im Grunde nicht die Diskussion über die Legalisierung der Abtreibung, sondern darüber, wer das Gesetz schreibt. Im Prinzip wird damit gesagt: „Die Frauen sollen sich da raushalten und aufhören, rumzunerven, schließlich sind sie nicht diejenigen, die das Gesetz schreiben.“ Das Gesetz hat faktisch keine Auswirkungen, jeder weiß das. Es ist ein Gesetz, das an der Realität vorbeigeht. Niemals hat irgendetwas dazu geführt, dass nicht abgetrieben wurde, selbst wenn das Risiko bestand, dabei zu sterben. Natürlich sähe das Gesetz anders aus, wenn es von einem Haufen junger Mädchen, frei, fröhlich, festlich, auf der Straße tanzend, geschrieben worden wäre. Das ist das Thema der Abtreibungsdiskussion im Kongress: Wer hat die Macht über die Nation, wer hat das Heft in der Hand, in das die Gesetze eingeschrieben werden? Das sind natürlich nicht die jungen Mädchen. Aber sie werden es sein. Denn viele von ihnen sind jetzt unter 16 Jahre alt und später werden sie wählen gehen.
-Rita, Du kritisierst die patriarchale DNA bei der Bildung des Staates. Welche Rolle spielt der Staat im argentinischen Kontext, wo die feministische Bewegung viele Forderungen massiv vorbringt, wie zum Beispiel die nach einer umfassenden Sexualerziehung?
-Ich glaube nicht, dass man auf den Staat verzichten kann. In dieser Hinsicht bin ich keine Anarchistin. Aber ich denke, dass die Bewegung keine Anbindung an die breite Basis der Bevölkerung hat – und deshalb hat sie gegenüber den christlich-fundamentalistischen Kirchen und ihren Aktionen an Boden verloren. Denn dieser Staatsglaube lässt einen den Überblick verlieren über das, was in der Gesellschaft real geschieht. Der Staat ist das Gesetz, der Rechtsdiskurs, und man glaubt, dass das, was nicht in seinen Regeln steht, in Wirklichkeit nicht existiert. Und das ist ein großer Fehler. Auf diese Weise werden wir immer verlieren. Während die feministische Bewegung ihre Forderungen immer weiter an diesen Staat richtet, entstehen ganz andere Diskurse, und wir erkennen sie erst in dem Moment, in dem sie uns bereits kontrollieren: unser Leben, unsere Geschichte. Der institutionelle, eurozentrische Feminismus, der sich von den Menschen losgelöst hat, ist kein Hoffnungsträger. Die Hoffnung geht von den Menschen aus, von ihren kommunalen Strukturen mit ihren eigenen Projekten. In Ecuador zum Beispiel ist den Indígenas gelungen, was Gewerkschaften und linke Parteien nicht geschafft haben: das Volk vor dem IWF zu verteidigen. Auch in Argentinien mit seiner organisierten politischen und gewerkschaftlichen Bewegung hat das nicht geklappt. Unser Kontinent ist viel komplexer. In Chile ist die indigene Mapuche-Bewegung als Teil des gesellschaftlichen Aufstands auf den Straßen und überall präsent, selbst in der Denkweise. Damit will ich Folgendes sagen: Es ist unmöglich, Feminismus in einer ghettoisierten Weise zu denken. Es ist unmöglich, feministische Forderungen, Kämpfe und Ziele zu denken und dabei nur von „uns Frauen“ auszugehen. Das funktioniert nur, wenn man Politik und Geschichte in einem größeren Zusammenhang versteht. Dann erst verstehen wir, was mit „den Frauen“ passiert.
-Im Oktober letzten Jahres hast du zum ersten Mal an der feministischen Veranstaltung teilgenommen, die seit 1986 in unserem Land stattfindet. Was bedeutet für dich der Streit um die Namensänderung des Nationalen Frauentreffens [Es ging um die Änderung von „national“ in „plurinational“ und die Öffnung für alle weiblichen Identitäten]?
-Das war ein ziemlicher Horror, und das hat mit den traditionellen linken Parteien zu tun. Ich kenne die Mentalität. Ich habe in den siebziger Jahren viel an den Mobilisierungen teilgenommen, und ich fühle nicht den geringsten Anflug von Nostalgie. Wenn wir so große Rückschläge haben, dann liegt es daran, dass wir selbst große Fehler gemacht haben. Zu dieser Zeit waren das für uns wichtige Standpunkte, und ich bin auch jedes Mal bewegt, wenn ich die Protestmusik von damals höre, die jetzt mit den Mobilisierungen in Chile wieder in Mode gekommen ist. Aber man muss schon sehr aufpassen, dass man sich nicht im Kreis bewegt, Dinge wiederholt, was eine natürliche Tendenz ist. Es gab Niederlagen, die nicht nur mit der Stärke des Feindes zusammenhingen, sondern unseren eigenen Fehlern geschuldet waren. Ich war sehr enttäuscht über das Nationale Frauentreffen. Also, es war nicht alles enttäuschend. Das Podium der Gewerkschafterinnen, an dem ich teilnahm, war richtig richtig toll. Und auch dass Frauen aus der Organisationsstruktur heraustreten, finde ich wunderbar. Das muss man in Textform bringen, um darüber zu reden. An der Ablehnung der Plurinationalität lässt sich erkennen, dass die Kontrolle in den Händen ausgedienter Protagonistinnen liegt. Der Kommentar der Journalistin Mariana Carbajal hat es, wie ich finde, ziemlich getroffen: „Das Wichtigste an dem Treffen war der Mangel an Kontrolle“. Das bezieht sich auf die Kräfte, die aus eigenem Antrieb und mit einem gewissen Ungehorsam gegenüber der Organisation der Bewegung handelten.
-Dann muss für dich das Treffen plurinational sein und alle Stimmen hörbar machen?
-Unbedingt. Weil die Menschen so sind. Andererseits, als ich eine Abya-Yala-Diskussionsrunde sah [Abya Yala ist in der Sprache der Kuna in Panama der Name für den amerikanischen Kontinent], die von weißen Frauen, drei davon blond, organisiert wurde, empfand ich großen Schmerz. Wer in Brasilien gelebt und die Kämpfe der schwarzen Ureinwohner gesehen hat, weiß, dass Ethnie ein grundlegender Faktor ist, sie existiert. Dieser sehr schön gestaltete, malerische, farbenfrohe Tisch ignorierte gleichzeitig völlig die Besetzung des Innenministeriums durch eine Gruppe von indigenen Frauen, die mit ihrer Aktion viel erreicht hat.
-Deine Äußerungen zu Thelma Fardins Denunziation [die argentinische Schauspielerin hatte einen 30 Jahre älteren Kollegen der Vergewaltigung bezichtigt] haben eine Debatte über Lynchjustiz in sozialen Netzwerken entfacht. Deine Worte wurden benutzt, um gegen den Feminismus zu wettern. Du hast Escrache und Rufmord als zwei völlig unterschiedliche Begriffe bezeichnet, kannst du das näher erläutern?
-Ja. Escrache finde ich in Ordnung, weil es eine Form der Volksjustiz ist. Escrache entstand in Argentinien, als es keinen Staat gab, der in der Lage war, die Verbrechen der Völkermörder zu verurteilen. Escrache ist Teil der Idee des Rechtspluralismus als weitere Möglichkeit, Gerechtigkeit zu üben. Aber damit es diese gibt, braucht es einen fairen Prozess. Im Falle der Misshandlung, Belästigung und Vergewaltigung von Frauen gelingt dies oft. Aber es gibt eine beachtliche Spannbreite an Fehlentscheidungen, und die müssen wir eingrenzen. Wir Frauen haben uns zusammengetan und befinden uns gerade jetzt in einer erfolgreichen Phase. Wir können kein Risiko eingehen. Wir müssen uns an den Gerichten der Gemeinschaftsstrukturen orientieren. Es kann hier nichts Spontanes und nichts Zusammengefasstes geben, weil das unserer Zielrichtung schaden kann. Darüber hinaus muss zwischen dem pubertierenden, dem jugendlichen und dem erwachsenen Angeklagten unterschieden werden, denn es gibt eine Zeit, in der die Person lernt zu leben und Begriffe von richtig und falsch zu verstehen. Wo immer ein Machtverhältnis besteht, ist es sehr wichtig, den Altersunterschied zu berücksichtigen.
-Wenn wir über Gewalt in Beziehungen nachdenken, wie können wir junge Menschen liebevollere Beziehungen zueinander haben?
– Das ist auch so ein Problem. Das Geschlechterverhältnis ist eine einzige Katastrophe, dieser Tatsache muss man sich stellen. Ich war in meiner Jugend viel freier, als meine 30-jährige Tochter es heute sein kann. Ich konnte das Land von Nord nach Süd durchqueren, mit zwei Freundinnen, wir drei mit unseren Rucksäcken. Das war völlig ungefährlich. Heute kann man das nicht mehr machen. Ich konnte damals trampen. Ich bin 68 Jahre alt. Ich war jünger als die jungen Mädchen von heute. Das muss man im historischen Kontext sehen.
-Und durch welche historischen Faktoren erklärt sich dieser Wandel?
-Das Leben von Frauen in der Gesellschaft ist insgesamt viel riskanter. Die Ursachen dafür müsste man untersuchen. Ich glaube, dass die exzessive Sexualisierung der Kinder von klein auf, durch Werbung, Mode und Konsum, Wirkung gezeigt hat. In meinem Text Die elementaren Strukturen der Gewalt spreche ich von einer Kontinuität zwischen Vergewaltigung und Konsumverhalten. Menschen benutzen Wörter, ohne zu lernen. Mit Pädagogik der Grausamkeit spreche ich von einer Pädagogik, die uns lehrt, die Welt als eine Sache zu sehen: Das ist die Vorbereitung auf die Entwicklung einer unempathischen Lebensweise. Und der Kapitalismus ist die ideologische Unterfütterung der Verdinglichung der Welt. Die Pädagogik der Grausamkeit ist per Definition kapitalistisch. Wir müssen mit allen Mitteln versuchen, die Werkzeuge, die Ressourcen bereitzustellen, damit Mädchen, damit wir Frauen, uns verteidigen können.
-Und um sich diesem Dilemma anzunähern, das in Bezug auf „Sexarbeit ja oder Sexarbeit nein“ besteht, ist es da sinnvoll, von der Idee der Sache Frau, vom Objekt Frau auszugehen?
-Naja, zunächst einmal ist die Frage falsch gestellt, denn Menschenhandel ist ein Verbrechen – oder vielleicht auch nicht? Da ist sie wieder, die Staatsgläubigkeit. Wenn er ein Verbrechen ist, heißt das dann, dass es keinen Menschenhandel gibt? Und was bedeutet es, Zwangsprostitution als Verbrechen zu ahnden? Wenn Menschenhandel bereits ein Verbrechen ist, dies aber faktisch keine Konsequenzen hat. Die ganze Debatte ist im Ansatz falsch.
Und wie müsste sie geführt werden?
-Ich habe keine Kristallkugel, aber ich kann dir versichern, dass Kriminalisierung das Problem nicht lösen wird. Vermutlich nimmt die Unterdrückung zu, wenn alles im Verborgenen geschieht. Erst wird Menschenhandel mit den bestehenden Gesetzen als Verbrechen geahndet. Und dann stellt sich raus, dass die Reglementierung nicht funktioniert. Das sieht man in Deutschland; die Geschichten sind absolut abscheulich und lassen einen verzweifeln. Warum? Weil zwar gesetzliche Regelungen aufgestellt wurden, die Zwangsprostituierten sind jedoch Migrantinnen. Gesetz entworfen und schon in die Falle getappt. Zwangsprostitution ist ein sehr deutliches Beispiel dafür, dass das Gesetz allein nicht ausreicht, wenn kein gesellschaftliches Umdenken stattfindet. Die wirkliche Arbeit ist die Umgestaltung des Lebens, der Gesellschaft, der Beziehungen. Das ist das wirklich Schwierige. Denn was wir in der feministischen Bewegung seit langem machen, ist, ein Gesetz zu verabschieden und anschließend feiern zu gehen. Aber wenn man die Gesellschaft nicht transformiert… Das bedeutet Staatsgläubigkeit: die Welt vom Staat aus verändern zu wollen. Dabei muss es genau andersherum laufen. Die gewandelte Gesellschaft kann einen anderen Staat kreieren. Es funktioniert genau andersherum, als wir gedacht haben.
-Du sagst, dass eine Revolution ohne die Zerschlagung des Patriarchats nirgendwo hinführt…
-Und das sage nicht nur ich. Abdullah Öcalan, der kurdische Volksführer, hat dies auf großartige Weise umgesetzt. Damit wir uns im Lauf der Geschichte verändern können, ist es notwendig, das Patriarchat abzuschaffen. Ich habe das schon gesagt, lange bevor ich von Öcalan und seinen Ideen wusste. Was bedeutet Wahrheit? Wahrheit ist das Ergebnis einer Debatte zu einem Thema, sie liegt in der Übereinstimmung, in der Bewegung aufeinander zu. Vom anderen Ende der Welt aus schätzt jemand die Lage exakt so ein, wie ich es tue.
-Und wie stellt sich Rita eine echte Revolution vor?
Den Anfang macht die Erkenntnis über die allergrundlegendste Form der Unterwerfung. Macht, Ungleichheit von Macht und Privilegien, Enteignung von Werten, Kolonisierung der Körper: Das bedeutet Patriarchat. Die erste Kolonie ist der Körper der Frauen. Wenn unsere Kämpfe nicht von dieser Erkenntnis getragen sind, werden wir uns im Kreis drehen.
-In der Rede auf der letzten Buchmesse in Buenos Aires hast du uns zum Ungehorsam aufgerufen, uns aufgefordert, unsere eigene Form des Ungehorsams zu entwerfen. Wo fangen wir an?
-Ich bin immer überrascht, dass die Leute mir zuhören, mir ging es nie darum, berühmt zu sein. Ich bin immer dem treu geblieben, was mir gefällt, was mir Vergnügen bereitet, und das ist das Denken. Mein Weg ist der des Studiums. Ich betrachte mich als eine Akademikerin, die sich dem revolutionären Denken verschrieben hat. Es bereitet mir große Freude, eine neue Idee zu entwickeln. Das macht mich zufrieden. Das ist es, was mich interessiert. Eine der Formen des Ungehorsams besteht, wie ich bereits sagte, darin, darauf zu achten, nicht die Slogans und Formen der Militanz aus den 60er und 70er Jahren zu wiederholen, denn sie sind es, die uns in den Tod geführt haben. Das war der falsche Weg. Wir müssen das noch einmal überdenken. Und außerdem, wer wird sich gegen Ungehorsam stellen? Wer gegen Ungehorsam ist, hat nicht den Drang zu leben.
Übersetzung: Lui Lüdicke
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