Von Antje Vieth
(Berlin, 28. Oktober 2016, npl).- Bisher war Uruguay eines der wenigen Länder, in denen man unbekümmert den Hahn aufdrehen und selbst in der Hauptstadt Montevideo Wasser direkt aus der Leitung trinken konnte. Dieses für die meisten Europäer*innen ganz selbstverständliche Privileg, ist in den meisten lateinamerikanischen Ländern undenkbar – und nun auch in Uruguay wohl bald Geschichte. Denn seit 2013 machen in dem kleinen Land am Rio de la Plata regelmäßig Katastrophenmeldungen die Runde.
REDES: Raubbau an der Natur führte zu Wasserverschmutzung
REDES Amigos de la Tierra ist eine umweltpolitische Nichtregierungsorganisation (NRO), die sich seit Jahrzehnten für das Recht auf Wasser einsetzt. Maria Selva ist bereits seit 25 Jahren bei REDES aktiv. Sie erklärt die Gründe für die zunehmende Verschmutzung des uruguayischen Trinkwassers: „Das Ökosystem unseres Landes besteht vor allem aus Wald und Grasland. Seit einigen Jahren wird vermehrt Raubbau an der Natur begangen. Die großen Agrarkonzerne sind mit extensivem Sojaanbau und Zellstoffmonokulturen eingestiegen. In den letzten zwölf Jahren wurden zwei große Zellulosefabriken in Betrieb genommen. Das hat unserer Umwelt großen Schaden zugefügt.“
Seit 2004 verzeichnet Uruguay durch den Export von Rohstoffen ein beachtliches Wirtschaftswachstum, welches nichtzuletzt durch die Investitionen multinationaler Konzerne begünstigt wurde. Die linksgerichtete Regierung war stolz auf diese Entwicklung. Sozial, umweltpolitisch und ökologisch hatte sie jedoch fatale Konsequenzen. Maria Selva berichtet, dass die meisten eine Landreform erwartet hatten. Stattdessen werden nun kleinere Familienbetriebe verdrängt und das Land an große ausländische Konzerne veräußert, die Raps und gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen.
Düngemittel und chemische Giftstoffe
Durch die Zunahme von Düngemitteln und chemischen Giftstoffen, die durch die ausländischen Konzerne nach Uruguay importiert und hier verwendet wurden, bildeten sich vermehrt Algen im Grundwasser, erklärt Maria Selva. REDES hat dazu mehrere Studien veröffentlicht, unter anderem Statistiken, die zeigen, in welchem Ausmaß die Einfuhr und die Nutzung von Düngemitteln den Phosphor- und Stickstoffgehalt im Boden erhöht. Bei Regen werden diese Giftstoffe dann ins Grundwasser gespült. Die Konzentration an Giftstoffen ist inzwischen so hoch, dass diese vom natürlichen Kreislauf nicht mehr absorbiert werden können. Und so entstehen Algen.
Im ganzen Land scheint es Fälle von starken Verunreinigungen zu geben. Wir haben uns auf die Spurensuche begeben und trafen Adriana Pacual: Sie wohnt am Paso Picon, zwischen dem Fluss Santa Lucía und anderen wichtigen Wasserressourcen des Landes, in der Provinz Canelones im Süden Uruguays. Diese Region ist besonders stark von der Besprühung der Sojafelder mit Glyphosat betroffen. Die Verwendung von Glyphosat ist in den EU Staaten stark umstritten, eine Verlängerung der Zulassung wird es hier wahrscheinlich nicht geben. Das Krebsrisiko sei zu hoch.
Adriana Pascual führt bereits seit 2011 eine Klage vor dem nationalen Institut für Menschenrechte, nachdem ihre Tochter an den Folgen der Giftstoffe erkrankte und Hunde und Zitronenbäume auf ihrem Land verendeten. Sie berichtet, dass der Zustand des Wassers ist schlecht ist. Es stinkt und schmeckt seltsam, meint sie. Beim Duschen „juckt dir anschließend der Kopf. Es trocknet die Haare aus und macht die Hände spröde. Lässt man das Wasser in einem Gefäß stehen, bildet sich ein klebriger grüner Rand“, fügt sie nachdenklich hinzu.
Die grünen Algen
Diese grünen Algen von denen Adriana berichtet sind giftig, weil sie Blausäure enthalten. Durch den daraus resultierenden Sauerstoffmangel kommt es zur sogenannten Eutrophierung. Von Eutrophierung spricht man, wenn das Nahrungsangebot in einem Gewässer überschritten ist und daher der Sauerstoffgehalt nicht mehr ausreicht. Das führt zu weiterer Algenbildung, zu massivem Fischsterben und schließlich kippen die Gewässer um.
Auch im anliegenden Santa Lucia gibt es immer wieder Auseinandersetzungen ums Wasser. Marcus Umpierrez ist dort Mitglied der Wasserkommission, einer Bürgerinitiative, die sich für das Recht auf sauberes Trinkwasser einsetzt. Der Fluss Santa Lucia bildet eine der wichtigsten Wasserressourcen des Landes, insbesondere für die Hauptstadt Montevideo. Die Wasserkommission arbeitet vor allem daran, einen besseren Zugang zum bestehenden Datenmaterial zu bekommen. „Denn es gibt ein Recht auf Information, aber das wird uns verweigert. Wir bekommen einfach nicht alle Wasserwerte der staatlichen Wasserwerke. Und die privaten Konzerne, die für die Verschmutzung des Wassers verantwortlich sind, geben uns überhaupt keine Auskunft,“ wettert Marcus Umpierrez aufgebracht.
Wasser ist Menschenrecht
Wie aktuell mit den Wasserressourcen im Land umgegangen wird, darin sieht Marcus Umpierrez vor allem eine Verletzung der Menschenrechte. Denn in Uruguay ist das Recht auf Wasser bereits seit 2004 in der Verfassung verankert. Per Volksentscheid wurde festgelegt, dass Wasser in Uruguay als eine essentielle natürliche Ressource und der Zugang zu sauberem Trinkwasser und einem funktionierendem Abwassersystem als fundamentales Menschenrecht gelten.
Neben den lateinamerikanischen Ländern Panama, Ecuador und Nicaragua und einigen afrikanischen Ländern ist Uruguay eines der wenigen Länder, die dieses Grundrecht in dieser Form als Menschenrecht schon seit vielen Jahren anerkannt haben.
Doch obwohl das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser 2010 auch als UN-Resolution verabschiedet wurde, ist Wasser meist nicht vor Privatisierung geschützt. Das gilt auch für Uruguay. Verfassungsrechtlich ist hier eine Privatisierung von öffentlichen Gütern zwar generell nicht möglich. Dies wurde bereits 1992 in einem Volksentscheid beschlossen.
Teilprivatisierung mit fatalen Folgen
Trotzdem kam es bereits 2002 in einer uruguayischen Provinz zu einem Teilverkauf der staatlichen Wasserversorgung an ein spanisches Unternehmen. Die Folge waren Höchstpreise für die schlechteste Wasserqualität des ganzen Landes und eine kurzfristige Trinkwasservergiftung durch Kolibakterien während der Hochsaison in einem der wichtigsten touristischen Badeorte des Landes.
Zur Zeit sieht es auch nicht so aus, als würde sich die jetztige Regierung dafür einsetzen, die Entwicklung zu stoppen. Im Gegenteil. Im März 2016 reichte sie einen Gesetzesentwurf im uruguayischen Parlament ein, der die Teilprivatisierung des Bewässerungssystems generell ermöglicht. Dadurch würde ein bereits geplantes Staudammprojekt legalisiert, welches zur Zeit auf Grund der Gesetzeslage auf Eis liegt. Die Folge wäre, dass ein privates Unternehmen das Wasser an die Produzent*innen der Landwirtschaft weiter verkaufen würde. Maria Selva von der Umweltorganisation Redes meint dazu: „Das Staudammprojekt ist auf 30 Jahre angelegt. Es ist verfassungswidrig, weil nach der uruguayischen Rechtsprechung Wasser ein öffentliches Gut ist. Demnach kann ein privates Unternehmen gar keinen Staudamm bauen und das Wasser verkaufen, da dieses eigentlich der Öffentlichkeit gehört. Betroffen von diesem Gesetz sind vor allem die Familienbetriebe, die das Wasser dann teuer kaufen müssten.“
Ist das Gesetz noch zu verhindern?
Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet. Zur Zeit wird es beim Ministerium für Landwirtschaft und Fischfang geprüft. Entschieden werden soll bis Ende des Jahres. María Selva formuliert nachdenklich: „Die Frage ist, ob der Mensch die Weisheit besitzt, das ganze rechtzeitig zu stoppen, bevor eine Regeneration der Natur nicht mehr möglich ist. Ich denke das ist der Schlüssel.“
Zu diesem Artikel gibt es einen Audiobeitrag, den ihr hier anhören könnt.
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